Hat meine Tochter eine Wahrnehmungsstörung? Testen lassen oder nicht?

Hallo zusammen,

meine große Tochter war schon immer ein kleiner Spätzünder: sie ist spät gelaufen (mit 19 Monaten), hat spät mit dem Sprechen angefangen und jetzt ist das große Thema das Malen. Im Sommer wird sie fünf Jahre alt und malt noch gar nichts Erkennbares. Sie malt wirklich schöne, aber sehr abstrakte Bilder. Wenn man ihr etwas vormalt, kann (oder will) sie das nicht nachmalen. Ausmalen klappt ganz gut.

Unser neuer Kindergarten hält das alles für sehr bedenklich, allerdings sind die Erzieher auch groß im Vergleichen und ihrer Ansicht nach müssen sich alle Kinder möglichst nach einem genauen Plan entwickeln, Abweichungen sind quasi unvorstellbar (berichten mir auch andere Eltern). Um das ganze abklären zu lassen, waren wir im Herbst bei unserer neuen Kinderärztin, die zwar alles noch im Rahmen fand, uns aber dennoch ein Rezept für Ergotherapie ausgestellt hat.

Gestern hatte ich nun ein Gespräch mit der Ergotherapeutin, die mir sagte, dass meine Tochter eine Körperwahrnehmungsstörung habe und ich dringend in ein SPZ gehen soll, um sie ausführlich testen zu lassen. Prinzipiell finde ich das nicht schlimm, allerdings neigt meine Tochter in derartigen Situationen dazu, ihr Licht unter den Scheffel zu stellen und darüberhinaus frage ich mich, was das ganze bewirken soll. Selbst wenn wir dann irgendeine Diagnose haben, was dann? Kann die Ergotherapeutin dann ihren Zauberstab rausholen und meine Tochter "normal" (d.h. dass sie ins Schema passt) zaubern? Alles andere (laufen, sprechen) hat meine Tochter bisher auch problemlos von selbst aufgeholt, warum also nicht auch das Malen? Warum gab es früher nicht so etwas wie Wahrnehmungsstörungen (und wir sind trotzdem groß geworden)?

Nachdem ich mich mit Wahrnehmungsstörungen bisher nicht auskannte, habe ich ein wenig nachgelesen und nur sehr wenig von den "Symptomen" passt auf meine Tochter. Abgesehen vom Malen kann sie nicht auf dem linken Bein hüpfen, auf dem rechten schon. Die Ergotherapeutin sagte, sie habe eine gestörte Körperwahrnehmung und eine Raum-Lage-Wahrnehmungsstörung. Aber: sie fährt Fahrrad, seit sie 3 1/2 ist, Roller und Laufrad noch weit davor, hüpft Trampolin, spielt gerne und viel draußen, ist auf dem Spielplatz kaum zu bremsen, klettert wie wild... Mit dem Essen gab es auch nie Probleme. Sie spielt total gerne Brettspiele und am allerliebsten Memory und hat dabei ein großes Durchhaltevermögen.

Ich will natürlich nur das beste für mein Kind, finde dieses ganze Therapieren aber prinzipiell ganz furchtbar und frage mich, ob man ihr nicht einfach nur Zeit lassen sollte. Wir werden sie voraussichtlich sowieso ein Jahr später einschulen lassen, d.h. sie hat noch gute zwei Jahre bis zum Schulbeginn.

Sorry, jetzt ist es sehr lang geworden. Was meint ihr dazu? Sollte ich diesen entwicklungsneurologischen Test machen lassen?

Liebe Grüße,
Rumpelstilzchen

1

Hallo!

Ich bin selber Ergotherapeutin (habe aber nie mit Kindern gearbeitet) und grundsätzlich eher nicht dafür, alles sofort testen und therapieren zu lassen.

Aber...wenn jetzt schon die Verdachtsdiagnose einer Raum-Lage-Wahrnehmungsstörung im Raum steht, würde ich dem nachgehen. Ich schreibe den Text jetzt bewusst nicht auf Deine Tochter gemünzt (ich kenne sie nicht) sondern allgemein:

Sollte ein Kind eine nicht erkannte bzw. nicht behandelte Störung der Raum-Lage-Wahrnehmung haben, wird das nicht zwangsläufug von alleine besser. Das Kind muss es irgendwie kompensieren um sich z.B. die richtige Schreibweise der Buchstaben zu merken, was z.B. zu Unkonzentriertheit, Unruhe usw. führen kann (nicht muss!). Oder das Kind kann Probleme haben, sich die richtige Schreibweise von Wörtern und Sätzen zu lernen, was seine schulischen Leistungen unnötig herabsetzt. Es gibt ja auch Probleme, die sich eher bei der Feinmotorik zeigen und weniger bei der Grobmotorik wie Fahrrad fahren, Trampolin springen usw.

Mein Sohn hatte drei Jahre lang ein bis zwei Mal wöchentlich Logopädie (aufgrund einer massiven Sprachentwicklungsverzöhgerung). Er ist immer gerne zu den Therapien gegangen weil sie wirklich spielerisch gemacht werden.
gerade bei der ergotherapeutischen Behandlung von Wahrnhemungsstörungen gibt es viele richtig tolle und für Kinder spannende Therapieangebote, so dass es für sie Spiel ist und keine Therapie. Natürlich kann die Ergotherapeutin nichts auf Knopfdruck bewirken. Aber sollte wirklich eine Wahrnehmungsstörung vorliegen, kann sie Deiner Tochter gut helfen, diese zu bewältigen und mögliche Folgeprobleme zu vermeiden. Wenn nichts be dem Test heraus kommt, dann ist es doch auch gut und Du musst Dir keine Gedanken machen.

LG Silvia

4

Hallo,
magst du mir auch eine Antwort als Ergotherapeutin geben zu meinem Beitrag " Najadensitz" ( ein paar Beitzräge weiter hinten ). Wäre dir dankbar.

2

hi Rumpelstilzchen!

Ich finde, du darfst gelassen bleiben, solltest aber trotzdem deine Tochter unbedingt im SPZ vorstellen. Denn das kann ja nicht schaden, im besten Fall sogar einiges nutzen.

Dass eine Ergotherapeutin bei deiner Tochter eine Wahrnehmungsstörung "diagnostiziert" (was auch immer für eine), finde ich komisch. Ich habe mich hier neulich erst darüber aufgeregt, dass Leute mit Lehrberufen (Erzieherinnen, Ergotherapeuten, Physiotherapeuten) immer häufiger die Aufgabe von Ärzten übernehmen und das kann ich einfach nicht gutheißen.

Ich finde es gut, wenn Erzieher und Ergotherapeuten und Co. den Eltern Hinweise geben, dass sie vielleicht weitere Hilfe/Diagnostik in Anspruch nehmen sollten, aber ich finde, es überschreitet ihre Kompetenzen, wenn sie so etwas wie eine Wahrnehmungsstörung "diagnostizieren". Darum solltest du unbedingt ins SPZ gehen und deine Tochter durchchecken lassen. Denn hier werden nicht nur ggf. Wahrnehmungsstörungen diagnostiziert, sondern auch nach den Ursachen geforscht (das is für mich nämlich der entscheidende Unterschied). Darum: scheu den Weg ins SPZ nicht und lass sie untersuchen. Es will ja niemand deinem Kind was Böses tun, sondern dort sollen ja nur Möglichkeiten der besten Förderung für dein Kind "ausgeklügelt" werden. Und das willst du doch letztendlich auch.

Dass du deine Tochter nicht zu einem "Versuchskaninchen" zweckentfremden willst, kann ich verstehen. Und ich finde es im Grunde auch gut, dass du sagst, es ist für dich okay, wenn sie alles etwas später lernt. Aber trotzdem willst du doch sicher das Beste für deine Tochter (sagst du ja auch selbst), also lass sie ruhig untersuchen.

Vielleicht hat sie in den zwei Jahren zum Schulbeginn ja schon viel aufgeholt und dadurch einen richtig guten Start, dann wirst du es sicher nicht bereuen.

LG
cori

7

Hallo!

Ich mische mich mal kurz ein...
Es stimmt, das Ergotherapeuten keine Diagnosen stellen können. Aber sie führen eine Befunderhebung durch, indem sie die Kinder genau im Spiel und bei bestimmten Aufgabenstellungen beobachten und ggf. Tests (auch standadisierte Tests) verwenden. Damit können sie z.B. die Art und "Schwere" einer Wahrnehmungsstörung - um bei diesem Beispiel zu bleiben - herausfinden. Das macht kein niedergelassener Kinderarzt. Genau dafür überweist er Kinder zum Ergotherapeuten weil diese die entsprechende Ausbildung und auch Weiterbildung dafür haben. Wenn es gut läuft, stehen Arzt und Therapeut in Kontakt, um das weitere Vorgehen abzuklären.
Damit meine ich nicht, dass es eine Diagnostik im SPZ ersetzt, aber ein Ergotherapeut kann auch nicht die Aussage des Arztes ohne jegliche weitere Befunderhebung übernehmen und einfach drauf los therapieren.

LG Silvia

9

hi Silvia!

Das ist genau das, was ich meine: ein Ergotherapeut setzt da an, wo der Arzt eine Diagnose gestellt (und vor allem Ausschlussdiagnosen überprüft) hat. Gerade in einem SPZ ist das Personal ja auf diese Sachen spezialisiert und ich würde den Ärzten und dem Fachpersonal da schon recht weit trauen.

LG
cori

weitere Kommentare laden
3

Du kennst deine Tochter am Besten!
Ich persönlich halte auch nicht viel davon alles, was bei Kindern nicht ins Schema passt zu behandeln. Nicht jedes Kind, das sich individuell entwickelt ist ist krank ;-).
allerdings musst du auch sehen, dass deine Tochter vielleicht Hilfe braucht, um sich auf Dauer in unserer Gesellschaft zurechtzufinden.
In meiner Berufstätigkeit habe ich beides Erlebt, Kinder die unnötig in Therapien gesteckt wurden, die dann auch nichts gebracht haben (ADHS ist ja sehr beliebt, da kann man so schöne Pillchen geben und hat immer eine Ausrede, warum das Kind nicht richtig funktionier(en muss).
Auf der anderen Seite Kinder, die einhalbes Jahr mit Therapie die Chance hatten in der Entwicklung so stark aufzuholen, dass wir es nicht für möglich gehalten hätten und danach in keinster Weise mehr auffällig waren. Es gibt gut Gründe für beide Positionen, aber ich denke, wnen du deine Tochter genau beobachtest und beide Möglichkeiten zunächst zulässt und durchdenkst wirst du auch die Entscheidung treffen müssen und mit den Konsequenzen (egal in welcher Richtung) klar kommen müssen.
Ach ja: der Test an sich ist ja nur ein Test, wie es weitergeht kannst du ja auch gesondert entscheiden.
LG

5

Schau doch mal, ob es eine Frühförderstelle in der nächsten Stadt/Kreis-Stadt gibt.

Dort machen sie auch Tests in einer angenehmen Umgebung. Und sollte was auffällig sein, kannst Du dort auch die Ergotherapeuten, etc. in Anspruch nehmen. Das schöne dort finde ich, das alle sich untereinander austauschen können, Ergo+Logo....

Wir waren damit super zufrieden. Unser Kiga hatte auch so Anwandlungen, das die Kids nicht perfekt sind. Wir waren dann bei der Frühförderung zum Prüfen und was soll ich sagen, es war alles normal. MeineTochter war ein Spätzünder mit der Sprache aber schon 1 Jahr im voraus bei allem anderen. Und unser Junior hat auch erst mit 4 angefangen richtig zu malen - war denen im Kiga schon zu spät#schock aber er hat sich bis heute auch "normal" entwickelt.

Die können Dir auch die Ängste nehmen!!!!

GRüße
Lisa

P.S. denke auch daran, das es bei den Erziehern auch "schwarze" Schafe gibt!!!! Schubladendenken herrscht oftmals und wohl auch ein abkommen mit den Therapeuten in der Umgebung:-[

8

Danke für deine Antwort! Doch, hier vor Ort gibt es auch eine Frühförderstelle, die auch Entwicklungsdiagnostik anbietet. Ich dachte allerdings, es wäre wenn dann besser, zu einer größeren Institution (sprich: Kinderklinik) zu gehen, weil dort vielleicht die "besseren" Ärzte / Therapeuten arbeiten? Andererseits ist es vielleicht wirklich die angenehmere Umgebung und so gesehen wieder besser für meine Große.

Das mit dem Schubladendenken macht mich auch ganz fuchsig. Wäre unser Kindergarten nicht sonst so toll, hätte ich meine Tochter dort schon lange rausgenommen (nach nur sechs Wochen haben die mir eine lange Liste der "Defizite" meiner Tochter präsentiert, ohne Rücksicht darauf, dass sie sehr sensibel ist und einfach noch Zeit zum Eingewöhnen brauchte).

Liebe Grüße,

Rumpelstilzchen

10

Oje, das hört sich ja nicht gut an, besonders nach erst 6 Wochen!!!
Ich habe auch eine Maus, die recht schüchtern war und lange gebraucht hat um sich einzugleidern. Sollte dann schon mit noch nicht einmal 3 jahren zum Ergotherapeuten....

Also, vom SPZ kann ich persönlich nur abraten. In Landshut war es so, das Du immer ewig auf einen Termin warten mußtest, auch wenn Du schon in Behandlung warst - sprich Ersttermin. Und dann sollte eine Untersuchung nach der nächsten stattfinden, obwohl sie uns gesagt haben "sie wissen nicht, was meine Tochter hat". Dann sollten wir Eltern eine Familienaufstellung machen....für mich und unserem Kinderarzt war es die reinste Abzocke und wir haben es auch gleich abgebochen.

Bei der Frühförderstelle fand ich es gut, das viele Therapeuten dort praktizieren. Auch das Erstgespräch mit den Eltern war super um erst einmal herauszufinden um was es geht. Die dortige Logopädin war sogar bei uns im Kiga um herauszufinden, wo eigentlich das Problem ist - lag dann eindeutig an die Erzieherin:-[

Auch als wir später vom Kiga immer wieder Diagnosen mitgenommen haben kam dann irgendwann von der Frühförderstelle der Hinweis: "wechseln". Das war so der letzte Anstupser den wir gebraucht haben und was soll ich sagen, unsere Kinder sind normal!!! Es gibt leider Erzieher die eine andere Berufung haben. Leider war ich als Mutter am Anfang auch zu lasch und habe denen zu viel vertraut.

Grüße
Lisa

weitere Kommentare laden
6

Danke schon mal für eure Antworten! Es stimmt schon, ich habe ja auch Angst, dass ich etwas verpassen könnte. Allerdings sind wir ja schon in ergotherapeutischer Behandlung und ich frage mich nur, was sich ändern soll, wenn wir ins SPZ gehen und dann ggf. irgendeine Diagnose bekommen. Ganz ehrlich habe ich natürlich auch eine riesige Angst davor. Schließlich kennen die mein Kind doch gar nicht und bekommen nur eine Momentaufnahme und sehen gar nicht, wie toll sie ist und was sie alles kann (ich kenne meine Tochter, und weiß wie gesagt genau, dass sie wieder nicht wirklich kooperieren wird).
Aber schlimmer als das alles wäre es natürlich schon, wenn ich mir später mal Vorwürfe machen müsste, dass ich mehr für meine Tochter hätte tun können. Ich werde mal im SPZ anrufen. Bis zu dem Termin vergehen dann ja sowieso noch drei Monate...

Danke nochmal,

Rumpelstilzchen, die ziemlich traurig ist

12

Ich denke, dein Kind ist völlig normal!!!!

Ich sehe da nirgendwo irgendein Problem!

Meine Große konnte ganz lange nicht gut malen und malt heute erst mit 10 einigermaßen!

Sie ist dennoch eine der bsten in der Schule udn hat nirgendwo sonst ein Problem!

13

Vielen lieben Dank für deine Antwort. Du sprichst mir aus dem Herzen. Eigentlich denke ich mir das nämlich auch: meine Tochter ist einfach nur ein kleiner Spätzünder, sie ist in vielen Dingen ein weniger langsamer als andere Kinder, aber es kommt alles von alleine. Trotzdem will man sich halt keine Vorwürfe machen später. Alles nicht so einfach, v.a. weil mir wirklich von Beginn an immer wieder von verschiedenen Seiten gesagt wird, dass etwas nicht mit ihr stimmt... (wobei die Leute bisher immer unrecht hatten, dass sie mit 2 1/2 noch nicht gesprochen hat, merkt man ihr heute nicht mehr an und auch nicht, dass sie erst spät gelaufen ist).

Liebe Grüße,
Rumpelstilzchen