Verhältnis zu den eigenen Eltern anders seit ich Mutter bin

Hallo zusammen,
ich mache mir seit längerem über ein Thema Gedanken. "Muss" man seine Eltern lieben?
Seit ich selbst seit 14 Monaten Mama bin, habe ich kaum noch das Bedürfnis zu meinen eigenen Eltern viel Kontakt zu haben. Meine Mutter ist von ihrem Wesen her ziemlich vorlaut und herrisch, Eigenschaften die ich einfach nicht gerne mag, und mein Vater hat eine psychische Erkrankung, die den Umgang mit ihm schwierig macht.
Ich gehe nicht gerne zu Besuch, obwohl sie nur eine Kleinstadt weiter wohnen, meinem Vater und mir fehlen Gesprächsthemen und meine Mutter nervt mich ständig mit ungefragten Kommentaren zu meiner Erziehung oder allgemeinen Ansichten, die ich einfach nicht teile.
Mehr und mehr keimt ein Unwohlsein in mir auf, wenn ich an meine eigene Kindheit denke. Zwar hatte ich im großen und ganzen eine schöne Kindheit und wurde immer in allem was ich tun wollte unterstützt, es gab kuscheln und Küsschen, aber es gab auch Schattenseiten. Es wurde viel geschimpft, es gab viele Verbote, Weinen wurde "verboten", und dann gab es Dinge wie Rauchen in der Wohnung, viel Zucker, viel Fernsehen, die mir aus heutiger Sicht widerstreben. Außerdem habe ich noch eine Schwester, die aufgrund besonderer Umstände immer viel Aufmerksamkeit meiner Mutter auf sich gezogen hat, und ich habe mich oft hintenangestellt gefühlt. Ich habe mich mit dem Thema Inneres Kind beschäftigt und glaube, es ist vieles falsch gelaufen, an das ich mich nicht mehr erinnere. Ich spüre in anstrengenden Situation oft Aggressionen hochkommen, die ich mir nicht erklären kann und frage mich, ob meine Mutter sich aggressiv mir gegenüber verhalten hat, als ich klein war.

Ich hab einfach das Gefühl ich bin mit beiden nicht (mehr) auf einer Wellenlänge. Ich kenne das auch anders von mir, früher habe ich die beiden und vor allem meine Mutter vermisst, wenn ich länger weg war. In der Schwangerschaft war ich noch total gerne locker zwei Mal die Woche da. Jetzt fahre ich eher nur noch aus Pflichtgefühl alle paar Wochen hin.

Und ein Gedanke, den ich gar nicht auszusprechen wage, weil ich mir wie ein Rabenkind vorkomme: wenn ich drüber nachdenke, dass sie früher oder später sterben, löst das in mir gar keine Traurigkeit aus. Eher sogar Erleichterung.
Dafür fühle ich mich wirklich schuldig, denn sie haben mir ja überhaupt nichts getan.
Ich höre schon die Stimmen die sagen "Genieße deine Eltern solange du sie noch hast, ich wünschte ich hätte meine noch" oder "andere Kinder wurden vernachlässigt und misshandelt, dir hat es doch an nichts gefehlt".

In meiner schwiegerfamilie hingegen fühle ich mich so richtig angekommen. Ich verbringe gerne Zeit mit ihnen, es sind für mich einfach viel angenehmere Menschen.

Keine Ahnung, irgendwie musste ich das einfach mal rauslassen, und bin gespannt auf Denkanstöße dazu.

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Vorweg möchte ich einfach sagen, das garantiert auch unsere Kinder in 30 Jahren da sitzen und sich über furchtbar viele Dinge aus deren Kindheit aufregen werden. Niemand ist perfekt, auch wir nicht und jedes Kind ist nun mal ein Kind seiner Zeit.

Und ja, kommen die eigenen Kinder, dann kommt auch noch mal die eigene Kindheit mit hoch, wäre ja schlimm, wenn es nicht so wäre.

Das Verhältnis zwischen meinen Eltern und mir war immer liebevoll explosiv, anders kann ich es nicht beschreiben. Unter viele doofen Sachen von damals, kann ich einfach den Haken "es war halt damals so" machen. Und ich fand sie zeitweise so bekloppt, das ich mir niemals vorstellen konnte, das sie mir fehlen würden wenn sie verstorben sind. Das galt ganz besonders für meine Mutter. Mittlerweile sind sie verstorben, wir haben zum Glück vorher noch usneren Frieden miteinenader gemacht....und weißt du was...niemand fehlt so sehr, wie meine Eltern. Ja, verdammt auch die übergriffigen Kommentare meiner Mutter. Erst nach ihrem Tod wurde mir bewußt, welche Rolle sie doch in meinem Leben gespielt hatten, wie sehr sich sich ein Bein ausgerissen hatten um mir Dinge zu ermöglichen....sie waren weit von "perfekten Eltern" entfernt, aber es waren meine. Und auch das konnte ich erst durch mein eigenes Kind begreifen.

Natürlich steht dir die Entscheidung frei, aber überlege dir gut, ob es gerechtfertig ist, dafür Porzellan zu zerschlagen udn den Kontakt abzubrechen. Was du aufgezählt hast, das sind Peanuts. Sie sind, wie sie sind....unperfekt, wie wir alle.

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Hallo,

Ja, ich kann das absolut nachvollziehen. Mein Vater spielt in meinem Leben keine Rolle und zu meiner Mutter war da Verhältnis auch immer schwierig.

Seit ich selbst Mutter bin halte ich sie noch mehr als sonst auf Distanz. Ich überlege den Kobtakt sogar komplett einzustellen.

Mir kommen in den letzten Monaten immer wieder Bilder aus meiner Kindheit hoch, die mir einmal mehr klar machen, dass ich bei meiner Tochter alles anders machen werde.

Ich könnte mir auch nie vorstellen, meine Tochter zu ihrer Oma zu geben für ein paar Stunden. Auch für später ist meine Mutter einfach ein sehr schlechtes Vorbild in jeglicher Hinsicht.

Auch bei mir fühle ich mich in meiner Schwiegerfamilie sehr wohl und meinen Schwiegereltern würde ich meine Tochter immer anvertrauen.

Ich habe hier kürzlich einen tollen Satz gelesen: Mein Kind schuldet mit gar nichts und ich ihm alles.

Meine Mutter hat absolut nichts getan, dass ich ihr dankbar sein sollte oder sie lieben könnte und das muss ich auch nicht.

Ich wünsche dir alles Gute!

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Ich empfinde das zweigeteilt... den Eltern jetzt "vorzuwerfen", dass sie zu locker mit Süßkram & TV waren, finde ich schon fragwürdig. Aus dir ist doch was geworden, oder? Meine Eltern waren da in jeglicher Hinsicht mir viel zu streng, da nehme ich eben für mich mit, das anders zu machen. Aber ihnen das jetzt vorwerfen oder sie deswegen zu bewerten liegt mir völlig fern.

Und das Vergangenheitsthema hast du mit deinen SE schon mal nicht.

Zum jetzigen... ja, wenn du dich unwohl fühlst, dann lass es. Lass es bei Pflichbesuchen, wenn nichts gravierendes vorgefallen ist und gut.

Ich finde es aber komisch, dass bis zur Schwangerschaft alles in Ordnung war, du aber jetzt als - wohlgemerkt - frische Mama deine Eltern derart beurteilst, dass Abneigung entsteht. Du hast seit gerade mal 14 Monaten ein Kind, du hast noch nicht ansatzweise Ahnung was da noch kommt.

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>>>Ich empfinde das zweigeteilt... den Eltern jetzt "vorzuwerfen", dass sie zu locker mit Süßkram & TV waren, finde ich schon fragwürdig.<<<

Das habe ich beim Lesen auch gedacht.
Diese plötzliche Abneigung gegen die Eltern wirkt auf mich sehr gewollt.
Die TE fühlt sich offensichtlich bei ihren Schwiegereltern wohler und sucht nun nach Begründungen, warum sie den Kontakt zu ihren Eltern stark einschränken kann.

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Dachte ich mir auch in Bezug aufs Schimpfen.

Die Große mit 3 wird auch ganz anders behandelt in gewissen Dingen als der Kleine mit seinen 8 Monaten. Mit 14 Monaten gibzs auch noch nicht so viele Reibungspunkte wie mit 14 Jahren zB.

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Hallo

Ich finde deinen Post leicht arrogant. Es ist absolut legitim Dinge anders machen zu wollen als die eigenen Eltern und mit manchem nicht einverstanden zu sein. Das wird deinem Kind nachher nicht anders gehen und auch deine Eltern fühlten mal so. Jede Zeit hat so seine Trends, die sind sicher nicht immer gut. Weshalb du allerdings deinen Eltern jetzt einen Strick aus Dingen drehst, die dich vorher nicht oder nur wenig gestört haben-das verstehe ich nicht!

Manchmal suchen wir Probleme wo eigentlich keine sind. Wenn es dich interessiert deine Familiengeschichte aufzuarbeiten und einigen Verhaltensmustern auf den Grund zu gehen rate ich dir eine systemische Therapie zu machen. Das ist unheimlich interessant. Natürlich wird unser Denken und Fühlen zum Teil von unserem Umfeld geprägt. Deinen Eltern nun Aggressivität vorzuwerfen die du eventuell verdrängt haben könntest, das geht ein wenig weit. Unsere Persönlichkeit wird nicht nur von externen Einflüssen geprägt, und auch nicht nur von unseren Eltern. Und mittlerweile sind wir alle erwachsen und sind selbst verantwortlich für unser Benehmen.

Haben deine Eltern Fehler gemacht? Klar!
Haben sie das bewusst gemacht? Sicher nicht!
Wirst du deine eigenen Fehler mit deinem Kind machen? Sicher!

Frag dich einfach mal ob du später von deinem Kind so bewertet werden willst, obwohl du dein Bestes für es gegeben hast.

Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Frag dich einfach mal was deine Eltern denn toll gemacht haben. Du tust ihre Zuneigung so leichtfertig ab mit "kuscheln und Küsschen", dabei ist es mit das Wichtigste was Eltern ihren Kindern geben können und Ausdruck ihrer Liebe. Unsere Eltern wuchsen auf in einer Zeit wo über Gefühle niemand sprach und sie ihnen auch zum Teil aberkannt wurden, denn es "sind doch nur Kinder" und die "haben zu gehorchen, sonst nichts". Dass unsere Eltern also die Gefühlswelt ihrer Kinder-also unsere - vielleicht gar nicht anders zu handhaben wussten leuchtet da doch ein.

Weisst du aber was das Beste an den Fehlern deiner Eltern ist? Sie zeigen dir was du anders machen kannst, sollst und willst!

Liebe Grüsse

Dragonflies 🌺

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Hallo,

ich kann deine Bedenken gut nachvollziehen.

Jemand vor mir hatte geschrieben, dass derjenige es fragwürdig findet, dass du aufeinmal so eine Abneigung gegen deine Eltern hast.
Ich muss sagen, bei mir war es auch so. Ich war schwanger, mich quälten immer mehr Alpträume, in denen meine Eltern die Bösen waren, ich habe meistens ein Kind weinen sehen und andere Dinge.
Als mein Kind auf der Welt war haben meine Eltern sich sehr viel eingemischt, auch sehr viel Blödsinn geraten. Alles in mir wehrte sich.
Nach etwa 3 Monaten kamen immer mehr Bilder in meinen Kopf, Erinnerungen an früher die ich verdrängt hatte. Deshalb google ich "Mutter schlägt ihre Kinder" oder "Mutter ignoriert und beleidigt ihre Kinder"

Es wurde zB das Thema narzisstische Mutter / Eltern vorgeschlagen und die Beschreibungen passten ganz genau.

Du hast geschrieben "andere Kinder wurden vernachlässigt und misshandelt, dir hat es doch an nichts gefehlt".
Es muss nicht so schlimm gewesen sein, aber was wenn doch was vorgefallen ist und dein Unterbewusstsein warnt dich?

Versuch in dich hineinzuhören

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Weißt Du in 20 Jahren wird es Erkenntnisse geben, die Deine Kinder dir dann auch "vorwerfen" könnten. Ich hoffe, sie sind so weitsichtig, dass sie wissen, dass Du alles Dir mögliche getan hast, um Ihnen eine gute Kindheit zu ermöglichen.

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Hallo,
ehrlich gesagt, geht es mir wie dir, aber nicht nur seit meiner Schwangerschaft.
Meine Mutter war und ist ein sehr kalter Mensch. Vllt weil ihre Mutter früh gestorben ist. Jetzt ist sie auch seit 10 Jahren psychisch krank. Mit meinem Vater habe ich auch kaum Gesprächsthemen. Oft denke ich, mich belasten die Besuche und ich wäre nicht traurig, wenn Sie nicht mehr wären.
Und dann denke ich mir, was würdest Du tun, wenn Dein Kind später so über denkt. Und es zerreißt mir jedes Mal das Herz.

Ich bin an den Punkt gekommen, meine Eltern nerven, ja, sie belasten mich, ja. Aber sie sind meine Eltern und haben versucht, das Beste daraus zu machen.
Trotzdem kommen oft Dinge in mir hoch, als sie stritten und Dinge an die Wand warfen bspw. Ich versuche damit abzuschließen. Vorwürfe bringen ja nach Jahrzehnten nichts mehr. Ich kann es nur besser machen.

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Hoffnung, dass sie sich ändern oder mal so werden wie du sie früher gebraucht hast ist nachvollziehbar. Dazu sage ich, auch aus eigener Erfahrung, Hoffnung ist ein heimtückisches Arschloch.

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Ich glaube, ich kann dich ganz gut verstehen, ein paar ähnliche solcher Dinge kenne ich entweder aus meiner Familie oder dem nahen Umfeld.

Zu allererst mal: Wegen den eigenen Gefühlen ein schlechtes Gewissen zu haben brauchst du nicht. Gefühle sind da und wollen gefühlt werden. Viel sinnvoller als dich dafür zu verurteilen wäre es zu schauen, was du positives daraus ziehen kannst.

Die Gefühle, die du gerade beschreibst, hatte ich in der Pubertät ganz stark. Mir ist da plötzlich alles aufgefallen, was je schief gelaufen ist und es hat mich unheimlich wütend gemacht, denn als Kind ist man dem ja einfach ausgeliefert. Ich hatte damals mit meinen Eltern viele Streitgespräche, habe Vorwürfe gemacht und Entschuldigungen eingefordert. Ich war damals ziemlich hart mit ihnen und ich bin mir nicht sicher, ob das immer so gut war.

Aufzuarbeiten, was in der Kindheit nicht gut gelaufen ist, ist finde ich sehr gut, eben um zu wissen, woher die eigenen Agressionen kommen und wo einem immer was gefehlt hat. Da scheinst du ja gerade dabei zu sein. :)

Wenn man da dabei ist, ist es klar, dass Abneigung zu den Eltern hochkommt, denn man konzentriert sich ja auch ganz bewusst auf das schlechte und dadurch dass man verdrängte negative Erfahrungen bearbeitet, kommen die negativen Gefühle gleich mit hoch. Dieses nochmal Erleben ist meistens der härteste Part. Ich fand auch total schlimm so hilflos zu sein, denn das Geschehene liegt weit in der Vergangenheit und es gibt keine wirkliche Möglichkeit das zu lösen, ungeschehen zu machen oder wieder gut zu machen.

Und da liegt genau der Clou: Es ist passiert und lässt sich nicht ändern, das heißt, das beste was du jetzt tun kannst, ist das beste draus zu machen. Für mich hieß das: Ich werde draus lernen und bei meinen Kindern zumindest diese Fehler nicht machen. Ich lerne daraus, woher manche Agressionen und Bedürfnisse von mir kommen und kann sie einordnen. Dadurch weiß ich viel besser, was mir in dem Moment hilft oder kann die Dinge leichter abtun.

Was für mich noch ein Thema war, war dass mich die negativen Gefühle meinen Eltern gegenüber lange begleitet haben und ich das irgendwann einfach los werden wollte. Die Lösung dafür klingt fast zu einfach: Verzeihen. Verzeihen tust du nämlich nicht für sie, sondern für dich.

Als Kind erscheinen einem die Eltern immer etwas größer und vollkommener als sie wirklich sind, denn eigentlich sind auch sie nur Menschen, die sich durchs Leben kämpfen. Auch sie haben mit Sicherheit versucht gute Eltern für euch zu sein, mit den Informationen und der Energie die sie eben hatten.

Zum Verzeihen kommt man selten sofort, das ist ein Prozess.

Für deine jetzige Situation würde ich versuchen, deine eigene Kindheit eher auszublenden, wenn du dich mit deinen Eltern triffst, dann kann man viel eher erkennen, ob in dem Moment eigentlich ein schöner Moment passiert oder ob deine Eltern sich dir gegenüber gerade im Moment mies verhalten.

An deiner Stelle würde ich vermutlich weiter an der Verarbeitung meiner Kindheit arbeiten und etwas weniger Zeit mit meinen Eltern verbringen, aber auf jeden Fall den Kontakt halten. Nach so einem Verarbeitungsprozess kann die erneute Annäherung sehr schön und wertvoll sein und wenn die negativen Gefühle in den Hintergrund gerückt sind kommt auch oft das Gefühl der Zuneigung zurück.