wieso darf im zeugnis nichts negatives stehen?

hallo,

ich frage mich schon länger, warum betriebe gezwungen sind in zeugnissen um den heißen brei zu reden. immer müssen die formulierungen positiv sein.

und dann wird sich drüber aufgeregt, dass doch diese und jene formulierung dann doch was schlechtes bedeuten.

wieso darf ein arbeitgeber nicht schreiben, wie ein arbeitnehmer war? wenn der AN nun mal unpünktlich, unzuverlässig und ähnliches ist/ war, warum darf das dann nicht auch gesagt werden? und mit den umformulierungen (stets, meistens, etc), weiß doch der andere chef dann trotzdem, was gelaufen ist - wieso also nicht gleich ehrlich?

LG

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ganz einfach. Weil das Zeugnis dem beruflichen Fortkommen dienen muss. Und das geht ja schlecht, wenn da negative Sachen stehen.

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okay, aber wenn der oder diejenige sich nun mal abolut daneben benommen hat, dann muss das doch auch irgendwo stehen dürfen?

LG

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ja, lustig oder?

die ausdruckweisen und "zensuren" kannst du überall nachlesen.
http://www.arbeitszeugnis.de/presse/geheimcodeliste.pdf

jeder weiß, wie schlecht jemand beurteilt wurde, aber der schein ist dann eben das ganze indirekte rumgeschleime, schrecklich ist das.
es nützt auch rein gar nichts, man könnte es ebensogut auch direkt schreiben, die folgen sind die dieselben.

auf zeugnissen der schule steht ja auch tacheles, nun gut, da wurde zahlen errechnet aufrgund von ermittelten zahlen (klassenarbeiten etc.).

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Hi,
einerseits ist mir schon klar, warum das so ist bzw. was unsere Rechtsprechung sagt. "Muss dem beruflichen Fortkommen dienen etc., "wohlwollend" sein.

Aber WARUM es wohlwollend sein muss, wenn der AG vielleicht einfach nur froh sein kann, einen notorischen Zuspätkommer und schlicht und einfach Faulpelz (die GIBT ES! Auch wenn hier immer die Chefs die Doofen sind) endlich loswerden zu können...

Keine Ahnung.

Manchmal verstehe ich unser Arbeitsrecht auch nicht.

Es gibt wohl nicht viele Länder, wo das so ist wie hier. I.d.R. hat der Arbeitnehmer wohl nur das Recht auf eine Beschreibung seiner bisherigen Tätigkeiten - das wäre m.E. nach vollkommen ausreichen.

Vielleicht gibt es ja hier jemanden, der mir erklären kann, warum ich als Arbeitgeber jemandem, der vielleicht (so erlebt)
- finanziellen Schaden angerichtet hat durch immer wieder Nachlässigkeit (es ging um Dinge, die mit der Ausbildung und Berufserfahrung kinderleicht hätten sein müssen)
oder
- ein Mitarbeiter war, den man dem unbeliebtesten Chef kaum wünschen würde (z.B. eine sehr fragwürdige Auffassung von "Arbeit" und "Pflichten" hatte)
oder
- fachlich einfach unter jeder Sau war, menschlich das größte XY, was es gibt, absolut nicht teamfähig oder was auch immer

auch noch "wohlwollend sein berufliches Fortkommen" erleichtern soll, und ansonsten einen teuren Prozess riskiere?

Ich kann es nicht verstehen. Jemand anderes vielleicht.

Mag ja ein gewisser Schutz vor Willkür und Racheakten sein, womit wir wieder bei den immer bösen Chefs wären. Aber wenn Zeugnisse nichts mehr aussagen - worin liegt dann überhaupt noch ihr Sinn? Und wer schützt jemanden, der vielleicht erst seit kurzem Arbeitgeber ist und den großen Fehler macht, ein ARBEITSZEUGNIS auch noch ernst zu nehmen??

Um gar nicht erst in die Problematik "der AN geht dagegen vor" zu geraten ist es doch mittlerweile schon üblich, dass sich AN ihre Zeugnisse selbst schreiben dürfen...einen Sinn sehe ich darin nicht mehr wirklich. Oder umgekehrt...jemand meint eigentlich etwas gutes, verwendet aber unbemerkt eine Floskel, die bei "Kennern" als Kritik interpretiert wird

So nett und wohlwollend das vom Gesetzgeber gemeint war - Arbeitszeugnisse spielen heute bei Bewerbungen wohl eher selten eine wichtige Rolle, weil sie eben niemand mehr ernst nehmen kann. Und weil eben extrem viel dazuinterpretiert wird, mit großem Fehlerpotential.

Viele Grüße
Miau2

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sehe ich auch so.

und genau deshalb sollte man diese dussligen zeugnisse echt nicht so über bewerten, ist doch sowieso ziemlich nichtssagend.

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Hallo,

die Frage, warum man dann überhaupt noch Zeugnisse schreibt, habe ich mir auch oft gestellt. Was/wem nützt es denn, wenn der Inhalt eh gelogen ist, weil der AG ja nichts Negatives schreiben darf?
Aus dem Grund habe ich während meiner Arbeit in der Personalabteilung auf die angegebenen Tätigkeiten geachtet und nicht auf die schön (vorgegebenen?) formulierten weiteren Sätze im Zeugnis.

Das man als AG auf die Nase fallen kann, wenn man sich auf ein gutes Zeugnis verlässt, habe ich auch schon erlebt. Der Kollege damals war wirklich nett und symphatisch. Nur fachlich konnte man den echt vergessen. Auch, wenn sein Zeugnis ganz andere Aussagen getroffen hat.

Gruß
Sassi

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Hallo,

und ich frage mich, warum "bemühen" oder "pünktlich" negativ ist.

;-)

Zumal beide Tugenden eben nicht immer vorhanden und somit auch erwähnenswert sein könnten. Besonders, wenn man sich die derzeitigen Diskussionen um die "neuen" Lehrlinge so ansieht...

Der unbedarfte Arbeitgeber kann mit einem gut gemeinten Arbeitszeugnis viel versauen -> das ist der größte Skandal an dieser Geschichte.

LG Marion

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Bei der Formulierung "sie bemühte sich die ihr gestellten Aufgaben zu erledigen" sagt man zum einen aus, dass sie die gestellten Aufgaben nicht erledigt hat (sonst würde das dort stehen) und dass man zumindestens noch ein gewisses Engagement unterstellt. Kurz -> MA ist unfähig (mangelnde Kompetenz, Know-how, Fähigkeiten) ihren Job zu machen.

Wenn bei jemanden NUR steht "sie war pünklich" dann ist das die einzige positive Eigenschaft die da ist. Man muss ja wohlwollend sein, und dann ist die Tatsache, dass man über jemanden nur sagen kann sie war pünktlich nicht recht viel.

Grundsätzlich geben ich dir natürlich Recht, dass Bemühen/Engagement und Pünktlichkeit sehr wohl erstrebenswerte Tugenden sind aber alleine eben nicht ausreichen um erfolgreich einen Job zu machen.

Beispiel: bei einer Kassiererin im Supermarkt steht das sie pünktlich war und sich bemühte! (keine weiteren positiven Aussagen über ihre Kompetenz, erledigung von Aufgaben etc.)

Heiß soviel wie sie kam um ging pünktlich (machte auch keine überstunden) und bemühte sich wirklich sich die Preise zu merken und richtig zu kassieren, aber es klappte nicht, und kassierte immer wieder die falschen Preise und gab falsches Wechselgeld. ..... Nicht gerade der Knüller oder?

LG
Tanja

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Gerade "bemühen" und ""pünktlich" ist doch ansich positiv. Bemühen bedeutet, jemand zeigt viel Einsatz. Und Pünktlichkeit ist nie verkehrt. Warum muss das dann im Zeugnis negativ gewertet werden?

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Hier wird es ganz gut zusammengefasst:

"
Der Geheimcode - Chronologie eines Missverständnisses
(auch als Artikel im pdf-Format erhältlich)


Wenn der Jurist und Hobbykoch Dr. Alfred Biolek mit seiner ARD-Kochshow "Alfredissimo" auf Sendung geht, fällt nie ein böses Wort. Selbst wenn sein prominenter Gast etwas Ungenießbares gekocht hat, findet Biolek noch lobende Worte ("Nicht schlecht"). Doch wer annimmt, Biolek behandle alle Gäste gleich freundlich, der irrt. Wer genau hinschaut erkennt hierbei ein Wertesystem, dass trotz allen Wohlwollens vernichtend sein kann und das dem der Zeugnissprache verblüffend ähnlich ist. Nur wer dieses Prinzip verstanden hat, kann Zeugnisaussagen treffsicher übersetzen. Nehmen Sie sich einige Minuten Zeit und lassen Sie sich in zehn Abschnitten die Eigenheiten der Zeugnissprache erläutern.


Übersicht:
1. Die Furcht vor Geheimcodes
2. Die Geschichte des Arbeitszeugnissses
3. Wahrheit und Wohlwollen
4. Alfred Bioleks "Geheimcode"
5. Die Notenskala im Zeugnis
6. Verschlüsselungstechniken - die "wahren" Geheimcodes
7. Anspruch auf ein Abschlusszeugnis
8. Anspruch auf ein Zwischenzeugnis
9. Der Stellenwert des Zeugnisses heute
10. Zu guter letzt

1. Die Furcht vor Geheimcodes
Bei jedem Stellenwechsel kommt dem Arbeitszeugnis eine zentrale Bedeutung zu. Hierbei ist für viele Arbeitnehmer die Auseinandersetzung mit dem eigenen Zeugnis ein sehr unangenehmes Thema, fühlt man sich doch dem Wohlwollen des Arbeitgebers ausgeliefert. Und da wohl kaum ein beendetes Beschäftigungsverhältnis gänzlich frei von Konflikten war, fürchtet auch so mancher, dass sich versteckte negative Aussagen zwischen den Zeilen befinden könnten, sogenannte „Geheimcodes“. Doch diese sind nach §109 Absatz 2 GewO (Gewerbeordnung) unzulässig, hier heißt es:

„Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen."

Ein „Geheimcode“ ist also nur zu identifizieren, wenn man seine Übersetzung kennt. Denn wer sollte schon aus dem Wortlaut erahnen, dass man durch die im Zeugnis erwähnte Neigung zur „Geselligkeit", mit der man "zur Verbesserung des Betriebsklimas" beitrug, gleich zum Alkoholiker abgestempelt wird?! Andere Beispiele für den „Geheimcode“:

„Sie zeigte stets Engagement für Arbeitnehmerinteressen außerhalb der Firma“ (= Sie hat an Streiks teilgenommen).

„Für die Belange der Belegschaft bewies er immer Einfühlungsvermögen“ (= Er suchte sexuelle Kontakte im Kollegenkreis).

TIP: Eine Liste mit zahlreichen Geheimcodes finden Sie hier.


„Wenn es also nicht die verbotenen und wohl nur in Gewerkschaftspublikationen kursierenden „Geheimcodes“ sind, die die Zeugnissprache zu einem schwer zu durchschauenden „Mysterium“ machen, was ist es dann? Wenden wir uns zunächst der Geschichte des Arbeitszeugnisses zu, die der Fachbuchautor Karl-Heinz List recherchiert hat und die - das wird manch unangenehmes Gefühl bestätigen - eng verbunden ist mit Begriffen wie „Gesindezwangdienst“ und „Leibeigenschaft“.


2. Die Geschichte des Arbeitszeugnisses
Im 16. Jahrhundert, in Zeiten des Gesindezwangdienstes und der Erbuntertänigkeit, wurde einem Knecht das ordnungsgemäße Ausscheiden aus dem Dienst, geregelt durch die Reichspolizeiordnung von 1530, durch ein Zeugnis bescheinigt, ohne das ein neuer Dienstherr keine Einstellung vornehmen durfte. Erst 1807 wurde in Preußen die Erbuntertänigkeit und der Zwangsgesindedienst abgeschafft und durch die Gesindeordnung ersetzt. 1846 schließlich wurde in Preußen das „Gesindedienstbuch" eingeführt, in das ein Dienstherr „ein vollständiges Zeugnis über die Führung und das Benehmen", insbesondere über Fleiß, Treue, Gehorsam, sittliches Betragen und Ehrlichkeit eintrug. Dies Gesindedienstbuch musste ein Knecht vor Dienstantritt der örtlichen Polizei vorlegen. Aber ein schlechtes Zeugnis blieb kein lebenslanges Stigma: Wer nachweisen konnte, sich in den letzten zwei Jahren gut geführt zu haben, erhielt ein neues Gesindedienstbuch. Die Gesindeordnung behielt Gültigkeit bis zur Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches am 01. Januar 1900, das allen abhängig Beschäftigten (Fabrikarbeitern, Verkäufern, Dienstmägden) einen Rechtsanspruch auf ein Arbeitszeugnis gewährte.


3. Wahrheit und Wohlwollen
Welche genaue Wertung ein Zeugnis nun im Detail vornimmt, vermag kaum ein Zeugnisempfänger zu erkennen. Nahezu jede wertende Aussage klingt positiv, manche sogar deutlich übertrieben. Andere Formulierungen wiederum erscheinen einfach nur unverständlich. Hier drei Beispiele:

„Stets zeigte er eine herausragende Einsatzbereitschaft, wobei sein Enthusiasmus und seine optimistische Haltung auch in schwierigen Arbeitssituationen sehr beflügelnd auf Kollegen und Mitarbeiter wirkten.“

„Ihre folgerichtige Denkweise kennzeichnet ihre sichere Urteilsfähigkeit in vertrauten Zusammenhängen.“

„Er suchte stets nach guten und kostengünstigen Lösungen. Die Erfolge sprechen für sich."

Zeugnis-Formulierungen wie diese (ihre Übersetzung folgt weiter unten) entstammen keiner „Geheimsprache“ der Arbeitgeber, vielmehr sind sie Folge einer Rechtssprechung, die dem Schutz des Arbeitnehmers dient. Denn der Bundesgerichtshof stellte in einem richtungsweisenden Urteil vom 26. November 1963 klar, dass der Arbeitgeber aufgrund seiner „auch über das Ende des Dienstverhältnisses hinausweisenden sozialen Mitverantwortung" verpflichtet sei, das Zeugnis nicht nur der Wahrheit entsprechend, sondern auch mit verständigem Wohlwollen abzufassen. Er soll dem Arbeitnehmer das berufliche Fortkommen nicht ungerechtfertigt erschweren und ihm eine Chance auf dem Arbeitsmarkt geben.

Im Klartext heißt das: Ein Arbeitgeber darf bei der Zeugnisschreibung nicht die „übellaunige“ Absicht haben, einem ausscheidenden Mitarbeiter zu schaden. Ein im wahrsten Sinne vernichtendes Zeugnis ginge also zu weit. Die Verpflichtung zu verständigen Wohlwollen ist jedoch kein Aufruf zur Schönfärberei, sondern eine Mahnung zu konstruktiver statt destruktiver Kritik.

Entscheidend im BGH-Urteil ist die Formulierung „nicht nur der Wahrheit entsprechend“. Eine unzweifelhaft und vollständig schlechte Leistung muss demnach auch mit der Note mangelhaft bewerten werden, denn der Wahrheitsaspekt wiegt schwerer als das Wohlwollen. Wenn Leistungsschwächen im Gesamteindruck aber nur einen eher geringen Umfang ausmachen, sollte der Arbeitgeber hier ein sprichwörtliches „Auge zudrücken“. Grundsätzlich wohlwollend und vermeintlich höflich hingegen - und das macht die Zeugnissprache letztlich so schwer durchschaubar - ist die Ausdrucksweise, mit der Arbeitgeber ihre Noten vergeben. Offen negative Formulierungen gibt es nur in absoluten Ausnahmefällen, z.B. bei Straffälligkeit."

Quelle: http://www.arbeitszeugnis.de/einfuehrung2.php

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Hoppala, ich wollte eigentlich nur Punkt 3 einfügen... #klatsch