Nestbeschmutzer, wer kennt das?

Ich hatte schon von Kindheit an das Problem, nicht wirklich ich selbst sein zu können, da mein Umfeld konservativ und intolerant war.
Ich wollte nicht mit zur Kommunion gehen, da ich dieses weiße Kleid einfach völlig unmöglich fand und ich außerdem auch schon früh gemerkt habe, dass ich die Katholische Religion nicht tragbar fand für mich.
Es war ein riesen Drama, meine Mutter völlig ausser sich, hat mich angeschrieben und anschließend wochenlang nicht mit mir geredet.
Ich sei eine Schande und würde im Leben mit so einer anti Einstellung nicht weit kommen.
Unser Verhältnis war ab da sehr abgekühlt.
Mit 14 merkte ich dann, dass ich auch auf Mädchen stand, also bi bin.
Ich hatte mitbekommen, dass heiraten und Kinder bekommen der einzig akzeptierte Weg ist.
Daher hab ich lange nichts gesagt.
Sondern bin nach meiner Ausbildung ausgezogen, auch wieder eine Sache die mit übel genommen wurde.
Meine Eltern dachten, ich heirate und ziehe dann mit meinem Mann zusammen, am besten direkt ins schmucke Eigenheim
Mein Vater sagte, ich solle bis zur Hochzeit da bleiben, das hätte meine Mutter und er auch so gemacht und nannte dann auch Beispiele aus meinem Umfeld wo das so war.
Ich war da 19 und bin ausgezogen in die nächste Stadt, Klein aber immerhin kein Dorf.
Irgendwann als ich 25 war wuchs der Druck zu heiraten, stattdessen war ich dann schwanger, ohne Partner.
Als ich meinen Eltern sagte, dass es Neuigkeiten gibt haben sie wahrscheinlich gedacht, ich werde ihnen meinen Freund vorstellen.
Als ich dann sagte, dass ich schwanger bin von einem guten Freund und ihnen das Modell des Co Parenting erklären wollte, bekam ich nur , ich sei eine Zumutung für sie.
In der Schule hatte ich auch nie Freunde, die Mädchen waren so langweilig und interessierten sich wirklich im erster Linie für Ziele und Themen die mir völlig egal waren, Klamotten, Haare, Jungs, später dann Hochzeit, Kinder....
Ich hab dann letzten Endes nochmal das Gespräch gesucht, als ich dann Mutter war, mein Sohn war da 3 Jahre alt und ich lebte in Berlin mit einer Frau zusammen.
Diese hatte auch schon ein Kind und ich fühlte mich endlich angekommen.
Auf meine Anfrage bekam ich nur, nein danke, es wäre nein Leben aber sie kämen damit nicht zurecht.
Mein Bruder dagegen hat geheiratet, ist im Dorf geblieben und alles war schick, bis er sich scheiden ließ, seitdem ist der Kontakt auch da minimal, besonders weil er eine neue Frau hat, die auch schon Kinder hat.
Er hat seine Ex wegen ihr verlassen, etwas was auch gar nicht geht.
Ich habe das Gefühl, in einer Umgebung aufgewachsen zu sein, die so gar nicht gepasst hat
Ich hatte mal daran gedacht ob ich vielleicht Adoption oder als Bsby vertauscht wurde.
Ist es wirklich so seltsam und schlimm wenn man als Kind so ganz anders denkt und leben will als die Eltern?
Ich habe mir geschworen keine Erwartungen am meinen Sohn zu haben, er soll leben wie er will wenn es ihn glücklich macht?
Kennt ihr so was und gibt es da überhaupt noch mal dir Chance sie normal zu Unterhalt?

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Die Beziehung zu deinen Eltern hat dir noch nie was gegeben. Warum genau willst du sie also aufrecht erhalten? Welche Bereicherung bringt sie dir?

Ja, ich glaube sowas gibt es. Dass Eltern ihre Kinder nicht akzeptieren können. Öfter, als man denkt. Gibt auch einige Beispiele in meiner Familie (die mich aber nicht betreffen).

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Ja genau das gleiche habe ich auch gedacht!

Ich kenne auch sehr ähnliche Geschichten. Ausnahmslos geht es dabei leider hauptsächlich um die sexuelle Orientierung. So traurig das auch ist, es gibt leider noch sehr viele Menschen die es nicht akzeptieren, dass es auch einen andern Weg gibt als den eigenen.

Wenn du endlich angekommen bist und glücklich - dann mach ganz genauso weiter!

Ich wünsche dir alles alles Gute 🍀

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Tatsächlich kenne ich auch völlig andere Beispiele. Also wo andere Gründe vorlagen.

Aber immer ist ausschlaggebend, dass die Kinder sich absolut nicht so verhalten, wie die Eltern es erwarten oder geplant haben. Und dann abgelehnt werden. Mir selbst fällt es schwer, das nachzuvollziehen, grade seit ich selbst Mutter bin. Aber ich weiß eben, dass es das gibt, von leider echt einigen Familien. Grade im ländlichen und konservativen Raum.

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Hallo,

ja ich glaub sowas kommt viel häufiger vor wie man denkt bzw. wie man es direkt mitbekommt.

Wir haben das auch in der Familie. Meine Tante war auch immer etwas „anders“ wie ihre Geschwister. Alle sind mehr die Familienmenschen und leben „klassisch“ - aber weil sie es auch so wollten.
Meine Tante war nie so sehr der Familienmensch. Hat ein Auslandsschuljahr gemacht (damals noch sehr exotisch), sowas wie Work & Travel, hat studiert inkl. mehrere Auslandssemester. Hat lange auch im Ausland gelebt. Mein Onkel ist da absolut der gleiche Typ bzw. noch extrem, weil seine Familien auch so ist (Karriere und viel Geld)
Das Kind kam spät und auch mehr „weil man das so macht“.
Meine Cousine (15 Jahre jünger wie ich) wurde immer von anderen betreut - Nanny, Au Pair, Babysitter (ich), Oma… Auf die Karriere wollte keiner verzichten inkl. Geschäftsreise, Geschäftsessen am Abend oder Golfspielen mit Freunden am Wochenende.
Es war immer extrem Streng bei ihr, sie musste Bestnoten haben, sie sollte auch studieren und Karriere machen. Normale Teenagerdinge wurden belächelt, als Quatsch abgetan und untersagt.
Sie war/ist aber gar nicht so sie wollte/will beruflich in die Soziale Richtung gehen (Grundschullehrerin, Kinderärtin oder so)… Ist laut ihren Eltern nicht gut genug. Ärztin geht noch aber dann mindestens Herzchirurgin oder so.
Tja, dann wurde sie mit 16 Jahren schwanger… ja ist natürlich in dem Alter scheiße keine Thema und ich hab auch kein Beifall geklatscht aber ist passiert. Ihre Eltern haben sie rausgeworfen, wollten, dass sie abtreibt weil es das Ansehen bei Freunden und Geschäftspartnern massiv schaden, wenn die mitbekommen das die 16-jährige Tochter schwanger ist. Sowas passiert doch nur bei „Assozialen Hartz-4 Familien“ (Zitat mein Onkel).

Sie lebt nun seither mit ihren Freund (und Vater des Kindes) in unserer Einliegerwohnung. Der Kleine ist inzwischen schon 2 Jahre alt. Die machen das echt super.
Sie hat auch versucht auf ihre Eltern zuzugehen und hat eine Einladung zur Taufe geschickt. Es kam keine Antwort. Sie steckt das (bis jetzt) gut weg. Haben schon viel darüber gesprochen. Hatte/habe auch immer Sorge, wie sich das psychisch auswirkt. Aber sie sagt selbst „die können mich mal“ und sie hätte doch genug Familie um sie rum die sie lieb haben und so annehmen wie sie ist (mein Mann & ich, Eltern ihres Freundes, Oma ihres Freundes, meine Eltern, meine Geschwister und auch unsere gemeinsamen Tanten/Onkel/Cousins/Cousinen die in der direkten Nähe wohnen).

Ganz ehrlich, geh deinen Weg!!! Es ist dein Leben und an der Ignoranz deiner Eltern kannst du nichts ändern. Das sieht man ja ganz deutlich an deinem Bruder. Wurde fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel als sich sein Leben verändert hat. Eines Tages macht es vielleicht klick bei deinen Eltern aber dann wird es vermutlich zu spät sein.

Alles Gute dir =)

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Kenne ich nur im Ansatz, weil meine Eltern mich vorbehaltlos geliebt haben, auch
ohne klassisches Lebensmodell.
Aber Außenstehende sind da auch manchmal irritiert - so what, nicht mein Problem.

Ich würde da gar nichts mehr unternehmen, Blut ist nicht immer dicker als Wasser
und manchmal ist eine selbstgewählte Familie eben die Bessere.

LG, katzz

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Ich würde an deiner stelle eine art letztes wort an sie richten. Vielleicht ein brief... Sinngemäß soetwas wie: ich bin nach wie vor an einer unterhaltung mit euch interessiert, meine türen stehen euch dahingehend immer offen. Auch wenn unsere lebensansichten unterschiedlicher nicht sein könnten, bin ich der meinung, dass ein normaler familiärer kontakt möglich sein kann. Wenn ihr keinen kontakt zu euren enkel und mir wollt, so akzeptiere ich das.

In meinen Augen hättest du dann alles getan und kannst den Deckel zuklappen.

Es tut mir leid, das du so aufgewachsen bist.
Meine eltern entstammen konservativen haushalten und waren dementsprechend so ziemlich das gegenteil. Meine mutter kämpft bis heute mit sich und ihrer vergifteten jugend. Bulemie, sucht, das sind alles themen.

Mein papa hat niemals nie meine entscheidungen hinterfragt. Er war immer stolz, tolerant und da, wenn ich ihn brauchte. Leider starb er, als mein erstes kind 8 wochen alt war.

Alles gute dir und deiner selbstgeschaffenen familie!

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Hallo, wenn deine Eltern bei keinem Kind mit dessen Lebensweg wirklich zufrieden sind - dein Bruder ist jetzt ja auch unten durch, wenn ich richtig gelesen habe - dann werden sie mal sehr einsam sein, vor allem, wenn dann einer der beiden stirbt. Kann schon sein, dass es dann ein Umkehrdenken gibt, die Frage ist, willst du das dann noch?
Du hast deinen Weg gefunden und bist angekommen, wie du selber sagst. Hättest du dich nach den Wünschen deiner Eltern gerichtet, würdest du jetzt wahrscheinlich in einem Leben stecken, dass dich unglücklich macht. Du hättest zwar guten Kontakt zu deinen Eltern, aber das auch nur, solange du aus deinem unglücklichen Leben nicht ausbricht.
Daher hast du für dich besseren Weg gewählt.
Klar beschäftigt es dich trotzdem, dass ihr jetzt so ein schlechtes Verhältnis habt, aber halte dir dabei vor Augen, dass es an ihnen liegt, nicht an dir.
Versuche, nicht allzu oft darüber nachzugrübeln. Je mehr du das aus deinen Gedanken rausbringst, desto besser wird es dir gehen.
Alles Gute noch 🍀

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Hallo,

Mein erster Gedanke beim Lesen war: "zieh' in eine große Stadt, am besten nach Berlin. Da kräht kein Hahn danach, welches Lebensmodell dir gefällt" und dann hast du ja tatsächlich noch geschrieben, dass du inzwischen dort wohnst :)
Es tut mir sehr Leid, dass du das erleben musstest. Als Kind will man immer seinen Eltern gefallen und eine so an Bedingungen geknüpfte Liebe ist scheußlich. Ich bin selbst auch auf dem Land in einer konservativen Familie aufgewachsen, hatte aber das Glûck, dass meine Eltern ihren Horizont Stück für Stück erweitert haben als es notwendig wurde. Es fiel ihnen nicht leicht und es ging viel Kummer für alle voraus aber wir haben heutzutage ein sehr gutes Verhältnis. Im Endeffekt kannst du dir nur klarmachen, dass es nicht an dir lag, sondern an ihnen und dass mit dir alles in Ordnung ist.... Und dann darauf achten, dass dein Sohn bedingungslose Liebe erfährt (was du ja schon tust). Ich finde es bewundernswert, dass du deinen Weg trotz Gegenwind gegangen bist.

LG :)

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Es gibt Menschen, für die zählt nur die eigene Meinung. Leider sind Deine Eltern solche Menschen. Da kannst Du Dir die Zähne ausbeißen, das wird sich ihr Lebtag nicht ändern.

Und man kann andere Menschen nunmal nicht ändern, nur an seiner eigenen Einstellung arbeiten. Wahrscheinlich hilft Dir nur, wenn Du akzeptieren lernst, dass Du mit Deinen Eltern niemals auf einen Nenner kommen wirst. Das ist nicht schön für Dich, das ist mir klar.

Aber versuche, Deinen Frieden damit zu schließen.
Ich an Deiner Stelle würde diesen Kampf aufgeben und mich bis auf das geringste distanzieren.

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Du bist nicht auf der Welt um es allen Recht zu machen. Das kannst du letztendlich auch gar nicht weil eh jeder ne andere Meinung hat.
Und an deinem Lebensmodell seh ich nichts verwerfliches, wenn alle Beteiligten glücklich sind und ihr euch ums Kind kümmert. Ich sehe keinerlei Probleme. Nur da es eben manche Menschen gibt die ein andere Lebensmodell vorziehen. Ist auch vollkommen Ok für die Leute, doch das muss eben nicht auch noch für jeden anderen Menschen gelten.

Leb dein Leben.

Ela