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"In einem Mc Donalds in Offenbach um 4 Uhr früh würde sich mein Eingreifen definitiv auf das Absetzen eines Notrufes beschränken - und das würde ich auch meiner Tochter einbleuen, - wobei ich sehr hoffe, dass sie sich um diese Uhrzeit niemals an einem vergleichbaren Ort in einer vergleichbaren Stadt aufhalten wird."

Jein. Teil eins versuche ich meinem Sohn (gleicher Jahrgang übrigens wie Tugce, auch Lehramtstudent, aber in FFM, sie war in Gießen) auch einzutrichtern. Zum Glück leben wir nicht mehr im Landkreis OF, aber a) war er dort früher auch gern mal mit seiner - sehr hübschen und altersgemäß oft einen Tick zu sexy angezogenen - Ex-Freundin unterwegs, so dass ich oft große Bedenken hatte, b) wohnen wir nun in einer Stadt, in der es ebenfalls einen bestimmten Typ junger, mehr oder weniger offen aggressiv auftretender Männer mit MiHiGru gibt, c) ist er vom Typ her sehr "ritterlich" und gerechtigkeitsliebend (stolz bin). Und ich bin auch nicht unbedingt eine, die die Klappe hält, wenn sie Dinge mitbekommt. Habe mich erst neulich morgens mit einem jungschen Türken angelegt, der ein Mädel an der Bushaltestelle bedrängte. Ich habe die Angst, dass mein Sohn sich das abgeguckt hat. Zu allem Übel ist er im Moment auch noch mind. jedes zweites WE in einer Großstadt in NRW unterwegs... wieder mit einer Freundin, die siehe oben.

Zu Teil zwei: In OF gibt es zum Beipsiel das MTW, dort geht mein Sohn öfters hin und ich werde dort heute Abend/Nacht zur dm-Party sein. Und die Verantaltungen dort sind nun mal - wie schon zu "unserer" Zeit am besten nach 23, 24 Uhr und gehen bis morgens um vier... Was ist das für eine Welt, in der man als junger Mensch nicht - wie sich das "gehört" - am WE bis frühmorgens um die Häuser ziehen kann? Was ist das für eine Welt, in der ein junger Mann auf offener Straße eine junge Frau schlägt und dann auch noch von seinen Kumpels auf FB Zuspruch erfährt, die sich auch noch eins von "Ehre" ablabern?

Da ist doch auch der Punkt.

Aber ich gebe Dir recht, mit diesem Typ junger Männer legt man sich besser nicht offen an. Ich weiß aus meiner Arbeit, dass sie selbst oder gerade vor Frauen oft null Respekt haben, eine absolut geringe Frustrationstoleranz und oft hohe Gewaltbereitschaft haben. Und bist Du ein (junger) Mann kommt bei diesem Geschmeiß auch noch spätpubertäre Platzhirschdenke dazu, was es erst recht gefährlich macht.

R.I.P. Tugce. :-(

LG
o_d

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hm, ich hatte vor 13 jahren mal ein übles erlebnis in der straßenbahn. ich fuhr vom nachtdienst nach hause und die straßenbahn war voll mit leuten, die zur arbeit wollten. ich döste so vor mich hin und bemerkte dann in der fensterspiegelung, dass sich einen sitz weiter ein typ einen runterholte. ich drehte mich entsetzt zu ihm um und er grinste mich widerlich an. ich schrie ihn an, er sei ein schwein. ich habe wirklich laut geschrien, aber NIEMAND drehte sich zu uns um. niemand. alle guckten krampfhaft geradeaus. ich rannte dann nach vorne zum fahrer und zeigte meinen dienstausweis und bat ihn, die bahn zu stoppen. das machte er dann auch, allerdings regulär an der nächsten haltestelle und er machte natürlich die türen auf. der typ floh, irgendein anzugspießer mit aktentasche.

seitdem ziehe ich echt meinen hut vor menschen mit zivilcourage--die kann man nämlich mit der lupe suchen, auch wenn ALLE rumposaunen, was sie theoretisch zu tun bereit sind. leider bleibt es dann auch nur theorie.....
ich finde ihr eingreifen mutig und sie konnte wirklich nicht damit rechnen, dass ihr diese spacken draußen auflauern.

lg

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Hallo,

das Problem ist meiner Meinung nach folgendes.

Ich vergleiche das gerne mit einem Schiedsrichter auf dem Fussbalfeld. Der muss sofort Entscheidungen treffen.

Wenn ich nun sehe das jemand verprügelt wird, kann ich nicht erst 10 Minuten nachdenken was ich tue, das muss dann einfach von selbst gehen.

Ich hatte in meiner Ausbildung zum Altenpflege auch dieses Thema im Bereich der Ethik. Und wir haben so verschiedene Dinge durchgespielt und durchgesprochen.

Es ist nun so, sehe ich das auf jemand eingeprügelt wird und das sind meinetwegen 10 Mann, dann kann ich nicht eingreifen als solches sondern nur per Handy die Polizei rufen. Das Problem ist nur dann wieder, bis die dann da sind kann wer weiss was passiert sein.

Es ist ein mehrschneidiges Schwert. Rudi Zerne sagte mal in Aktenzeichen XY, das der Schutz des eigenen Lebens immer vorgeht. Er sagt ja auch immer am Ende der Sendung: BLEIBEN SIE SICHER.

So ein Beispiel wie wir es nun haben ist leider ein trauriges. Aber es war sicher auch ne Menge an unglücklicher Verkettung da.

Ich bin ehrlich, ich wüsste nicht was ich tun würde.

Liebe Grüße

Andy

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Zum Thema haben sich ja schon einige vernünftig geäußert.

Mir geht es wie antonia: Dass du hier Überlegungen anstellst, das Opfer von Tugce habe sich bei den 13 und 16 Jahre alten Mädchen "nicht gelohnt", weil sie sich nachts um 4 betrunken bei McDonalds aufhalten, finde ich absolut widerlich!

Wenn es eine 11-jährige um 12 Uhr Mittags erwischt hätte, würdest du anders zum Thema Zivilcourage stehen? Oder wie?

Interessantes Menschenbild!

LG

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Das ist keine Frage des "Lohnens", das ist Gerechtigkeitsempfinden und sehr spontan.

Für mich ist Zivilcourage ein sehr hoher Wert, und alle Gefahren des Lebens (sprich das spätere Auflauern), kann man nun wirklich nicht vorher bedenken. Für mich wäre es eine furchtbare Welt, in der die Menschen bei Ungerechtigkeiten nicht einschreiten und helfen.

WIE man das tut mag von Person zu Person unterschiedlich sein und auch vom Naturell, dem Beruf, den bisherigen Lebenserfahrungen abhängen. DASS man was tut sollte keine Frage sein. Denn dadurch steigt die Freiheit und die Sicherheit für alle.

Wenn Täter sich von der kuschenden Mehrheit gedeckt fühlen bekommen sie Oberwasser und nehmen sich immer mehr heraus. Nur wenn Täter merken, dass mit "Angst-verbreiten" nicht durchkommen hat die friedliche Mehrheit die Chance gerecht und sicher zu leben. Ich denke oft an das Mitläufertum zur Nazizeit: Welch furchtbaren Dinge können passieren, wenn zu wenige Menschen einschreiten und die Mehrheit glaubt, man könne ohnehin nichts tun.

LG doremi

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ach, da hätte ich mir ja meine Zeilen sparen können-
Dem kann ich mich so anschließen!

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hm nun ja, lohnen- das ist eine komische Frage...
Ob es sich lohnt- kann ich nicht beantworten.

Zum Fall Tugce wollte ich aber gerne etwas sagen.
Ich empfinde, wie wohl die meisten anderen, den Tod der jungen Frau als furchtbar und bewundere ihren Mut. Ich freue mich über die Anteilnahme und bin bewegt von den Motiven der Menschen, die an den Aktionen teilnehmen (in denen sich kein rachsüchtiger Mob zeigt sondern menschen, die Anteil am Schicksal eines anderen nehmen).

ABER- und jetzt kommt mein Aber- ich habe bedenken, daß die Berichterstattung, die sich Zuspitz auf die Frage des Risikos der Zivielcourage -ähnlich wie im Fall Brunner- dazu führt, daß die Menschen noch mehr Angst bekommen sich einzumischen als sie es offenbar ohnehin schon haben.
Das fände ich tragisch und vollkommen kontraproduktiv, denn genau damit würde mit sie und ihr Handeln eben nicht würdigen.

Das Problem ist, daß die tausend Vorfälle, in denen zivilcourage greift nicht in die Medien kommen, daß wir viel weniger Bilder haben, die uns zeigen, wie es gelingen kann, wie "sich einmischen" geht und wie wirkungsvoll es sein kann.

Das führt dazu, daß diejenigen, die Grenzen von anderen übertreten immer seltener daran gehindert werden und damit das Gefühl bekomme, es sei in Ordnung.

Und diejenigen, die zeuge werden immer häufiger erleben, daß niemand eingreift und das als normal erleben.

Und eben diese Angst, die sich durch diese Berichterstattung aufbaut, daß jeder Versuch der Zivilvourage sofort im Tod endet.

Das ist für mich der bitter Beigeschmack daran.

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Hallo,

bis zu einem gewissen Grad gilt Eigensicherung vor Fremdsicherung.
Aber: manchmal kann man einfach nicht mehr danebenstehen.

Auf die grundsätzliche Frage, ob sich Zivilcourage lohnt, darf ich auf ein etwas älteres Beispiel verweisen: http://de.wikipedia.org/wiki/Irena_Sendler.

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Ich sehe das zu 100% wie du: Zivilcourage mag wichtig sein, sich nachts als Frau wegen betrunkener Frauen mit einem mutmaßlich ebenfalls betrunkenen Mann anzulegen, ist aber neben "mutig" auch noch etwas ganz anderes, was man jetzt aber in Deutschland nicht so wird sagen dürfen.

Es ist so durchschaubar: Das Volk will immer Heldengeschichten, das Volk bekommt seine Heldengeschichten. Kritische Anmerkungen: unerwünscht.

Ich käme nicht auf die Idee, in einer derartigen Situation alleine einzugreifen. Ich würde dorthin gehen, wo andere Menschen sind, versuchen, viele andere Menschen an den Ort der Auseinandersetzung zu bringen, und unterdessen einen Notruf absetzen.

Es ändert nichts an der Tragik dieser jungen Frau. Es wäre aber vielleicht sinnvoller, aus diesem Vorfall mal ganz allgemein ein paar Tipps herauszuarbeiten, anstatt einen Sarg mit dem Bundesverdienstkreuz für einen völlig unsinnigen Tod zu behängen.

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"Für wen eingesetzt: zwei betrunkene Mädels, 13-16 Jahre (interessanter Aufenthaltsort - 4 Uhr morgens für die Damen), die sich noch nicht mal gemeldet haben - mit gutem Grund? - und die vermutlich mit den Typen durchaus fertig geworden wären,"

Vielleicht leigt hier eine weibliche Fehleinschätzung Deinerseits vor. Wie sollen sich zwei vielleicht angetrunkene Mädchen gegen einen aggressiven Typen wehren können?

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Ich fürchte bei allem was passiert ist, und wie schlimm die Sache auch ist, können wir an einem Punkt nicht vorbeigehen.

Was haben eine 16 jährige und insbesondere ne 13 jährige um 4 Uhr in der Morgenstunde draußen zu suchen und dann auch noch angetrunken ??

Ich will hier nicht den Moralapostel spielen, aber sowas ist auch nicht vertretbar.

Hinzu kommt: Die beiden Mädchen haben sich nicht mal gemeldet, wie hier schon beschrieben wurde.

Man wird das Gefühl nicht los das der Tod der jungen Frau, sowas von umsonst war.

Und was droht dem Täter ??

Mord wohl kaum, Totschlag dürfte schwer sein, also bleibt Fahrlässige Tötung oder Schwere Körperverletzung mit Todesfolge.

Wie gesagt, es ist alles schlimm genug, und trotzdem kann man an einigen dieser Punkte nicht vorbei, auch wenn man das kaum offen sagen darf. LEIDER.

Gruß Andy

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Ich denke nicht, dass man aufgrund dieses schrecklichen Geschehens nicht die Grundsatzfrage stellen sollte, ob sich Zivilcourage überhaupt lohnt.

Man sollte auch nicht die Frage stellen ob es die beiden Mädchen „wert waren“, dass Ihnen geholfen wurde. Minderjährige (sofern die Mädchen denn minderjährig waren, fest steht das nicht /die Vita der Mädchen ist zum Glück nicht öffentlich gemacht worden und das Alter wurde von Zeugen „geschätzt“) verdienen in erster Linie besonderen Schutz und erst in zweiter Linie und SPÄTER Tadel.

Was würdest Du sagen, wenn deine Tochter in 3 oder 4 Jahren mal ausbüchst, auf die Piste geht und dabei in Gefahr gerät. Wie würde es sich für Dich anfühlen wenn ihr dann die Hilfe mit der Begründung verweigert wird dass sie an diesem Ort und zu dieser Zeit nichts zu suchen hätte?

Das Einschreiten von Frau Albayrak schien noch der Situation angemessen und nicht übermäßig riskant gewesen zu sein. In Partynächten sind diese Schnellfressläden gut besucht und wie man lesen konnte hat Frau Albayrak auch direkt Unterstützung von 2 Männern erhalten, die gerade vorbeikamen und den späteren Täter vor die Tür setzten.

Das Geschehnis war offenbar der Ausgangspunkt für einen noch einige Minuten vor sich hin schwelenden Konflikt zwischen dem späteren Täter und dem Opfer.

Rückzugsmöglichkeiten hätte es, wenn die Darstellung in der FAZ korrekt ist, durchaus gegeben. Vermutlich sah sich Frau Albayrak überhaupt nicht in Gefahr und hat den Täter nicht als hitzköpfigen und gewaltbereiten Mann eingeschätzt sondern eher als Maulhelden. Das war eine Fehleinschätzung, allerdings keine Weibliche sondern eine Menschliche. Hätten ihre Begleiter die Gefahr geahnt, hätten sie Frau Albayrak vermutlich in Sicherheit gebracht.

Der tödliche Ausgang der Auseinandersetzung war sicherlich eine Verkettung unglücklicher Umstände. In 99% solcher Fälle bleibt es bei einer blutigen Nase oder leichten Verletzungen. Ein einzelner Schlag endet nur sehr selten tödlich.

Beim Lesen der Zeitungsberichte gibt mir eine Sache gewaltig zu denken:

„Bald steht er mit seinem Freund, der ihn anblickt und mit beiden Händen zurückschieben will, neben einem Auto, als sich aus dem Knäuel an Personen, die unmittelbar in der Nähe stehen, eine Frau den beiden nähert. Offenbar ist es Tugce. Im Sekundenbruchteil der beginnenden 43. Minute sieht man den ausgestreckten Arm von Senal M. – sein Freund muss irgendwo zwischen ihm und Tugce stehen –, sie fällt getroffen nach hinten, schlägt mit dem Kopf auf den Boden.“

http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/tod-von-tugce-senal-m-war-offenbar-nicht-zu-bremsen-13296711.html

Wenn der Begleiter des Täters ihn offenbar bis dahin nur mit äußerster Mühe zurückhalten konnte, warum geht sie dann wieder dahin? Ich verstehe es nicht.

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Was ist das denn für eine schwachsinnige Frage ob sich Zivilcourage lohnt, man sollte immer Augen und Ohren offen halten, lieber einmal zuviel die Polizei gerufen als einmal zu wenig. Wenn man selbst ins Geschehen eingreift begibt man sich in Gefahr, deshalb sollt man immer probieren so viele Leute wie möglich aufmerksam zu machen.

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Die Frage steht in der Überschrift und stammt nicht von mir. Ich halte die Frage auch für nicht sinnvoll, was sich eigentlich auch aus meinem Kommentar ergeben sollte.