Das richtige Maß macht's

Fernsehen: Kinder lieben es

Kinder und Fernsehen - ein Quell häufigen Streits in den Familien. Während Eltern eher mit Sorge auf den täglichen Fernsehkonsum blicken, kann der Nachwuchs meist gar nicht genug davon bekommen. urbia gibt Tipps zum richtigen Umgang mit der "Glotze".

Autor: Petra Fleckenstein

Das Lieblingsmedium unserer Kinder

Maedchen Fernsehen

Wenn Kinder fernsehen, streiten sich die Erwachsenen. Wie viel, welche Sendungen, wann – oder sollten Kinder prinzipiell TV-Verbot erhalten? Macht Fernsehen aggressiv und weltfremd, oder verschafft der Flimmerkasten im Gegenteil persönlichen Gewinn, indem er hilft, Wissen zu erweitern und persönliche Themen zu verarbeiten?

Fakt ist: Das Fernsehen ist das Lieblingsmedium unserer Kinder. Ca. 80 Minuten täglich (Quelle: statista, 2015) verbringen Kinder zwischen drei und 13 Jahren hierzulande im Durchschnitt vor dem Fernsehapparat. Und bei einer Umfrage des TV-Senders Foxkids antworteten 32 Prozent von 805 Kindern auf die Frage, was sie auf eine einsame Insel mitnehmen würden: Den Fernseher. Nur ein Prozent kam demgegenüber auf die Idee, für Speis und Trank zu sorgen. Ein Viertel der Kinder gehört zu den Vielsehern und schaut zwei Stunden oder mehr in die Röhre. 

Wasser auf die Mühlen der Fernsehkritiker

Die Zahl der Negativmeldungen zum Thema TV-Konsum ist enorm: Kinder, die viel fernsehen, sind häufiger dick, sie schneiden im Deutschunterricht schlechter ab, Gewalt an Schulen nimmt wegen zu hohen Konsums Gewalt verherrlichender Sendungen zu, Fernsehen wirkt wie eine Droge und führt zu Realitätsverlust und es macht Kinder passiv und raubt ihnen die Fantasie. Dies sind nur einige der häufig geäußerten und immer wieder durch Studien erhärteten Vermutungen von Fernsehkritikern. Ihnen gegenüber steht die Schar der Praktiker und Medienwissenschaftler, die dem Medium viel Gutes abgewinnen können.

Was Fernsehen unseren Kindern bringen kann

Wissenschaftler wie der Kasseler Professor für Erziehungswissenschaften und Medienpädagogik, Dr. Ben Bachmair, betonen stärker die psychischen Gestaltungskräfte des Kindes. Bachmairs These: "Erziehung ist wenig erfolgreich, wenn ihr Angst und Misstrauen zugrunde liegen. Sie läuft jedoch gut, wenn die Erwachsenen von der Lebendigkeit und Eigenständigkeit ihrer Kinder fasziniert sind." Angewandt auf den Umgang mit dem TV bedeutet das, hinzusehen, wozu Kinder ihre Fernseherlebnisse im positiven Sinne nutzen und was diese ihnen bringen.

Zwei Dinge sind hierbei wichtig: Erstens, für Kinder ist die Fernsehwelt nicht Ersatz für das "wahre Leben", sondern stellt eine direkte und unmittelbare Erfahrungswelt dar. Zweitens: Kinder konsumieren nicht nur passiv. Sie nutzen die im Fernsehen gebotenen Bilder und Figuren, um ihre eigenen gerade aktuellen Themen auszudrücken. Natürlich geschieht dies, ohne dass sich das Kind dessen bewusst wird. Aber das Schwärmen für einen Helden oder die Identifikation mit einem zarten Tier sagen aus, was das Kind gerade bewegt und geben ihm ein Instrumentarium an die Hand, seiner Gefühlswelt ein Stückchen näher zu kommen.

Sicher halten auch die Märchen oder Kinderbücher genügend Stoffe und symbolisches Material bereit, anhand derer sich Kinder mit ihren Themen auseinander setzen können. Aber es mag wichtig sein zu sehen, dass dies zum Teil auch durch das Medium Fernsehen möglich ist.

Fernsehen als Familien-Erlebnis

Voraussetzung für eine positive Nutzung der Flimmerkiste ist allerdings, dass das Fernsehen nicht missbraucht wird, um das eigene Kind gewissermaßen auszuschalten. Als gemeinsames Erlebnis kann eine TV-Sendung die Familienmitglieder einander durchaus näher bringen. Hier sind übrigens nicht allein die Mütter gefordert, die ja bekanntlich noch immer die meiste Zeit mit ihren Kindern verbringen. Besonders Väter sollten lernen, häufiger auf eigene Programmwünsche zu Gunsten eines fürs Kind geeigneten Sendeprofils zu verzichten. Denn die Eltern sind auch im Umgang mit dem TV die wichtigsten Begleiter des Kindes. Und was es am dringendsten braucht, ist jemand, mit dem es seine Fernseherlebnisse teilen, bzw. dem es diese hinterher mitteilen kann.

Gewalt und schnelle Schnitte

Die zahlreichen Gewaltdarstellungen im Fernsehen, ja schon in explizit für Kinder produzierten Zeichentrickfilmen, werden häufig für wachsende Gewaltbereitschaft von Kindern, beispielsweise in den Schulen, verantwortlich gemacht. Wissenschaftliche Untersuchungen konnten einen solchen Zusammenhang auch immer wieder belegen. Einige Forscher wollen die Wirkung von Fernsehgewalt jedoch eingeschränkt wissen auf eine bestimmte Risikogruppe. Sie glauben, dass in den meisten Fällen durch das Fernsehen ein ohnehin vorhandenes Familienproblem höchstens verstärkt wird. Gerne wurde zur Verharmlosung der Wirkung von Gewalt-Darstellungen diesen auch eine läuternde, eine Spannungen abbauende Wirkung zugesprochen. Diese so genannte Katharsis-Theorie gilt heute jedoch als veraltet und widerlegt. Forscher, wie der Ulmer Hirnforscher und Neurologe Prof. Manfred Spitzer, sprechen sich dafür aus, unsere Kinder und unsere Gesellschaft endlich vor den negativen Wirkungen von Fernseh-Gewalt zu schützen.

Das Maß macht's

Immer wieder stehen Medien im Verdacht, Menschen von der Wirklichkeit zu entfremden und ihnen eine Ersatzwelt vorzugaukeln. Auch das Buch wurde einst - besonders in frommen Kreisen - unter dieser Begründung verteufelt. Doch schon die alten Griechen hatten erkannt, dass es bei den meisten Dingen in unserer Lebenswelt nichts bringt, sie rundum abzulehnen, sondern sie in Maßen zu genießen und für die eigenen Zwecke nutzbar zu machen.

  • Beim Fernsehen zählt das richtige Maß: Es sollte nicht die bevorzugte Beschäftigung des Kindes sein, sondern eine von vielen – wie spielen, basteln, Freunde treffen, lesen bzw. vorgelesen bekommen, gemeinsam kochen, backen, in die Bücherei, ins Schwimmbad, in den Park, in Theater und Museen, den Zoo gehen oder einfach mal nur rumhängen und gar nichts tun!
  • Stellen Sie Ihrem Kind keinen eigenen Fernsehapparat ins Zimmer. Untersuchungen haben gezeigt, dass dies den täglichen Konsum deutlich erhöht.
  • Bieten Sie Ihren Kindern möglichst viel von dem, was durch unsere multimediale Welt mehr und mehr verloren geht: Sinnliche Erfahrungen, langsam erzählte Geschichten, Selbst-Tun statt Konsumieren.
  • Setzen Sie Ihr Kind nicht ohne erwachsene Begleitung vor den Fernseher. Dann wird Fernsehen ein wertvolles gemeinsames Erlebnis und Sie können das Gerät abschalten, wenn zum Beispiel eine überfordernde Programm-Vorschau auf die Kinder einprasselt.

Weitere Informationen zum Thema:

  • Das Portal www.mediengewalt.de bietet eine umfangreiche Linksammlung zum Thema Gewalt in den Medien und ihre Auswirkungen auf unsere Kinder.
  • Das TV-Anfängerpaket der Initiative SCHAU HIN! enthält konkrete Tipps, wie Eltern ihre Kinder beim Umgang mit dem Medium Fernsehen anleiten können: www.schau-hin.info