Trauere ich zu wenig um meinen Sohn?

Hallo ihr lieben!

Wir mussten am Donnerstag unseren Leano in der 22. ssw zu den Engeln ziehen lassen.
Wir wussten schon einige Zeit vorher dass er einen schlimmen Gendefekt hat, bei dem die Kinder meist schon im Mutterleib sterben.
Die ersten beiden Tage nach der Geburt war ich sehr gefasst und habe nicht geweint.
Am 3. Tag bin ich heulend aufgewacht und konnte mich erst mit Beruhigungstabletten wieder beruhigen.
Seither ist es mir dann wieder gut gegangen...ich hatte einen Traum in dem ich meinen Leano auf dem Schoß meiner verstorbenen Oma im Himmel gesehen habe. Ab da war ich nicht mehr traurig.

Heute war die Beerdigung, wir haben ihn in einem Sternenkindergrab beigesetzt.
Ich habe nur kurz ein paar Tränen geweint aber nicht wirklich wegen dem Verlust (ich weiß dass es ihm jetzt gut geht), mehr wegen der Traurigkeit einer Beerdigung an sich...versteht ihr was ich meine?

Ich mache mir jetzt nur Gedanken ob ich zu wenig um unseren Leano trauere...im Moment fühle ich mich als wäre das ganze schon vor langer Zeit passiert.
Natürlich bin ich traurig über den Verlust, er war unser absolutes Wunschkind aber die Trauer bestimmt nicht meinen Alltag.

Ist das überhaupt normal?
Ich hatte eigentlich vor mir professionelle Hilfe zu holen aber im Moment habe ich nicht das Gefühl dass ich das brauche. Ich wüsste gar nicht was ich dort sagen sollte.

Oder könnte das einfach nur sein dass ich meine Gefühle unterdrücke und dass gerade deshalb professionelle Hilfe wichtig wäre?
Ich gehe allerdings nicht davon aus dass ich es unterdrücke...

Ich hoffe ihr versteht mein Denken und könnt mir hilfreiche Antworten geben.

Vielen Dank schon jetzt.
janinechen mit Leano ganz tief im Herzen.

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Hallo Janinechen,

erstmal mein Beileid, es tut mir sehr leid das ihr so einen Verlust erleben müsst.

Jeder Mensch geht anders mit Trauer um, da gibt es meiner Meinung nach kein richtig oder falsch oder eine Norm. Jeder verarbeitet so etwas anders und wenn ihr vorher schon wusstet das euer Sohn sehr krank ist hast du dich vielleicht unbewusst schon mit seinem Tod auseinander gesetzt und kannst das jetzt so für dich verarbeiten.

An deiner Stelle würde ich die nächste Zeit abwarten und wenn du in einigen Wochen, Monaten oder wann auch immer das Bedürfnis hast professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen würde ich das machen. Aber ich finde nicht das du das jetzt sofort zwingend tun müsstest.

Ich wünsche dir viel Kraft und eine #kerze für deinen Sohn.

Liebe Grüße

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Suche dir schon mal jemand raus zu dem du gehen kannst wenn es dir schlechter geht. Es ist ja erst ein paar Tage her. Trauer kommt in Phasen.

Wenn du allerdings dich nur beruhigen konntest weil du Tabletten geschluckt hast würde ich mir schon Gedanken machen.

Weil wenn es einem gut geht dann braucht man keine Beruhigungstabletten oder sonstige Psychopharmaka. Aus dem Grund würde ich an deiner Stelle so bald wie möglichst anfangen mit irgendeiner Art von Therapie. Meistens hat man eh etwas wartezeit weil die Psychologen keinen Platz haben.

LG

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Hallo Janinechen
Es tut mir sehr leid, dass Du Deinen Sohn hergeben musstest.

Es gibt kein richtig und kein falsch beim trauern. So wie Du Dich fühlst ist es ok.
Mag sein, dass Du es gerade wegschiebst. Mag sein, dass Du die Zeit die Du noch mit ihm zusammen hattest in Deinem Bauch, und schon wusstest, dass Du ihn gehen lassen musst, gut genutzt hast um Abschied zu nehmen.
Mach einfach was sich für Dich richtig anfühlt.

Und wenn es jetzt so in Ordnung ist, dann ist das gut.
Genauso normal wäre es auch, falls es in einer Woche, einem Jahr oder wann auch immer plötzlich schlimm(er) wird mit der Trauer. Dann denk dran, Dir Unterstützung zu holen.

Was ich allerdings versuchen würde ist ohne die Beruhigungstabletten auszukommen, wenn Du traurig bist und weinen musst- die helfen Dir nicht weiter, es fühlt sich zwar kurzfristig besser an, weinen hilft aber auf lange Sicht bedeutend besser....

Du schreibst an mehr als einer Stelle, dass Du weißt und fühlst es geht ihm gut. Vielleicht ist es auch einfach das- Du weißt, es geht ihm gut. Das ist doch wunderbar.

Er hat seinen Platz in Deinem Herzen, es geht ihm gut, es darf auch Dir gutgehen.

Liebe Grüße, alles Gute

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Vielen Dank für eure lieben Antworten und die mitfühlenden Worte.

Die Beruhigungtabletten (Homöopathisch) habe ich nur einmal am Samstag morgen genommen, seither nicht mehr.
Ich war danach einfach im "Reinen" mit dem Verlust.

Wenn ich mir die Fotos von ihm anschaue, dann muss ich nicht weinen oder so...ich sehe ihn an, muss Lächeln und denke mir nur wie perfekt er ist.

Eure Antworten haben mich sehr aufgebaut.

Vielleicht habe ich wirklich von Anfang an unbewusst verarbeitet und mich darauf eingestellt was auf uns zukommt.

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Ich schaue Bilder von meinem Sohn auch mit einem lächeln an.

Ich denke es hat ganz viel damit zu tun dass man es einfach annimmt und sich nicht gegen das Schicksal auflehnt. Kostet viel weniger Mühe. Mir ging es so und ich denke ich habe einen guten Weg gewählt.

Allerdings kann ich dir aus Erfahrung sagen, dass die Zeit des Weinens irgendwann kommt. Auch wenn erst nach ein paar Monaten. Es braucht alles Zeit.

LG

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Ich kann Deine Art des Umgangs mit dem Tod Deines Sohnes sehr gut nachvollziehen und möchte Dich einfach darin bestärken, Dich nicht verunsichern zu lassen und schlicht und ergreifend auf Dein Gefühl zu bauen und Dir selbst zu vertrauen. Jeder Mensch geht mit Trauer und Verlust anders um - das heißt nicht, dass die einen kälter oder verkorkster sind als die anderen...sie sind nur anders, und zwar auf eine völlig selbstverständliche Art und Weise. Ich habe unser zweites Kind in der 13. Woche verloren, natürlich war ich traurig, habe aber auch sehr schnell mit diesem Erlebnis auf positive Weise abschließen können und mich bemüht, nach vorne zu sehen. Ich wusste, dass genetisch irgendetwas schief gegangen sein musste und irgendwie war ich "pragmatisch" genug, hinter der mißglückten Schwangerschaft keinen tieferen Sinn zu suchen. Natürlich ist es ein ander Ding, sein Kind in der 22. Schwangerschaftswoche gehen lassen zu müssen, aber ich denke, dass Du Dich einfach bereits mit dem Ende der Schwangerschaft auseinandergesetzt hast, bevor es dann wirklich soweit war und dass Du deshalb auch nicht in so ein tiefes Loch gefallen bist. Lass einfach zu was jetzt ist und was kommen wird. Nicht jede Frau braucht professionelle Hilfe und nicht für jede Frau ist es wichtig, von früh in der Schwangerschaft verlorenen Kindern als Sternchen zu sprechen oder an Jahrestage zu denken oder ähnliches. Auch da solltest Du Dir keinen Druck machen oder machen lassen. Alles Gute Dir!

evi

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Hallo,

was genau ist denn genug trauern?

Zum Einen glaube ich, dass Du vielleicht auf Grund des Gendefekts schon länger von ihm Abschied genommen hast.

Darüber hinaus trauert jeder Mensch anders. Meine Schwägerin hat vor 3 Wochen ihren Mann verloren und war trotzdem auf der Fasnacht. Trotzdem trauert sie und ich weiß, dass sie ihren Mann liebte.

Was ich allerdings nicht machen würde, sind Beruhigungstabletten. Sie überdecken die Trauer nur. Sie wird deshalb nicht verschwinden. Wenn Du die Tablette weglässt, wird die Trauer wiederkommen. Trauer muss durchlebt werden. Egal, in welcher Form Du trauerst. Eine Beruhigungstablette verdrängt die Trauer wirklich nur.

Liebe Grüße
Urzeitkrebs

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Hallo,

erstmal mein Beileid zum Verlust deines Sohnes.

In der Trauerarbeit gibt es kein richtig oder falsch. Jeder Mensch trauert auf seine Art und Weise und muss seinen eigenen Weg finden mit der Trauer umzugehen und mit ihr zu leben.

Ich selbst habe Zwillinge verloren (Extremfrühchen) und habe nicht weinen können. Es kam mir alles so unreal vor. Ich war in den ersten 6 Wochen in einem Schockzustand. Ich denke, dass auch du darin sein könntest.

Ich habe so gut wie gar nicht geweint, Urlaub gebucht und einfadch so weiter gelebt. Wohl hatte ich von Beginn an psychologische Betreuung, die mir sehr gut getan hat.
Der Zustand änderte sich nach 6 Wochen. Ich habe eine Nacht lang durchgeheult und war dann recht lange Zeit depressiv.
Seit meinem Verlust sind nun einige Jahre vergangen und ich kann inzwischen wieder glücklich leben. Ich bin nicht mehr voller Trauer, sondern voller Dankbarkeit, diese beiden winzigen Menschen kennengelernt zu haben.

Es gibt zwar noch immer Momente, wo dieser Verlust schmerzt, wo Tränen kommen und ich körperich reagiere.

In der Therapie habe ich viel gelernt, vor allem habe ich meinen eigenen Weg der Verarbeitung gefunden und bin konsequent gegangen. Mir hat die psychologische Betreuung sehr geholfen.

Wichtig ist, das du jemanden hast, zu dem du gehen kannst, wenn es dir schlecht geht.

Ich wünsche dir, dass du deinen Weg findest und ihn mit eventuellen Rückschlägen gehst.
Lass dir aber bitte von keinem einreden, wie du zu trauern hast, das du zu trauern hast, wie lange du zu trauern hast.
Nimm dich an, so wie du bist.

VG

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Hallo,

du bist gerade in der Phase wo man das erst mal alles begreifen und verarbeiten muss zu dem deine Hormone spielen Achterbahn.

Viele sitzen nicht den liebenlangen Tag als Trauerklos auf dem Sofa und heulen zu dem Zeitpunkt.

Glaube mir die Zeiten werden kommen wo du aus dem heulen und Trauern nicht mehr raus kommst. Im moment muss dein Kopf erst mal alles verarbeiten.

Ich wünsche dir alles liebe und gute! Dein Sohn sitzt bestimmt bei deiner Oma auf dem Schoß und lässt sich ganz viel von die erzählen.

Unser Sternchen ist auch da oben und spielt mit meinem Opa.

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Hallo,.
als erstes mein tiefes Beileid.

Ich würde mir auf jeden Fall professionelle Hilfe suchen. Ich erlebe gerade einen sehr traumatischen Trauerfall und habe auch erstaunlich lange ruhige Phasen, wo ich aber das Gefühl habe, dass meine Trauer so groß ist, dass ich sie gar nicht auf einmal ertragen kann.

Meine Erfahrung mit so großen Verlusten ist auch, dass die Verarbeitung in Wellen stattfindet - Wellentäler, in denen man am Boden zerstört ist, Wellenberge, an denen es einem wieder besser geht. Mit der Zeit werden die Wellenberge länger und die Täler kürzer.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Phase, in der du jetzt bist, gewiss nicht der Abschlus deiner Trauer ist, sondern ein Teil dieser Wellenbewegungen.

Alles Gute,
Donner