Gut betreut im Wochenbett

Die Nachsorge-Hebamme

Nach der Geburt des (ersten) Babys steht oft die ganze Welt auf dem Kopf. Die Nachsorgehebamme ist dann für die Mutter im Wochenbett eine unschätzbare Hilfe bei Fragen zum Stillen, Wickeln, Schlafen. Worauf du bei der Suche und Auswahl der Hebamme achten solltest, erfährst du hier.

Autor: Maja Roedenbeck

"Erste Hilfe" für Mutter und Baby in einer hochemotionalen Zeit

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Wenn ein Neugeborenes nach ein paar Nächten in der Geburtsklinik mit seiner Mama nach Hause kommt, stellt es die Welt erst mal auf den Kopf. Es lässt sich nicht beruhigen, es will nicht recht trinken und der Nabel sieht so wund aus – ist denn das normal? Fragen über Fragen, und das, obwohl Mama selbst schon genug mit ihren Nachwehen, dem Schlafmangel und der Hormonumstellung zu tun hat. Ansprechpartnerin und eine große Unterstützung in dieser hochemotionalen Zeit ist die Nachsorgehebamme. Sie schaut (im Gegensatz zur Beleghebamme, die die werdende Mutter schon in der Schwangerschaft und in den Kreißsaal begleitet hat) entweder im Krankenhaus oder spätestens am ersten Tag zu Hause zum ersten Mal und dann in regelmäßigen Abständen vorbei, um Mutter und Kind im Wochenbett zu betreuen. Nun gibt es Frauen, die sich bewusst gegen eine Nachsorgehebamme entscheiden. Wird schon gut gehen, Kinderarzt und Gynäkologe sind ja erreichbar, wenn was sein sollte, und Stilltipps finden sich auch im Internet oder im Ratgeber. Doch die Entscheidung gegen eine Nachsorgehebamme will wohlüberlegt sein, denn im Falle eines Falles trägt die Mutter die Konsequenzen: Will ich in meinem angeschlagenen Zustand mit dem Neugeborenen zwischen fiebernden Kindern im Wartezimmer oder in der Notaufnahme sitzen? Kann ich als Laie einen entzündeten Nabel, eine Trinkschwäche oder eine Neugeborenen-Gelbsucht wirklich erkennen und könnte ich es mir jemals verzeihen, wenn ich die Anzeichen übersehen sollte?

Wochenbettbetreuung wird von der Krankenkasse bezahlt

Ein weiteres Argument für die Nachsorgehebamme: Sie ist für Mutter und Kind kostenlos. Die Krankenkassen zahlen für ihren täglichen Besuch in den ersten zehn Lebenstagen des Kindes und für weitere sechzehn Termine in der Zeit bis zur vollendeten achten Lebenswoche. Jede Mutter entscheidet selbst, wie viele sie davon in Anspruch nehmen möchte. Wem es nur darum geht, nicht jeden Tag in seiner Familienseifenblase „gestört“ zu werden, der muss nicht gleich komplett auf die Wochenbettbetreuung verzichten, sondern das einfach nur mit der Hebamme besprechen. Ulrike von Haldenwang, Vorsitzende des Berliner Hebammenverbandes und selbständige Hebamme, hat schon Frauen erlebt, die nach sechs Besuchen alleine zurechtkamen, andere haben mit 25 Terminen den vollen Betreuungsumfang ausgeschöpft. „Ich empfehle beim ersten Kind unbedingt eine Nachsorgehebamme, denn es gibt im Wochenbett viele Situationen, die man sich vorher gar nicht ausmalen kann“, so von Haldenwang. Nach ihren Beobachtungen nehmen Frauen, die beim ersten Kind gute Erfahrungen mit der Betreuung gemacht haben, sie meist auch beim zweiten oder dritten in Anspruch: „Jedes Baby ist nun mal anders und auch mit der Gebärmutterrückbildung oder dem Stillen kann es jedes Mal andere Probleme geben.“

Suche und Auswahl der geeigneten Nachsorgehebamme

Fällt die Entscheidung für eine Nachsorgehebamme, gilt es als nächstes, sich eine zu suchen. Laut Ulrike von Haldenwang reicht es, sich in der 16. bis 20. SSW darum zu kümmern, man findet dann auf jeden Fall noch eine. Wer aber unbedingt von seiner Lieblingshebamme betreut werden möchte oder eine Anbieterin wählt, die auch als Beleghebamme arbeitet und daher weit im Voraus ausgebucht ist, muss schon früher herumtelefonieren. Adressenlisten bekommt die Schwangere von ihrer Krankenkasse, in der Apotheke, beim Gesundheitsamt, in Hebammenpraxen und Geburtshäusern, beim Frauenarzt, in der Entbindungsklinik oder einfach in den Gelben Seiten. Auch bei urbia unter Hebammensuche, unter www.hebammensuche.de und auf den Seiten der Landesverbände der Hebammen sind Tausende von Nachsorgehebammen eingetragen.

Und nach welchen Gesichtspunkten sollte nun die Auswahl getroffen werden? Zunächst ist es sinnvoll, sich auf die Hebammen zu beschränken, die im selben Postleitzahlenbereich wohnen wie man selbst, denn sie können im Notfall schnell zur Stelle sein. Wenn es dann um den Sympathiefaktor geht, helfen Empfehlungen aus dem Bekanntenkreis. Diese ersetzen aber nicht das telefonische Vorgespräch mit der Hebamme, bei dem ein persönlicher Eindruck entsteht. „Machen Sie sich eine Liste mit den Punkten, die ihnen wichtig sind“, rät Ulrike von Haldenwang vom Berliner Hebammenverband, „Stillen oder Fläschchen, Naturmedizin oder nicht, tägliche Besuche oder größere Abstände? Schon am Telefon lässt sich feststellen, ob die Hebamme Ihren Wünschen offen gegenübersteht oder ob sie einen ganz anderen Ansatz hat. Und ob sie vom Charakter her passt. Manche Frauen suchen ja eher den resoluten Typ, andere den fürsorglichen.“ Wenn der erste Eindruck stimmt, trifft man sich vor der Geburt einmal zum Kennenlernen, wenn nicht, muss es der Schwangeren auch nicht peinlich sein abzusagen. Im Gegenteil, es wäre unfair, das nicht zu tun (und sei es nur über den Anrufbeantworter) oder sich mehr Hebammen als nötig zum gegenseitigen „Beschnuppern“ einzuladen, denn sie können dieses erste Treffen nicht abrechnen und sind in Sachen Arbeitseinteilung auf einen genauen Überblick über ihre Kapazitäten angewiesen.

Die Hebi ist da: Wie klappt es mit dem Stillen?

Schließlich ist der große Tag gekommen, der Nachwuchs hat das Licht der Welt erblickt und die Nachsorgehebamme schaut zum ersten „richtigen“ Termin vorbei. Der dauert wie alle weiteren Besuche (außer kurzen, eingeschobenen Notfallterminen z.B. wegen einer Brustentzündung) durchschnittlich 45 Minuten, im Einzelfall manchmal kürzer oder auch wesentlich länger – je nachdem, welche Situation die Hebamme vorfindet. Frisch gebackenen Müttern mit all ihren Unsicherheiten und Ängsten erscheint der Besuch oft zu kurz und sie fühlen sich nicht sorgfältig genug betreut. Doch das liegt meist daran, dass sie innerhalb ihrer ganz auf den Säugling fixierten Routinen nicht merken, wie die Zeit verfliegt (dann hilft ein Blick auf die Uhr, wenn die Hebamme klingelt). Oder sie verpassen im Babystress die Gelegenheit, Fragen zu stellen (dann hilft ein vorbereiteter Notizzettel mit Stichworten, den man mit der Hebamme gemeinsam durchgeht). Oder aber die Hebamme hat sich nur deshalb so bald wieder verabschiedet, weil sie sich relativ schnell davon überzeugen konnte, dass alles in Ordnung ist und sie in dieser Familie im Moment nicht gebraucht wird. Zu ihren Aufgaben gehört es, sich anzuschauen wie es mit dem Stillen klappt und der Mutter gegebenenfalls mit Tipps und Tricks beiseite zu stehen. Sie überwacht die Gewichtszunahme des Säuglings und die Abheilung des Nabels. Sie tastet den Bauch der Mutter ab, um die Rückbildung der Gebärmutter zu kontrollieren, und wirft bei Beschwerden einen Blick auf Damm- oder Kaiserschnittnaht, um zu prüfen, ob Wundheilungsstörungen vorliegen. Später ist sie beim ersten Bad des Säuglings dabei und zeigt noch einige Techniken zur Babymassage und erste Rückbildungsübungen. Auch nach dem Wochenbett bis zum Ende der Stillzeit steht die Nachsorgehebamme nach Bedarf für die Stillberatung zur Verfügung.

Nicht alle Mütter sind mit ihrer Nachsorgehebamme zufrieden

Nach Erfahrungswerten des Berliner Hebammenverbandes sind über 80 Prozent der Familien sehr zufrieden mit ihrer Wochenbettbetreuung, beschreiben die Beziehung zur Nachsorgehebamme zum Teil sogar als sehr innig und haben das Bedürfnis, sich mit einem kleinen Geschenk bei ihr zu bedanken. Aber es gibt auch Beschwerden: „Meine Hebi hat uns allen Ernstes beigebracht, unserem Sohn den Po zu fönen, damit er einschläft“, erzählt Consuela (43) aus Berlin, „Mit dem Erfolg, dass Julian am Ende überhaupt nicht mehr anders einschlief und ich die ganze Nacht mit dem Fön zugange war!“ Katharina (27), ebenfalls aus Berlin, erinnert sich an die Unmengen von Globuli gegen Drei-Monats-Koliken und alle möglichen Wehwehchen ihres Sohnes, die ihr die Hebamme in Tässchen und Döschen füllte: „Ich habe mit Naturmedizin einfach nichts am Hut und fühlte mich absolut überfordert damit, mich neben Stillzeiten, Trinkmengen und Vitamin-D-Gaben nun auch mit diesen Kügelchen auseinander setzen zu müssen.“ Userin „Thusnelda“ aus dem urbia-Forum klagt: „Meine Hebamme kam regelmäßig mindestens eineinhalb Stunden zu spät ohne anzurufen, dann war sie nur ein paar Minuten da, um mich zu fragen, wie hoch meine Temperatur sei und die von meiner Tochter.“

Ulrike von Haldenwang, 49 Jahre alt und selbst Mutter eines 17jährigen Sohnes, räumt ein, dass die Kritik der Frauen manchmal berechtig ist: „Eine Hebamme, die in ihrem Zeitmanagement unzuverlässig oder schlecht erreichbar ist, die sich nicht fortbildet und also medizinisch nicht auf dem neusten Stand ist, muss man nicht akzeptieren.“ In den meisten Fällen, so die Vorsitzende des Berliner Hebammenverbandes, handele es sich jedoch um ein Kommunikationsproblem. Die Frauen sprechen nicht an, was sie stört, oder haben falsche Erwartungen: „Natürlich ist eine frisch gebackene Mutter emotional aufgewühlt und hat das Bedürfnis zu weinen oder sich ihre Gefühle von der Seele zu reden. Dann nehmen wir uns Zeit um zuzuhören und zu trösten. Der psychosoziale Aspekt ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit. ABER: Wir sind keine Therapeutinnen. Und das müssen wir gelegentlich klar machen, auch wenn wir damit vielleicht jemanden vor den Kopf stoßen.“ Jetzt mal ehrlich: Als Frau, die gerade ein Kind geboren hat, fühlt man sich mit seinem Säugling eben wie der Mittelpunkt der Welt. Angesichts des Wunders der Geburt vergisst man leicht, dass die Nachsorgehebamme (wie natürlich auch der Partner, der Kinderarzt, die Verwandten) noch andere Einsatzorte sowie eigene Stimmungen und Sorgen hat. Sie macht ihren Job und ist wie jeder andere Arbeitnehmer auch auf Teamgeist und Feedback angewiesen. „Was ich schwierig finde: Wenn ich bei einem Problem um Rat gefragt werde und einen Lösungsvorschlag mache, doch die Frau setzt ihn nicht um und kommt mir am nächsten Tag mit genau derselben Frage“, wirbt Ulrike von Haldenwang um Verständnis für die Perspektive der Hebammen, „Wenn ihr der Lösungsvorschlag nicht behagt, kann sie mir das doch sagen, und dann überlegen wir weiter.“ Fazit: Das schöne Gefühl, sich im Wochenbett gut betreut zu fühlen, ist kein Zufall, sondern das Ergebnis einer sorgfältigen Auswahl der Hebamme, einer Abgleichung der Erwartungen und Wünsche möglichst schon vor der Geburt, und eines offenen Umgangs miteinander während der Besuchstermine.