Das perfekte Kind - oder: Wie perfekt ist unperfekt?

Hallo zusammen,

mir geht seit ein paar Tagen eine Frage durch den Kopf, die ich Euch gern stellen würde. Vorab: Ich weiß, dass jedes Kind auf seine Art für uns Eltern genau so gut und perfekt ist, wie es ist. Aber der Grund für meine Frage ergab sich aus einer Situation mit zwei anderen Müttern:

Unser Sohn (5) fährt Fahrrad, seit er drei ist. Freundin A (gleich alt) fährt gar nicht, will es aber auch nicht lernen. Freund B lernt es gerade, ist aber natürlich nicht nicht so schnell und war deswegen enttäuscht. Die Mutter sagte so sinngemäß zu ihm, er sei doch "trotzdem" perfekt, so wie er ist. Darauf meinte dann Mutter von A zu ihrer Tochter, sie sei perfekt, man müsse ja nicht Fahrradfahren. In dem Alter hat sie damit vielleicht sogar recht, manche bekommen es mit 5 halt einfach noch nicht hin. Ist ja nicht schlimm.

Ich hatte mich aber über den Ausdruck "perfekt" gewundert und das angesprochen. Da meinten beide ganz überzeugt, natürlich müsse man dem Kind vermitteln, es sei perfekt. Sie würden es ihren auch immer sagen. Damit sie nicht an sich selbst zweifeln.

Ich hingegen habe das bis jetzt immer eher gegenteilig gehalten. Habe ihm zwar natürlich immer gesagt, dass ich ihn lieb habe, er ein toller Junge ist, etwas ganz prima gemacht hat usw. Aber dabei eben ganz bewusst das Wort "perfekt" vermieden, weil ich ihm vermitteln möchte, dass eben NIEMAND perfekt ist, dass man immer noch dazulernen kann, niemand alles kann und weiß und des deswegen auch überhaupt nicht schlimm ist, wenn er manche Dinge eben noch lernt. Und dass auch Erwachsene NIE perfekt sind. (zB als seine beste Freundin schneller rennen konnte, hab ich ihm gesagt, dass er das üben könnte, wenn er möchte - aber es gibt eben Sachen, die ein anderer besser kann, dafür kann er eben besser lesen oder so)

Wie seht ihr das? Sagt Ihr Euren Kindern, dass sie "perfekt" sind - oder vermittelt ihr ihnen, dass es eben genau gut und richtig ist, dass NIEMAND perfekt ist?

Ich weiß nicht, für mich hat dieses "perfekt" / Perfektionismus etwas von Zwang, vom Streben nach etwas, das man eigentlich nie erreicht...

Auf Eure Meinung bin ich gespannt!

Viele Grüße #blume

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Nein ich sage meinen Kindern nicht dass sie perfekt sind. Ich sage ihnen genauso wie Du dass ich sie lieb habe, dass jeder anders ist und andere Dinge besser kann oder eben auch nicht so gut, dass das dazu gehört und dass man nicht immer und in allem bester, erster, tollster, schnellster sein kann.

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Mein Kind ist noch sehr klein, sodass ich noch nicht die Situation hatte, wie ich ihm so etwas vermittel.
Allerdings sehe ich es genauso wie du und will es auch genauso vermitteln.

Ich habe eine Freundin, der eben immer gesagt wurde sie sei perfekt und toll und talentiert und und und. Sie ist jetzt in manchen Dingen sehr unsicher und etwas verloren und nimmt sich auf der anderen Seite in anderen Dingen sehr ernst und meint manchmal alles besser zu wissen und muss immer im Mittelpunkt stehen.
Ich glaube, dass das durchaus damit zusammen hängt, dass sie eben von ihren Eltern nie wirklich konstruktive Kritik erhalten hat, sondern dass ihr immer gesagt wurde, dass alles was sie macht ganz toll ist.
Ich glaube nicht, dass das der richtige Weg ist. Man sollte seinen Kindern schon ein realistisches Bild vermitteln und dass eben jeder Mensch genau so richtig ist, wie er ist, aber eben mit all den Facetten, Stärken und Schwächen, die man hat.

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Hallo!
Ich bin da genau deiner Meinung.
Finde es nicht gut, wenn ein Kind ständig bewertet wird - und genau dass wird es mit diesen und ähnlichen Ausdrücken.
Es wird ein Maßstab gesetzt und jedes Kind wird bald merken, dass man einfach nicht immer perfekt sein kann, und dass macht unterbewusst unheimlich Streß (glaub ich).
Was ist nämlich dann, wenn ich einmal nicht perfekt bin - werde ich dann nicht mehr geliebt?
lg minitouch

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Neben dem würde ich auch vermitteln, dass es mit Ausnahmen meistens nicht am Talent liegt, sondern daran, ob man es immer wieder probiert. Wenn man es so darstellt, dass Kind A Talent hat und deswegen schon Fahrrad fahren kann, ist es demotivierend für alle anderen, weil sie scheinbar kein Talent haben und dagegen nichts unternehmen können. Tatsächlich müssten die anderen einfach weiterhin probieren und würden es dann auch schaffen.

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Das, was du annimmst nennt sich "dysfunktionaler Perfektionismus" und setzt die Menschen wirklich unter enormen Stress: es muss 100%ig sein oder gar nicht.

Diese Menschen stehen sich dermaßen selbst im Weg, dass sie oft an den einfachsten Aufgaben scheitern, was wiederum zu Frustration, einem schlechten Selbstbild, Selbsthass und Verweigerung führt.

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Ich finde es ok einem Kind zu vermitteln „Für Mama und Papa bist du perfekt. Mit all deinen Stärken und Schwächen.“ es kann aber genauso lernen, dass das nicht immer alle anderen auch so sehen werden wie Mama und Papa und dass das auch ok ist.

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Ich habe letztens noch einen Artikel über solche Sprüche gelesen und was sie mit den Kindern machen. Ist werden solche Kinder später Probleme bekommen, wenn sie merken, dass sie eben nicht perfekt sind. Keiner kann perfekt sein. Die Kinder haben auch gar keinen Ansporn und entwickeln sich ist zu kleinen Diven.
Also nein, ich werde meinem Kind nicht sagen, dass es perfekt ist. Schon gar nicht, wenn es etwas nicht kann. Der Sinn erschließt sich mir auch nicht. Ich lobe ihn, wenn er etwas gut gemacht hat und ermutige ihn, Dinge noch Mal zu versuchen die nicht geklappt haben. Aber ihn für etwas in den Himmel heben, das er NICHT kann?! Auf die Idee wäre ich ehrlich gesagt nie gekommen.

Was mir aus dem Artikel noch ganz präsent ist: wenn Kinder rufen weil sie zeigen wollen wie sie etwas machen, soll man nur sagen "ich sehe dich" und nicht gleich dieses überschwängliche "super, das machst du toll". Das Kind erwartet keine Wertung.

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Haha...wir haben wohl den selben Artikel gelesen! ;-)

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Könnt ihr den Artikel mal bitte verlinken. Interessiert mich sehr.

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Hallo,

erst kürzlich las ich einen Artikel darüber, was man Kindern auf keinen Fall sagen solle, auch, wenn es von den Eltern nur gut gemeint wäre...

Und tatsächlich stand da, dass man einem Kind nicht sagen solle, es sei "perfekt".

Der Grund sei, dass das Kind (aufgrund solcher Aussagen der Eltern) überhöhte Ansprüche an sich selbst stellen könne, die es dann aber nicht erfüllen kann. Das erzeuge unter Umständen enormen Druck und das Kind könne sich somit als "Versager" fühlen.
Man solle wohl eher auf Formulierungen wie:
"Ich hab dich lieb, egal was passiert!", ausweichen.
(Leider weiß ich die Quelle nicht mehr. )

Meine Tochter ist noch klein, aber ich werde auf Wörter wie "perfekt" in diesem Zusammenhang wohl eher verzichten.
Und mal ehrlich...was ist schon "perfekt"??
Ich stelle mir ein "perfektes Kind" sehr langweilig vor...;-)

Liebe Grüße

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Hallo,
ich sehe das eigentlich wie du: Nobody is perfect - und es reicht,wenn ich meinem Kind sage, dass ich es lieb habe. Vielleicht ist das sogar besser...

... aber ehrlich gesagt halte ich die Formulierung auch für Haarspalterei. Die Kinder sind ja nicht blöd. Irgendwann merken sie, dass Mama und Papa nicht alles können, auch wenn man es ihnen nicht sagt (gestern erst im Tagebuch gelesen: mit knapp 2 Jahren wollte meine Tochter, dass ich Wolken an den Himmel klebe - inzwischen weiß sie, dass das nicht geht).

Auch wenn Mama immer sagt "du bist perfekt" weiß das Kind doch irgendwann, dass sie meint "du bist FÜR MICH perfekt".

Und wer weiß - vielleicht kommt die Erkenntnis, dass es zwar nicht perfekt, aber für die Eltern perfekt ist, dann genau zu dem Zeitpunkt, an dem es mit seiner eigenen Unperfektheit am besten umgehen kann?

LG!

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Hallo
Für mich klingt das jetzt erst einmal etwas nach Kindergarten und hochschaukeln untereinander #sorry Hast du denn jemals vorher gehört, wie diese Mütter ihrem Kind wortwörtlich sagten, „Du bist perfekt?“? Es ist ja auch etwas Wortklauberei. Das „Vermittlern dass das Kind perfekt ist“(? Für die Eltern) muss ja nicht heißen, dass das gebetsmühlenartig wortwörtlich so erzählt wird.
Jetzt fährt dein Kind schon länger Fahrrad, das hast du vielleicht auch nochmal erwähnt, eins der anderen hat kein Interesse daran und das andere fährt noch nicht so lange. Da fühlte sich Mutti vielleicht irgendwie so, als ob sie sich rechtfertigen müsste und formuliert dann so einen Satz. Die andere Mutter macht natürlich mit und nutzt den gleichen Wortlaut.
Ich sehe hier, durch die Infos die du gegeben hast, nicht die Problematik „Formulierungen“, sondern die Problematik „Eltern unter sich“.

Liebe Grüße

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Ich hab das so eigentlich noch nicht mitbekommen, aber nein ich versuche immer genau das Gegenteil zu vermitteln. Gerade wenn einer nen Überflieger ist und das raushängen lassen will, egal ob meiner oder ein anderer, sag ich klipp und klar "ja, DU kannst DAS gut, aber X kann dafür ..."
ich sehe das "perfekt" auch eher problematisch.