Kein Fleisch mehr?

Mein Kind will vegetarisch essen

Wenn sich ein Kind entscheidet, kein Fleisch mehr zu essen, haben die Eltern oft Sorge vor einer Mangelernährung – besonders Eisenmangel. Auf was ihr beim Speiseplan achten solltet, wenn euer Kind vegetarisch essen möchte, und warum Kinder sich besser nicht vegan ernähren.

Autor: Heike Byn

Kleine Vegetarier: Mitleid mit Kuh, Schwein und Huhn

vegetarisches Kind
Foto: © Colourbox

Chiara Hermann ist gerade acht Jahre alt und hat beschlossen, kein Fleisch mehr zu essen. „Ihre beste Freundin ist auch schon Vegetarierin und Chiara liebt Tiere über alles", erzählt ihre Mutter Irina. Die kleine Kölnerin hat Mitleid mit Kühen, Schweinen und Hühnern, die geschlachtet werden, damit in vielen Haushalten Schnitzel in die Pfanne und Wurst aufs Brot kommen können. Deshalb teilt sie auch eines Tages ihren Eltern mit: „Ich esse keine toten Tiere mehr!" So richtig ernst hat ihre Mutter den Vorsatz der Tochter erst einmal nicht genommen und packte Chiara schon am Morgen danach wieder einen Wurstsnack für die Schule in die Brotdose. Der Snack wanderte später in den Mülleimer, am Abend verschmähte Klein-Chiara dann auch die sonst heißgeliebten Grillwürstchen. Auch in den Tagen danach rührte das Mädchen kein Fleisch an. „Erst nach und nach ist uns klargeworden, dass es Chiara ernst war mit ihrem Vorsatz", so Irina Hermann.

Kein Fleisch mehr: Vor allem Mädchen essen vegetarisch

Dabei ist Chiara trotz ihres Alters keineswegs eine Ausnahme: Immer mehr Kinder und Jugendliche entscheiden sich dazu, auf Fleisch zu verzichten. „Derzeit sind es rund 15 Prozent der Mädchen und fünf Prozent der Jungen, die sich vegetarisch ernähren wollen", weiß Sebastian Zösch, stellvertretender Vorsitzender des Vegetarierbunds Deutschland (Vebu). Mädchen fühlen sich den Tieren noch deutlich näher als Jungen und finden Fleisch deswegen oft einfach nur „eklig". Unter den erwachsenen Vegetariern machen Frauen mit 70 Prozent übrigens die deutliche Mehrheit aus. Insgesamt hat sich die Zahl der erwachsenen Vegetarier seit 2007 mehr als verdoppelt: Im Jahr 2015 waren es laut Statistik Institut „statista" bereits 5,4 Millionen Deutsche, die sich fleischlos ernährten.

Vegetarische Ernährung: Mangel an Vitamin B12 und Eisen möglich

In Familien, die gerne Fleisch essen, wirft der Wunsch von Sohn oder Tochter nach vegetarischer Ernährung oft erst einmal viele Fragen auf: „Ich kann Chiaras Gründe zwar verstehen, doch seither ist das Kochen und Mahlzeiten deutlich komplizierter geworden", meint ihre Mutter. Denn weder sie, noch ihr Mann oder Chiaras Bruder Leon wollen ganz auf Fleisch und Wurst verzichten. Außerdem fragen sich die Eltern, ob ihre Tochter auch ohne Fleisch alle Nährstoffe und Vitamine bekommt, die sie für ihr Wachstum braucht. Professor Mathilde Kersting, wissenschaftliche Geschäftsführerin des Forschungsinstituts für Kinderernährung (FKE), sieht da grundsätzlich keine große Gefahr für kleine Vegetarier. Sofern denn Eltern darauf achten, dass erst gar kein Mangel an bestimmten Stoffen entsteht: „Kinder sollten ohnehin nicht soviel Fleisch essen. Etwa 40 Gramm Fleisch oder Wurst am Tag reichen schon für eine optimierte Mischkost aus", so Professor Kersting.

Zum Vergleich: Ein kleines Hühner- oder Schweineschnitzel wiegt etwa 100 Gramm, eine Scheibe Wurstaufschnitt rund 25 Gramm und eine Scheibe Salami schon 40 Gramm.

Fleisch liefert Nährstoffe wie Eiweiß und Vitamine und von den Mineralstoffen vor allem Eisen, das leichter vom Körper aufgenommen wird als das von Pflanzen. Weil Kinder schnell wachsen, sich damit auch die Blutmenge vergrößert und Eisen für die Blutbildung benötigt wird, brauchen sie sehr viel Eisen. „Deshalb zeigen Kinder bei einer rein vegetarischen Ernährung auch schneller Mangelerscheinungen als Erwachsene." Das gilt auch für ihren hohen Bedarf an Vitamin B12, das nur in tierischen Lebensmitteln vorkommt und wichtig für die Entwicklung des Nervensystems ist.

Kind isst vegetarisch: Kombination von Lebensmitteln wichtig

Wenn ein Kind keine Tiere essen will und damit auf einen wichtigen Eisen- und Nährstofflieferanten verzichtet, kann eine ausgewogene vegetarische Ernährung relativ leicht für Ersatz sorgen. Auf den Tisch gehören dann möglichst viele Vollkornprodukte und Gemüse. Hülsenfrüchte, Nüsse, Soja oder Vollkorngetreide und die daraus hergestellten Produkte sind besonders eisenreiche vegetarische Lebensmittel. Achtet dabei darauf, dass in einer solchen Mahlzeit auch Vitamin C enthalten ist, damit das Eisen besser vom Körper aufgenommen werden kann – Milch hemmt dagegen die Eisenaufnahme. Am Morgen kann das dann ein Müsli mit Haferflocken sein, das auch Apfel- oder Apfelsinenstückchen enthält. Dazu gibt es ein Glas Fruchtsaft statt Milch. Gut zu wissen: Ein Marmeladenbrot mit einem Glas Orangensaft ist für den Eisenhaushalt sogar besser als ein Käsebrot. Schulbrote könnt ihr zusätzlich mit Tomaten, Paprika oder Äpfeln belegen. Mittags oder abends könnt ihr Vollkornnudel- oder Kartoffelaufläufe mit Gemüse wie Spinat oder Brokkoli kombinieren.

Kein Fleisch? Auf genügend Jodsalz achten

Es kommt auch vor, dass kleine Vegetarier auch keinen Fisch essen wollen, der für unsere Ernährung eine wichtige Jodquelle ist. Fehlt diese, muss das Jod über das Salz aufgenommen werden. Am besten verwendet ihr dann beim Kochen immer Jodsalz und achtet darauf, dass es auch in anderen Produkten die ihr kauft – wie z.B. im Brot – enthalten ist. Übrigens: Konventionelle Milch enthält im Gegensatz zu Bio-Milch mehr Jod, weil die Kühe es schon ins Futter gemischt bekommen. Ob deshalb diese Milch getrunken werden soll, muss jeder selbst entscheiden.

Vegane Ernährung: Für Kinder keine gute Idee

Was eine rein vegane, also rein pflanzliche, Ernährung für Kinder angeht, so kann die der Entwicklung eines Kindes sogar schaden – darin sind sich Kinderärzte und Ernährungswissenschaftler einig. Eisen, Jod, Proteine und viele weitere Nährstoffe, die in tierischen Produkten Milcherzeugnissen und Eier enthalten sind, müssen dann nämlich durch Ergänzungsstoffe ersetzt werden. Eltern müssen sich gut mit der Zugabe von Nahrungsergänzungsmitteln auskennen und sich immer wieder mit dem Kinderarzt oder einem Ernährungsberater über eine Anpassung an die jeweilige Wachstumsphase des Kindes beraten, damit es gar nicht zu Mangelerscheinungen kommen kann. Deshalb rät auch das Dortmunder Forschungsinstitut für Kinderernährung von Ernährungsformen ab, bei der sich Kinder zusätzlich Nährstoffe zuführen müssten. „Dazu zählt auch die vegane, nicht aber die vegetarische Ernährung", erklärt Mathilde Kersting.

Unterstützung zeigen und Speiseplan aufstellen

Viele Ernährungsexperten raten außerdem dazu, die vegetarische Ernährung vom Kinderarzt begleiten zu lassen, der auf mögliche Anzeichen für Mangelerscheinungen achtet und das Gewicht im Auge behält. Das gilt erst recht für Mädchen, die bereits ihre Regelblutung haben und deshalb mehr Eisen brauchen. Er entscheidet auch, ob eventuell ein Blutbild zur Kontrolle nötig ist. Kinderarzt Jörg Dötsch, Direktor der Kinderklinik am Kölner Uniklinikum, empfiehlt Eltern, sich mit dem Kind über Gründe für eine fleischlose Ernährung auseinanderzusetzen und ihm klarzumachen: „Wir verstehen dich und wir unterstützen deinen Wunsch. Jetzt müssen wir es gemeinsam schaffen, dich so zu ernähren, dass dir dabei nichts fehlt." So verhindert ihr auch, dass euer Kind einfach nur aufs Fleisch verzichtet, um dafür dann nur noch Süßspeisen, Kuchen und Pommes zu essen. Pudding-Vegetarier nennt man solche Leckermäuler.

Mit dem Angebot, gemeinsam an einem ausgewogenen Speiseplan zu arbeiten, zeigt ihr eurem Kind, dass ihr es ernst nehmt und macht seine vegetarische Ernährung zu einer Familienaufgabe, die seine Mitarbeit braucht. Manchmal ist ein kleiner Vegetarier am Tisch sogar der Anstoß dafür, dass sich Eltern und Geschwister bald zumindest bewusster, wenn nicht gleich auch vegetarisch ernähren.

Es muss nicht immer Fleisch sein: Alternativen für Aufschnitt und Schnitzel

  • Frühstück: Honig, Quark und Marmelade aufs Brot; Müsli mit viel Vollkorngetreide-Anteil, Rosinen, getrockneten oder frischen Früchten, vegetarischer Aufstrich
  • Pausensnacks: Rohkost, Müsliriegel (auf Zuckeranteil achten!), Joghurt mit Früchten, Brot mit Tomate oder Paprika, Vitamin C-reiches Obst wie Kiwi, Erdbeeren und Zitrusfrüchte
  • Mittag- und Abendessen: Gemüse-, Kartoffel- und Vollkornnudelaufläufe mit Gemüse, Räuchertofu oder Tofuwürstchen