Mein Mann hat Depressionen

Hallo ihr Lieben,

Ich wollte um Rat von euch bitten oder Erfahrungen. Mein Mann leidet seit mehr als 3-4 Jahren immer wieder unter Depressionen. Zurzeit ist es wieder so schlimm das er im Krankengeld ist und auf einen Platz in der Tagesklinik wartet.
Mein Problem ist, ich verstehe nicht was Depressionen sind, wenn ich krank bin dann hab ich Husten oder sowas und bin halt für eine kurze Zeit krank. Aber bei Depressionen ist es irgendwie schwer für mich zu begreifen was denn nicht stimmt. Er ist schwer aus dem Bett zu kriegen, unmotiviert, schlapp und dauernd müde und sowas alles, er weint auch echt viel. Aber so wirklich verstehen kann ich das nicht? Ich hab halt auch mal schlechte Tage aber da steh ich dann rüber. Oder wenn mal ein paar Sorgen sind gut ist Kacke aber das geht doch auch vorbei. Nur bei ihm ist es anders, ihn wirft es dann direkt aus der Bahn.
Habt ihr Ideen wie ich ihm helfen kann, ich möchte ja das es ihm besser geht. In psychologischer Behandlung ist er bereits wo sie auch Themen aufarbeiten und Tabletten nimmt er auch schon.

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Hi,
ich würde dir empfehlen, eine Selbsthilfegruppe o.ä. Betroffene Angehörige zu besuchen. Oder du sprichst selbst mal mit einem der behandelnden Therapeuten/ Ärzten. Depressionen ist nicht, dass es einfach mal schlecht läuft, das geht tiefer. Es ist ja auch so, dass bei Depressionen ein Ungleichgewicht der Hormone/ Neurotransmitter besteht, so dass derjenige nicht „selber schuld“ o.ä. an Seibert Depression ist.
LG

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Zunächst würde ich mich informieren, was diese Krankheit bedeutet. Für den Betroffenen, für die Familie.

Wenn er Behandlung bekommt, ist super.
Um als Angehörige helfen zu können, ist es oft schon hilfreich: zu verstehen (dass man es nicht verstehen/nachfühlen kann), aktzeptieren (auch wenn es schwer fällt), sich selbst behalten, sich informieren was diese Krankheit bedeutet. Für den Patienten, für die Familie, das Leben.


Es gibt auch Bücher zu dem Thema. Diese könnten helfen, aber auch leicht "weggewischt" werden, wenn man sich (noch nicht) auf das begreifen einlassen lassen.


Hilfreich kann es sein, mit Ärzten zu sprechen.
Kliniken bieten auch gerne mal Paarstunden an. Aufklärungsgespräche für Angehörige.
Auch Selbsthilfegruppen für Angehörige.

Die Kunst ist: sich selbst nicht runter ziehen zu lassen dadurch , auch nicht "co-abhängig" zu werden, sich nicht zu sehr mit in die Krankheit reinfressen lassen

und gleichzeitig aber auch soweit verstehen, wie es weiter geht. nicht abtun, nicht verwechseln mit oberflächlichen Infekten.

Zwischen einem einzelnen Niesen und einer Bronchitis mit Fieber, Infusion und Lebensgefahr liegen Welten. Sie sind sich ähnlich und wer Schnupfen hat, ist irgendwo zwischen drin, kennt einzelne vorübergehende Symptome und kann dennoch nicht so wirklich nachvollziehen, wie sehr eine Bronchitis oder Lungenentzündung trotz Medikamente und Nebenwirkungen von Medikamenten so heftig sein kann.

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So rein vom Lehrbuchwissen her ist es genau was du beschreibst. Betroffene haben eine schlechte Stimmung, können sich nicht mehr freuen - auch wenn ihnen klar ist, dass es sich z.B. um ein freudiges Ereignis handelt, und haben keinen Antrieb. Viele kommen nicht aus dem Bett, vernachlässigen ggf. sogar die Körperpflege.
uns ziehen sich von ihrer Umwelt zurück. Viele sehen alles sehr negativ, finden nichts was ihnen z.B. Freude bereitet oder noch Spaß macht. Das Essen schmeckt nicht mehr. Schlafen fällt schwer. Es kommt zu Grübelneigung....

Das was bei einem Gesundenn mal ein kleiner Durchhängiger ist bleibt aber bestehen. Über Wochen, Monate oder Jahre, und ist dabei deutlich stärker ausgeprägt.
Ich glaube so richtig verstehen kann man das kaum, wenn man es nicht selber erlebt hat.

Du könntest erstmal versuchen auf dich zu achten, dass es dir gut geht, denn Leben mit einem depressiven Menschen ist belastetend und sicher oft nicht einfach. Gleichzeitig hilft vielleicht Verständnis und Geduld. Verstehen, dass vieles durch die Krankheit bedingt ist. Es ist ähnlich wie ein Beinbruch - Laufen ist schwer. Bei einer Depression ist eben aufstehen und der Alltag schwer....

Du schreibst ja, dass dein Mann auf der Warteliste ist für eine Tagesklinik und gleichzeitig in Therapie und Medikamente nimmt. Damit ist ja schon ein großer Schritt getan. Hat er denn einen ambulanten Psychiater? Oft sind die was Antidepressiva angeht fitter als die Hausärzte und auf dem neueren Stand. Da muss man manchmal etwas rumprobieren welches Medikament passt.

Ich wünsche euch beiden ganz, ganz viel Kraft! ❤🌹

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Erstmal vielen Dank für die Antwort.
Ich weiß leider nicht was ein ambulanter Psychiater ist. Also bei uns in der Innenstadt ist ein Psychiater da geht er immer hin wenn es um Medikamente geht. Für tiefergehende Gespräche hat er einen anderen der ist aber noch nicht so die 100% wo er sich wohlfühlen tut und steht noch bei anderen auf Wartelisten. Aber der Hausarzt versteht ihn auch sehr gut wenn akut was sein sollte kann er immer zu ihm gehen, der Arzt war auch der, der alles so wirklich ins Rollen brachte und ihm die Listen der Ärzte gegeben hat.

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Huhu, genau das ist ein ambulanter Psychiater 😊

Psychologen haben Psychologie studiert, die machen oft Gesprächstherapie etc. - leider gibt es da sehr lange Wartelisten etc. Schön, dass dein Mann erstmal überhaupt untergekommen ist! Ich drück die Daumen, dass er wechseln kann und bei wem anders vielleicht was frei wird. Ich fürchte da kann man nur Geduld haben....

Psychiater sind Ärzte. Die machen zwar manchmal auch Gesprächstherapie, dürfen aber auch Medikamente verschreiben etc. Ambulant schreib ich deswegen, weil es viele in Kliniken gibt, dein man ja aber alten zu Hause ist. Die Medis gehören zum Gesamtkonzept. Alleine bringen sie imho eher weinig. Es gibt da aber auch verschiedene Präparate auf dem Markt und die kennt ein Psychiater halt besser als der Hausarzt und kann ggf. auch mehrere kombinieren oder von einem auf ein anderes umsteigen, wenn es nicht hilft.

Übrigens nichts gegen Hausärzte. Der Hausarzt mediiert oft mit. Hilft, dass man irgendwo unterkommt und kennt dem Patienten oft auch länger und sieht Probleme eher als ein Psychiater, der “nur“Medikamente anpasst.

Und dann gibt es eben noch Familie, Freunde...Einfach den sozialen Rückhalt ❤ Das bist dann du! Und der ist echt nicht zu vernachlässigen, denk daran! Es ist toll und wichtig, was du für deinen Mann tust!

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Hallo,

ich litt/leide selbst an Depressionen und möchte gerne versuchen, dir zu erklären, wie es sich (zumindest für mich) angefühlt hat, damit du deinen Mann evtl. besser verstehen kannst.

Momentan habe ich keine Depressionen mehr (dank Psychotherapie). Doch ganz weg ist diese Krankheit nie mehr...ich muss immer aufpassen und sofort handeln, wenn sich etwas anbahnt.

(Ich muss dazu sagen, dass bei mir zusätzlich noch eine Angststörung diagnostiziert wurde. Das geht oft mit Depressionen einher, daher vermischen sich bei mir auch die Anzeichen/Symptome.)

Als ich das erste Mal Depressionen bekommen hatte, habe ich es lange Zeit gar nicht als "Depression" erkannt...ich dachte zuerst an eine körperliche Ursache.

Es fing mit körperlichen Symptomen an: Herzrasen bis hin zur Todesangst, Schwindel, Zittern (besonders die Hände) und was ich als ganz schlimm empfand, war eine ständige innere Unruhe. So, als wenn man kurz vor einem Vorstellungsgespräch ist oder einem Bühnenauftritt...aber die Anspannung lässt einfach nicht nach.

Die Gedanken fangen an zu kreisen. STÄNDIG. Man kommt nicht zur Ruhe, kann nicht mehr richtig schlafen und ist deshalb immer am Limit.

Ich spürte keine Freude mehr. Uns ist im Alltag gar nicht bewusst, bei wie vielen Kleinigkeiten wir Freude empfinden. Freude ist eine "Belohnung" des Körpers, z.B. wenn wir essen.
(Es ist nicht diese "offensichtliche Freude" die man empfindet, wenn man sich über ein schönes Geschenk freut. Sondern etwas, was im Unterbewusstsein passiert und von uns gar nicht mehr aktiv wahrgenommen wird.)
Bleibt diese Freude aus, hat man plötzlich keinen Antrieb mehr - zu nichts. Wozu auch, es erscheint alles völlig sinnlos.

Ich weiß, spätestens hier fängt es an, für einen "Nicht-Betroffenen" schwierig zu werden, denn man kann es sich einfach nicht vorstellen, wenn man nicht mal selbst betroffen war.

Durch die Freudlosigkeit war mein Appetit komplett verschwunden. Essen wird zur Qual. Wenn ich von einem Brot abbiss, entwickelte ich nicht einmal Speichelfluss...das Brot rieselte aus meinem Mund wie Sand.
Mein Mann bestellte mir dann hochkalorische Trinknahrung, damit ich nicht noch mehr in´s Untergewicht rutsche. (Mein BMI lag da bereits bei 16)

Es gab Tage, da konnte ich nur im Bett liegen, für alles andere fehlte die Kraft. Ich war wie gelähmt und hatte schreckliche Angst, dass ich so mein restliches Dasein fristen muss.
Es fühlt sich an, als hätte man ganz furchtbare Schmerzen, nur, das sie eben psychisch sind. Diese psychischen Schmerzen würde man jederzeit mit körperlichen Schmerzen tauschen, da es fast nicht auszuhalten ist.

Am schlimmsten Punkt meiner ersten (und schwersten) Depression, wünschte ich mir, nie geboren worden zu sein. Ich empfand es als untragbare Bürde, leben zu müssen.
Ich erinnere mich, dass ich einen kurzen Moment lang mein Gehirn nicht mehr "unter Kontrolle" hatte. Da dachte ich, jetzt werde ich verrückt und bin nicht mehr Herr meiner selbst.

Als Angehöriger solltest du die Krankheit auf jeden Fall ernst nehmen. (Was du sicher auch tust, sonst würdest du hier nicht nachfragen.)

Depression hat absolut NICHTS mit einem "schlechten Tag" oder "ein paar Sorgen" zu tun! Das musst du unbedingt verinnerlichen.
Bei einer Depression kann man sich nicht einfach "zusammenreissen", da funktionieren ein paar komplexe Zusammenhänge im Hirnstoffwechsel nicht mehr und das hat nichts mit schlechter Laune zu tun.

Ich bin mir sicher:
Wenn man Menschen mit schweren, langanhaltenden Depressionen fragt, ob sie stattdessen lieber Krebs hätten, würden viele sicherlich den Krebs wählen.
So schlimm können sich Depressionen anfühlen.
-Nicht umsonst gibt es unter depressiven Menschen so viele Selbstmorde.

Ich weiß natürlich nicht, wie ausgeprägt die Krankheit bei deinem Mann ist...das kann nur ein Arzt beurteilen. Aber ich kann dir sagen: Es gibt Heilung! Gebt nicht auf und unterstütze ihn, wo du nur kannst! Mache ihm keine Vorwürfe, dass er momentan nichts auf die Reihe bekommt, er kann absolut nichts dafür!

Alles Gute für euch und viel Kraft!