Würzburger Vorschulprogramm

Hallo
ich habe einen Sohn in der 1. Klasse Grundschule in Bayern. Er ist mit 5 in die Schule gekommen, hat Ende November Geburtstag und den Einstieg doch gut gepackt, es macht ihm Spass und er macht nicht viele Fehler.
Jetzt das große ABER: Ich wundere mich schon die ganze Zeit wie schnell die den Stoff durchziehen, die Menge an Hausaufgaben und die teilweise Vorraussetzung von noch nicht in der Schule durchgenommenen Buchstaben, Kleinschreibung und deren Regeln, Silbentrennung, Kenntnisse über Konsonantenverdopplung (zB Sonne) usw. Teilweise habe auch ich keine Ahnung, wo die Kleinen herwissen sollen, was sie genau zu machen haben und es steht auch nicht immer für die Eltern dabei (zB Bildchen, die keine Ahnung was darstellen sollen, aber nur eines ist richtig).
Nun habe ich gerade gestern mit einer anderen Mama aus unserer ehemaligen Kiga gesprochen, die immer mehr mitkriegt als ich (ich studiere, arbeite nebenher und bin alleinerziehend...da isses nicht so mit stundenlang mit rumsitzen). Sie sagte mir, dass scheinbar alle anderen Kigas in ganz Würzburg, wo wir wohnen, an diesem Würzburger Vorschulprogramm ("Hören, Lauschen, Lernen") teilnehmen und es die Schulen, insbesondere in unserem Stadtteil, in dem die Kigas von 90% aller Kigakinder das Programm anwenden, voraussetzen und deshalb so zügig fortschreiten. Nur unser Kiga macht aus Prinzip nicht mit, es gefiele der Leiterin nicht, sie habe eine eigene bessere Methode...
Ich fiel aus allen Wolken, ich hatte keine Ahnung, weder von der Existenz des Programms, noch von der Nichtteilnahme, noch von der Voraussetzung irgendwelcher Kenntnisse in der Schule.
Weiter ging es in ihrer Erzählung von anderen Ex-Kiga-Kindern unserer Kiga, die am Anfang und teilweise darüber hinaus massive Probleme hätten, da sie wegen Versäumnissen in der Vorschule in der Schule erstmal nicht mitkamen.
Ich habe deshalb von alldem nichts mitbekommen, weil ich mit meinem Sohn daheim vorher geübt hatte. Wir hatten 1 Vorschulblock -ich glaube es war ne Raupe drauf und Belohnungssticker drin-, 1 Vorschulblock vom ALDI und 1 Erste Klasse Block vom ALDI und noch ein 1.Kl. Buch unbekannter Art in dem 3/4 Jahr vor seiner Einschulung bearbeitet, weil er sich nie länger als 2 Sek. konzentrieren konnte und ich ihm beibringen wollte, länger konzentiert still zu sitzen.
Im Zuge dessen müssen wohl auch zufällig fast alle Inhalte der im Kiga versäumten Vorschule dran gekommen sein, Zahlenräum bis 20 und Buchstaben, reimen usw.

So, nun meine Fragen: Es kann doch wohl nicht sein, in der 1. Klasse implizit Kenntnisse vorauszusetzen, für deren Erlernung massiver Arbeitsaufwand und monatelange Zeit nötig sind OHNE die Eltern davon deutlich in Kenntnis zu setzen?!?!?!
Weiterhin wie kann die Gleichstellung der Bildung bzw. deren Grundsteinlegung MEINES KINDES in den Händen einer - mit Verlaub- nicht zur Beurteilung dessen ausgebildeten Kigaleiterin liegen!?
Warum obliegt den Eltern allein die Verantwortung für die Bildungschancen ihrer Kinder?! Ich stelle mir nur mal vor, der Vater meines Kindes, der kaum der deutschen Sprache mächtig ist, hätte zB in meiner Abwesendheit, mit ihm das Jahr vor und nach der Einschulung verbracht. Wäre er dann jetzt in der Sonderschule? Deren Status ist ja durch ihre Umbenennung nicht besser geworden!

Mich wundert seit diesem Gespräch rein gar nichts mehr über die Behauptung, Kinder bildungsferner Eltern hätten wesentlich schlechtere Chancen auf höhere Bildung.

Die Chancen meines Kindes können doch nicht dem Zufall obliegen, ob ich nun - als mehr oder weniger qualifizierter Elternteil - erraten kann, was in der Schule meines Kindes demnächst vorausgesetzt wird!

Ich bin höllisch enttäuscht:
zum einen von unserer Kiga, wegen dieser Entschlussfassung
zum anderen von der Schule, weil man nichts davon erfährt und
schlussendlich von dem System, in dem es dem Zufall und der Entscheidung einzelner überlassen wird, wie gut die Bildung praktisch ausfällt.

Habt ihr eine Meinung dazu?
Weiss einer, was ich tun kann um weiterhin (diesmal aber weniger zufällig) meinem Sohn zu der bestmöglichen Bildung zu verhelfen um ihm alle Chancen offen zu halten?
Was kann ich tun um diesen Missständen abzuhelfen?
Weiterhin, gibt es irgendwo Test oder Testorte um objektiv herauszufinden, ob und welche Wissenslücken gegenüber dem benötigten Wissen in der nächsten Stufen bzw in einer weiterführenden Schule bestehen?
(Habe da aus eigener leidvoller Erfahrung noch Bedenken gegenüber dieser Grundschule.)

Um außerdem gleich Zweiflern vorzubeugen, ich halte mich selbst nicht für geeigneter als alle Kigaleiterinnen und Lehrerinnen, wenn es um die Beurteilung der Vorschulprogramme und des Stoffes und seiner Durchführung in der Schule geht, ich will nur bessere Information und die Ermöglichung der Gleichberechtigung aller Schüler.

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Hallo,
ich bin Erzieherin und habe vor der Geburt meiner Tochter selbst im Kiga gearbeitet und das Würzburger Programm "durchgenommen".
Weil ich es wirklich sehr gut finde...

Es ist so, dass Kindergärten selbst entscheiden können, was sie in den Kindergarten einführen, es gibt so viele Programme über Lesen, Schreiben, Zahlen, ...
Jeder Kindergarten macht es ein bisschen anders...
Das mal im Vorfeld zu den Programmen in den Kindergärten...

Was du schreibst, was die Kinder in der 1.Klasse können müssen, gehört ganz bestimmt nicht zum Würzburger Programm!
Bei diesem Programm geht es eher um das bewusste Hören, um (Anfangs-) Laute, Reime, ... - aber ganz bestimmt nicht um Klein- und Großschreibung, Konsonatenverdoppelung, Buchstaben, ...
Natürlich hilft es manchen Kindern, sich am Anfang leichter zu tun, allerdings ist das Programm keine Vorraussetzung, um die 1.Klasse zu bestehen.

Ich habe eine Nichte in der 1.Klasse (Bayern), die noch nichts von alledem können muss.
Gut, die Buchstaben (die sie noch nicht durchgenommen haben) muss sie anhand dieser Lautetabelle kennen, das wundert mich auch immer...
Aber sie hat weder Silbentrennung, noch Konsonantenverdoppelung, sondern lernt "ganz normal" die Buchstaben.

Ich an deiner Stelle würde einfach mit der Lehrerin sprechen, ihr habt doch bestimmt schon einen Elternabend gehabt, oder?

Schönen Abend!

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Ach ja, wollte noch etwas dazufügen:

<< Im Zuge dessen müssen wohl auch zufällig fast alle Inhalte der im Kiga versäumten Vorschule dran gekommen sein, Zahlenräum bis 20 und Buchstaben, reimen usw. <<

Zum einen gibt es in den bayrischen Kindergärten seit Jahren keine Vorschule mehr! Dafür gibt es u.a. den Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan, durch den die Kinder wesentlich mehr lernen!

Gab es in eurem Kindergarten und eurer Schule keinen (Einführungs-) Elternabend?
Du schreibst hier Sachen, was der Kiga angeblich verpasst hat, was definitiv nicht in den Aufgabenbereich eines Kindergartens gehört!

Du willst deinem Sohn zur besten Bildung verhelfen?
Dann schmeiß den Vorschulblock weg und "erlebe" mit deinem Sohn eure Umwelt!
Geht in die Natur, lass ihn selbst ausprobieren, kauf ihm Lexika, in denen selbst nachschlagen kann, wenn ihn etwas interessiert, macht Experimente, zeig ihm, wie man sich selbst weiterhelfen kann und wo man sich informieren kann!

Und - arbeite mit der Schule zusammen!

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Danke für die Antwort! Die Vorschuleblöcke waren nicht dafür da, ihm zwanghaft Buchstaben usw. einpauken zu wollen, sondern um es ihm etwas geläufiger zu machen länger als 2 Minuten auf seinem Hintern auszuhalten. Da waren mehr Spiele und Ausmalbilder drin als sonstwas.
"Die Welt erleben" machen wir tagtäglich, wir radeln unheimlich viel, er findet alle Arten von Bäumen und jegliches Getier interessant, fragt mir ständig Löcher in den Bauch, aus welchem Material die Sachen seien ist es zur Zeit. Lexikon hat er sich neulich aufm Flohmarkt selber gekauft. Wir reisen viel mit Auto und Zelt oder Couchsurfing durch die Gegend, er ist auch so sehr selbstständig und vielseitig interessiert. Von Papa lernt er English, von mir Ski fahren und von Oma schwimmen, hat letzten Monat ganz stolz sein Seepferdchen gemacht.
Konzentration auf feinmotorische Dinge, Ausmalen, Basteln, Puzzeln usw war aber noch nie seins und das wollte ich ausgleichen.
So schön es auch ist Kinder einfach bloß frei spielen zu lassen, so finde ich es auch nötig ihm beizubringen, dass man in der Schule auch zuhören können muss und nicht immer seinem Bewegungs- und Mitteilungsdrang nachgeben kann.

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Hallo,
ich meinte nicht, dass ihr viel mit eurem Sohn unternehmen sollt, sondern dass euer Sohn Dinge mit allen Sinnen aufnehmen kann.

Geht z.B. mit ihm in den Wald, da kann er balancieren, hüpfen, ... - ist ein tolles Grobmotorik-Training (viel besser als man das in einer Turnhalle machen kann).
Wenn es um die Feinmotorik geht: Baut mit ihm zusammen etwas an der Werkbank, kauft ihm ein Schnitzmesser, lasst ihn schnitzen!
Das finden Jungs toll und es trainiert super Konzentration, Feinmotorik, Phantasie, ...

Wenn er etwas fragt, beantwortet nicht gleich, sondern lasst ihn überlegen, wie er selbst auf die Antwort kommen kann. Findet man das im Lexikon, weiß vielleicht der Opa Bescheid, ...?

So lernt das Kind wichtige Fähigkeiten, lernt, sich selbst zu helfen und das mit ganz viel Spaß!!

Ein Vorschulblock unterbindet diese Fähigkeiten leider...

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Hallo,

ich kann dir nur sagen, dass das "Würzburger Sprachprogramm" sehr umstritten ist und ich meine Töchter extra in einen Kiga gegeben habe, die dieses Programm NICHT durch führen.

Unser Kiga ist sehr dagegen und meint es ist auf lange Sicht die falsche Art das Lesen und Schreiben zu erlernen.

Mehr kann ich dir aber dennoch nicht dazu sagen.

Alles Liebe und ich denke es ist echt schwierig, was man in der Schule so alles durch machen muss, allerdings würde ich mal mit den Lehrern sprechen und fragen ob das Würzburger Sprachprogramm tatsächlich als Grundlage gilt und deren Antwort abwarten-darf ich fragen, warum dein Kind schon mit 5 eingeschult wurde?

Nicki

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Hallo
Dieses Jahr waren hier alle Kinder mit Geburtstag bis 1.12.03 ganz normal schulpflichtig. Er also auch, obwohl nur ein paar Tage jünger. Dezemberkinder konnten auf elterlichen Antrag auch, September- und Oktoberkinder müssen auf ebensolchen nicht. Er interessierte sich für Buchstaben und Zahlen und begann es im Kiga langweilig zu finden. Konzentration war zwar noch nie seine Stärke, aber sonst fand ich schulfähig. Es war die richtige Entscheidung, soweit ich das beurteilen kann. Er freut sich meist drauf, ist zwar manchmal angefressen aufstehen zu müssen, aber wer ist das nicht. Ist ganz stolz Schulkind zu sein und hat seine ganzen Kumpels dort.
Er fragt bei den Hausaufgaben nach Hilfe, wenn er sich nicht sicher ist, braucht sie aber so gut wie nie. Meist reicht ein, "na wie würdest du es denn machen?" Sonst erklär ich ihm halt nochmal die Fragestellung. Aber ich korrigiere falsch geschriebene Wörter, ich kann es nicht sehen.
Ich fand es seltsam, in der Schule erzählt zu kriegen, man solle ihnen die gehörte Schreibweise nicht korrigieren, gleichzeitig aber eine annähernd perfekte Rechtschreibung zu erwarten. ZB kann ich nicht von meinem Sohn erwarten, dass er Sonne freiwillig mit zwei n schreibt, auch erkennt er die Silben nicht immer gleich. Einmal vorgemacht passts dann auch.
Ich kenne das WÜ Programm nicht gut genug um es beurteilen zu können, aber bei den meisten hier funktionierts. Die Teile, die ich kenne, finde ich gut.

Weiss von dem Ganzen erst recht kurz, aber ich werde mich nächste Woche mal in Kiga und Schule erkundigen.

Ich will mich auch garnicht beschweren, es sei zu schwer, es ist ja auch machbar. Nur die Infos hätte ich halt gern vorher.

pam

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Hallo!

Finde dein Posting gerade serh spannend, zum einen weil ich aus Würzburg kommen und daher natürlich gerne wissen würde, welcher Kiga denn das Würzburger Programm nicht umsetzt und in welche Grundschule du deinen Sohn eingeschult hast, zum anderen weil ich Pädagogin bin (und zudem sehr Schulkritisch:)

meien beiden sind zwar noch weit vom Schuleintritt entfernt aber nicht zu letzte aus solchen Gründen, wie du sie hier beschreibst liebäugle ich mit einer alternativen schulform.

Zum Thema Bildungschancen: ja, diese weichen werden im grunde schon vor dem Kiga gelegt, spätestens aber dann da. welche großen Unterschiede Kinder schon beim Schuleintritt mitbringen stellen eine fast unüberwindbares Hindernis da für diejenigen, die andere Voraussetzungen hatten als die Mehrzahl. Diese anderen Kenntisse, Lebensformen, Sprachen, fähigkeiten,... werden nämlich in der Regelschule kaum wahrgenommen und Zeit für eine intensive Beschäftigung mit individuellen Talenten bleibt bei bis zu 30 Kindern pro Grundschulklasse eh nicht.

Allerdings ist das, was du beschreibst schon merkwürdig, ich würde einen Termin mit der klassenleitung vereinbaren und mich informieren lassen!

Alles Liebe
lisasimpson

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Meine Güte, so ein Durcheinander...#schwitz

Das Würzburger Programm trainiert das Hören der Laute in einem Wort: Wo hörst du bei Ball das "B", wo das "A" wo das "L". Und ob das nun 2 "L" sind oder nicht, stört nicht sonderlich dabei. Es ist überhaupt kein "massiver" Lernaufwand, es erfordert kein monatelanges Training. Ich verstehe auch nicht, warum das Programm scheinbar umstritten ist. Davon habe ich noch gar nicht gehört, vielleicht liegt das daran, dass es hier bei uns überall angewandt wird.

Zu den von dir aufgezählten Dingen: Auch bei uns werden nicht nur die Buchstaben geschrieben und gelesen, die die Kinder gerade in der Schule durchgenommen haben. Das würde ja viel zu lange dauern, bis sie dann endlich mal ein "echtes" Wort schreiben könnten. Es kommt doch alles ganz von allein. Und warum sollen die Kinder nicht bereits in der ersten Klasse lernen, wann Worte gross und wann sie klein geschrieben werden? Mein Sohn lernt momentan auch alles gleichzeitig. Aber bei uns wird nicht vorausgesetzt, dass alle Kinder dies schon können müssen. Silbentrennung lernt niemand beim Würzburger Programm, aber das Heraushören der einzelnen Silben wird geübt. Das ist ein Unterschied, finde ich. Und die Buchstaben werden bei Weitem noch nicht immer richtig geschrieben, sie werden dann kommentarlos berichtigt (von der Lehrerin) und gut ist. Uns wurde an dem ersten Elternabend, noch VOR der eigentlichen Einschulung, ans Herz gelegt, unsere Kinder NICHT zu berichtigen, wenn sie zu schreiben anfangen. Sie sollen den Spass am Schreiben nicht verlieren, die Rechtschreibung ist zunächst noch nicht wichtig, mit dem Lesen kommt das dann langsam.
Ich finde, es hört sich bei dir eher so an, als hätte die Schule keine gute Informationspolitik den Eltern gegenüber betrieben. Vielleicht setzen sie den Lehrplan auch recht gewöhnungsbedürftig um. Das Würzburger Programm kann dafür jedoch nichts. Selbstverständlich kann die Schule kein Wissen bei Erstklässlern voraussetzen, die dieses noch gar nicht haben können. Und die von dir genannten Dinge können Kinder, die das Würzburger Programm durchlaufen haben, auch nicht unbedingt.
Ich würde das Gespräch mit der Lehrerschaft suchen. Sie sollen dir mal sagen, was Sache ist. Wenn die Hausaufgaben zu viel sind (wir sollen unsere Kinder nie länger als 30 Minuten dran sitzen lassen, danach wird eingepackt. Ist das Kind dann noch nicht fertig, sieht die Lehrerin, dass da Handlungsbedarf ist), muss das die Lehrerin erfahren. Wenn die Aufgaben vollkommen unverständlich sind (was mir ein Rätsel ist, denn bei uns steht immer unten dran, was zu tun ist, Rasmus weiss auch fast immer von allein, was er machen soll, weil sie es ja im Unterricht bereits durchgenommen haben), dann muss die Lehrerin die Aufgabenstellung besser formulieren (was habt ihr denn für ein Lehrbuch?).
Nachdem du dich nicht mehr so ärgerst, dass dein Kind evtl. benachteiligt ist, würde ich einfach das Gespräch suchen, und dann sachlich klären, was von den Kindern gefordert wird, warum manche Dinge vorausgesetzt werden etc.
L G
G und (das kann ich einfach nicht haben;-)) es heisst: "in unserem Kindergarten" und "in unserer Kindertagesstätte"...:-)

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Meine Tochter ist zwar noch weit vom Schuleintritt eintfernt, aber ich bin total erschrocken zu lesen, welchen Anforderungen ein Kind in der ersten Klasse ausgesetzt ist. Es sind doch nur Kinder. Es kann nicht sein, dass ein Kind mit nur vier Jahren anfangen muss Lernblöcke durchzuarbeiten, damit es mit fünf in der Schule auch den Anschluss findet und den Anforderungen gewachsen ist. Als ich damals eingeschult wurde waren die ersten zwei Jahre ein glatter Durchmarsch, ohne irgendetwas zuhause dafür machen zu müssen. Vorschule gab es auch nicht. Jeder kam mit Wissensstand Null in die Schule und in der Schule wurde einem das beigebracht, was es zu wissen galt. Wir gehen (in Berlin zum Glück noch) 13 Jahre bis zum Abitur in die Schule. Da ist es genug Zeit innerhalb der ersten beiden Jahre in Ruhe die Buchstaben und die Zahlen bis 100 zu lernen, außerdem die Grundzüge der Rechtschreibung, Addition und Subtraktion.

Wenn ich mir überlege, ich bin jetzt 29 und immernoch mit dem Lernen nicht fertig (hab Jura studiert - in Regelstudienzeit und bin jetzt im Referendariat - bis auf das Kind und ein auanschlagbares Jobangebot gabs keine Verzögerung - die Ausbildung dauert so lang!!!). Ich bin sehr froh darüber, dass die ersten sechs Schuljahr für mich ohne jeglichen Druck und Stress und mit viel Erfolgserlebnissen verlaufen sind. Gerade diese Erfolgserlebnisse machen einen stark und selbstbewusst für die doch wichtigere Abiturphase. Und aus mir ist recht wohl auch etwas geworden. Beim Abi steht eine eins vorn und auch das Studium konnte ich zu meiner vollsten Zufriedenheit abschließen. Ich würde so gerne meinem Kind einen Stress, wie Du ihn beschreibst vermeiden. Allerdings bin ich auch von den privaten Schulsystemen wie Waldorf oder Montessori nicht wirklich überzeugt.

Ich find den Ansatz, dass man die natürliche Lernfähigkeit eines Kindes nutzen sollte schon richtig. Aber bitte nicht so! Die Kinder lernen schon genug, wenn sie neugierig und interessiert durchs Leben gehen. Druck und Überforderung sind Sachen, die einem fünfjährigen Kind noch lange nicht begegnen sollten. Außerdem kann die dadurch vermittelte Art zu lernen, mit viel Fleiß und großem Aufwand, über kurz oder lang nicht zum Erfolg führen. Viel wichter ist es, den Kindern ein problemorientiertes Denken und die Fähigkeit eigene Lösungen zu vermitteln beizubringen. Bei uns hat sich in der Abiturphase gezeigt, dass alle, die bis dahin nur mit viel Fleiß zumeist auch ganz gut durch die Schule gekommen sind, plötzlich einen großen Einbruch erlebten. Diejenigen hingegen, die die Fähigkeiten besaßen mit Logik und Kreativität Lösungen für unbekannte Problem zu finden, hatten am Ende meist die eins vorn. Im Studium ist man dann völlig aufgeschmissen, wenn man sich auf Fleiß verlässt.

Es tut mir leid, dass es so lang geworden ist und es eigentlich nichts mit Deiner Frage zu tun hat. Aber ich bin so wütend und sauer, wenn ich an unser Schulsystem denke und daran, was meiner Tochter in ein paar Jahren noch bevorsteht. In Berlin ist das gott-sei-dank wohl noch etwas entspannter. Ich habe vor gar nicht so langer Zeit eine Reportage gesehen, welchem Druck bayerische Viertklässler ausgesetzt sind, da in diesem Schuljahr der weitere schulische Weg quasi festgelegt wird. Und mir war nur zum Heulen.

viele Grüße
carstella

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nur noch eine kleine Ergänzung:

Ich bin selbst ein Migrantenkind. Mein Vater spricht kaum Deutsch, meine Mutter sehr fehlerhaft. Als ich in die Schule gekommen bin, lebte ich gerade mal ein halbes Jahr in Deutschland und sprach selber kaum Deutsch. Meine Eltern konnten mir auch nicht wirklich in der Schule helfen. Sie sind zwar studierte Leute (Musiker) aber eben mit der deutschen Sprache ein wenig auf Kriegsfuß. Das damalige System hat auch bei Migrantenkinder super funktionert. Rein theoretisch geht es also....

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Hallelujah!

Es ist immer das Gleiche: Kaum kommen die Kinder in die Schule, fallen die Eltern aus allen Wolken, was im dt. Bildungssystem eigentlich los ist.

Wir Eltern können diese Missstände (ungleiche Chancen für alle Kinder) nur abstellen, wenn wir endlich geschlossen und massiv auf die Strasse gehen!!!

Organisiere Dich in Deiner Schule mit anderen Eltern, auf Bundesländerebene über Elternverbände.

Es gibt genügend Vereine, Intiativen, etc. die nur auf Unterstützung warten!!!

Denn leider ist es so: Die Missstände werden erkannt, beklagt und dann zum Alltag übergegangen.
Wenn wir Eltern nicht endlich unseren Hintern hochbekommen (bis auf wenige rühmliche Ausnahmen), dann werden sich noch in 20 Jahren die Eltern über Missstände aufregen.

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Hallo nochmal,
Ich möchte gerne auf ein paar Sachen antworten. Ja, ich weiss, dass bei dem Würzburger Vorschulprogramm nur Grundlagen a la dem B A L Beispiel der Vorposterin behandelt werden. Aber ich meine, dass jemandem, der soetwas noch nie gemacht hat, Sachen, die darauf aufbauen, schwerer fallen als anderen, die es schon kennen.
Mein Sohn hatte die ersten paar Wochen Probleme Buchstaben zu unterscheiden, mir fiel es immer bei O und U besonders auf. Ufo zB war ein Ofu, Ofo, Ufu oder was noch alles. Is mir vorher nie aufgefallen, hab da auch nie dran gedacht. Wäre ihm wohl mit Wü Vorschulprog. erspart geblieben.

Alternative Schularten ala Montessori, Jenaplan, Waldorf, schlagmichtot finde ich nicht wirklich besser. Erstens habe ich die finanziellen Mittel nicht, zweitens sehe ich keinen Sinn darin, meinen Sohn für eine begrenzte Anzahl Jahre von der realen Welt fern zu halten um ihm anschließend den Wiedereinstieg zu erschweren und drittens finde ich es durchaus angemessen Leistung auch zu benoten.
Abgesehen davon habe ich ein paar ungute Bekanntschaften mit Einzelpersonen gemacht, die dem Ganzen einen etwas heuchlerischen Beigeschmack gaben.

Weiterhin habe ich nicht prinzipiell was gegen ein zügiges Lerntempo, ich habe mich in der Grundschule totgelangweilt. Aber man kann Sachen nicht implizit als bekannt voraussetzen.

Nein, es gab weder im Kiga noch in der Schule vor oder nach deren Beginn einen Elternabend in dem beschriebene Problematik auch nur ansatzweise zur Sprache kam.
Im einzigen Schulelternabend ging es um Sachen wie den Wandertag, anzuschaffende Extras, Klassenelternsprecher/Beirat und inhaltlich bzgl was man mit ihnen üben soll/Vorausetzungen nur über die Zahlenzerlegung bis 10.

Mein Sohn erzählt nicht freiwillig viel, wobei ich dazu sagen muss, dass er fast täglich erst um 16:30 Uhr von der Mittagsbetreuung heim kommt und es ihm auch irgendwann einfach reicht. Ich kann deshalb auch leider einfach nicht beurteilen wie lange er für die HA braucht, da er einen Teil in der Mittagsbetreuung macht. Die Maße stört mich weniger als dass er die Aufgabenstellung nicht so genau weiss, was ich nachvollziehen kann, wenn er 4 Blätter hat und sich nicht aufschreiben kann was zu tun ist und zwischen Aufgabenstellung und Lösung über 12 Std liegen.

Na mal sehen was die Lehrerin dazu sagt.
MfG,
P

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Na hoppla, jetzt geht aber doch einiges durcheinander:

Waldorf ist eine Weltanschauungsschule die in der Tat nicht so sehr viel mit der Realität gemein hat.
Montessori hat sehr wohl den Leistungsgedanken. Da aber vor allem das Motto "WIE möchtest/kannst Du am besten lernen" und "Lerne, es selbst zu lernen"

Jenaplan ist eine ganz "normale" Schule, die es allerdings hervorragend versteht, neue pädagogische Erkenntnisse mit Erkenntnissen der Hirnforschung und des menschl. Lernverhaltens zu kombinieren und es dadurch schafft, die normalen Lerninhalte einer staatlichen Schule kreativ zu vermitteln.
Dort findet jedes Kind sein Tempo und seine bevorzugte Art zu lernen. Wenn da ein Kind z.B. bessere Konzentration beim Schreiben zeigt, wenn es sich flach auf den Boden legt, dann macht es das halt.
Warum sollen alle 30 Kinder sitzen, wenn für 5 Kinder liegen besser ist?
Ebenso kommt die veränderte Zeittaktung dem Biorythmus entgegen und es wird viel mehr in kleineren Gruppen gearbeitet.

P.S. Die meisten Privatschulen in Deutschland arbeiten nach dem Konzept von "Jenaplan".