Mein gefühlskalter und taktloser Bruder regt mich so auf!!

Guten Abend ihr Lieben,

muss das mal loswerden, weil ich mich sonst vermutlich immer wieder von Neuem darüber aufrege!

Meine Mutter ist 57 Jahre alt und es steht seit einigen Wochen steht fest, dass sie an Lungenkrebs in fortgeschrittenem Stadium leidet. Der Krebs ist wohl nicht mehr heilbar und vermutlich hat sie nur noch wenige Jahre zu leben. Das kommt sicherlich nicht von ungefähr; sie war u.a. schon ihr ganzes Leben lang starke Raucherin. Bestimmt hat dieses Laster auch einiges zu der Erkrankung beigetragen.

Zu meinem Bruder, der zwei Jahre älter ist als ich, hatte ich schon immer ein eher schwieriges Verhältnis. Er ist cholerisch und besserwisserisch veranlagt, brüstet sich gerne vor anderen Leuten mit dem, was er so kann oder erreicht hat, und macht aus seiner Verachtung für bestimmte Sache keinen Hehl. So auch aus dem Rauchen; er hat sich sein ganzes Leben immer wieder damit gebrüstet, dass er noch niemals gequalmt hat und auch niemals damit anfangen wird. Als Begründung gibt er an, dass unsere Mama ein absolut abschreckendes Beispiel für ihn gewesen sei.
Dazu muss ich sagen, dass ich leider ebenfalls rauche. Ich weiß, dass es ein übles Laster ist und will auch eigentlich gerne damit aufhören. Aber bisher habe ich das einfach noch nicht geschafft. :(
Auch ich selber durfte mir von meinem Bruder schon regelmäßig dumme Kommentare anhören, wenn er mich auf Familientreffen mal vor der Tür eine rauchen gesehen hat.

Aber das was er heute von sich gegeben hat, hat mich so dermaßen aufgeregt!!
Wir haben heute zu Zweit unsere Mama ins Krankenhaus zum nächsten wichtigen Termin begleitet. Wir durften zu einer Sache leider nicht mit rein und mussten einige Zeit lang auf dem Flur warten. In der anschließenden Konversation mit meinem Bruder sagte ich: ''Die arme Mama. Das hat sie eigentlich nicht verdient, so krank zu werden. Das ist nicht gerecht."
Und was meint er daraufhin pampig und eiskalt: ''Ach, hör mir doch damit auf! Das hat sie sich doch im Grunde alles selber zuzuschreiben. Das ganze ekelhafte Gequalme seit unserer Kindheit. Jeden Tag X Kippen und alle Warnungen hat sie in den Wind geschlagen. Ganz ehrlich: der Krebs ist nun halt die logische Konsequenz; das hat man alles bereits vorhersehen können. Dementsprechend habe ich auch herzlich wenig Mitleid mit Mama in dieserlei Hinsicht!''#schock
Ich war über diese pietätlose und erbarmungslose Antwort so geschockt, dass ich daraufhin gar nichts mehr antworten konnte und den Rest des Termins eher ruhig war. Meine Mama fragte mich noch beim Verlassen des Krankenhauses, ob alles in Ordnung sei, weil ich auf einmal so still und nachdenklich wirken würde.

Was haltet ihr davon? Rege ich mich zurecht auf? Hätte ich was sagen oder erwidern sollen? Ich meine, im Grunde hat mein Bruder ja leider Recht, aber kann man das nicht einfühlsamer bzw. ''lieber'' formulieren? Was meint ihr dazu?

#danke für eure Meinungen und einen angenehmen Abend!

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Vielleicht drückt er so seine Hilflosigkeit/Wut darüber aus, dass eure Mutter bald sterben wird und hauptsächlich selber Schuld dran ist! Wäre es ihm egal, würde er ja nicht bei den Terminen dabei sein.

Und du fühlst dich angegriffen, weil du auf dem selben Weg bist?

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Du hast recht. Natürlich hat er inhaltlich recht, aber KEIN MITLEID zu haben mit der eigenen Mutter klingt so hart, als ob man ihr den Krebs regelrecht vergönnen würde. So als hätte sie es „verdient“. Und das geht zu weit! Sie ist seine Mutter und er sollte auch dir gegenüber mehr Respekt haben. Respekt vor deinen Gefühlen, vor deiner Angst, vor deiner Wut, vor deiner Trauer. Wenn er es nicht lassen kann zu sticheln sollte er besser nicht mehr mitkommen ins Krankenhaus. Die Klinikbesuche sind ohnehin stressig und aufwühlend genug, da braucht man nicht obendrauf noch den Mann mit dem erhobenen Zeigefinger.

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Hallo,

erstmal tut es mir sehr leid, dass es deiner Mama schlecht geht.

Mein Opa war auch starker Raucher und ist an Lungenkrebs gestorben. Ich möchte nur sagen, dass es bei ihm am Ende sehr schnell ging. Ich weiß jetzt nicht was bei dir weit fortgeschritten heißt, aber hier waren es ab Diagnose nur noch wenige Wochen und er war auch weit fortgeschritten.

Mein Vater hat auch immer wieder versucht aufzuhören mit dem Rauchen, aber das Ende meines Opas zu sehen, hat bei ihm den Ausschlag geben es endlich zu schaffen.

Nun zu deinem Bruder. Inhaltlich hat er recht aus meiner Sicht. Deine Aussage es wäre nicht gerecht, fand er vielleicht wieder sehr naiv. Er hätte es aber sicherlich mitfühlender ausdrücken können. Ich vermute aber, dass du auch Wut auf deine Mama mitspielt, weil sie sich das ja auch selber angetan hat.

Ich hätte ihm wahrscheinlich gesagt, dass er inhaltlich ja recht haben mag, aber man das auch mitfühlender Ausrücken kann. Wir alle machen blöde Sachen und müssen dann ggf. die Konsequenzen tragen, aber es tut gut, auch in solchen Situationen Familie & Freunde an der Seite zu haben, die diesen Weg dann begleiten und sich nicht angewidert abwenden.

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Na, ja, ich sehe es pragmatischer.

So krass würde ich es nicht raushauen wie dein Bruder.
Allerdings kenne ich ein paar Raucher, die es selbst so krass für sich formulieren!

Sie sind bisher nicht erkrankt, sehen aber das Risiko für sich.
Sie haben einerseits Angst davor, stehen aber auch zum Rauchen und sagen von sich ganz klar. wenn es sie mal erwischt, dann haben sie sich das selbst angetan, zuzuschreiben, sind selbst schuld daran.
Sie unterscheiden für sich: jene, die nie geraucht haben und trotzdem (Lungen-)Krebs bekommen. Das ist eine harte Bürde und sie finden es unfair.
Für sich selbst kennen sie das Risiko und sagen auch, dass sie dann auf keinen Fall Mitleid wollen.

Kann es sein, dass es dich in dem Punkt sehr trifft, weil du selbst das Risiko kennst, Angst hast, und es dein wunder Punkt ist?


Zu deinem Bruder insgesamt:
- wenn er immer so ist, war es eigentlich zu erwarten.
Von Menschen die so sind, erwarte ich nichts mehr. Ich plane ihre Art mit ein.
Sie können mich nur noch dann treffen, wenn sie MEINEN wunden Punkt erwischen.
Oder wenn sie mich positiv überraschen. Ich nicht mehr damit rechne, dass sie auch anders können ;-)

- wäre er nur beim Rauchen so extrem, würde ich fragen, wie es dazu kam.
In der Verwandtschaft gibt es einige Raucher.
Die Kinder hatten durchaus einige gesundheitliche Probleme, die auch im Erwachsenenalter noch teilweise da sind.
War die Beziehung zu den Eltern liebevoll und menschlich gut, ist es heute eine Mischung aus: sch*** wie es mir geht, das hast du mit deinem Laster zu verantworten und auch liebevoller Zuneigung, weil die Eltern die Kinder wirklich liebten.


- Wie ist es denn bei euch Kindern?
Wurdet ihr wirklich beide geliebt?
Wurde er eher verstoßen, du das Lieblingskind?
Ja, es gibt Fälle, wo es nur subjektiv so ankommt, Eltern wirklich alles für alle Kinder tun.
Es gibt aber auch Familien, wo ein Kind das falsche Geschlecht hat, den falschen Vater, das falsche Geburtstjahr, die falschen Augen oder sonstiges.


Ansonsten bin ich etwas eigen.

"'Die arme Mama. Das hat sie eigentlich nicht verdient, so krank zu werden. Das ist nicht gerecht." "

Da würde ich auf die Barrikaden gehen. Das ist MEIN wunder Punkt.
Wer mich "arm" nennt oder "arme Mama", der kennt mich nicht. DAS traut sich keiner mehr zu sagen.

"Arme Mama" klingt wie von einem kleinen Kind oder, das die Situation nicht wahrhaben will oder jemand, der sich selbst in Mitleid suhlt, weil die Person nicht damit klar kommt.

Ja, Krankheiten sind nicht gerecht. Manche sind logisch (auch unverschuldete), manche sind tödlich. Ja, es fällt mir schwer andere leiden zu sehen und es tut verdammt weh geliebte Menschen leiden zu sehen, sich verabschieden müssen, sich hilflos fühlen......

Jeder geht da seinen eigenen Weg.
Manche verdrängen. Manche kämpfen. Manche ergeben sich ihrem Schicksal. Manche wollen ihre Ruhe. Manche mögen es betüddelt zu werden. ...
Da richte ich mich nach den Menschen, die leiden. Die Hilfe brauchen, wollen oder alles ablehnen.
Es fällt sehr schwer zu akzeptieren wie Situationen sind.
Trauerarbeit fängt manchmal schon beim Verabschieden beim Leben mit der Krankheit an (verabschieden vom Leben, wie man es bisher kennt).

Es tut weh!


Nur löst bei mir die Bezeichnung "arme...." auch etwas würdeloses, reduzierendes aus.
Etwas kleinkindliches. Puste puste, weg ist der Schmerz. ...... oh wieseo geht das nicht ......
Vielleicht weil das früher mir so vermittelt wurde.....
Armes kleines Kind ...... Maul halten, weiter machen .... Mitleid kriegste.... ernst nehmen tu ich dich nicht .........


Eure Situation wirkt auf mich mit zwei Extremen.
Ein Bruder, der alles ablehnt und kalt wirkt
und eine kleine, hilflose Schwester, die noch nicht erwachsen wirkt... (die eigentlich jemanden bräuchte, der sie betüddelt, an die Hand nimmt und den Schmerz wegpustet, damit das alles nicht wahr ist)

Das meine ich aber nicht als Vorwurf! Nur als Rückmeldung, wie es wirkt.....

In solchen Zeiten mit schwerer Krankheit, Tod etc. nehme ich Ausnahmezustände nicht allzuerst.
Da kommen menschliche Emotionen voll durch.
Manche wirken kalt, abgeklärt, andere hilflos, wieder andere fühlen sich wie kleine schutzlose Kinder, andere hauen in Wut alles raus und um sich, was man ihnen nie zu getraut hätte.

Als meine Eltern starben, habe ich soooo viele verschiedene Reaktionen von Trauernden erlebt.
Mit den meisten habe ich später noch mal gesprochen. Das war auch gut so.

Manche waren wütend auf sich selbst, weil sie ein schlechtes Gewissen hatten (zeigten ihre Wut in verbalen Angriffen)
Manche zogen sich zurück, weil sie nicht damit umgehen konnten.
Usw.

Ich habe mit jenen Kontakt gehalten, die mir gut getan haben. Und mich abgegrenzt von jenen, die mir nicht gut getan haben. Nur das notwendigste mit ihnen geregelt. SIe hatten einen anderen Weg zu trauern als ich.
Jahre später haben wir einen Neuanfang gemacht. Da wo es passte.

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Hallo.

Mein ehrliche Antwort ist: Er hat doch recht. Er hat es vielleicht hart formuliert, aber prinzipiell stimmt seine Aussage schlicht und einfach.

"Das hat sie eigentlich nicht verdient, so krank zu werden. Das ist nicht gerecht." Nüchtern betrachtet ist die Erkrankung eine direkte Folge ihres Lebenswandels und ihrer Entscheidung zu rauchen. Jeder heute weiß, dass die Hauptursache für Lungenkrebs das Rauchen ist. Wer es trotzdem tut riskiert halt das genau das passiert. Es ließt sich für mich als hätte ihn das Rauchen schon immer gestört ohne das sich je etwas daran geändert hätte. Insofern kann ich seinen Ärger ein Stück weit verstehen.

Ich weiß das klingt hart. Mein Opa ist auch recht jung an Lungenkrebs gestorben. Auch durch Rauchen ausgelöst. In der entfernteren Verwandschaft gibt es noch mehr Beispiele.

Vielleicht stört es dich deshalb so, weil du selbst rauchst und es deshalb so hart findest?

Liebe Grüße und viel Kraft für die kommende Zeit

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Tatsächlich kann ich deine Aufregung null nachvollziehen. Hätte er die Äußerung deiner Mutter gegenüber gebracht, wäre es wohl respektlos, wenngleich inhaltlich korrekt gewesen.... aber so.... finde ich da absolut nix bei.

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Hey!

Auf der Sachebene hat dein Bruder recht. Allerdings wäre das eine Aussage, die ich so niemals vor anderen Menschen, die dieser Person nahe stehen, sagen würde.

In gewisser Weise kann ich deinen Bruder verstehen. Meine Mutter trinkt seit über 30 Jahren. Seit ich ein Kleinkind war. Ich habe wahnsinnig unter ihr gelitten: die Sucht hat mich bedrückt, weil mir klar war, dass sie ihre Gesundheit ruiniert und ich sie nicht abhalten kann. Die Stimmungsschwankungen waren extrem und hat sie an mir abgelassen und der ständige Streit zu Hause. Es war schrecklich.

Es sollte jedem klar sein, in welchem Zustand ihre Leber nun ist. Ich hätte nie damit gerechnet, dass sie so 30 Jahre übersteht.

Die Haltung, dass sie diesen Zustand in Kauf genommen hat und dass das nun das Ergebnis ihrer Sucht ist, hindert mich daran, an der Situation zu verzweifeln.
Vielleicht geht es deinem Bruder ähnlich. Auch er hat einem geliebten Menschen beim Sterben zugesehen und hat nun wohl auch Angst davor, dass es dir genau so gehen wird. Du wandelst auf denselben Pfaden wie deine Mutter einst und auch bei dir scheint er sich den Mund fusselig zu reden.

Mit dieser Haltung wird er emotionalen Abstand wahren wollen.

Liebe Grüße
Schoko

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Auf den Punkt gebracht hat er absolut rechts d du fühlst dich persönlich angegriffen.....

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In der Hinsicht bin ich irgendwie bei deinem Bruder. Rational hat sie sich das selbst zuzuschreiben.

Anscheinend hat dein Bruder immer sehr drunter gelitten, dass sie raucht, jetzt wird er deswegen seine Mutter auch noch relativ früh verlieren. Ich denke mal, so geht er mit seiner Trauer um!

Ich denke, es tut ihm schon leid, dass seine Mutter leidet, so würde es mir auch gehen. Aber dass sie Krebs bekommen hat, hat sie definitiv provoziert 🤷‍♀️

Die beste Freundin meiner Mutter war Kettenraucherin. Sie bekam auch Lungenkrebs und hat es zum Glück überstanden - und raucht immer noch. Da hätte ich tatsächlich wirklich wenig Mitleid, sollte der Krebs noch mal ausbrechen. Und ich mag sie sonst super gerne. Ich selbst war übrigens auch Raucherin; weiß also, dass Aufhören schwer sein kann. Aber eben auch nicht unmöglich!

Mein Fazit: klar hat dein Bruder es krass formuliert, im wesentlichen aber absolut recht. Dass er sich trotzdem kümmert und mit zum Termin ist, zeigt ja, dass es ihm eben NICHT völlig egal ist.