Kindersitze retten Leben

Der richtige Autokindersitz

Nur wenn der Autokindersitz richtig zu Kind und Auto passt, schützt er wirklich Leben. Lesen Sie deshalb hier in unserem Artikel, auf was Sie beim Kauf so alles achten sollten: Von Montage bis Größe, von Prüfnorm bis Anschnallpflicht.

Autor: Monika Maruschka
Autor: Ute Kallenbach

Jeder Sitz ist besser als keiner

Kind Autositz
Foto: © panthermedia/ Laura Boese

Die gute Nachricht zuerst: 99 Prozent aller Kinder unter sechs Jahren werden im Auto angeschnallt. Die schlechte: Zwei Drittel von ihnen sind falsch, das heißt ungenügend gesichert. Grund genug, sich in diesem Artikel einmal das Grundwissen rund um Autokindersitze anzusehen.

 

Wer muss angeschnallt sein?

Die Straßenverkehrsordnung schreibt vor, dass Kinder durch spezielle Rückhaltesysteme, sprich Kinderautositze, gesichert werden müssen, solange sie nicht zwölf Jahre alt oder 1,50 Meter groß sind. Die Sitze müssen dem Körpergewicht des Kindes entsprechen, in das jeweilige Fahrzeug passen und richtig montiert sein. Und nur wenn das Kind richtig angeschnallt ist, nützen sie im Ernstfall auch etwas.

Wie findet man den besten Autokindersitz?

Ein guter Autositz soll vor Verletzungen schützen, leicht zu handhaben und für das Kind bequem sein. Für die Auswahl des Sitzes sind das Körpergewicht und auch die Körpergröße entscheidend. Zusätzlich wird häufig auch das Alter des Kindes als Orientierungswert angegeben, dieses hat für die Wahl des richtigen Sitzes aber keine Aussagekraft.

Größen und Prüfnormen

ADAC Pruefsiegel Kinderautositz
Foto: © ADAC

Welche Sitzgrößen gibt es?

Die verschiedenen Sitzgrößen sind in verschiedene Normgruppen eingeteilt.

  • Gruppe 0 : Von Geburt bis 10 kg
  • Gruppe 0+ : Von Geburt bis 13 kg
  • Gruppe I : Von 9 bis 18 kg
  • Gruppe II : Von 15 bis 25 kg
  • Gruppe III: Von 22 bis 36 kg

Es gibt auch Sitze, die über mehrere Gewichtsklassen hinweg nutzbar sind.

Nicht alle Sitze passen in jedes Auto. Vor dem Kauf sollten Sie deshalb den Sitz probeweise in Ihrem Auto montieren und prüfen, ob er sich stabil und ohne zu rutschen in ihrem Fahrzeug montieren lässt. Ein Test an einem "Musterautositz" im Fachgeschäft genügt nicht.Lassen Sie auch Ihr Kind zu Wort kommen. Fühlt es sich in einem Sitz nicht wohl, ist vielleicht ein anderes Model passender.

Auf welche Prüfnormen muss ich achten?

Die im Handel erhältlichen Systeme sind alle nach der Europäischen Prüfnorm ECE 44 getestet und zugelassen. Die aktuelle Prüfversion ist die ECE 44-04, die Vorgängerprüfnorm die 44-03. An jedem Sitz findet sich ein orangefarbenes Etikett mit dem Europäischen Prüfzeichen (E1). Es zeigt, ob ein Sitz der aktuellen Prüfnorm entspricht und für welche Gewichtsgruppe er geeignet ist. Der ADAC macht auf seiner Seite Sicher im Auto darauf aufmerksam, dass für die Norm ECE 44/04 keine höheren Testanforderungen gelten als für die ECE 44/03. Er empfiehlt daher, Sitze mit einer der beiden Prüfnormen zu erwerben – oder Sitze mit der Prüfkennzeichnung R 129.

„i-Size-Norm" ECE R129 für mehr Sicherheit

Seit Juli 2013 gibt es eine neue Europäische Prüfnorm für Kinderautositze. Die ECE R129, besser bekannt als „i-Size-Norm", will die Sicherheit von Kindern im Auto verbessern. Dafür sollen in Zukunft Kinder im Alter von bis zu 15 Monaten in sogenannten Reboardern im Auto transportiert werden. Bisher ist das Mitfahren entgegen der Fahrtrichtung nicht an ein bestimmtes Lebensalter, sondern an das Körpergewicht des Kindes gebunden. In einer Übergangszeit bis 2018 können Hersteller für ihre Produkte entweder die Zulassung nach den alten Normen ECE R44-03 bzw. -04 oder nach der neuen Norm ECE R129 beantragen. Kinderautositze, die nach der „i-Size-Norm" geprüft werden, müssen dann neben einzigen zusätzlichen Tests vor allem auch einen Seitencrashtest überstehen, den es bisher nicht gab. Einen gesetzlich verbindlichen Zeitpunkt, ab dem Eltern nur noch Reboarder für kleine Kinder nutzen dürfen, gibt es bislang noch nicht. Geplant ist hier aber ebenfalls eine Umstellung ab 2018. In der Zwischenzeit können Eltern sowohl vorwärtsgerichtete Autokindersitze gebrauchen wie auch die neuen „i-Size"-geprüften Reboarder-Modelle.

 

 

Die Kindersitz-Gruppen im Überblick

Reboarder für Babys und größere Kinder

In einem Reboarder sitzt ein Kind bis zu einem Alter von etwa 4 Jahren entgegen der Fahrtrichtung im Auto. Schon ein Neugeborenes darf in den Reboarder, solange der Sitz eine Schlafposition hat und mit einem Einlegekissen ausgerüstet werden kann. Wer lieber mit einer Babyschale startet, kann das tun und das Kleine dann in den Reboarder umziehen lassen, wenn es im Sitzalter ist oder eine gute Körperspannung hat.

Nach Meinung von Experten schützen Reboarder die Kinder sehr gut vor den Folgen eines möglichen Unfalls: Beim Frontal-Crash bleiben Kopf und Nacken in ihrer Position, weil die Energie des Aufpralls über den Rücken des Kindes verteilt wird. Bei einem Seiten-Crash wird das Kind anders als beim Vorwärtsfahren nicht aus dem Sitz herausgezogen, sondern hineingedrückt und durch die Seitenbacken des Sitzes geschützt.

Bei den Reboardern unterscheidet man zwischen den Pseudo-Reboardern, die man auch vorwärtsgerichtet nutzen kann und den nur rückwärtsgerichteten Modellen. Manche Reboarder sind für Kinder von bis zu 18 Kilo geeignet, andere nehmen Kinder von 9 bis 25 Kilo oder sogar bis hin zu 36 Kilo auf.

Reboard-Sitze wirken zwar riesig, sind aber genauso breit wie andere Kindersitze auch. Probleme kann es allenfalls in einigen Kleinwagenmodellen geben, weil dort eventuell der Vordersitz vor dem Reboarder nicht mehr ganz zurückgeschoben werden kann. Neue „i-Size"-geprüfte Reboarder-Modelle sind vor allem für Fahrzeuge mit Isofix-Verankerungssystem optimiert. Autos ohne Isofix-Ausstattung lassen sich aber nachrüsten. Zudem gibt es auch Reboarder-Typen, die mit einer normalen Gurtsicherung befestigt werden.

Sitze für Babys (Gruppe 0 und 0+)

Bis zu einem Gewicht von etwa zehn Kilogramm (einem Alter von etwa neun Monaten) müssen Säuglinge liegend oder halb liegend transportiert werden und gehören unbedingt in eine Babyschale. Diese wird entgegen der Fahrtrichtung montiert (so genanntes Reboard-System), weil ihr Kopf im Verhältnis zum Körper noch sehr schwer ist. Bei einem vorwärtsgerichteten Aufprall würde die Wirbelsäule schwer verletzt werden. In Sitzen der Gruppe 0+, die für Kinder bis 13 Kilo geeignet ist, können Kinder noch länger entgegen der Fahrtrichtung befördert werden.

Für die Montage dieser Sitze ist ein Dreipunktgurt notwendig, manchmal auch spezielle Zusatzgurte. Das Kind selbst wird durch einen sitzeigenen Gurt gehalten (Hosenträgergurt).
Babyschalen dürfen auf keinen Fall auf einem Beifahrersitz mit Airbag befestigt werden. Bei einem Unfall würde das Kind durch den Airbag mit enormer Wucht gegen die Lehne des Beifahrersitzes geschleudert werden.
Manche Autohersteller bieten die Möglichkeit, den Beifahrerairbag befristet zu deaktivieren, andere lehnen das aus Produkthaftungsgründen ab.

Sitze für Kleinkinder (Gruppe I)

Erst wenn das Kind mit dem Kopf aus der Baby-Schale herauswächst, sollte es in den nächst größeren Sitz wechseln. Kleinkinder von neun bis 18 Kilo (acht Monate bis etwa vier Jahre) sind dann am besten in Schalensitzen der Gruppe I aufgehoben. Ab diesem Alter kann ein Kind zwar schon selbständig sitzen, braucht aber noch eine Sitzhilfe. Vor allem die seitliche Abstützung des Kopfes ist jetzt wichtig.
Die Montage ist möglich mit Zwei- oder Dreipunktgurt. Das Kind wird durch einen Hosenträgergurt oder einen Fangkörper im Sitz selbst gesichert.

Sitze für ältere Kinder (Gruppe II und III)

Bei älteren Kindern ab einem Gewicht von 15 Kilogramm stellen Sitzerhöhungen - teilweise mit Rückenstütze - sicher, dass der Schultergurt nicht zu nahe am Hals verläuft und damit zu einer Verletzungsgefahr wird. Diese Sitze dürfen nur auf Plätzen mit Dreipunktgurt verwendet werden, denn sie haben kein eigenes Gurtsystem. Sie sollten mit einer Gurtführung versehen sein, sonst können sie leicht unter dem Kind wegrutschen. Es gibt aber auch Rückhaltesysteme mit Fangkörper-System, die sich für den Beckengurt eignen.

Die Erwachsenen-Sicherheitsgurte sind erst ausreichend, wenn das Kind zwölf Jahre alt oder mindestens 1,50 Meter groß ist.

Die richtige Montage

Wie montiere ich den Sitz richtig?

Kindersitze werden mit Dreipunkt-, Zweipunkt- oder speziellen Zusatzgurten befestigt. Dabei muss unbedingt die Gebrauchsanleitung genau beachtet werden. Untersuchungen haben gezeigt, dass zwei Drittel der Eltern beim Sitzeinbau oder beim Angurten etwas falsch machen. Dadurch ergibt sich eine gefährliche Scheinsicherheit.

Eine andere Methode der Sitzbefestigung im Auto ist das Isofix-System. Hier wird zunächst im Auto eine Haltevorrichtung eingebaut, in die dann der Kindersitz einrastet. Dadurch soll eine fehlerhafte Befestigung durch die Eltern verhindert werden. Isofix-Sitze sind deutlich teurer als andere Sitze. Laut ADAC zeigt das System bei Tests gute Resultate, ist aber noch verbesserungswürdig. Als der sicherste Platz gilt laut ADAC der Sitz hinter dem Beifahrersitz oder auch der mittlere Sitzplatz auf der Rückbank. Allerdings ist dieser häufig nur mit einem Zweipunktgurt ausgestattet. Es können dort dann nur Systeme verwendet werden, die für den Beckengurt geeignet sind.

Die häufigsten Fehler beim Anschnallen des Kindes sind ein zu locker befestigter Sitz und falscher Gurtverlauf. Die Gurte, die das Kind halten, müssen eng am Körper anliegen. Mehr als eine flache Hand darf nicht zwischen Gurt und Kind passen. Dicke Jacken sollte man im Winter lieber ausziehen.

Auf dem Beifahrersitz dürfen nur nach vorne gerichtete Kindersitze montiert werden, möglichst in der hintersten Position. Manche Hersteller verbieten jedoch den Gebrauch dort. Bitte immer den Bedienungsanleitungen für Auto und Autositz folgen.

Wie lange kann ich einen Sitz benutzen?

Gerade Familien mit Kindern geben die Kindersitze gerne von den älteren an die jüngeren Kinder weiter. Auch hier sollte natürlich auf die gültige Prüfnorm geachtet werden. Im Allgemeinen sollten Sitze aber nicht länger als fünf bis sechs Jahre genutzt werden. Nach einem Unfall den Sitz unbedingt austauschen. Um fremde Kinder zu schützen, ausrangierte Sitze nur mit abgeschnittenen Gurten auf den Sperrmüll geben.

Mit Kindern auf Reisen

Tipps für unterwegs

Kinder haben einen großen Bewegungsdrang und wollen sich nicht immer im Sitz festschnallen lassen. Da hilft oft nur Geduld und Nachdruck:

  • Erklären Sie Ihrem Kind, dass es von dem Sitz besser aus dem Fenster schauen kann und dass ihm der Sitz ganz allein gehört.
  • Wenn sich das Kind während der Fahrt losschnallt, halten Sie an und fahren Sie erst weiter, wenn alle wieder angeschnallt sind.
  • Planen Sie auf Reisen genügend Pausen ein und bereiten Sie Spiele vor, die Sie während der Fahrt spielen können.
  • Lassen Sie Ihr Kind möglichst nur zum Gehweg hin ein- und aussteigen und nicht zur Fahrbahn.
  • Bleiben Sie bei der Zeitplanung realistisch und planen Sie Zeitpuffer ein. Denn Zeitdruck ist die Hauptursache für die Vernachlässigung von Sicherheit.
  • Geben Sie ein gutes Beispiel und gurten Sie sich immer an, auch auf Kurzstrecken.

Nur 40 Euro Bußgeld und einen Punkt in Flensburg kostet es Autofahrer, die ein Kind nicht sichern. Aber Ihr Kind kann es das Leben kosten.

Andere Länder, andere Sitten?

Seit Mai 2006 gelten innerhalb der EU mehr oder weniger die gleichen Vorschriften für die Sicherungspflicht von Kindern. Die in Deutschland geltenden Vorschriften sind aber noch etwas strenger als die anderer europäischer Länder. Gehen Sie auf Nummer sicher: Schnallen Sie Ihr Kind auch im Urlaub so an, wie Sie es zuhause tun müssen. Im Ausland drohen bei Verstößen Geldbußen bis zu 120 Euro.