Das Fest der Liebe in anderem Licht

Frohe Weihnachten – auch ohne Religion

Wer mit Religion oder zumindest mit Kirche nicht viel am Hut hat, der muss auf besinnliche und fröhliche Weihnachten nicht verzichten. Hier gibt es Tipps, wie Weihnachten für die ganze Familie dennoch Tiefgang behält.

Autor: Gabriele Möller

Wintersonnenwende: Der Ursprung der Weihnacht

Weihnachten Mutter Maedchen iStock lisegagne
Foto: © iStockphoto.com/ lisegagne

Wer mit Kirche und Religion nicht viel am Hut hat, den beschleicht Weihnachten manchmal ein etwas unsicheres Gefühl: Einerseits möchte man auf Kirchgang und alles „Heilige“ rund um die Feiertage verzichten. Andererseits will man natürlich die Weihnachtstage nicht nur im tiefen Konsumrausch oder puren Perfektionsstress (Katergefühl hinterher gleich inklusive) verbringen. Weihnachten soll auf jeden Fall ein ganz besonderes Fest für die eigene Familie sein, vor allem für die Kinder. urbia zeigt, wie Weihnachten auch ohne Religion richtig viel Sinn macht. Außerdem gibt es Vorschläge für Antworten auf Kinderfragen zur Weihnacht, damit auch nichtreligiöse Eltern sich weder verbiegen noch allzu ausweichend reagieren müssen.

Licht als Urbild der Hoffnung

Auch wer nicht an Gott glaubt, braucht an Weihnachten das sprichwörtliche Kind nicht gleich mit dem Bade (oder der Krippe) auszuschütten. Schält man den religiösen Überbau und die kirchlichen Zeremonien ab, bleibt immer noch ein recht wertvoller Kern übrig. Und der ist viel älter als das christliche Weihnachten: Die Feier der Winter-Sonnenwende. Dieses Fest wurde erst im frühen Mittelalter durch das christliche Weihnachtsfest abgelöst. Die Sonnenwende findet in der Nacht vom 21. auf den 22. Dezember statt und markiert den kürzesten Tag des Jahres. Ab dann werden die Tage wieder länger, das Licht kommt also sprichwörtlich zurück in die Welt. Äußerlich bedeutet das, dass man sich langsam, aber absehbar auf den Frühling und auf die Wärme freuen kann. Für die Seele ist das Licht ein Urbild der Hoffnung. Es steht für die Rückkehr des Lebens in die Dunkelheit, in der gefühlsmäßig auch Angst und Tod angesiedelt sind. Die Bedeutung des Lichts in der dunkelsten Zeit des Jahres ist bis heute ungebrochen: Lichter und Kerzen gehören zu Weihnachten einfach dazu.

Mehr Licht im grauen Alltag

Die Rückkehr des Lichts kann man als Familie auf vielfältige Weise spürbar machen. Helligkeit ins Herz und ein warmes Kribbeln in den Bauch bringen zum Beispiel die wertvollen Momente des „Wir-Gefühls“. Bei einem adventlichen Plätzchen-Gelage könnte man sich zusammen dem Rückblick aufs Jahr widmen. Sich also gegenseitig stolz alle kleinen Erfolge der Kinder (und auch der Eltern) aufzählen und sich als Familie mal ausgiebig selbst loben. Danach kann ein Ausblick kommen, bei dem man bespricht, was sich alle im kommenden Jahr (anders?) wünschen – an der Einrichtung und Aufteilung der Kinderzimmer, an den Familienregeln, bei Hobbys oder Ausflügen, beim Taschengeld oder beim Streiten. Die Jüngsten sollten dabei zuerst sprechen dürfen.

Mehr Licht kann auch dabei helfen, im übertragenen Sinne deutlicher hinzusehen. Zum Beispiel kann man die Weihnachtstage zu einer Zeit besonderer Wachheit erklären. In der man aufhört, ständig in die Vergangenheit (Streit mit Nachbarn) oder in die Zukunft (Was ist alles noch zu erledigen?) zu schauen. Und stattdessen den gegenwärtigen Augenblick wirklich erlebt, was mehr Gelassenheit und inneren Frieden bringen kann. Hier kann man auf bewährte Techniken anderer Kulturen zurückgreifen: Die buddhistische Übung der Achtsamkeit eignet sich zum Beispiel wunderbar, um gegenwärtiger zu werden - und das Leben auch in der Hektik des vorweihnachtlichen Alltags nicht davoneilen zu lassen. Dann scheint sich die knappe Zeit fast wie von selbst zu dehnen (Buchtipps im Anhang).

Kleine Freudenfunken in den manchmal allzu grauen Familienalltag zu holen, kann ein weiterer Aspekt des Lichterfestes sein. Man könnte also den Wunsch „Fröhliche Weihnachten“ einfach wörtlich nehmen und als Überschrift über die Feiertage stellen. Kinder sind sowieso fast ständig in „Freu-Bereitschaft“. Freude kann für sie schon heißen, dass Mama und Papa nicht alles immer so bierernst sehen, sondern ihre Kopflastigkeit einfach mal abwerfen. Indem sie vielleicht langweilige tägliche Rituale in neuer Verpackung liefern: Zähneputzen wird viel lustiger, wenn sich die Zahnbürsten (gespielt von den Eltern) miteinander um die Kinderzähne streiten. Und wer sich mittags gut benehmen musste, weil die Großeltern zum Gänse-Essen da waren, der kann mit einem abendlichen „Ritter-Essen“ belohnt werden (bei dem man nur die Finger benutzen darf!).

Freude ist natürlich auch immer dann garantiert, wenn Eltern sich einfach Zeit für die Kinder nehmen: Jetzt ist die richtige Zeit für Schnee- (oder Matsch) Spaziergänge oder für eine abendliche „Nachtwanderung“ mit Sternengucken (momentan ist mit etwas Glück bei klarem Himmel der Komet „Holmes“ im Sternbild Perseus als blassgraue Scheibe zu sehen). Nestwärme gibt aber auch ein gemeinsames Schokoladen-Fondue, bei dem reihum Geschichten ausgedacht und abwechselnd fortgesponnen werden – solche Erlebnisse bleiben Kindern lange in Erinnerung und leuchten bis weit ins nächste Jahr hinein.

Sichtbar gemachte Weihnachtsfreude

Symbole helfen, Bilder der Seele sichtbar zu machen. Statt einer Krippe kann auch ein Kreis aus sich umarmenden Ton-Figuren mit einer Kerze in der Mitte die Freude über das wiederkehrende Licht ausdrücken (Bezugsquelle s. Anhang). Weil Kinder es geheimnisvoll lieben, kann man zum Beispiel an Heiligabend alle Lichter im Zimmer löschen und eine Weile nicht sprechen (Finger auf die Lippen legen). Dann entzündet man erst die einzelne Kerze im Tonfiguren-Kreis und nach und nach immer mehr Lichter (Tannenbaum), bis alles hell und festlich aussieht.

Auch ein von der ganzen Familie gemeinsam gemaltes Mandala (großer, unterteilter Kreis mit Figuren, Symbolen und Lieblingswörtern), vielleicht noch versehen mit Teelichten, kann die Krönung eines weihnachtlichen Tisches sein.

Ein Symbol für neues Leben ist die im Winter grünende Mistel, die in vielen Häusern zur Weihnachtszeit gern in einen Türrahmen gehängt wird. Bei den Kelten war sie ein Bild für die Wiedergeburt und für den Neubeginn des Jahreszyklus zur Zeit der Wintersonnenwende. Die Mistel ist außerdem weder Baum noch Strauch, sie steht sprichwörtlich irgendwo zwischen den Kategorien. Daher ist im Brauchtum auch jedermann frei von Einschränkungen, wenn er unter dem Mistelzweig steht: er darf küssen, wen er will...

Kinder helfen Kindern

Wer die Freude der Weihnachtszeit so richtig spürt, möchte vielleicht auch andere gern daran teilhaben lassen. Kinder sind von Natur aus großzügig und mitfühlend. Damit diese Eigenschaften erhalten bleiben, ist zum Beispiel eine gemeinsame Patenschaft für ein Kind in der sog. Dritten Welt eine wunderbare Sache. Man zeigt ein Foto von dem Kind und erzählt, warum es sich Hilfe wünscht. So lernen Kinder etwas über den Kinderalltag in anderen Ländern und lernen ganz von selbst, dass jeder Einzelne helfen kann. Als „Belohnung“ gibt’s bald auch Nachrichten und Briefe vom „Patenkind“.Die Weihnachtszeit eignet sich auch, um Kindern etwas über die Religionen anderer Völker zu erzählen und zu fragen, welche Vorstellungen dem eigenen Kind besonders gefallen. Darüber könnte es dann ein Bild malen. Manche Feste anderer Kulturen fallen zeitlich in unsere Weihnachtszeit, so dass sich Vergleiche von selbst ergeben (jüdisches Lichterfest Chanukkah, chinesisches Neujahrsfest).

Vorlesegeschichten – mit und ohne Christkind schön

Ganz hell werden Kinderseelen auch beim gemütlichen Vorlesen. Das geht locker auch ohne Krippengeschichten, zum Beispiel mit diesen Vorlesebüchern: „Der kleine Igel und die rote Mütze“ von M.C. Butler, T. Macnaughton, einem Fühl- und Vorlesebuch ab drei Jahren (der Igel findet eine rote Mütze, diese passt ihm aber nicht wegen seiner Stacheln, wird immer weiter verschenkt, bis jemand sie bekommt, der sie dringend braucht). Toll ist auch „Guck mal, Madita, es schneit“ von Astrid Lindgren. (Lisabeth will mutig sein, versteckt sich auf einem fremden Schlitten und fährt mit ins Unbekannte). Winterlich-verzaubert werden Kinder ab vier vom „Geheimnis im Winterwald“ von C. R. Sams, J. Stoick (verschiedene Tiere im Wald begegnen dem Schneemann und staunen ihn an. Mit echten Tierfotos). Last but not least zwei wunderschöne Klassiker für ältere Kinder: „Eine Weihnachtsgeschichte“ von Charles Dickens, oder Antoine de Saint-Exupérys "Kleiner Prinz", der viel weiß über die Liebe und über die Freundschaft.

Auch wer nicht an Gott glaubt, kann sich ruhig trotzdem an die biblische Weihnachtsgeschichte heranwagen. Die Geburt eines Kindes mitten in der dunklen Nacht, überstrahlt von einem hellen und freundlichen Stern, ist ein zeitloses Bild. Es steht für die Hoffnung auf einen Neuanfang, die in der Seele jedes Menschen schlummert - und spricht auch schon Kinder an. So wie ja sehr viele Bibelgeschichten eher Seelenbilder als historische Wahrheiten sind. Ihre Aufgabe ist es, Dinge deutlicher und verständlicher zu machen, die Menschen immer schon angingen oder beschäftigt haben: Ängste und Hoffnungen, Probleme und ihre Lösungen sowie Vorschläge, wie ein friedliches Miteinander aussehen könnte.

Was antworten auf Kinderfragen zur Weihnacht?

Viele nichtgläubige Eltern werden verlegen, wenn kleine Kinder plötzlich unverblümt nach dem Jesuskind oder dem „lieben“ Gott fragen. Diese Fragen knapp wegzuwischen („Wir glauben an so etwas nicht!“), würde das Kind verunsichern. Kinder merken natürlich, wenn bestimmte Themen im Elternhaus nicht gern erörtert werden. Solche Tabus aber machen unfroh. Und so könnten Antworten aussehen, die kindgerecht sind und bei denen man sich dennoch nicht verbiegen muss:

  • Gab’s den Jesus wirklich?
  • „Ja, der Jesus hat vor langer Zeit wirklich gelebt. Viele Leute finden, dass er ein besonderer Mensch war. Er hatte nicht viel mit den Königen und mit den Gesetzen am Hut, die damals sehr streng waren. Er fand es viel wichtiger, dass keiner auf den anderen herabschaut, und dass sich alle gegenseitig helfen. Das finden wir auch gut.“

  • War der tatsächlich der Sohn vom lieben Gott?
  • „Das stellen sich manche Menschen so vor. Sie finden vielleicht, dass Jesus ein so ungewöhnlicher Mensch war, dass nur Gott sein Vater gewesen sein kann. Wir glauben das nicht. Er hatte einen echten Vater und eine richtige Mutter. Seine Eltern hießen Maria und Josef. Josef war Zimmermann, das ist so etwas ähnliches wie Schreiner. Er machte also Sachen aus Holz. Später hat er auch Jesus beigebracht, wie das geht.“

  • Warum liegt das Jesuskind in einer Krippe?
  • „Worin das Jesusbaby wirklich gelegen hat, das wissen wir heute nicht. Eine Legende (das ist so etwas wie ein Märchen) sagt: Maria und Josef wurden nach einer langen Reise in dem kleinen Ort Bethlehem von der Geburt überrascht. Sie fanden kein Hotel und mussten deshalb in einem Stall am Wegrand übernachten. Dort soll dann Marias Baby, der Jesus also, zur Welt gekommen sein.“

  • Warum gehen wir Weihnachten nicht in die Kirche?
  • „Wir finden das nicht nötig, wir glauben, dass man Weihnachten genauso gut zu Hause (oder im Urlaub, bei den Großeltern etc.) feiern kann. Wenn Du aber gern mal in eine Kirche gehen möchtest, können wir zusammen hingehen und sie uns von innen anschauen, wenn dort gerade keine Veranstaltung ist.“

  • Bringt das Christkind auch mir die Geschenke?
  • Vor allem jüngere Kinder mögen mythologische Figuren. Ihre Seele ist in der sogenannten magischen Phase sowieso von vielen guten und wilden Wesen bewohnt, deren Bilder vom Kind nach außen projiziert werden (z.B. als Angst vor Monstern im Dunkeln). Ein freundlich-gesonnenes Wesen wie das Christkind kommt bei Kindern daher gut an und weckt gute Gefühle. Wer aber Christkind oder Weihnachtsmann auf keinen Fall einführen möchte, kann sagen: „Weil wir (und die Großeltern und Paten etc.) dir so gern selbst die Geschenke kaufen (oder basteln) und für dich unter den Baum legen möchten, ist es nicht nötig, dass zu uns ein Weihnachtsmann oder ein Christkind kommt.“

Für alle Kinderfragen zur Weihnacht gilt: Kurze und knappe Antworten reichen völlig. Kinder sind überfordert mit ausführlichen Erklärungen darüber, warum die Eltern nicht an Gott glauben oder entschieden haben, aus der Kirche auszutreten. Wichtig ist auch, den Glauben anderer Familien im Beisein des eigenen Kindes nicht abzuwerten, sondern hier einfach neutral zu bleiben.

Weiterführende Infos

Der Tonfiguren-Kreis mit Kerzenhalter in der Mitte (statt Krippe) ist erhältlich im Dritte-Welt-Shop unter: http://www.dw-shop.de

Zum Weiterlesen

  • „Ein Fest des Lachens. Weihnachten einmal anders“ von Heinz Marecek, Np Buchverlag, ISBN: 3853263860, 19,90 EUR.
  • „Wieso? Weshalb? Warum? Unsere Religionen“, von Angela Weinhold (Vorstellung der Weltreligionen für Kinder ab 4 Jahren) Ravensburger Buchverlag, ISBN 3473332550.
  • „Ein Löffelchen voll Zucker... und was bitter ist, wird süß! - Das Mary Poppins-Prinzip“, von Sabine Bohlmann, Vgs Verlagsges., ISBN: 3802516427 (einfache Ideen für mehr Fröhlichkeit im Alltag mit Kindern).
  • „Jeden Augenblick genießen. Übungen zur Achtsamkeit“ von Thich Nhat Hanh (buddhistischer Mönch, Lehrer und Autor), Theseus Verlag, ISBN 3896202316.
  • „Jetzt! Die Kraft der Gegenwart“ von Eckhart Tolle, J. Kamphausen Verlag 2002, ISBN 3933496535 (religiös unabhängige, spirituelle Anregungen zu mehr Leben im „Jetzt und hier“).
  • Patenschaften für Kinder in anderen Ländern (Beispiele)

  • SOS Kinderdorf Kinderpatenschaften (ab 31 EUR monatlich). Infos unter SOS-Kinderdörfer
  • Oder: Kindernothilfe (auch ab 31 EUR) unter www.kindernothilfe.de.
  • (beide mit dzi-Spendensiegel).