Mutter mit Demenz, Kontakt auf Abstand

Meine Mutter lebt im Altenheim, sie ist dement, und ich wohne im Ausland. Dadurch sind die Kontaktmöglichkeiten sehr eingeschränkt. Telefonieren geht nicht mehr, meist legt sie dann den Hörer sehr schnell wieder weg (nicht auf, aber weg). Nun hilft der soziale Dienst im Altenheim mir da Videogespräche zustande zu kriegen, zumindest alle zwei Wochen ungefähr.

Meine Mutter war immer ziemlich schwierig und der Kontakt mit ihr nicht gerade herzlich. Seit sie dement ist, ist es allerdings in der Hinsicht einfacher, sie sagt nicht mehr zu allem nein. Und sie tut mir leid, weil sie sehr allein ist, auch wenn wir unsere Differenzen hatten. Ich habe noch eine Schwester, die in der gleichen Stadt wohnt. Aber sie hat es wie unsere Mutter gehalten - alle sozialen Kontakte vermieden und die Leute vergrault. Sie redet zwar mit mir, manchmal redet sie sogar sehr viel - sie hat ja auch kaum andere Kontakte - aber man erfährt auch nicht immer das Wesentliche. Auf jeden Fall ist sie keine Hilfe um irgendwie den Kontakt zu erleichtern. Sie hat sowieso kein Handy (oder i-pad oder lap-top) für z.B. Videogespräche. Ab und zu melden sich Leute bei mir, eine Nachbarin oder auch aus dem Heim, weil meine Schwester weder Briefe beantwortet noch ans Telefon geht.

Das nur zum Hintergrund. Vielleicht hat jemand irgendwelche Tips wie man mit Menschen mit Demenz den Kontakt etwas aufrecht erhalten kann? Ich finde es auch schwer zu wissen, worüber ich mit meiner Mutter sprechen soll. Sie sagt ja selbst normalerweise nichts relevantes, aber es würde ja schon reichen, wenn sie wenigstens versteht und sich vielleicht freut. Oder wenn man auf irgendetwas eingehen kann, was sie dort macht. Ich versuche schon von meiner Schwester irgendwelche Information darüber zu bekommen, aber sie hat da irgendwie nicht die Phantasie oder das Einfühlungsvermögen, um mir da etwas brauchbares sagen zu können.

Die Sozialarbeiterin hilft da natürlich auch, sie erzählt dann etwas und versucht, meine Mutter da mit zu engagieren, aber ein bisschen stockend ist es doch. Ich hab ihr einmal Fotos geschickt, von mir und den Kindern und von mir beim Renovieren und so. Dann kann man sagen: "Guck mal, das ist unsere Garage, die wir gerade renovieren....." Das ist dann konkreter. Ich mache es jetzt auch so, dass ich ihr irgendwas in unserem Haus zeige (sie war noch nie da). Nur eine Sache, sonst wäre es auch zu viel.

Ich wäre dankbar über mehr Ideen, wie man so ein Gespräch mit einer dementen Person weiter gestalten könnte. Sie spricht viel von dem Dorf, wo sie vor 50 Jahren wohnte. Ich hab schon überlegt, ob ich einige Bilder davon schicken könnte. Aber meine Schwester sagt sie will dort hin und dort wohnen, und mein Mann meinte, das sei dann vielleicht keine gute Idee, und dass sie dann noch mehr insistiert, dass sie da hin will.

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Hallo,
Ich bin bei weitem kein Experte für Demenz. Über meine Oma kann ich aber sagen, das gerade das schwelgen in Erinnerungen ihr sehr gut getan hat.
Du schreibst ja das Dorf in dem sie gewohnt hat interessiert sie. Sicherlich weil sie auch an die Menschen von damals denkt, an viele Erinnerungen. Frag sie doch mal nach Erlebnissen von früher. Erinnert sie sich daran?
Meine Oma konnte Stunden Geschichten von früher erzählen. Ich hab sie x mal gehört, aber war mir egal. Sie ist dabei voll aufgeblüht. Ich hab manchmal nur z.b. Nach Onkel Herbert gefragt und schon hat sie erzählt, dass der einen Bauernhof hatte. Dann konnte ich weiter fragen: war der Hof groß oder klein. Kinder? Was haben die Kinder gemacht etc.

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Ja, das werde ich auch versuchen. Vielleicht hätte ich da zu dem Dorf nachfragen können. Ich hab nicht so dran gedacht, weil sie hauptsächlich davon sprach, dass sie dahin will. Aber das werde ich nächstes Mal versuchen.

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Meine Oma hat auch Demenz und ich habe mal mit der Therapie über diese Erinnerungen von früher gesprochen. Meine Oma hat nämlich ein Foto von ihren Eltern dort stehen und denkt immer, dass die noch leben. Ich habe gefragt, ob es besser ist, wenn ich das Foto verstecke. Die klare Aussage war, dass es nichts bringt, weil Demenz Patienten sich an alles erinnern, was vor dem 24. Lebensjahr war.
An die TE: Es ist also OK, wenn man über alte Zeiten spricht:)

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Ich bin Ergotherapeutin und arbeite auch mit dementiell erkrankten Patienten... Was wirklich gut ist, ist das was du schon als Idee hattest. Biographiearbeit. Bilder aus der Vergangenheit, Themen aus der Vergangenheit... Das hier und jetzt ist für die Betroffenen nicht greifbar. Zwar gibt es mal lichte Momente, aber die werden weniger. Rede mit ihr über das was siengerade thematisiert. Tauche ein in ihre Welt... Rede über schöne Zeiten aus ihrer Vergangenheit. Mehr kannst du tatsächlich nicht tun.

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Ja, ich werde das versuchen. Die Voraussetzung ist ja, dass sie anfängt über irgendwas zu reden. Denn wenn man da nicht relativ schnell etwas passendes findet, dann wird sie wieder rastlos und will herumlaufen.

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Genau, deine Aussage deckt sich mit der Aussage der Ergotherapeutin meiner Oma :)

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Es ist schwer, über die Distanz mit einem an Demenz erkrankten Menschen in Kontakt zu bleiben. Es ist schön, wenn du ihr von deinem Leben erzählst, ihr Fotos usw teigst, nur hat sie davon (je nach Fortschritt der Demenz) nicht mehr so viel. Sie lebt in ihrer eigenen Wirklichkeit und es wäre für sie leichter, wenn du dich in ihre Wirklichkeit begibst.. wenn sie sich viel mit der Vergangenheit beschäftigt, dann könntest du ihr Fotos von früher schicken. Unter Umständen erkennt sie dich auf aktuellen Bildern gar nicht. Aber ein Bild aus deiner Kindheit wird sie erkennen.
Menschen mit Demenz kann man am besten auf der Gefühlsebene erreichen. Wenn sie die Erinnerung an das Dorf von früher nicht traurig macht sondern bei ihr positive Gefühle wecken würde ich dort anknüpfen und mit ihr darüber sprechen... und hinter dem Wunsch, dort wieder zu wohnen, stecken auch Gefühle. Die kannst du, wenn sie diesen Wunsch äußert einfach mal verbalisieren (Stichwort integrative validation). Du musst gar nicht viel Inhalt rüber bringen und gar nichts großartig schlaues sagen, es reicht, wenn du sagst „das war schön damals“ „du vermisst die gute alte Zeit“ usw. gerade mit so Sprichwörtern und Redewendungen kann man an Demenz erkrankte Menschen gut erreichen. Im Grunde ist es für deine Mutter nur wichtig, dass sie sich wertgeschätzt und verstanden fühlt.
Falls du noch fragen hast meld dich gerne, ich habe mehrere Jahre als Ergotherapeutin im Altenheim gearbeitet ☺️

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Ja, danke. Ich habe neulich auch eine Sendung über Demenz gesehen, wo das gut erklärt wurde, dass man sich gar nicht darum kümmern soll, ob es der Realität entspricht, was die Leute so erzählen, sondern man soll nur einfach auf die Gefühle eingehen. Das hab ich mir schon vorgenommen, so vorzugehen.

Allerdings weiss ich ja so gar nicht, was sie dann im Moment bewegt. Irgendein Thema brauche ich dann schon, damit ich da einsteigen kann. Heute hätte ich das machen sollen, als sie von dem Dorf anfing. Ich hatte nur Sorge, dass sie dann wirklich dort hin ziehen will. Aber so weit soll man vielleicht gar nicht denken? Ich hab ja auch überlegt, ob es eine gute Idee wäre, ihr Fotos vom Dorf zu schicken, d.h. von Gebäuden, die sie wiedererkennen würde? Kirche z.B.

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Hallo,
du kannst zum Einstieg zum Beispiel auch nach einem bestimmten Rezept fragen "du hast doch früher immer so eine leckere Kartoffelsuppe gemacht, wie geht das nochmal", an solche Dinge wird sich gerne erinnert.

LG

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Ja, ich werde mal nachdenken, ob ich so einen Punkt finde. Kochen war nicht so ihr Lieblingsgebiet, aber vielleicht fällt mir etwas ähnliches ein. Alles medizinische - sie war Krankenschwester - funktionierte normalerweise, aber ich hatte ein bisschen das Gefühl, dass sie da auch viel vergessen hat.

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Mein Papa hatte auch Demenz.
Wenn ich ihn besucht habe, habe ich ihm immer Bilder von uns und seinen Enkeln gezeigt, aber auch von uns als Kernfamilie, als wir noch klein waren und ihm irgendwas erzählt.
Was ihn bis zuletzt berührt hat, war, ihm Lieder von früher, also welche die er von früher kannte, vorzusingen. Damit hatte ich das Gefühl ihn bis zuletzt zu erreichen.

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Bei Besuchen geht das auch besser, aber ich kann nicht öfter als einmal im Jahr hinfahren. Ich bin doch immerhin 1500 km weg. Und darf jetzt in Coronazeiten wahrscheinlich nicht mal einreisen? Naja, das ändert sich dauernd.

Aber gerade auf Distanz ist das schwer. Es ist schon leichter, wenn man zumindest ein Videogespräch hat. Nur Telefon wäre noch schwerer. Aber es ist nicht wie ein persönliches Gespräch. Und dass wir eigentlich nie eine enge Beziehung hatten - d.h. meine Mutter war immer sehr der distanzierte Typ - macht es auch nicht leichter.

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Bekommt deine Mutter Ergotherapie? Es gibt ganz tolle Konzepte zur Erinnerungsarbeit und die Kollegen freuen sich immer, wenn Angehörige Fotos, Anekdoten und Werdegänge liefern können.

So wäre deine Mutter nach deinen Anrufen nicht "alleine" mit den Eindrücken und man könnte ihr bei der Zuordnung helfen.

Ergotherapie ist allgemein sehr wertvoll für demenziell veränderte Menschen.

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Ich hab keine Ahnung, ob sie Ergotherapie bekommt. Ich erfahre ja auch wenig. Natürlich könnte ich versuchen, mal am Telefon mit einer der Altenpflegerinnen zu sprechen, aber sie sind schwer zu erreichen, und vielleicht ist auch mal jemand dabei, der nicht fest da arbeitet und sich nicht auskennt. Ich hab das mal gemacht und hab da gar keine gute Auskunft bekommen. Und dann finde ich es auch etwas schwierig, weil die sich wohl wundern würden, warum meine Schwester mir so etwas nicht sagen kann.

Ich telefoniere zwar mit meiner Schwester, aber die ist auch ein bisschen einsilbig. Und weiss auch oft nicht so gut Bescheid. Aber ich werde versuchen, dass nächste Mal dran zu denken, sie zu fragen , ob unsere Mutter Ergotherapie hat.

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Was das Kontakt halten betrifft :
Wäre es eine Möglichkeit, dass ihr eure Mutter in eine Einrichtung in eurer Stadt gibt ?
Dann könntest du regelmäßig zu besuchen kommen, Grad wenn sich bei ihr keiner richtig um sie kümmert .

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Äh, nein, ich wohne ja im Ausland, d.h. in Schweden. Ich kann meine Mutter nicht einfach in ein anderes Land verfrachten, wo sie die Sprache nicht versteht.

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Auf Dauer und vor allem mit fortschreitender Demenz kann man keinen Kontakt halten, man muss vor Ort sein. Irgendwann ist es wie mit sehr kleinen Kindern, die Patienten leben nur im Augenblick, im Hier und Jetzt. Alles davor und danach hat logisch betrachtet keine Bedeutung mehr.

Bilder/Fotos und Musik sind gute Erinnerungen. Bald wird Deine Mutter wahrscheinlich gar nicht mehr telefonieren/skypen wollen und können, sie kann es dann nicht mehr einordnen.

Meine Mutter ist fortgeschritten dement und hat mir vor Jahren das letzte Mal eine Sms geschickt bzw mit jemandem telefoniert, sie kann damit gar nichts mehr anfangen.

Ein dementer Mensch braucht Bezugspersonen um sich herum vor Ort.

Wir sind vor einigen Jahren aus dem Ausland zurückgezogen, um bei meiner Mutter sein zu können. Ich bin heilfroh, dass ich so bis jetzt noch wirklich hilfreich sein kann und sie etwas von mir hat, jetzt mehr als je zuvor.
Wir hatten aber ein weit besseres Verhältnis, als Du Deins mit Deiner Mutter beschreibst. Ich hätte nicht guten Gewissens im Ausland bleiben können und sie nur selten sehen. Sie lebt aber nicht im Heim, sondern mit meinem Vater zusammen.

Aber mal Hand aufs Herz: Schweden ist „um die Ecke“. Wenn Du wirklich wolltest, könntest Du wesentlich öfter als einmal im Jahr kommen. Gut ist zumindest, dass Deine Mutter im Heim ist und dort professionelle Hilfe bekommt. Den Kontakt zu den Allernächsten ersetzt das aber nie.

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Ja, wie gesagt, wir hatten nie ein besonders gutes Verhältnis. Ich bin eigentlich zumindest zum Teil gerade deshalb ins Ausland gezogen, um Abstand von ihr zu haben. Sie hat sich zwar in absolut alles eingemischt und vieles sabotiert (wenn auch nicht aus böser Absicht), aber sie hat mich, als ich noch ganz in der Nähe von ihr wohnte, auch nur einmal besucht. Und als ich in Schweden geheiratet habe, kam sie auch nicht. Und das ist fast 30 Jahre her, da war sie noch sehr gesund.

Wieder nach Deutschland zu ziehen, ist ja für mich gar keine Option, weil ich seit 30 Jahren hier verwurzelt bin, mit inzwischen erwachsenen Kindern und schwedischem Mann. Mein Vater ist übrigens mit ihr zusammen ins Altenheim gezogen. Er war da offensichtlich schon schwer krebskrank, was aber lange nicht entdeckt wurde. Er starb vor gut einem Jahr.

Übrigens hab ich schon seit einigen Jahren versucht, meine Schwester zu überzeugen, dass die Demens meiner Mutter vielleicht irgendwie behandelt werden sollte, und dass man vielleicht auch nach einem Altenheim Ausschau halten könnte. Ich hätte es besser gefunden, wenn man da in Ruhe etwas schönes hätte aussuchen können. So kamen die beiden ins Krankenhaus, als sie wieder einmal gefallen waren - diesmal beide. Und meine Schwester sah es immer noch nicht ein, dass es so nicht funktioniert. Zumal sie nach jahrelanger Arbeitslosigkeit zumindest eine befristete Arbeit bekommen hatte. Die Eltern kamen aber allein nicht zurecht zu Hause. ......