Vater gestürzt

Ich möchte mir mal wieder etwas von der Seele schreiben.

Ich habe einen kleinen Sohn, 2 Jahre alt.

Wohne fast 400km von der Heimat entfernt, bin alleinerziehend.

 

Zu Hause leben noch mein Vater und meine Schwester (Scheidung läuft, Sohn volljährig).

 

Unser Vater ist recht alt und wackelig auf den Beinen.

Er wohnt alleine in seiner Wohnung, es kommt aber 2x täglich der Pflegedienst bei ihm vorbei (letztlich v.a. um die Tabletteneinnahme zu überwachen und zu schauen, ob soweit alles gut ist oder um ihn mal zu duschen), 2x die Woche ein Physio, 1x die Woche eine Putzfrau. Zusätzlich hat er einen Hausnotruf.

Das alles haben wir nach und nach angeschafft.

Meine Schwester geht 1x die Woche für ihn einkaufen und organisiert sonstige Termine (Frisör, Arzt usw.).

 

Nun ist er wieder mal gestürzt (zuletzt vor gut 2 Jahren). Ein Nachbar hörte ihn, der Pflegedienst rief einen Krankenwagen.

 

Ich weiß gar nicht wie ich es beschreiben soll. Mir ist durchaus bewusst dass besser wissen leichter ist, als besser machen.

Aber es macht mich alles so zornig.

 

Meine Schwester schrieb es mir über Whatsapp und war schon wieder völlig am Durchdrehen.

Ich rief sie an und sie drehte weiter durch.

Es ging gar nicht darum, dass unser Vater sich vielleicht was getan haben könnte, sondern ausschließlich darum, wie schlimm das für sie ist.

Dass SIE schon wieder ihr ganzes Leben an sich vorbei ziehen sehen würde, dass Sie nicht weiß, wie das alles gehen soll (wir wissen ja noch gar nicht was), dass sie, sie, sie.

 

Mich macht das krank.

Es entzieht auch mir jegliche Energie, wenn ich das höre und an mich halte, weil ich sie auch nicht vor den Kopf stoßen möchte.

Ich kann natürlich verstehen, dass Sie dadurch Stress hat, weil sie nach ihm schauen muss usw.

Aber es geht doch um unseren Vater!

 

Und es ist ja nicht so, dass sie sich im Alltag für ihn abschuftet. Wir haben ja so gut wie alles weg organisiert und sie geht noch ein Mal die Woche zu ihm hin und hat maximal 1 Mal im Monat einen weiteren Termin mit ihm. Sie arbeitet nur knapp 20 Stunden in der Woche – und ja. Ich kann verstehen dass es sie belastet. Aber ich finde trotzdem sie übertreibt.

 

Ich könnte jetzt natürlich sofort dorthin fahren. Aber mit kleinem Kind ist man eben nur eine mäßig gute Hilfe. Da richtet sich der Alltag leider nach dem Kind. Ich kann nicht mit ihm stundenlang in der Notaufnahme sitzen. Da dreht mein Sohn ab.

Abgesehen davon, dass ich erst packen müsste und stundenlang im Auto sitzen müsste.

 

Aber aktuell lässt sie ihn in der Notaufnahme sitzen. Alleine.

Ich bin so zornig.

Sie musste erst weiter arbeiten, und hat jetzt einen Termin den sie nicht verschieben möchte (aha).

Deshalb sitzt der 83 Jahre alte Mann alleine in der Notaufnahme und streitet natürlich ab dass ihm irgendwas weh tun könnte und will nur wieder schnell nach Hause.

 

Ich verstehe es einfach nicht.

Er macht das doch auch nicht um ihr das Leben schwer zu machen. Aber irgendwie reagiert sie so.

Ich versuche aus der Ferne zu tun was ich kann. Ich lasse sie nicht mit allem alleine.

Als das zuletzt vor 2 Jahren war, haben wir beide viel telefoniert, organisiert. Auch im Alltag versuche ich abzunehmen was geht. Ich bin inzwischen der erste Ansprechpartner für Notfruf, Physio und Pflegedienst.

Trotzdem dreht sie ständig durch.

Da muss nur ein Anruf von Essen auf Rädern kommen, weil er ein paar Mal nicht gegessen hat – und sie dreht komplett durch.

 

Ich würde mir gerne meine Energie für meinen Sohn und meinen Vater aufheben.

Aber in meinem Kopf kreist auch alles nur um meinen Schwester und dass ich das nächste Telefonat nicht ertragen werde, wenn sie wieder nur über sich redet.

Ich kann gar nicht beschreiben, wie es mir die Energie entzieht.

 

Ich weiß genau was mich alles ärgert. Aber ich kann es ihr ja schlecht jetzt um die Ohren hauen. Zumal ich es gar nicht um die Ohren hauen sollte, sondern sachlich klären sollte.

Ich bin einfach ratlos, wie ich damit umgehen soll.

 

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Liebe TE,
auch wenn der Pflege deines Vaters gut organisiert ist, emotional geht es deiner Schwester an die Nieren. Sei mal in ihrer Situation. Du wohnst weit weg und bekommst es ja tagtäglich auch nicht mit. Und nicht jeder kann es gut wegstecken.
Du hättest ja Anspruch auf eine bezahlte Pflegeauszeit spricht Pflegeunterstützungsgeld
https://www.kv-media.de/pflegeunterstuetzungsgeld.php
"§ 44a SGB XI - Rechtsanspruch auf Pflegeunterstützungsgeld
Nach dem geplanten neuen § 44a Abs. 3 SGB XI haben pflegende Angehörige in einem Beschäftigungsverhältnis für kurzzeitige Arbeitsverhinderung nach § 2 des Pflegezeitgesetzes Anspruch auf einen Ausgleich für entgangenes Arbeitsentgelt (Pflegeunterstützungsgeld) für bis zu zehn Arbeitstage, wenn sie für diesen Zeitraum keine Entgeltfortzahlung von ihrem Arbeitgeber und kein Kranken- oder Verletztengeld bei Erkrankung oder Unfall eines Kindes nach beanspruche können. Auch Personen, die einen sogenannten "Minijob" - also eine Beschäftigung mit einem Entgelt von bis zu 450 EUR im Monat - ausüben, haben Anspruch auf das Pflegeunterstützungsgeld. Der Anspruch ist auf 10 Arbeitstage je Pflegebedürftigem begrenzt, d.h. mehrere Angehörige müssen sich diese 10 Tage ggf. aufteilen.
Das Pflegeunterstützungsgeld wird auf Antrag, der unverzüglich zu stellen ist, unter Vorlage der ärztlichen Bescheinigung von der Pflegekasse oder dem Versicherungsunternehmen des pflegebedürftigen nahen Angehörigen gewährt. Für die Höhe des Pflegeunterstützungsgeldes gilt § 45 Absatz 2 Satz 3 bis 5 des Fünften Buches entsprechend, d.h. die Leistung wird in Höhe der Leistung des Kinderkrankengeldes gewährt. Hierbei ist anzumerken, dass die Berechnung des Kinderkrankengeldes ab 2015 völlig neu geregelt wird.
In welchen Fällen gibt es Pflegeunterstützungsgeld?
Beschäftigte haben das Recht, bis zu zehn Arbeitstage der Arbeit fernzubleiben, wenn dies erforderlich ist, um für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in einer akut aufgetretenen Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen. Sie sind verpflichtet, dem Arbeitgeber ihre Verhinderung an der Arbeitsleistung und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dem Arbeitgeber ist auf Verlangen eine ärztliche Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen vorzulegen (§ 2 Pflegezeitgesetz).
Der Arbeitgeber ist zur Fortzahlung der Vergütung in aller Regel aufgrund fehlender tarif- oder einzelvertraglicher Regelungen nicht verpflichtet. In diese Fällen greift dann das neue Pflegeunterstützungsgeld.
Anspruchsberechtigte pflegende Angehörige
Anspruchsberechtigt sind
Arbeitnehmer,
die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten,
Heimarbeiter und ihnen Gleichgestellte
geringfügig Beschäftigte und Rentner, die eine Beschäftigung ausüben, wenn sie während der Arbeitsverhinderung einen Verlust an Arbeitsentgelt haben"

Vielleicht könntest du zu deiner Schwester und deinem Vater fahren. Kannst du dein Kind notfalls irgendwo unterbringen? Ansonsten nimmst du ihn mit. Deine Schwester könnte sich um Kind auch kümmern. Und ärgern brauchst du dich auch nicht über deine Schwester. Ihr solltet miteinander reden.

Ein Tipp würde ich deiner Schwester auch noch auf den Weg geben und zwar eine Reha für pflegende Angehörige beantragen. Es gibt in Deutschland Einrichtungen, da kann sie euren Vater mitnehmen. Der kommt dann in Kurzzeitpflege. Da würde ich bei der zuständigen Krankenkasse oder ggf. beim Rententräger nachfragen, welche Einrichtungen in Frage kommen.

Ich kann deine Schwester verstehen. Auch wenn sie nicht direkt pflegt, ist sie voller Sorge.
Wenn ich daran denke als meine Mutter (ist inzwischen verstorben) im Pflegeheim war, hatte sie einen stark schwankenden Gesundheitszustand. Das hatte mich ehrlich gesagt teilweise richtig fertig gemacht. Manchmal kamen Anrufe von meinem Geschwistern ihr Zustand ist sehr bedenklich. Und das riss mich buchstäblich runter, was ich mir eigentlich überhaupt nicht leisten konnte. Ich selber habe zu Hause einen durch Autismus mehrfachbehinderten Sohn (Pflegegrad 4) um den ich rund um die Uhr kümmern muss.

Setzt euch zusammen und sprecht miteinander. Alles Gute für Euch

LG Hinzwife

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Nachtrag: Es gab manchmal Zeiten, wo meine Mutter im Pflegeheim mehr oder weniger nicht richtig ansprechbar war. Ich bekam ja alles regelmäßig mit, da ich 1x die Woche sie besuchte.

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Ich finde, du bist in keinster Weise berechtigt dich zu ärgern. Du lebst 400km entfernt und schiebst damit die Verantwortung an deine Schwester ab. Na klar regelst du auch Dinge, aber wenn akut was ansteht, ist es doch wieder sie, die sich kümmern darf.

Wenn du willst, dass jemand bei deinem Vater ist, setz dich ins Auto und fahr los.

Auch wenn es tatsächlich nach wenig aussieht, ist es mental doch eine ganz schöne Belastung für einen Angehörigen zu sorgen. Das kann auch nicht jeder und da kann auch nicht jeder mit umgehen bzw geht da anders mit um. Deiner Schwester wird es auch nicht leicht fallen, deinen Vater so zu sehen. Das ist hart und damit geht ein jeder anders um. Der eine flieht und der amdere stürzt sich rein... Keinem steht darüber ein Urteil zu.

Kann es sein, dass dein Ärger vielleicht auch irgendwie ein Platzhalter für deine Sorge um deinen Vater ist?

Und ja ich kann das beurteilen, mein Vater ist selber schwerst pflegebedürftig.

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"Kann es sein, dass dein Ärger vielleicht auch irgendwie ein Platzhalter für deine Sorge um deinen Vater ist? "

Danke.
Das war auch mein Gedanke! Nur wie ich es ausdrücken konnte, fiel mir nicht ein.

Wut auf sich selbst (schlechtes Gewissen)
Wut auf sie, weil es darüberhinwegtäuscht, dass man selbst nicht mit der Situation klar kommen will, nicht zu lassen will

Platzhalter für die Sorge, die Ängste ....

kenne ich von meinen Geschwistern und meinen Eltern (die ja selbst betroffen waren) nur zu gut.

Wut gibt Energie (sofern man sie gut lenkt)
Angst lähmt, macht ohnmächtig, hilflos (besonders bei größerer Distanz)


Wie sagte ein enges Familienmitglied wenigstens ehrlich:

ich will, dass du es machst
ich bin wütend auf dich, weil du es nicht schaffst, es so zu machen, wie ich es gerne möchte
weil du es gar nicht schaffen kannst
damit ich mein schlechtes Gewissen nicht spüre
weil ich Angst habe, was passiert


Wir leben in einer Welt in der es ums Handeln geht, um Zeit nutzen, um tun. Zeit ist Geld, alles muss effektiv genutzt werden.
Medizin in er man so viel tun kann....

aber manchmal eben auch nicht.

Da ist es einfacher mit Wut umzugehen
als mit anderen Gefühlen
weil man im Grunde doch nichts tun kann. Außen rum schon, die äußeren Umstände ändern. Aber eben nicht gesund machen.

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Bis sie da ist, wird er schon ersorgt sein.

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Aus 400 km Entfernung bist Du nun mal keine Hilfe, wahrscheinlich ist es zu viel Verantwortung für Deine Schwester. Besorgt doch einen Heimplatz, oft ist so ein Sturz ein Zeichen dass das alleine Leben nicht mehr klappt.

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Du kannst genauso gut deinen Sohn zu Freunden oder dem Papa geben und mal für ne gewisse Zeit für deinen Vater da sein. Dann kannst du mitreden und nicht genervt sein. Zu deinem vater: das ihm nichts wehtut sagen erst einmal alle älteren Leute da die Angst vor dem Krankenhaus nunmal da ist. Due Ärzte und pfleger kennen das und werden mit deinem Vater gut umgehen. Da braucht niemand dabei sein. Wenn es dich doch stört dann würde ich hinfahren. Normal ist auch eine kurzzeitpflege in einem Heim möglich, wenn es schon öfters gestürzt ist. Und keine Sorge die gehen als erstes an das Renten Geld und Pflege Geld von deinem Vater

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Da musst du aber Glück haben und ein Heim finden, was gerade jetzt eine freie Kapazität hat.

Wenn er keine Verletzung hat, dann wird er wieder nach Hause entlassen!

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Mein Sohn wäre schon längst irgendwo untergebracht und ich auf dem Weg zu meinem Vater. Du schiebst grade das Kind vor, deine Schwester alles andere und euer Papa leidet darunter. Und wo ist der volljährige Enkel??? Bei uns käme sogar meine Tante aus Griechenland, wenn es einen Unfall bei meinen Großeltern gäbe. Da liegt einiges im Argen bei euch. Hast du die Möglichkeit zurück in deine Heimat zu ziehen und ihr zwei Töchter regelt alles zusammen. Pflegen ist verdammt anstrengend. Meine Schwiegermutter ist darüber krank geworden.

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Ao einfach ist das nicht, einen 2 jährigen mal eben unterszubringen für mehrere Stunden, evtl auch über Nacht.

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warum sollte das nicht einfach sein. zumindest wird es wohl einen vater geben

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Jeder verkraftet es anders.
Und wenn sie gerade nebenbei noch in einer Scheidung steckt, ist das emotional auch nicht ohne.

Als bei uns beide Eltern Pflegefälle waren, haben wir Geschwister uns aufgeteilt.
Jeder hat Aufgaben übernommen.
Ich konnte manche Aufgaben gar nicht machen, das haben meine Geschwister übernommen.
Manche Aufgaben konnten meine Geschwister gar nicht machen, das war dann mein Part.

Jeder hatte somit etwas zu tun und jeder hatten seinen Bereich der absolut nicht ging, emotional nicht.


Sprüche von außen, Menschen die zwar meinten, sie würden tun, aber nie vorbei gekommen sind, hätte ich an die Wand klatschen können in der Zeit.
Ausgenommen jene, die KEINE Ratschläge gaben, sich KEIN Urteil erlaubt hatten und gerne gekommen wären, gesundheitlich aber nicht konnten.

Notaufnahme mit Kind ist sch*** . Im Zweifel gibt es aber Lösungen.
Notaufnahme der Eltern war Kind noch im Bauch.
Mit verletztem Kind musste Kind dabei sein. Anderes Familienmitglied in der Notaufnahme: Kind war so lange bei Freunden und ich vor Ort dabei.


Termine durften Geschwister alle haben! Wir haben uns abgesprochen.
Jeder hatte eine Art Urlaubszeit. Raus aus der emotionalen Belastung. Dann wurden die Aufgaben von den anderen mitgetragen.

Wer warum welchen Termin hatte, ging die anderen NICHTS an.
Manches ließ sich verschieben, das ging dann nach Priorität. Manches ließ sich nicht verschieben. Da wurde nicht geurteilt, nicht diskutiert, sondern anders organisiert.

Das war notwendig um durchzuhalten.
Alleine hätte es keiner geschafft.


Wir haben viel drum herum organisiert und darauf geachtet, dass es für die Eltern respektvoll war.
Dennoch haben wir auch auf die eigenen Belastungen geachtet.

Manche konnten den Zerfall mit ansehen, andere brachen beim Anblick dabei fast zusammen. Entsprechend wurden die Aufgaben anders verteilt.

Und selbst wenn vieles organisiert ist, ist es noch eine große Aufgabe.

Mit Scheidung nebenher eine Doppelbelastung.
Die Anzahl der Arbeitsstunden ist dabei egal.


Wenn sie schon immer so war, dass sich alles um sie dreht, würde ich mich nicht aufregen, sondern um Lösungne suchen.
Wenn sie so noch nicht war, würde ich zusehen, dass sie nicht auch noch zusammen brich. Dann hast du zwei Familienmitglieder aus der Ferne.



Wenn die Betreuung während der Notaufnahme nicht ausreicht, dann organisier Nachbarn, andere Menschen.
Wer ist erreichbar über den Notfallknopf? Wer fährt hin? Ist die Person zuverlässig?

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Hallo,

auch wenn ihr pflegetechnisch viel ausgelagert habt, ist deine Schwester vor Ort und hat somit die Verantwortung. Das kann einem schnell über den Kopf wachsen. Du kümmerst dich, bist Anlaufstelle für Physio etc., aber trotzdem hast du eine gewisse Distanz. Ist irgendwas mit deinem Vater, ist es deine Schwester, die erst mal die Verantwortung hat, als erstes reagieren und vor Ort sein muss. Das kann man nicht damit vergleichen, dass du dich telefonisch um diverse Sachen kümmerst. Nehmen wir das Beispiel Essen auf Rädern. Deine Schwester bekommt den Anruf, dass dein Vater die letzten Tage kaum gegessen hat. Meinst du, deine Schwester nimmt das nur zur Kenntnis? Sie wird sich als erstes einen Kopf machen, was schon wieder los ist, nach dem Rechten sehen etc. Das geht auf Dauer an die Substanz. Da kommen ganz viele Kleinigkeiten zusammen. Dein Vater sitzt allein in der Notaufnahme, weil sie arbeiten muss. Es ist nicht schön, einen alten Mann allein in der Notaufnahme sitzen zu lassen. Aber so wie es sich anhört ist er nicht dramatisch verletzt, nicht dement und es liest sich nicht so, als wäre dein Vater ohne Begleitung hoffnungslos verloren. Der Job deiner Schwester ist wichtig. Und wenn sie irgendwann die Kündigung bekommt, weil sie ständig weg muss, ist ihr nicht geholfen. Und genau diese Situation wird psychisch ebenfalls an ihr nagen. Dein Vater wird nicht fitter. Er wird immer mehr Hilfe brauchen. Dann reicht 2x Woche Pflegedienst nicht mehr. Deine Schwester wird das auf dem Schirm haben. Sie sieht es regelmäßig. Deshalb wird deine Schwester sich fragen, wie es dann weitergeht. Diese Gedanken gehen an die Substanz und deine Schwester sieht sich nun mal in der Verantwortung. Du kannst das nicht mit dir vergleichen. Bei 400 km Abstand sieht man das alles völlig anders als vor Ort. Wenn was ist, kannst du sagen: "Ich bin weit weg und kann gerade eh nix machen." Deine Schwester muss. Auch wenn man einen zu pflegenden Menschen über alles liebt, ist es kein Pappenstiel. Versuche dich in die Lage deiner Schwester zu versetzen und stell dir vor, wie es wäre, wenn du vor Ort und deine Schwester weit weg wäre. Deine Schwester klagt dir ihr Leid, sie will eine Zuhörerin und sich den Frust von der Seele reden. Deshalb redet sie nur von sich. Höre ihr zu, sei dankbar, dass deine Schwester vor Ort ist und zeige ihr das auch. Denn wäre sie es nicht, müsstest du Wohl oder Übel wieder nach Hause oder dein Vater ins Heim.

LG
Lotta

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Ich fürchte, Du hast keine Ahnung wie anstregend es ist, ein Elternteil bis zum Ende zu begleiten, wenn man vor Ort ist.
Ich habe den direkten Vergleich. Bei meinem Opa war ich direkt vor Ort, das ist etwas ganz anderes, als wie jetzt bei Oma 500km entfernt schlaue Ratschläge zu geben und ein paar Hardfacts und Gesetzesnormen zu googlen.
Ich bin mit Oma und Opa aufgewachsen, sie sind mir also ähnlich nah wie meine Eltern und wenn Kinder ihre Eltern pflegen müssen, dann macht das was mit ihnen... meistens übrigens nix Gutes.

Sei dankbar, dass Deine Schwester noch da ist und wenn es Dir nicht passt wie es läuft, mach es selbst.

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“Aus der Ferne” kann man einen bedürftigen Menschen nicht pflegen. Bisschen was organisieren, ja, aber das ist nicht vergleichbar mit der Situation deiner Schwester, die direkt dort wohnt und allein schon durch die mangelnde Entfernung (psychisch sowie physisch) viel mehr Stress hat.

Kann sein, dass sie zur Hysterie neigt und sich tausend Sorgen macht, obwohl sie nicht jeden Tag bei eurem Vater verbringt. Klar ist das nervig, aber sie ist nun mal so und du kannst froh sein, dass sie vor Ort ist! Den psychischen Druck, einen geliebten Menschen schwach und bedürftig zu erleben, hält nicht jeder gleich gut aus.

Ich spreche aus Erfahrung. Wir haben hier eine ähnliche Situation mit dem Unterschied, dass nun alle in derselben Gegend leben. Meine Schwester ist wie deine und es geht mir auch oft gewaltig auf den Zeiger, aber man darf nicht immer von sich selbst ausgehen.
Sie kommt mit der Situation nicht gut klar und „dreht durch“, auch wenn sie gar nicht allzu viel hilft. Oder sagen wir, es könnte durchaus mehr sein. Trotzdem war sie jahrelang die einzige, die hier in der Nähe der Eltern gelebt hat und ich war weit weg. Mit viel Abstand, das ist ein enormer Unterschied, glaube mir.