Traurig darüber keine Eltern zu haben - Kontaktabbruch

Vielleicht gibt es hier auch einige, die den Kontakt zu ihrer biologischen Familie abgebrochen haben. Mich holt der Kontaktabbruch in den letzten Tagen wieder vermehrt ein. Die Weihnachtszeit beginnt und das ist natürlich auch eine Zeit in der man vermehrt an Familie denkt. Dazu bin ich jetzt im ersten Trimester meiner Schwangerschaft und bin traurig darüber, dass mein Kind meine Eltern vermutlich nie kennenlernen wird.

Wie geht ihr mit dieser Situation um?

Ich weiß, dass der Kontaktabbruch richtig war und ist. Mir fällt es dennoch schwer, ihn aktuell aufrecht zu erhalten. Ein kleiner Teil in mir denkt: "Vielleicht ändern sie sich, wenn sie wissen, dass ich schwanger bin". Das ist aber unwahrscheinlich. Mein Vater ist seit mindestens 30 Jahren nasser Alkoholiker und mittlerweile mit paranoiden und schizophrenen Zügen. Manchmal schreibt er eine liebe Mail und dann droht er mir mehr oder minder grundlos.

Meine Mutter deckt die Sucht meines Vaters auch noch 23 Jahre nach der Scheidung. Sie findet, dass ich "übertreibe", wenn ich die Polizei rufe, wenn er alkoholisiert Auto fährt, Menschen Morddrohungen schickt, den neuen Freund seiner Exfreundin zusammenschlagen lässt (gegen Bezahlung), oder Nachbarn Drogen unters Auto hängt, um sie "loszuwerden", indem er sie bei der Polizei anzeigt.

Meine Schwester nimmt es mir auch übel, dass ich vor drei Jahren den Schlussstrich gezogen habe und wegen jedem Vergehen die Polizei informiert habe. Typische Co-Abhängigkeit eben.

Ich konnte nicht mehr mit der Angst leben, dass mein Vater irgendwelche Schlägertypen anheuert, um mir nachzustellen und auch nicht mit der ständigen Verurteilung meiner Familie à la "du hast doch einen Schaden, wenn du wegen jedem bisschen die Polizei rufst".

Ein heiles Familienleben kenne ich nicht, aber jetzt gerade wünsche ich es mir umso mehr... Mein Freund hat zwar eine ganz liebe Familie, aber ich finde, dass das trotzdem nicht die eigene ersetzen kann. Wem geht es noch so? Was macht ihr gegen die Leere?

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Ich kenne den Gedanken lieber eine andere Familie zu haben, als die, die man hat. Mir hilft die Selbsthilfegruppe für Angehörige / Kinder von Alkoholikern (Al-Anon) da sehr.

Ich denke, die Gründe, die du schilderst rechtfertigen auf jeden Fall den Kontaktabbruch. Ich würde es an deiner STelle auch dabei belassen. Wenn die Familie deines Freundes dich aufnimmt, dann ist das doch super. Und bald hast du deine eigene, kleine Familie.

Lass dir das nicht von deinen Erzeugern kaputt machen.

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Ich beneide und bewundere dich dafür, dass du den absprung geschafft hast. Ich bin leider noch nicht so weit...

Ich kann nur für mich sprechen und muss sagen,ich habe mir auch immer eine familie für mein kind gewünscht ABER das interesse an ihm ist nahezu gar nicht vorhanden und den stress den ich durch diese familienbande habe ist einfach nur ätzend. Sie ändern sich nicht. Auch nicht für das enkelchen...ich gabe beschlossen, mein kind davon so weit wie möglich abzuschirmen, aber aktuell bin ich noch nicht bereit den schlussstrich zu ziehen.

Nimm lieber die familie als deine eigene an, die sich um dich und dein kind auch kümmern wollen,denn da ist dein kind gut aufgehoben.

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Hallo tadaa,

tut mir sehr Leid zu hören, wie sich die Dinge bei dir und deiner Herkunftsfamilie entwickelt haben. Aber versuche dir deshalb bitte keine Vorwürfe zu machen! Denn dich trifft sicherlich keine Schuld daran, dass dein Vater als Alkoholiker sich nicht unter Kontrolle hat und nun unter den Konsequenzen seiner Sucht leidet. Wenn deine Mutter+Schwester auch noch meinen, ihn in dieser Hinsicht decken zu müssen und nicht genug Mumm haben, ihm mal die Meinung zu geigen und Grenzen aufzuzeigen, dann ist das eindeutig IHR Problem und nicht deins!
Und mal ganz ehrlich: Das, was dein Vater sich da alles in der Vergangenheit geleistet hat (Morddrohungen, Körperverletzung, Drogen) ist echt nicht mehr normal, sondern eindeutig schon kriminell!

Dass du unter diesen Umständen den Kontakt zu ihm abgebrochen hast, ist absolut richtig und verständlich. Hätte ich ganz sicher auch gemacht. Denn: Es dient ja auch nur deinem Selbstschutz! Bedenke, dass du bald Mutter sein wirst und dann auch Sorge für eine kleine Familie tragen musst. Du musst dich, dein Kind und deinen Partner schützen! Einen Opa mit solch krimineller Energie braucht dein Kind ganz sicher nicht!! Du solltest weiterhin jeden Kontakt zu deinem Vater meiden und zukünftig auch (aus Sicherheitsgründen) dein Kind von ihm fernhalten.
Wenn deine Mutter + Schwester meinen, dich deswegen schneiden zu müssen....bittesehr, dann lass sie eben. Würde ich nicht als mein Problem erachten. Du musst jetzt an dich und deine eigene (kleine) Familie denken!

Konzentriere dich in Zukunft auf deinen Partner und seine Familie! Du schreibst ja, dass sie wirklich lieb sind. Dann kannst du sicher auch bei ihnen gute Aufnahme finden und sie als liebevolle Ersatzfamilie ansehen. Das geht durchaus wohl....;-)
Aber so einen Opa wie deinen Vater braucht dein Kind ganz sicher nicht!

Ich wünsche dir viel Kraft und alles Gute für die Zukunft!

Liebe Grüße
Mommy92

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Ich habe seit 7,5 Jahren keinen Kontakt mehr zu meinen Eltern und seit 5 Jahren auch nicht mehr zu meinem Bruder.
Ich vermisse Eltern und Großeltern für meine 3 Jungs, aber nicht MEINE. Meine Eltern haben als Eltern versagt und hatten auch kaum bis 0 Interesse an ihren Enkeln. Das ist Fakt und selbst wenn wieder Kontakt bestünde, so hätte ich trotzdem nicht das, was ich mir wünsche. Ich hätte Stress, Streit und Magenschmerzen--brauch ich nicht.
Die Eltern von meinem Mann sind leider schon vor über 25 Jahren gestorben, daher haben sein Onkel und seine Tante die SE/Großeltern ersetzt und das wirklich großartig.
Also--trauere nicht dem hinterher, was es eh nicht gibt und nimm das, was da ist--nämlich eine liebe Schwiegerfamilie!

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"Ein heiles Familienleben kenne ich nicht, aber jetzt gerade wünsche ich es mir umso mehr... "

Du wünschst dir eine heile Familie, NICHT deine biologische / nicht deine Nicht-Familie.


Doch, andere Menschen können den Platz einnehmen, wenn man es selbst zulässt.
Wenn man selbst den Wunsch nach der heilen (Fremd)familie loslassen kann.

Das ist schwer, das kann viele Jahre dauern. Das klappt nicht immer.


Hast du Beratung?
Wenn nicht Therapie, dann Beratungsstelle für ANGEHÖRIGE von Alkoholikern!

Ich meine es gibt von den anonymen Alkoholikern Gruppen für deren (erwachsene) Kinder. Für Angehörige.

Lerne die Strukturen kennen - dann findest du auch einen Weg dich daraus zu befreien.
Austausch mit anderen, die es geschafft haben, können dir helfen.


Der Kontaktabbruch ist räumlich.
Emotional hängst du noch voll drin. Auch wenn der Kopf es dir manchmal anders suggeriert.


Viel Kraft
und den Mut dich mit anderen auszutauschen, die es ähnlich hinter sich haben wie du. Da gibt es viele!

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Die Angehörigen-Gruppe nennt sich Al-Anon (Familiengruppen für Angehörige und Freunde von Alkoholokern) und ist UNABHÄNGIG von den Anonymen Alkoholikern. Und du hast recht, da gibt es Gruppen speziell für Erwachsene Kinder. Das ist für mich eine Art "Ersatzfamilie" geworden, wo ich meine Sorgen und Nöte aussprechen kann ohne ANgst haben zu müssen verurteilt zu werden oder damit jemanden zu beschämen oder zu verletzen.

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Danke.

Wieder etwas dazu gelernt. #danke

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Ich habe den Absprung zum Glück sehr früh geschafft. Mir war schon als Kind klar, dass da was gewaltig schief läuft...Kaum 18, schon war ich weg- danach 1 Jahr halbherzigen Kontakt meinerseits- seitdem nichts mehr.
Die ersten Jahre waren hart- vor allem Weihnachten und generell Feiertage. Ich habe Weihachten bei vielen meiner Freundesfamilien verbrinen dürfen- dafür bin ich sehr dankbar!!! Ich war auch die erste die so früh zu Hause zum Freund zog und war lange Jahre ein "Exot". Alle Anderen sind erst so Mitte/ Ende 20 auf eigenen Beinen gestanden- aber hatten natürlich trotzdem Eltern an die sie sich wenden konnten wenn es Fragen wegen Versicherungen, Geldanlagen, Jobprobleme, etc gab. Sowas hatte ich leider nie und es fehlte mir sehr.
Ja, es war hart und ich war sehr oft unglaublich einsam. Aber der Preis war es mir wert.
Lieber keine Familie als meine.
Ich vermisse nach wie vor Eltern- aber nicht meine "Familie" Aber mei, mit fast 40 ist es jetzt auch rum ums Eck- zum Glück habe ich eine nette Schwiegermama.
Aber es bleibt ein dunkler Fleck auf der Seele, der geht nicht weg. Vielleicht vergleichbar mit Krebs. Man hat Ihn besiegt und ist Ihn los, aber der Schatten bleibt. Ich weiß nicht, ob du verstehst was ich meine?

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Hallo!
Zu aller erst- alles gute zur Schwangerschaft !

Ich habe ebenfalls keinen Kontakt zu meinen Eltern. Meine Mutter war eine Narzisstin und eine sehr Gewalt bereite Person. Schlagen, treten, anspucken, mit Fäusten auf mich einschlagen, mich an den Haaren den Hausflur entlang schleifen und weiter auf mich einschlagen waren an der Tagesordnung. Sie hatte oft schlechte Laune weil sie mal wieder irgendwas gestört hat ( Streit mit dem Vater, mit ihren Eltern etc.) und da musste ich nunmal her halten. Meine erste Erinnerung an mein Leben ist als ich 3 Jahre alt war und meine Mutter auf mich einschlug weil ich meine Haare geschnitten hatte.
Seit meinem 3.Lebensjahr wurde ich regelmäßig geschlagen, so schwer das ich manchmal fast erbrochen habe vor schmerzen, scham und Angst.
Das ging bis ich 16 wurde, und sie mich das letzte mal Angriff. Ich habe dieses Mal nämlich zurück geschlagen, und zwar so sehr das mein Vater mich von ihr runterreißen musste. Ich bin nicht stolz darauf, aber scheinbar hat sie es anders nicht verstanden.
Mein Vater hat scheinbar das Stockholm Syndrom. Es traut sich nicht gegen sie zu gehen, und lässt sich ihre Misshandlungen genauso gefallen. Tatsächlich verteidigt er sie sogar oft.

Kurz gefasst: ich vermisse meine Mutter zu 0%. Tatsächlich bin ich froh sie losgeworden zu sein. Ich will sie nie wieder sehen, sie ist für mich ein Niemand.
Den einzigen den ich vermisse ist mein Papa manchmal.

Ich selber stehe kurz vor der Geburt, und das wissen sie ebenfalls nicht. Und das ist auch besser so.

Ich wünsche dir die Kraft, das erlebte gut verarbeiten zu können. Ich habe mich anfangs auch traurig gefühlt, wenn ich Feste ohne sie verbracht habe, aber heute bin ich froh das es keinen Kontakt mehr gibt.

LG

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Hallo!

Lass dich mal drücken. Ich kann dich verstehen, meinem Mann geht oder besser gesagt ging es ähnlich. Wir haben als Familie eine sehr schlimme Zeit hinter uns. Seine Eltern und Brüder haben sich extrem in unser Leben eingemischt. Ich kann hier nicht alles niederschreiben. Wir haben lange überlegt was wir machen sollen. Schlussendlich haben mein Mann und ich gemeinsam den Entschluss gefasst, den Kontakt komplett abzubrechen. Es tat mir am Anfang für unsere Kinder sehr leid, aber wir können diesen Personen nicht mehr trauen und trauen ihnen alles zu. Als wir noch Kontakt hatten waren es immer wieder gute Phasen aber dann natürlich wieder sehr schwierige. Wir wollten das nicht mehr.

Seit dem Kontaktabbruch geht es uns wesentlich besser. Es gibt Tage da denke ich auch es wäre schön wenn wir wieder gemeinsame Unternehmungen machen würden und Besuche. Leider wird es nie wieder dazu kommen. Es ist so viel vorgefallen und mein Mann muss sich davor schützen sonst geht er daran seelisch kaputt.

Ich wünsche dir alles Gute.

LG GAbi

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Auch ich habe den Kontakt zu beiden Elternteilen abgebrochen. Aus Gründen. Meine übrige Kernfamilie hat den Kontakt ebenfalls abgebrochen.
Meine Mutter ist Anfang des Jahres verstorben. Sie hätte 5 Enkel. Von zweien wusste sie mindestens und auch das war für sie kein Grund, positiven Kontakt zu pflegen.
Halte durch, wenn du weißt, dass es besser für dich ist!