Umgang mit Missbrauch in Herkunftsfamilie, wenn eigene Kinder Fragen stellen

Jane Does Thread „Kind vom eigenen Missbrauch erzählen“, hat dazu geführt, mir intensive Gedanken um meinen eigenen Umgang mit dem Thema und meinen noch kleinen Kindern zu machen.

Wegen Missbrauch durch den Lebensgefährten meiner Mutter, den sie jahrelang ignoriert hat obwohl sie davon wusste, habe ich den Kontakt zur Familie abgebrochen. Ich habe außerdem einen drei Jahre jüngeren (Halb)bruder, der mich als er 13 Jahre alt war, mehrfach massiv bedrängt hat. Hat versucht mich zu küssen, wollte mir seine Zunge in den Mund stecken, hat mir unters Shirt und in die Unterhose gefasst. Glücklicherweise konnte ich ihn jedesmal abwehren. Nach mehreren erfolglosen Versuchen hat er aufgegeben. Meiner Mutter habe ich nichts davon gesagt. Nachdem sie schon die Übergriffe durch ihren Lebensgefährten geduldet hat, habe ich keine Hilfe erwartet.

Mit 19 bin ich ausgezogen und habe die Kleinstadt, aus der ich stamme verlassen um zu studieren. Seitdem habe ich keinen Kontakt mehr zu meiner Familie. Meine Mutter versucht immer mal wieder, meist zu Weihnachten, meinem Geburtstag und Geburt meiner Kinder, Kontakt aufzunehmen. Sie schreibt Briefe oder Postkarten, auf die ich nicht reagiere. Meinen leiblichen Vater habe ich nie kennengelernt. Laut meiner Mutter ein Urlaubsflirt, von dem sie nicht mal den Nachnamen kennt. Die Großeltern mütterlicherseits sind früh gestorben und ansonsten gibt es keine Verwandtschaft.

Durch eine mehrjährige Therapie konnte ich für mich damit abschließen. Das hat sich aber geändert, seit ich Kinder habe. Inzwischen bin ich nämlich verheiratet und habe zwei Kinder, 1,5 und 4 Jahre alt. Mein Mann stammt aus dem gleichen Ort wie ich, seine Eltern und seine beiden Schwestern leben noch dort, so dass meine Mutter über mehrere Ecken immer über mich Bescheid weiß und auch von meinen Kindern erfahren hat. Wie sie an meine Anschrift kam, weiß ich nicht. Ich vermute über das Einwohnermeldeamt.

So viel zur Vorgeschichte.

Meine Kinder sind noch klein, aber ich frage mich, was ich ihnen erzählen soll, wenn sie irgendwann mitbekommen, dass andere Kinder zwei Omas und zwei Opas haben, wenn sie nach meiner Mutter und meiner Familie fragen. Ich will nicht lügen und sagen, dass sie tot sind. Zum einen weil ich meine Kinder nicht anlügen möchte und weil einem solche Lügen irgendwann sowieso auf die Füße fallen. Spätestens wenn sie alt genug sind, um alleine zu ihren Großeltern, Tanten, Onkels, Cousins und Cousinen (alle zwischen 9 Monate und 6 Jahre) fahren können, besteht die reelle Gefahr, dass sie von meiner Familie erfahren. Auch mein Halbbruder hat inzwischen einen knapp zweijährigen Sohn. Zwischen meiner und der Familie meines Mannes besteht keine Verbindung. Es handelt sich allerdings um eine kleine Stadt, in der gefühlt jeder jeden kennt und man kennt sich eben vom Sehen.

Jetzt zu meinem Problem. Es geht nicht nur darum, dass ich nicht weiß, was ich meinen Kindern auf ihre Fragen antworten soll. Ich wüsste erst recht nicht, was ich unternehmen sollte, würden meine Kinder ihre andere Oma, ihren Onkel und den Cousin kennenlernen wollen. Der Gedanke, meine Kinder zu Besuch bei der Oma und dem Lebensgefährten oder bei meinem Bruder, lässt es mir eiskalt den Rücken runter laufen. Dorthin begleiten könnte ich sie auf keinen Fall und alleine hingehen lassen schon gar nicht. Ich finde es aber auch nicht in Ordnung, Kindern ohne Erklärung etwas zu verbieten. Eine allgemeine Aussage wie, dass es schlimmen Streit gab oder das böse Menschen sind, reicht Kindern ja in der Regel nicht aus als Begründung. Zum einen haben sie mit dem Streit nichts zu tun, zum anderen merkt man bösen Menschen in der Regel nicht an, dass sie böse Dinge tun. Ich kriege Panik bei der Vorstellung meine Mutter oder mein Bruder könnten irgendwo auf meine Kinder treffen und sie ansprechen, zu sich einladen. Die wären dann bestimmt super nett und freundlich. Ich frage mich auch, ob mein Halbbruder grundsätzlich sexuell übergriffig ist oder ob es sich damals „nur“ um pubertätsbedingtes ausprobieren und austesten von Grenzen gehandelt hat.

Wie würdet ihr damit umgehen? Danke schon mal für Antworten.

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Hey!

Es tut mir sehr leid, was passiert ist.
Ich würde den Kindern sagen, dass du keinen Kontakt mehr hast, weil der SV kein guter Mensch ist. Je älter die Kinder werden, desto mehr würden sie vermutlich fragen, was passiert ist. "Er hat mir oft wehgetan und Oma hat mir nicht geholfen." dürfte erstmal reichen.

Kannst du deinen SE verbieten, Infos weiterzugeben? Deiner Mutter könntest du mitteilen, dass du keinen Kontakt mehr wünschst und sie dich und die Kinder in Frieden lassen soll. Beim weißen Ring könntest du dich beraten lassen, welche Möglichkeiten du hast, ein Kontaktverbot zu bewirken.

Liebe Grüße
Schoko

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Achso, guck mal bei so Plattformen wie myheritage. Vielleicht findest du dort Halbgeschwister oder sogar deinen Vater.

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Mein Sohn weiß, dass meine Mutter ganz krank im Kopf ist und sie uns ganz doll lieb hat und ich sie auch immer lieb haben werde, sie das aufgrund ihrer Krankheit nicht zeigen kann und wir sie auch nicht besuchen fahren, weil ihre Krankheit macht dass das nicht geht.

Ihn stört es aber auch nicht weiter, obwohl der Kontaktabbruch (durch sie, aufgrund eines Hirtumores der ihre Persönlichkeit verändert hat) die ersten 3 Jahre eine tolle Oma war. Er hat ganz viele andere Omas&Opas, er weiß dass ich zwei tolle Papas habe die super Opas sind etc. . Nicht jeder Mensch hat zwei Omas und zwei Opas oder eine Mama und einen Papa oder Tanten, Onkels, Geschwister.... und ich finde dass kann ein Kind unter dem Deckmantel der Vielfalt in der Gesellschaft gut verstehen :-)

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Danke liebe ommk7n

An sich klingt deine Idee gut, nur besteht eben die reele Möglichkeit, dass meine Kinder auf meine Mutter oder meinen Halbbruder treffen und dann würden sie feststellen, dass sie ganz normal sind und wahrscheinlich sehr nett und liebenswürdig erscheinen. Missbrauchsfamilien haben sehr viel Übung darin, das gesamte Umfeld zu täuschen.

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Deine Geschichte liest sich schrecklich.
Ich würde nie und nimmer dem Kontakt wieder herstellen. Auch zu deiner Mutter nicht. Solche Menschen sind gefährlich und die würde ich nie in der Nähe meiner Kinder wissen wollen.
Ich würde den Kindern solange sie klein sind, nur den Teil sagen, dass ihr einfach keinen Kontakt habt, das ist eben manchmal so. Wenn sie älter und verständiger sind, musst du für dich entscheiden, ob du deine Geschichte erzählen willst und ob deine Kinder damit umgehen können.
Verbieten tust du den Umgang aus einem triftigen Grund, da würde ich absolut kein schlechtes Gewissen haben. Es geht um die Sicherheit deiner Kinder.
Wenn du gerne eine zweite oma/Opa im Leben deiner Kinder haben willst, wäre vielleicht eine leihoma/leihopa etwas.
Das haben wir, und es ist toll. Diese Frau gehört für uns mittlerweile zur Familie 😊

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Das sind viele Parallelen bei uns beiden..

Auch ich habe den Kontakt abgebrochen. Auf Nachfragen meiner Tochter habe ich ehrlich gesagt, dass Oma eine Krankheit hat, die sie sehr böse gemacht hat. Dass sie immer böse war und nie anders sein konnte und mich das auch krank werden ließ. Damit ich wieder gesund werden konnte, musste ich den Kontakt abbrechen.

Das hat mein Kind gut verstehen können.

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Ich kann dir nur aus der Sicht eines Kindes schreiben, die aus einer Familie stammt, in der es kontaktabbrüche gab.
Meine Mutter stammt aus schweren Verhältnissen, einige ihrer Brüder haben den Kontakt abgebrochen, sie selber zu einer Schwester.
Es war halt so.
Sie hat erzählt, dass es da noch mehr Geschwister gibt, aber man eben keinen Kontakt hat. Ich hab es nie hinterfragt, auch später nicht, als ich wusste was alles vorgefallen war.
Es war normal,dass ich nur die Eltern meines Vaters als Großeltern hatte (die Eltern meiner Mama waren da schon tot, aber es hätte ihre Großeltern gegeben).
Wir reden hier auch von Missbrauch, Gewalt, alkoholabhängigkeit etc
Besagte Tante hat mal versucht Kontakt aufzunehmen, aber meine Schwester und ich haben beide abgelehnt. Unterschätzte nicht die Loyalität von Kindern gegenüber ihren Eltern.
Du scheinst dadurch trotzdem belastet zu sein. Wende dich doch vielleicht an einen Verein für missbrauchsopfer und lasse dich dort von menschen Schulen und beraten, die das thema häufig bearbeiten.

Eine sache noch die mir beim Lesen ausgefallen ist.
Du schreibst, dass du mit deinen Erlebnissen abgeschlossen hast, es jetzt aber wieder aufbricht. Dann hast du noch nicht abgeschlossen, bis aber in einer neuen Etappe deines Lebens, wo du neu den Umgang lernen musst. Wende dich nochmal an Therapeuten, damit du dein erlebtes weiter verarbeiten kannst.

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"Unterschätze nicht die Loyalität von Kindern gegenüber ihren Eltern"
Absolut.
In der Familie meines mannes haben zwei Enkelkinder den Kontakt zu den Großeltern abgebrochen, als sie alt genug waren zu verstehen wie toxisch und manipulativ die zwei sind. Und das obwohl die Eltern noch sporadisch Kontakt haben.

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Ich würde nur so viel beantworten, wie sie fragen. Ich würde vorerst nur verdeutlichen, dass Kontakt ausgeschlossen ist und sie dort nicht sicher wären. Dass es eben grundsätzlich Menschen gibt, die es nicht gut mit einem meinen; dazu zählen leider auch deine Eltern.

Meine Mutter hatte Kontakt zu ihren Eltern, letztlich auch ganz guten, aber auch ne eher miese Kindheit. Ich hab das alles als Kind nie in Frage gestellt (ich war halt nie alleine bei meinen Großeltern, wir waren eher selten dort usw. Ich bekam mit, dass das bei meinen Freunden anders war, aber für mich war’s halt normal, dass es bei uns nicht so war 🤷‍♀️). Als Teenie/junge Erwachsene erklärte meine Mutter dann mehr, was so in ihrer Kindheit war und alles erzählte sie sicher auch nicht - müssen wir aber auch nicht wissen 😊

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Ich habe meinen Kindern gesagt, dass meine Sippe böse Menschen sind, die viele schlimme Dinge gemacht haben und wir deshalb keinen Kontakt haben. Im Laufe der Jahre habe ich immer mal was erzählt, längst nicht alles, auch jetzt wo sie erwachsen sind, wissen sie längst nicht alles. Ich war und bin davon überzeugt, dass es meine Pflicht ist, meine Kinder vor dem Gruselkabinett zu beschützen und sie haben die Ernsthaftigkeit glaube ich gespürt und das nie ernsthaft in Frage gestellt. Sie haben im Kindergartenalter zum ersten Mal gefragt und danach hat es sich immer mal ergeben, drüber zu reden. Wie gesagt, ein bisschen, so wie es passte. Manchmal, um Empfindlichkeiten, die ich habe, zu erklären. Ich ertrage zum Beispiel bestimmte Gerüche nicht und es war deshalb immer verboten, Spray-Deos zu benutzen.

Mir ist noch etwas eingefallen: Mit eigenen Kindern wird vermutlich einiges wieder aufbrechen. Manchmal wirst du vielleicht krass irrational reagieren und es nicht unbedingt merken. Oder später erst. Aus meiner Sicht empfehlenswert, sich noch einmal eine Weile therapeutisch begleiten zu lassen.

Bearbeitet von Apfelkiste
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Liebe TE,

Mir tut deine schwere Erfahrung sehr leid. Ich kann zu der Kernfrage leider nichts fundiertes beitragen.

Aber mir fällt auf, dass du zwar sagst, deine Mutter weiss über mehrere Ecken über dich Bescheid-aber die Details wie Geburtstage der Kinder, Adresse… ich würde weniger ans Einwohnermeldeamt, als direkt an eine deiner Kontaktpersonen denken, die ein Informationsleck ist. Im Zweifel total gut gemeint nach dem Motto „Die aaarme Gisela, da muss man doch Kontakt herstellen, das hat sie nicht verdient und das ist ja auch gut für die Enkel!“

Ich weiss nicht wie offen und eng der Umgang mit deiner Schwiegerfamilie ist, aber ich würde wirklich überlegen, ob man dort entweder offen ansprechen kann, dass keinerlei Informationen fliessen sollen.
Oder alternativ austesten, wer die Infos weitergibt (gezielte Fehlinformation an nur eine Person z.B.) und dann ziemlich rigoros den Informationsfluss an der Stelle kappen.
Meine Erfahrung ist in dem Fall aufgrund von einem sehr hartnäckigen Stalker. In der Regel machen die keine so grossen Umwege, wie man denkt, weil die Menschen im Umfeld oft sehr naiv-hilfsbereit sind, wenn man sie nicht entsprechend sensibilisiert.

Alles Gute und halt sie alle von deinen Kindern fern🍀

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Das war auch mein Gedanke, dass das Einwohnermeldeamt die Daten im
Normalfall nicht weiter gibt. Sondern es da vielleicht doch einen privaten Kanal gibt.

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Es muss noch nicht einmal eine Kontaktperson der TE sein. Viel läuft auch über Bekannte von Bekannten deren Nachbarn.....

Beispiel: die Schwiegermutter meiner Tante ist im Restaurant aktiv auf meinen Erzeuger zugegangen und hat ihn auf das Enkelkind angesprochen. Weil sie neugierig war, ob sie dann diejenige ist, die ihm davon erzählt. Sie wusste, dass kein Kontakt besteht. Ich bin aus allen Wolken gefallen, als meine Tante mir davon erzahlte. Sie hatte sich ihre Schwiegermutter deswegen schon zur Brust genommen und war sehr beschämt über deren Verhalten.


Bei uns wird es ganz klar gehandhabt: Kein Kontakt. Sobald meine Tochter alt genug ist, um selbständig Kontakt aufzunehmen kriegt sie soviel von der Wahrheit gesagt, wie es bedarf damit sie von einer Kontaktaufnahme absieht.

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In meinem Leben hatte ich noch nie Kontakt zu meinem Großvater mütterlicherseits. Sie selbst und ihre Schwestern haben im jungen Erwachsenenalter alle den Kontakt abgebrochen. Er war wohl über lange Jahre ein gewalttätiger Alkoholiker, der das gesamte Vermögen der Familie versoffen hat. Sie hat es mir früh in einfachen Worten gesagt. Ich habe ihn nie kennengelernt und hatte nie das Bedürfnis. Zu einem Geburtstag hat er mir mal eine Karte geschrieben, da war meine Mutter höchst beunruhigt, woher er unsere Adresse hat. Er ist gestorben als ich ca 20 Jahre alt war. Da habe ich dann das Erbe ausgeschlagen, weil es alle anderen vor mir auch getan haben.

Ich habe seit einigen Jahren auch keinen Kontakt mehr zu meiner Mutter. Aber aus ganz anderen Gründen. Ihre Vergangenheit glaube ich ihr uneingeschränkt und habe nie Interesse an der Person meines Großvaters entwickelt.