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Hallo lieber Sibeling,

beim Durchlesen deines Posts wurde ich direkt in eine Zeit vor 10 Jahren zurückgebeamt und was soll ich sagen: Ich erinnere mich mit Grauen an diese Zeit.

Du schreibst in einem Thread, dass du so gerne in den Kopf deiner Frau schauen möchtest, sie jedoch völlig zumacht. Ich bin nicht deine Frau, ich kann dir jedoch erklären, was damals in meinem Kopf so ablief. Das meiste wurde auch schon in dem sehr schönen Beitrag von "Kathi lacht" beschrieben. Sie bringt vieles auf den Punkt!

Ich war damals, vor den Kindern eine junge dynamische Frau. Durch und durch positiv, vielseitig interessiert, lebenslustig. Ich hatte mein Studium mit Bravour absolviert und freute mich wahnsinnig darauf endlich Mama zu werden. Ich wusste, dass ich eine ganz wunderbare Mutter abgeben würde. Eine liebevolle, geduldige Mutter. Ich würde meine Lieben ein warmes kuscheliges Nest bauen, mit den Kindern draußen spielen, sie sinnvoll beschäftigen und jeder würde glücklich und zufrieden. Ja, liest sich wie ein Märchen wie aus Tausend und einer Nacht - heute weiß ich, dass dieser Anspruch an mich selbst wirklich wenig realistisch war, damals jedoch dachte ich, dass das Leben mit Kindern genauso ist, wie in der Danonewerbung: Am Samstagmittag kehrt die aus dem Ei gepellte Powerfrau mit ihrem Ratankorb von ihrem Wochenmarkteinkauf nach Hause, versorgt ganz fix die Einkäufe im Kühlschrank, um sich dann mit ihren in weiß gekleideten Kindern auf das weiße Sofa zu werfen und einen Joghurt zu essen. Und auch nach dem Genuss des Joghurt sind sowohl Couch, als auch Kinder noch blütenweiß :-).

So. Das war meine Vorstellung. Und dann kam das erste Kind und es war einfach gar nichts so, wie ich mir das vorgestellt habe. Ich wollte alles richtig machen und das war um einiges anstrengender, als ich mir das erträumt hatte. Es fing schon damit an, dass mein mein Erstgeborener sehr schlecht schlief und ich litt schon bald an chronischem Schlafmangel. Das hatte wiederum einen ganzen Rattenschwanz an folgen: Ich war tagsüber oft nur matt und abgeschlagen. Der Alltag mit dem Kleinen war dann auch nicht mordsmäßig spannend: Alles drehte sich nur noch um dessen Bedürfnisse, nach denen ich mich komplett gerichtet habe - mit einem zufrieden glucksenden Baby wurde ich deshalb trotzdem nicht belohnt. Das war so der erste Realitätscheck, der mich ziemlich mitgenommen hat. Nach knapp 2 Jahren wurde meine Tochter geboren und da ging es dann rapide bergab: Mein Großer schlief immer noch schlecht, dann das Baby, das einen ganz anderen Schlafrhytmus hatte. Nachts schlief ich selten mal 2 Stunden am Stück, zeitweise hatte ich auch eine echte Schlafstörung. Tagsüber musste ich jedoch wieder funktionieren und konnte ich mich auch da nicht erholen, da immer eines der Kinder wach war.

Ich war mit meinen Kräften total am Ende und todunglücklich. So hatte ich mir das nicht vorgestellt! Ich wollte eine tolle Mutter sein, liebevoll, lachend und ausgeglichen, aber ich war - wie du so schön schreibst - ein Schatten meiner selbst. Die Kinder saugten alle meine Lebensenergie auf. Das allerschlimmste damals war für mich das Gefühl, so hilflos ausgeliefert zu sein! NICHTS an meiner Situation ändern zu können. Die Kinder sind halt da! 24 Stunden am Stück. Punkt. Schon einen Friseurtermin wahrzunehmen, war ein Riesenaufwand, zumal sich mein Erstgeborener von niemandem betreuen ließ. Von irgendwelchen Shoppingtouren ganz zu schweigen... Beruflicher Wiedereinstieg? Wie denn, unter diesen Bedinungen?

Ja, und nach so einem Tag, wo einem die aussichtslose Situation wiedereinmal knallhart bewusst wird, wo man morgens schlaftrunken aus dem Bett fällt, sich mit den Kindern auf den Spielplatz quält, obwohl man eigentlich nur schlafen will, wo man beim Einkaufen die Zornanfälle des Großen händeln muss, während die Kleine in der Babyschale quengelt, wo man in ein total unaufgeräumtes Zuhause zuückkommt, indem man sich selber nicht wohl fühlt, ja, nach so einem Tag, kommt der Mann abends nach Hause und zieht angesichts des Chaos die Augenbrauen hoch und fragt, was es zum Abendessen gibt. (Oder bringt Bücher zur Bildhauerei mit :-)) Und spätestens dann weiß man: Ich bin nicht nur eine Versagerin als Mutter, ich bin es auch als Ehefrau. Das hat mich mehr und mehr verhärmt. Und dann nimmt ein Teufelskreis seinen Lauf...

Was hätte ich mir in der Rückschau gewünscht?

Ich hätte mir gewünscht, dass ich die Anerkennung und vor allem die Wertschätzung meines Mannes spüre. Keine großen heroischen Taten. Aber eben auch kein Herumreiten auf den vielen Unzulänglichkeiten. Ich hätte mir gewünscht, dass er mich nach der Arbeit einfach wortlos in den Arm nimmt. Ich hätte mir mal einen Satz in der Art gewünscht: "Ich bewundere es, wie du mit unseren Kindern umgehst, welche Geduld du hast. Du bist eine gute Mutter." Humor hätte mir geholfen. Mal ein Lachen über das ganze Chaos. Das alles hätte mein Herz berührt und ich hätte mich vielleicht meinem Mann etwas zeigen und öffnen können. Ich hätte ihm vielleicht etwas über meine Not erzählen können. Vielleicht hätte man auch eine Lösung finden können. Vielleicht hätte man auch keine gefunden, aber dafür neue Energie und Kraft. Vielleicht hätte ich schneller wieder einen positiven Blick aufs Leben bekommen. All das haben wir leider nicht geschafft. Jeder hat sich in seiner Burg verschanzt, um seine eigenen Wunden zu lecken.

Ich war dann auch mehr und mehr wütend auf meinen Mann. Ich war wütend darauf, dass er sein altes Leben einfach so weiterführt, Karriere macht, während dieser Weg für mich zu Ende ist, ohne dass ich daran etwas ändern kann. Noch wütender war ich dann, dass ich für das Aufgeben meiner beruflichen Verwirklichung zugunsten unserer Kinder, keinerlei Wertschätzung gespürt habe. Auch von dieser Wut und diesem Frust habe ich meinem Mann nichts erzählt, sondern habe es ihm anders im Alltag "heimgezahlt"... so in der Art...wenn ich mich nicht wohlfühle, sollst du es auch nicht können...

Heute, 10 Jahre später, habe ich mich natürlich weiterentwickelt. Als Frau und als Mensch. Sobald die Kinder etwas größer wurden, kam auch ich wieder zu Kräften. Ich konnte manche Situationen besser von außen betrachten und erkennen, welche Handlungsweisen destruktiv und schädlich sind.

Die Lebenslust und Lebensenergie ist wieder voll da :-), auch wenn das Leben mit Kindern nach wie vor anstrengend ist. Es geht immer noch oft drunter und drüber. Ich habe aber inzwischen das Chaos ganz gut im Griff - nicht umgekehrt. Ich habe es über die Jahre gelernt mir meine Ruheinseln im Alltag zu schaffen. Auch Frauenfreundschaften helfen mir sehr viel. Mit meinem Mann bin ich auch noch verheiratet, aber so richtig rund läuft es auch nach diesen vielen Jahren auf dieser Baustelle nicht.

Vielleicht hilft dir diese Innenschau ein wenig. Du bist ein liebenswürdiger und reflektierter Mann, der seine Frau und seine Kinder liebt. Das sind doch schon einmal wunderbare Voraussetzungen! Du spürst ja selber, dass sich deine Frau in einer inneren Not befindet und in einem moralischen Dilemma steckt: Sie wollte Kinder und gab ihr altes Leben auf. Genau das wünscht sie sich vielleicht wieder und sieht sich gleichzeitig handlungsunfähig. Das lähmt und macht wütend. Nimm sie in der nächsten Zeit einfach wieder wortlos in die Arme. Halt sie mal fest, richtig lange, bis sie sich entspannt. Schenk ihr deine Aufmerksamkeit, deine Fürsorge und deine Liebe - in den kleinen Gesten des Alltags. Sei jetzt einfach DU der Stärkere, weil sie es im Moment nicht ist. Du hast nichts zu verlieren.

Beste Grüße,
Malena

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Hallo
Ich kann Dir mal ein paar Gedanken schreiben, die ehemals im Beruf erfolgreichen Frauen durch den Kopf gehen können, wenn sie auf einmal nur noch die Kinder um sich herum haben.
Sie sind oft fürchterlich neidisch auf den Mann, der jeden Tag zur Arbeit gehen darf, dort in der Regel nicht einfach angebrüllt wird, seinen Tag strukturieren darf, ohne ständig unterbrochen zu werden, der Erfolgserlebnisse hat und manchmal gelobt wird (von Leuten, die nicht zur Familie gehörten), der viele freie Entscheidungen fällen darf und nicht jeden Schritt mit zwei kleinen Kindern tun muss. Abendliche Hilfsangebote vom Mann, der den ganzen Tag für's Familienwohl gearbeitet hat, sind dann noch Öl ins Feuer.
Solche Gedanken können sich leider festfressen... Das scheint bei Euch schon passiert zu sein.

Wenn ich mal längere Zeit zuhause bin, dann sehe ich auch irgendwann nicht mehr die Notwendigkeit alles immer sofort wegzuräumen, weil es beim nächsten Umdrehen eh wieder von den Kindern umdekoriert wird. Aber dann gehe ich wieder arbeiten und weiss, dass es mich beim Nachhause kommen nerven wird, wenn alles rumliegt. Also sorge ich (und unsere liebe Putzfrau) dafür, dass regelmässig aufgeräumt wird. Aber ohne Arbeit würde ich ziemlich strukturlos zerfliessen, da bin ich sicher...

Für die Kinder bleibt in einer solchen Konstellation schon noch genug Liebe übrig. Das ist ja immerhin etwas. Und ich glaube, auch die Liebe zu Deiner Frau kann neu entfacht werden. Ihr müsst Euren Lebensentwurf aber ändern.

Jetzt denkt sie, dass sie es überhaupt nicht schaffen kann, auch noch arbeiten zu gehen, weil sie ja sieht, dass eh schon alles liegenbleibt. In meinen Augen würde das aber die Rettung sein. Nichts gibt so viel Struktur und Erfolgserlebnisse wie Arbeit. Und man schafft seine Aufgaben ja doch fast immer in der vorgegebenen Zeit. Nur wenn die Zeit sich endlos dehnt, werden die Berge, die zu bewältigen sind, immer schlimmer...
Deine Frau muss irgendwie schaffen, sich auch noch andere Aufgaben zu suchen, idealerweise Arbeit. Dann wird alles wieder runder laufen. Du musst ihr dabei aber wirkliche Unterstützung garantieren (z.B. verlässlich die Kinder 2-mal pro Woche in die Kita zu bringen oder sie vom Turnen am späten Nachmittag abzuholen). Ihr müsst es irgendwie schaffen, diesen Schritt zusammen zu planen. Das wird schwierig sein, aber es ist zu schaffen.
In meinen Augen wäre ein guter Psychotherapeut auch noch wirklich hilfreich, oder eine Paartherapie. Vielleicht sogar letzteres, denn dann sieht deine Frau deine Bereitschaft, dich auch noch anders einzubringen, als nur derjenige zu sein, der das Geld nach Hause bringt.
Viel Erfolg
Paula

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... noch eine Idee, die mir gekommen ist: frag Deine Frau mal, was sie machen würde, wenn Du nicht mehr da wärst (und nimm dabei ganz klar und deutlich Abstand von einer Trennung, sie soll sich wirklich vorstellen, was sie tun würde, wenn du durch einen Unfall oder so auf einmal weg wärst). Das ist in eurer Situation vielleicht eine heikle Frage, aber möglicherweise hat Deine Frau ja Träume, an denen Du (und leider auch die Kinder) sie "hindern". Ich habe meinem Mann diese Frage vor längerer Zeit mal beantwortet und er war extrem erstaunt, wie klar meine Antwort ausfiel! Es hat unsere Situation in dem Moment zwar nicht verändert, aber ich habe mich auf einmal viel mehr verstanden gefühlt. Es waren halt meine persönlichen Träume, die ich hatte und die in unserer Familienkonstellation nicht erfüllbar waren. Daher hatte ich vorher auch nie darüber geredet, es hätte in meinen Augen ja nichts gebracht ;-). Jetzt habe ich eine sehr gute Alternative gefunden, die diese Träume weggewischt hat und die in der Realität lebbar ist. Heute würde meine Antwort daher anders und längst nicht so radikal ausfallen. Und der Weg zu dieser Alternative hat eher Jahre als Monate gedauert.

Ich wünsche Dir viel Ausdauer und Deiner Frau viel Kraft

Paula

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Lieber Sibeling! Ich habe mir ein paar Gedanken zu deiner Situation gemacht und versucht mich in die Lage deiner Frau zu versetzen. Ich mag hier keinen Roman schreiben, wenn du es evtl. gar nicht mehr liest weil du schon genug meinungen gelesen hast, also wenn dich noch eine etwas andere Sicht auf euer Problem interessiert, dann schreib mir hier kurz, oder noch besser schreib mir eine Privatnachricht. Liebe Gruesse!

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Wie geht euer Abend denn normalerweise weiter?
Unterhaltet ihr euch wenn die Kinder schlafen? Habt ihr noch Sex?

Wir haben auch zwei kleine Kinder zuhause, aber wir haben es beibehalten abends immer nochmal zusammenzusitzen und entweder zusammen in Ruhe zu essen oder ein Glas wein ( oder Tee:-) zu trinken.
ich finde das sehr wichtig.

Wann gehen eure Kinder denn ins Bett? Aus o.g. Gründen liegen unsere schon recht zeitig in den Federn. Wir kennen auch paare, da bleiben die Kids immer bis ca 22.00 Uhr wach. Dann kann der Papa zwar am Abend noch mit ihnen spielen, dafür gibts kein Privatleben der Eltern mehr ( sie legen sich dann alle zusammen schlafen)

FAlls das Sexuelle bei euch eingeschlafen ist ( was ja bei vielen Paaren mit Kindern passiert) solltet ihr euch vielleicht nochmal rantasten..das macht nämlich sehr viel aus!

Ich würde jetzt nicht alles verteufeln. Dass diene Frau keine Lust auf Bücher hat kann ich verstehen, wann soll sie diese lesen??!!
In ihrem Kopf steckt halt dieser ganze Babyalltag...von morgens bis Abends gibts nur diese Probleme, da ist es nicht so einfach abzuschalten.
Vor allem, da man immer unter Stress steht ( das kommt natürlich auch auf die Kinder an)

Warum will deine Frau kein gemeinsames Wochenende mit dir?

Ich finde, es gibt so einiges zu klären in eurer ehe.