Sport treiben und Spaß haben

Welcher Sport für mein Kind?

Kinder werden selten als Sportskanonen geboren. Fast alle aber können Spaß an Bewegung und an Sport entwickeln, wenn man sie nicht daran hindert und die richtigen Weichen stellt. Wie das geht, lesen Sie in diesem Artikel.

Autor: Heike Byn

Sportarten für Kinder: Hilfe für Bewegungs-Muffel?

Kinder Ballett

Was tun mit einem Bewegungs-Muffel?

Mein Sohn ist kein Nachwuchs-Sportler. Mit fünf kann er, trotz drei Jahren Kinderturngruppen-Karriere, gerade mal ein paar Sekunden auf einem Bein hüpfen. Bälle fängt er nur mit etwas Glück und beim Laufen fällt er oft hin. "Das ist Veranlagung", sagt der Kinderarzt. "Aus dem wird bestimmt kein Hochleistungssportler." Er hat wohl Recht. Letztens beim Kinderturnen hat er sich geweigert, an den Ringen zu schaukeln. Seine Begründung: "Davon werden meine Arme länger. Dann sehe ich aus wie ein Affe." Wenigstens hat er Witz.

Schulanfänger aus der Balance geraten

Kinder bewegen sich heute zu wenig, das liest und hört man überall. Die Hälfte der Kinder hat Haltungsschäden, jedes fünfte ist zu dick. Von den I-Dötzchen, so ein Test in NRW, können 50 Prozent keine halbe Minute lang auf einem Bein stehen. Dabei ist Bewegung, da sind sich die Experten einig, aber für die geistige und soziale Entwicklung enorm wichtig. Theoretisch wissen wir alle, wie anregend und ausgleichend Bewegung ist – praktischer ist es aber, die Kinder schnell zur Schule, zum Freund oder zum Nachmittagskurs zu karren. Und ungefährlicher.

Sport fürs Kind: Bewegung im Alltag

Statt mit anderen draußen zu toben oder gezielt Sport zu treiben, hocken viele Kinder tagtäglich vor Computer, Fernsehen & Co. Dicke Kinder sehen im Schnitt wesentlich mehr fern als schlanke, vor allem zwischen 17 und 19.30 Uhr. Doch Bewegung kann man lernen. Durch die Erfahrung, dass es Spaß macht, seinen Körper an seine Grenzen zu bringen. Doch woher sollen Kinder das überhaupt wissen, wenn viele Eltern wegen der Doppelbelastung durch Beruf und Familie sowie Terminstress zwischen Einkaufen, Kochen, Putzen und Freizeitdates die bequeme Lösung vorziehen und den Nachwuchs lieber vor dem Fernsehkasten parken, als noch eine Runde mit dem Rad zu drehen oder den nächsten Spielplatz zu besuchen?

Dabei genügt für mehr Bewegung der Kinder oft nur ein kleiner Anreiz: Zum Beispiel wenn aus Kinderzimmern kleine Aktionsrevieren werden - mit Matratzen, Kissen, Schaumstoffteilen, einem Kletterbett oder einem von der Decke hängenden Seil. Reicht die Zeit in der Woche nicht aus, sollte wenigstens das Wochenende im Zeichen gemeinsamer Aktionen stehen: Radeln, wandern, spazieren gehen, Federball spielen, Seilchen hüpfen oder Wettrennen veranstalten müssen dabei beileibe keine tagesfüllenden Aktionen sein.

Und wie kriege ich mein Stubenhocker-Kind dazu, sich mehr zu bewegen? Erziehungs-Experte Jan-Uwe Rogge antwortet hier:

 

Keine frühe Spezialisierung

Keine frühe Spezialisierung

Wer es schafft, viel Bewegung in den Alltag zu integrieren kann die ersten Jahre sogar auf organisierte Sportangebote verzichten. Alle anderen sind mit ihren Kindern besser in einem Verein aufgehoben, der mehrere Sportarten anbietet – vor allem spezielle Kleinkinder-Kurse. Dabei ist darauf zu achten, dass der Übungsleiter eine qualifizierte Ausbildung für die „Bewegungserziehung im Kleinkind- und Vorschulalter“ vorweisen kann. „Lassen Sie Ihr Kind verschiedene Sportarten ausprobieren. Und überlassen Sie ihm die Entscheidung, was es dann machen möchte“, empfiehlt die Kölner Diplom-Sportlehrerin und ehemalige Hochleistungssportlerin Ulrike Breuer. Kinder sollen und brauchen sich am Anfang gar nicht auf einen Sport zu spezialisieren.

Gerade im Vorschulalter ist der soziale und kommunikative Aspekt des Sports wichtig: Mit anderen Kindern spielen, sich im Team einordnen und gemeinsame Bewegungserfahrungen machen. Dazu eignet sich eigentlich jede Sportart für Kinder. Besonders beliebt sind Fußball, Turnen oder Schwimmen, denn hier stehen Spiele in der Gruppe anfangs im Vordergrund. „Aber auch eher leistungsorientierte Einzelsportarten wie Leichtathletik kann man bei Interesse der Kinder durchaus in Betracht ziehen, denn das Training findet ja auch in der Gruppe statt“, erzählt Ulrike Breuer. Übrigens: Grundsätzlich sind Stadt-Familien den Land-Bewohnern überlegen, was das breite Angebot durch Vereine, Schulen oder kommerzielle Anbieter angeht. Letztere müssen deshalb häufig weitere Anfahrtswege, mehr Organisationsaufwand und höhere Kosten in Kauf nehmen.

Unsportliche Kinder profitieren von Kampfsportarten

Wichtig: Kinder mit weniger Bewegungstalent erleben manchmal bei leistungsbetonten Sportarten den totalen Frust, weil sie nicht mithalten können. Für sie eignen sich dann zum Beispiel Kampfsportarten wie Judo oder Taekwon-Do (beide frühestens ab dem Grundschulalter) besser, weil sie die Motorik fördern und die Auslese nicht so hart ist. Auch beim Tanzen, Skifahren oder Schwimmen haben weniger bewegungsbegabte Kinder größere Erfolgserlebnisse. Deshalb bieten auch immer mehr Sportvereine Sportneigungsgruppen an, bei denen der Spaßcharakter überwiegt.

Wechseln ist kein Problem

Beliebteste Vereinssportart ist immer noch Fußball, gefolgt von Tennis, Handball und Schwimmen. Außerhalb der Vereine sind besonders Tanzen, Turnen oder Kampfsportarten der Renner. Nicht jede Sportart eignet sich auf Dauer für jedes Kind. Wenn es nach einer gewissen Zeit die Disziplin wechseln will, ist das kein Drama, sondern zeigt nur, dass es mehr ausprobieren will. Bis etwa zum Ende der Grundschulzeit suchen die meisten noch ihre Lieblingssportart. Das Kind soll Sport treiben und Spaß dabei haben. Das ist die Hauptsache.

Schwung für Vater, Mutter, Kind(er)!

Bewegungsideen für die ganze Familie

Egal, ob die Kinder Sportskanonen sind oder nicht – folgende Spiel- und Bewegungsübungen machen allen Spaß:

  • Werfen
    Zielwerfen mit Tennisbällen, Softbällen, Steinen auf Büchsen, aufgemalte Kreise, in alte Reifen, Steine flutschen lassen auf dem Wasser
  • Gelenkigkeit
    Schaukeln, zur Musik ausgelassen tanzen, in der Rückenlage ein oder beide Beine umfassen und schaukeln
  • Springen
    Hüpfen auf einem oder zwei Beinen im rhythmischen Wechsel, Hampelmannsprünge. Auch Spiele wie Gummitwist, Himmel und Hölle und Seilhüpfen stärken die Sprungkraft
  • Muskelkraft
    Klettern an Kletterwänden (erst ab zehn Jahren), Bäumen oder Seilen. Klimmzüge am Türreck, der Schaukel oder Teppichstange. Mit Freunden und Eltern Armdrücken
  • Ausdauer
    Rad fahren, schwimmen, kleine Wettrennen, kleine Strecken durch den Wald laufen

Die sechs beliebtesten Sportarten für Kinder

Eine kleine Hilfe bei der Auswahl: Die sechs beliebtesten Sportarten für Kinder

Fußball ist unser Leben
Nicht nur während der Weltmeisterschaft in Deutschland ist Kicken für Jungen und immer mehr Mädchen die Sportart Nummer eins in Deutschland. Etwa 1,5 Millionen Kinder bis 14 Jahre sind im Deutschen Fußball-Bund (DFB) organisiert. Bei den so genannten Bambini geht es zunächst noch nicht um Leistung. Die Fußballzwerge machen nach ein paar Aufwärmübungen meist einfache Ballspiele: Man rollt oder wirft sich gegenseitig den Ball zu. Alle schießen gleichzeitig auf das Tor, in dem der Trainer steht. Oder es wird einfach über den Rasen getobt. Turniere werden schon mit den Bambini (ab 4) und mit der F-Jugend (ab 7) ausgetragen.

Alter: Ab fünf Jahren.
Förderung: Ausdauer, Koordination, Schnelligkeit, Teamfähigkeit.Verletzungsgefahr: Nicht so hoch. Meist nur aufgeschürfte Knie oder Ellenbogen.
Kosten: 75-100 Euro für eine komplette Ausrüstung mit Schuhen, Trikot, Hose, Stutzen. Vereinsbeiträge pendeln zwischen 50 und 70 Euro jährlich.
Infos: Deutscher Fußball-Bund, Telefon 0 69 / 67 88 0 oder im Internet unter www.dfb.de.

Ballett - nicht nur für Mädchen nett
Viele Tanz- und Ballettschulen bieten Vorschulkindern eine "tänzerische Früherziehung". Und die ist inzwischen nicht nur reine Frauensache, denn immer mehr Jungen finden Spaß an der Bewegung zu Musik. Die klassische Ballett-, Jazzdance- oder Standard-Tanzausbildung dagegen beginnt erst im Alter von sieben Jahren. Der Grund: Die Bewegungsabläufe sind häufig einseitig und für kleine Kinder ungünstig.Zunächst stehen Phantasie und das Gefühl für Koordination und Raum im Vordergrund, also eine Art künstlerisches Spiel mit Musik: zum Beispiel tänzerisch etwas nachmachen, sich im Kreis drehen oder Spiele mit Tüchern. Mit Übungen auf Zehenspitzen sollten Kinder aber frühestens mit zwölf Jahren beginnen.

Alter: Ab vier Jahren.
Förderung: Körper- und Rhythmusgefühl, Koordination, Beweglichkeit, Haltung.
Verletzungsgefahr: Eher gering. Erst bei Fortgeschrittenen kommt es im Übereifer zu Verstauchungen oder Zerrungen.
Kosten: Schuhe und Ballettröckchen bzw. Turnhose mit T-Shirt kosten ab 50 Euro aufwärts. Kursgebühren belaufen sich meist ab 20 Euro im Monat.
Infos: Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogik, Telefon 02 01 / 86 20 60 oder im Internet unter www.ballett-intern.de.

Wunderbare Wasserwelt
Wer seine Tochter oder seinen Sohn in einen Schwimmkurs schickt, liegt damit garantiert richtig. Schließlich soll jedes Kind schwimmen lernen. Und in der Gruppe bzw. mit Lehrer – das zeigt die Erfahrung – lernt man es viel schneller als von den Eltern.
Die ganz kleinen Kursteilnehmer bis vier Jahre können sich beim Babyschwimmen und später bei der Wassergewöhnung im flachen Becken mit dem Wasser vertraut machen, beim Plantschen, Ballspielen, gegenseitigen Nassspritzen. Natürlich mit Schwimmhilfen und unter ständiger Aufsicht.
Ab frühestens 5 Jahren lernen die Kinder kurzes Abtauchen und erste Schwimmtechniken. Am Ende gibt’s ein Abzeichen: das Seepferdchen. Schwimmen gehört zu den gesündesten Sportarten, weil alle Muskelgruppen beansprucht werden.

Alter: Ab Babyalter.
Förderung: Kraft, Beweglichkeit, Koordination, Ausdauer.
Verletzungsgefahr: Sehr gering.
Kosten: Ab 20 Euro für Badeanzug oder Schwimmhose. Kursgebühren beginnen mit 50 Euro für zehn Stunden.
Infos: Deutscher Schwimm-Verband, Telefon 05 61 / 94 08 30 oder im Internet unter www.dsv.de.

Judo ist mehr als nur Selbstverteidigung
Kampfsportarten, zu denen neben Judo auch Karate, Taekwon-Do und Aikido zählen, kommen dem kindlichen Bedürfnis entgegen, sich mit anderen zu messen. Judo dient dabei der Selbstverteidigung. Der Kämpfer versucht, die Kraft, den Schwung und das Gewicht des Gegners für sich zu nutzen. Man muss also kein Herkules sein, um Spaß an Judo zu haben. Bei dieser Sportart lernen die Kinder nicht nur Würfe und Haltetechniken, sondern auch das Fallen und Abrollen. Das kann auch im täglichen Leben, bei Stürzen beispielsweise, ganz nützlich sein. Bei Wettkämpfen (ab sechs Jahren) messen sich die Kinder miteinander, ohne dass allzu ernsthafte Folgen drohen.

Alter: Ab sechs / sieben Jahren.
Förderung: Körpergefühl, Koordination, Konzentration, Schnelligkeit, Selbstwertgefühl.
Verletzungsgefahr: Judo ist eine Kontaktsportart und selbst beim gekonnten "Fallen" sind blaue Flecken normal.
Kosten: Ein Judoanzug kostet zwischen 30 und 80 Euro. Vereinsbeiträge starten mit 50 Euro jährlich.
Infos: Deutscher Judo-Bund e.V., Telefon 0 69 / 67 720 80, oder im Internet unter www.judobund.de. Adressen von Judo-Vereinen unter www.judo.de.

Von Kästen springen, an Ringen schwingen
Turnen gilt als ideales Vorprogramm für jeden anderen Sport. Rund 2 Millionen Kinder nutzen die Angebote der Deutschen Turnerjugend. Wie beim Tanzen ist aber auch hier eine zu frühe Spezialisierung nicht zu empfehlen.
Kinderturnkurse versuchen, Kindern auf spielerische Weise eine möglichst breite körperliche Ausbildung zu bieten. Besonders beliebt ist der Hindernisparcours aus verschiedenen Sportgeräten: auf Balken balancieren, von Kästen springen, auf Trampolins hüpfen oder an Ringen schwingen.

Alter: Schon ab dem Laufalter beim Eltern-Kind-Turnen.
Förderung: Körpergefühl, Koordination, Beweglichkeit, Kraft.
Verletzungsgefahr: Gering bis mittelgroß. Auch wenn der Boden mit Matten ausgelegt ist, kann es gelegentlich zu blauen Flecken oder wunden Knien und Ellbogen kommen. Ernsthafte Verletzungen sind allerdings sehr selten.
Kosten: Ausrüstung ab 30 Euro für Turnhose und T-Shirt. Kursgebühr ab 30 Euro für zehn Stunden.
Infos: Deutsche Turnerjugend im Deutschen Turner-Bund, Telefon: 0 69 / 67 801 151oder im Internet unter www.tuju.de oder www.dtb-online.de.

Hoch zu Ross
Vor allem für Mädchen liegt noch immer das höchste Glück der Erde auf dem Rücken der Pferde: nicht umsonst ist ein Viertel aller Mitglieder in Reitvereinen unter 14 Jahre alt. In der Beliebtheitsskala bei Kinder zwischen fünf und 16 Jahren stehen Pferde an dritter Stelle hinter Hunden und Katzen, bei Mädchen sogar an erster Stelle. Doch zu all der Liebe hat auch das Reiten selbst positive Auswirkungen auf die Kinder. Anspannung und Entspannung werden beim Reiten kombiniert und führen so zu einem verbesserten Körpergefühl.
Der Einstieg in das Reiten sollte spielerisch vermittelt, das Gleichgewichtsgefühl und ein sicherer Sitz geschult werden – zuerst geführt, später auch an der Longe und alleine mit naher Begleitung. Ein wichtiger Bestandteil bei dieser Sportart ist die Pflege der Tiere. So lernen die Kinder, mit Spaß und Stolz auf die eigene Leistung, die Arbeiten und die Verantwortung kennen, die zum Leben mit Pferden dazugehören.

Alter: Schon mit zwei bis drei Jahren können Kinder erste Erfahrungen beim Spielen mit Pferden machen. Mit sieben starten Voltigier-Kurse.
"Richtiges" Reiten im Sattel erst ab zehn / zwölf Jahren.
Förderung: Es werden das Gleichgewicht, die Fein- und Grobmotorik geschult sowie alle Gelenke, Muskeln, der Kreislauf und die Atmung gekräftigt.
Verletzungsgefahr: Mittelgroß. Bei Stürzen kommt es zu blauen Flecken, Schürfwunden oder Prellungen.
Kosten: Eine Basisausstattung mit Reitstiefeln, Reithose, Reithelm und Handschuhen beginnt ab etwa 100 Euro. Eine volle Reitstunde mit 60 Minuten kostet für Kinder ab 11 Euro aufwärts.
Infos: Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V., Telefon 0 25 81 / 63 62 0 oder im Internet unter www.pferd-aktuell.de oder www.fn-dokr.de.

Buchtipp:
Der "Familienratgeber Sport" beschäftigt sich ausführlich mit dem Gesundheitsprofil der wichtigsten Sportarten für Kinder. Außerdem bietet das Buch Anregungen und Entscheidungshilfen für ratsuchende Eltern.

Anna Sax: Familienratgeber Sport. Ein Buch für Eltern von Sportverrückten und von Sportmuffeln. Atlantis / pro juventute im Orell Füssli Verlag, Zürich 2006. 128 Seiten, 12,90 Euro.