Hat man selbst etwas verbrochen?

Hallo.

Meine Frage ist vielleicht ein wenig provokativ, aber ich hoffe durch das Leseb meines Beitrags wisst ihr, was ich meine...

Kurz zu mir:

Ich bin 29, bin verheiratet und habe 3 wunderbare Kinder.

Ich habe im März 2006 meine Mutter im Alter von nur 56 Jahren verloren. Sie war immer mein Lebensmittelpunkt. Der Verlust war für mich kaum auszuhalten und ich denke, dass ich ihn auch jetzt noch gar nicht richtig verkraftet habe. Ich bin Einzelkind, mein Vater war zum Todeszeitpunkt in Haft und der Rest meiner Familie wohnt ca. 400 km weit weg.

Ich leide bis heute sehr darunter und bin sehr traurig, dass meine Kinder ihre Oma nie kennen gelernt haben.

Nun starben im Jahr 2013 meine Oma und mein Onkel.

Zuletzt verstarb mein Vater mit nur 64 Jahren nur 2 Wochen vor dem 8. Todestag meiner Mutter. Vollkommen unerwartet. ...

Ich bin noch keine 30 Jahre alt und habe keine Eltern mehr.

Kennt ihr dieses Gefühl, dass man sich fragt, was man selbst verbrochen hat, "um so bestraft" zu werden?

Also ich weiss, dass ich nichts gemacht habe, aber trotzdem fragt man sich, warum dies einem selbst so passieren muss?!

Kennt das jemand?

Liebste Grüße an alle

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Hallo stephi8484,

Dein Text könnte fast von mir sein, was die Frage des: "Was hab ich bloß verbrochen?" angeht. Leider hat mir noch niemand eine Antwort darauf gegeben, die wird's wahrscheinlich auch nicht geben.

Meine Mutter starb, da war ich gerade mal 4 Jahre alt, durch die Schwangerschaft mit mir ist bei ihr Brustkrebs ausgebrochen, woran sie dann 4 Jahre später starb. Mein Vater starb, da war ich gerade 13 Jahre alt geworden, er war bei meiner Geburt schon 56 Jahre alt, also schon fast ein Opa, ist dann mit 69 Jahren gestorben, ist ja noch nicht einmal so früh (meine Mutter war übrigens 43 Jahre alt, als sie starb).

Meine Kindheit verbrachte ich in mehreren Pflegefamilien, der Übergang zum Erwachsenwerden war auch nicht gerade rosig. Ich hatte immer Geldprobleme, konnte keine Freundschaften aufbauen und gesundheitlich geht's mir bis zum heutigen Tag beschissen. Immer mehr chronische Krankheiten kommen dazu und ich werde immer müder.
Deshalb habe ich mich schon oft gefragt, was habe ich bloß verbrochen, dass ich so bestraft werde, es gibt fast nichts, das auf Anhieb klappt, immer muss ich hart an allem arbeiten.

Aber ... mein Mann und meine Freundin sagen immer, ich solle doch auch mal die schönen Sachen sehen. Ich bin wie Du verheiratet (sehr glücklich), leider keine Kinder (hier könnte ich mich schon wieder fragen, was habe ich verbrochen, dass es nicht geklappt hat), habe einen Beruf, der mich ausfüllt, habe keine Geldsorgen mehr und ich lasse mich durch mein näheres Umfeld manchmal mitziehen, positiv zu denken.

Ich denke wir werden uns immer mal wieder diese Frage stellen, aber da es ja sowieso keine Antwort gibt, müssen wir mit dem was wir haben, leben.

Dir alles Gute weiterhin und ... Kopf hoch, (auch wenn der Hals dreckig ist)

endoengelchen#sonne

2

Hallo,

Deine Trauer kann ich gut verstehen - aber nicht Deine Denkweise.

Wir sind in ähnlicher Situation. Aber mal ganz ehrlich: Ist irgend jemand schuld? Und wenn ja - ganz bestimmt nicht Du (zumindest nicht, nachdem, was Du geschrieben hast).

Wenn Du Dich schon mit solchen Gedanken beschäftigst, dann überleg doch mal: Du solltest die ganze Situation aus der anderen Perspektive sehen: Die Verstorbenen haben nicht mehr die Möglichkeit das alles zu ERLEBEN. Das ist natürlich traurig - auch für die Hinterbliebenen, aber die Verstorbenen haben so gesehen den größeren Nachteil...

Ich weiß - sehr primitiv und plakativ gedacht - aber effektiv!

Ich kann verstehen, dass Du traurig bist - das geht mir auch so. Aber ich suche nicht die Begründung für diese Situation bei mir....Warum auch?

Und wir versinken garantiert nicht in Selbstmitleid, weil das Schicksal es nicht besser mit uns gemeint hat und uns bestrafen wollte...#kratz

Man kann vieles im Leben nicht ändern, aber man sollte sich darüber im Klaren sein, dass man sein Glück sehr oft in der Hand hat.

Ich verstehe deine Traurigkeit, aber versinke nicht in ihr und vor allem suche nicht nach Gründen - das hat überhaupt keinen Zweck.

Wenn's gar nicht geht, nimm Dir professionelle Hilfe - auf Dauer gesehen, wirst Du damit Deinen Kindern eine große Stütze sein.

LG

PS
Von all unseren Verwandten haben unsere Kinder nur noch eine Oma - unser Großer kannte noch die Zweite, aber er wird sie irgendwann vergessen haben....

Man sollte seine eigene Gefühle diesbezüglich nicht zu sehr auf die Kinder projezieren - die kommen ganz anders damit klar.

Alles Gute!

3

Hallo,

es tut mir Leid, dass du so viel aushalten musst.

ICH glaube:

Es gibt vieles im Leben, was man beeinflussen kann.

Dinge passieren aufgrund unserer Lebensweise, unseres Umfelds, als Folgen unseres Handelns. Dinge passieren, weil wir mal den richtigen und mal den falschen Instinkt haben.
Vieles, was einem im Leben passiert, lässt sich irgendwie herleiten und erklären.

Alles andere ist in meinen Augen einfach nur Zufall. Der Lauf der Natur.

Ich glaube nicht an eine höhere Gerechtigkeit. Ich glaube nicht, dass wir von einer höheren Macht bestraft oder belohnt werden.

Schau dich doch um auf der Welt. Es passieren so unendlich viele Dinge, die weder logisch noch gerecht sind.

Ich denke, du solltest dich nicht mit diesen Gedanken quälen. Du wirst nicht bestraft.

Es klingt hart, aber ich glaube, es ist einfach "Pech".

Es hilft manchmal, sich die Lebensbereiche anzuschauen, die man im Griff hat, oder die Lebensbereiche, in denen man "Glück" hat.

Deine Ehe. Deine Kinder.

Ich kenne das aber, dass man hadert. Meine Mutter ist mit Baby im Bauch gestorben, als ich 3 war. Ich habe mich auch oft gefragt, warum das sein musste.

Ausgleichende Gerechtigkeit war es aber sicher nicht.

Alles Liebe

4

Dein Vater ist gerade erst gestorben. Das ist ganz frisch, und vermischt sich mit dem Verlustgefühl das du für deine Mama empfindest, rüttelt diesen Verlust zusätzlich neu auf. Jetzt bist du die Älteste in der Familienkette und fühlst dich alleingelassen. Keiner, der sich noch an deine Kindheit erinnert und dir davon erzählen kann.

Wenn der zweite Elternteil stirbt werden wir unwiderruflich erwachsen, und meistens geht das mit großen emotionalen Umwälzungen einher. Vielleicht hilft dir das Buch "Wenn die alten Eltern sterben - vom endgültigen Ende der Kindheit" von Frau Dobrick.

Rational weisst du selbst, dass dein Verlust mit Schuld oder Strafe nichts zu tun hat. Dein Gefühl ist ein Schritt in der Bearbeitung der Trauer. Trauer braucht Zeit. Irgendwann wird das Gefühl leiser und sanfter. Vielleicht denkst du dann immer noch, es wäre schön, wenn Mama oder Papa das sehen könnte. Aber du wirst auch wieder lächeln und spüren, wie deine Mama noch in euerem Leben weiter wirkt: wenn du die gleiche Geschichten erzählst, die sie dir früher erzählt hat, wenn du Züge an dir entdeckst, die auch sie hatte. Es wird "normaler" und sanfter, das Gefühl.

Viel Kraft auf deinem Weg der Trauer wünscht
doremi

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Dein Text könnte von mir sein. Ich war auch noch keine 30 als meine Eltern starben. Sie waren erst 55 und 54 jahre alt und es ist immernoch total unbegreiflich. Meine Eltern sind innerhalb 10 Tage gestorben. Grausam!!! Ich kann bis heute nicht damit umgehen und frage mich immerwieder was ich wohl alles falsch gemacht habe.

Aber wir werden auf diese Frage keine Antwort bekommen.

Liebe Grüße Marina