Erklär mir die Welt

Warum fragen Kinder so oft "warum"?

Erwachsene können von Kindern viel lernen - zum Beispiel, wie man Fragen stellt. Erwachsene verbieten sich Fragen, fragen Google oder haben keine Fragen mehr. Kinder sind neugierig, wollen die Welt begreifen und ihr eine Ordnung geben. Daher fragen sie "warum?" Und wie antworten die Eltern?

Autor: Erik Paschen

Warum stellen Kinder Fragen?

Mädchen Fragen
Foto: © iStockphoto.com/ AzmanL

Plötzlich geht es ganz schnell. Die Hand der Mama wird nicht mehr gebraucht. Ganz alleine stolpert der Nachwuchs durch die Wohnung. Neue Dinge tauchen auf und haben einen Namen. Stolz wird das eigene Tun kommentiert. Für alles gibt es Wörter, die sich der kleine Mensch in immer größerer Geschwindigkeit aneignet. Nun ist es bis zur ersten Frage nicht mehr weit: „Das?“ Ein Wort und der ausgestreckte Zeigefinger müssen genügen. Antworten auf Fragen dieser Art dürften den Eltern noch leicht fallen. Auch wenn mancher unsicher ist, ob nun der bellende Vierbeiner ein „WauWau“, ein „Hund“ oder bereits ein „Dackel“ sein soll. Schon ein Jahr später, irgendwann zwischen Zwei und Drei tauchen die ersten Warum-Fragen auf. Die Welt steckt nicht nur voller Rätsel, sondern ich habe auch ein Werkzeug, viele dieser Rätsel zu lösen, wird sich das Kind bewusst. Das macht Spaß - wie in einem Training feuern Vierjährige ganze Salven von Fragen ab. Und das ist gut so.

Fragen sind für Kinder wichtig

Wenn der Mensch etwas Neues entdeckt oder erfunden hat, stand am Anfang oft eine Frage. Warum ist das so? Wie kann ich das anders machen? Die Lösung ist dann die Antwort. Für Kinder ist alles neu, auch das Fragestellen. Wenn es die Erfahrung macht, dass es eine befriedigende Antwort bekommt, wird es wieder fragen. Denn da ist jemand, der anscheinend hilft, die unbekannte Welt begreifbar zu machen. Nun ist es für die meisten Eltern eine Selbstverständlichkeit, eine gute Antwort zu suchen, schließlich lernt das Kind dabei und das ist pädagogisch wichtig. Das sieht der Professor für Schulpädagogik an der Universität Paderborn, Florian Söll, auch so, ergänzt aber: „Besser noch als rasches Antworten ist das Angebot an das Kind, gemeinsam zu erforschen, warum etwas so ist, wie es ist. So richten zum Beispiel Reformpädagogen sogenannte Lernwerkstätten ein, in denen Kinder ihren Fragen nachgehen können, experimentieren können.“

Nun hat der Papa kein Labor dabei, wenn der Nachwuchs auf dem Weg zum Badesee fragt, warum das Auto da gerade hupt, geschweige denn die Lust zu experimentieren, wann der Fahrer des Sportwagens noch mal hupen würde. Aber auch hier gibt es gelegentliche Alternativen zur schnellen Antwort. „Fragen Sie doch zurück. Was meinst du denn, warum der gerade hupt? Das ist nicht als billige Gegenfrage zu verstehen, sondern der Einstieg zu einem gleichberechtigten Gespräch. Wenn einem Kind dann nichts einfällt, kann der Erwachsene durchaus Anregungen geben oder seine eigene Sicht schildern“.

Söll hat festgestellt, dass sowohl bei Erwachsenen wie auch bei Kindern in Fragen immer auch die Person selbst steckt. „Wir neigen dazu, sofort nach einer Frage die Konzentration nur auf das Antworten zu richten. Aber man muss beim Absender der Frage bleiben. Denn in den Fragen steckt immer auch die eigene Person mit drin, womit man sich gerade beschäftigt, wo man sich gerade befindet. Das wird schon bei einer schlichten Gegenfrage deutlich, wie „was interessiert dich daran?“ So erfährt man nicht nur, was das Kind über den neugierigen Moment hinaus bewegt, sondern trifft beim Antworten eher den Kern der Frage.“

Fragen um des Fragens willen

„Warum darf ich keine Schoko haben?" „Weil gleich Essen ist." „Warum darf ich dann keine Schoko essen?" „Weil du dann keinen Hunger mehr hast." „Warum muss ich essen?" „Damit du nicht verhungerst." „Warum darf ich dann keine Schoko essen?". Ja, Kinder können nerven. Manche entdecken das Fragespiel schon zwischen zwei und drei, manche mit vier Jahren oder später, aber immer kommt der Moment, wo man sich selbst die Frage stellt: Gibt es bei dieser Fragemaschine einen „Ausknopf"? „Auch wenn es so scheint, die Kinder wollen die Eltern in diesem Moment nicht provozieren", ist sich Florian Söll sicher. „Sie haben nur bemerkt, dass sie etwas gelernt haben: Fragen stellen. Und sie haben erfahren, dass sie mit einer Frage etwas auslösen, sich etwas in Bewegung setzt. Die Eltern kümmern sich. Sie suchen nach Antworten. Je mehr sie fragen, umso länger können sie die Erwachsenen beschäftigen. Da spürt der kleine Mensch, wie viel Macht er haben kann. Wenn Eltern das Gefühl haben, dass hinter den nachgeschobenen Fragen kein echtes Interesse steckt, können sie die Frage zurückgeben: Was meinst du denn, warum es so ist?".

Bei Fragenketten sind oft Fragen dabei, auf die auch Erwachsene keine schnelle Antwort parat haben. „Gerade hier bietet sich die Gegenfrage mit einem ehrlichen „das weiß ich auch nicht an"", empfiehlt Söll. „Oder sie geben den Ball so zurück: „Du hast so viele Fragen gestellt, was ist dir denn jetzt am Wichtigsten?" Dann hat man wieder die Chance auf echte Kommunikation."

Manchmal wenden Kinder Fragen als Verzögerungstaktik an. Am Eingang zum Kindergarten sind plötzlich alle Fahrräder und Blumen interessant. „Es ist realitätsfern, nun von Eltern zu fordern, sämtliche Marken und botanische Sensationen gemeinsam mit dem taktischen Bremser abzuarbeiten", betont Söll, „natürlich dürfen hier die Eltern sagen, dass jetzt dafür keine Zeit ist, kombiniert mit dem Angebot, zu einem anderen Zeitpunkt all die interessanten Dinge zu besprechen."

Antworten geben macht Spaß

Bevor jetzt der Eindruck entsteht, Fragen bereiten nur Stress: Es wärmt doch das Herz, wenn die Kleinen mit Fragen zu einem kommen, man die Welt ein zweites Mal mitentdecken darf. Viele Eltern geben gerne ihr Wissen weiter. Manche, Männer eher als Frauen, erklären sogar so ausführlich, wie ein Auto oder ein Fernseher funktioniert, dass der Sprössling irgendwann das Interesse verliert und nur noch hofft, dass der Vortrag bald zu Ende ist. Besser ist, die erste Antwort so zu gestalten, dass sie zwar Sinn macht und verständlich, aber so kurz wie möglich ist. Will ein Kind mehr wissen, dann fragt es nach. Die nächste Runde kann beginnen. So entscheidet das Kind, wie detailliert es etwas erklärt haben will. Das kann dann unter Umständen genauso lange dauern wie der Vortrag. Aber diese Zeit sollten Erwachsene sich nehmen. Es könnten die ersten gleichberechtigten Gespräche mit dem eigenen Kind werden. Ganz gleich wie groß der Wissensvorsprung ist, auf manche Frage wäre man gar nicht gekommen. Auch darum werden Kinder manchmal die Philosophen des Alltags genannt. Man lernt auch als Erwachsener wieder genau hinzuschauen und entschleunigt für einen Moment den Tag.