Gibt es Kinder, die eine extrem lange Leitung haben?

Hallo!

Zunächst einmal vielen Dank für das Expertenforum. #herzlich

Ich habe eine Frage bezüglich meines 8jährigen Sohnes. Bei ihm habe ich den Eindruck, dass er zum Teil ewig und gefühlte 1000 Aufforderungen braucht, um Dinge, die wir als störend empfinden abzustellen. Zum Beispiel ist er scheinbar nicht in der Lage ordentlich am Tisch zu sitzen. Bei fast jedem Essen müssen wir ihn ermahnen, sonst baumeln die Beine sonstwo rum oder er sitzt auf nur einer Pobacke auf dem Stuhl. Nervig. Oder beim Gang durch den Hausflur. Wir möchten nicht, dass er die Treppenabsätze runterspringt oder durch den Hausflur ruft. Beides passiert nur nicht, wenn ich ihn noch mal unmittelbar vor dem Betretten des Hausflures erinnere. Ebenfalls sehr nervig. Was mich auch regelmässig ratlos macht, ist sein wiederholtes Fragen. Er fragt mich, ob er noch Tablet spielen darf. Wenn ich nein sage bleibt es auch dabei. Da das immer so ist, müsste er das wissen. Das hält ihn nicht davon ab 10 min später wieder zu fragen. Des öfteren fragt er sogar noch ein drittes Mal.#augen

Ist das noch normal? Gibt es Kinder die einfach ewig brauchen, um bestimmte Verhaltensregeln umzusetzen bzw. Dinge zu raffen? Für eine Einschätzung der Situation und Tipps wäre ich sehr dankbar.

Vielen Dank
Katharina

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Ich bin nicht der Experte aber ganz ehrlich, es ist ein Kind. Natürlich ist das alles normal. Kinder leben im JETZT, in genau diesem Augenblick. Natürlich muss man ein Kind mehrmals an Dinge erinnern, natürlich funktioniert das nicht beim ersten mal, natürlich muss man Dinge, die man erzieht zig mal sagen und vorleben. Das ist ein Kind und kein Roboter.

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Das mein Kind kein Roboter ist, ist mir tatsächlich auch schon klar. ;-)
Ich war mir nur unsicher wieviele Wiederholungen normal sind. Die Kinder meiner Freunde scheinen Dinge einfach schneller zu schnallen.

Grüße Katharina

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Hallo Katharina,

vielen Dank für Ihre Frage.

Kinder können einen ganz schön herausfordern, das erlebe ich auch so.

Sie stört konkret das Verhalten Ihres 8-jährigen Sohnes, der bei Tisch nicht gerade sitzt, die Treppenabsätze herunterspringt und am liebsten die ganze Zeit auf dem Tablet spielt. Und sie fragen sich, ob er zu lange braucht, um sein Verhalten zu ändern.

Für mich wäre das von Ihnen geschilderte tatsächlich ein altersgemäßes Verhalten. Ich kenne sogar ältere Kinder, die sich genau so verhalten – meins mit eingeschlossen. Und ich denke: Alles ist gut.

Vielleicht ist es hilfreich, zwei Dinge zu wissen: Zum einen haben Kinder einen ausgedehnten Bewegungsdrang. Der wird aber durch das lange Sitzen in der Schule und zuhause meist stark eingeschränkt. (Wir als Menschen sind wirklich nicht dazu geschaffen, um lange zu sitzen.) Irgendwo muss der Bewegungsdrang sich aber ausbreiten dürfen. Also beginnt das Kind zum Beispiel freudig die Treppe runterzuspringen. Zum anderen lernen Kinder nicht unbedingt, in dem wir als Eltern ihnen eine Regel einmal erklären. Selbst die meisten Erwachsenen lernen nicht so. Meine Frau sagt mir ständig, ich soll das eine ändern oder das andere lassen – meistens vergesse ich das oder ich habe schlicht und einfach keine Lust mich zu ändern. Kinder sind da kein bisschen anders.

Verhalten lernen Kinder normalerweise durch Nachahmen. Wenn sie sehen und spüren, dass uns Eltern etwas wirklich wichtig ist und wir das selbst leben, dann wollen sie das häufig auch machen. Es gibt einige Dinge, da eifert mich mein Sohn regelrecht nach.

Zu viele Regeln erzeugen hingegen sehr oft Druck. Und auf Druck antworten viele Kinder mit Gegendruck oder sie knicken ein. Beides halte ich nicht für förderlich für die Entwicklung. Daher glaube ich bei Regeln gilt: Weniger ist mehr. Ich konzentriere mich auf die Regeln, die meines Erachtens wichtig sind. Also zum Beispiel ist uns die Regel „Du fährst mit dem Fahrrad immer auf dem Bürgersteig“ wichtiger als gutes Benehmen bei Tisch. Nichtsdestotrotz weise ich bei Tisch unsere Kinder auch darauf hin, wenn mich etwas stört. Nur bin ich bei dieser Regel nicht so unnachgiebig wie im Straßenverkehr.

Was das Tablet angeht: Ja, Kinder können unglaublich hartnäckig sein. Zum Glück. Nur so können sie und können wir als Menschen überhaupt lernen. Es ist diese Hartnäckigkeit, die uns ermöglich etwas Kompliziertes zu erlernen – zum Beispiel laufen lernen. Ein Kleinkind fällt viele hunderte Mal hin, bevor es seine ersten Schritte tut. Das geht nur, weil es trotz allem Scheitern hartnäckig dranbleibt. Und ja: Diese Fähigkeit kann uns Eltern schon mal zur Weißglut treiben ;-)

Wenn ihnen das Tabletverbot wichtig ist, dann bleiben sie bei Ihrem Nein. Ich finde es wichtig, Nein zu sagen. (Wenn das Nein aus einem liebevollen Ja zum Kind kommt.) Die Herausforderung für uns Erwachsene ist die Hartnäckigkeit des Kindes nicht als Angriff oder gar Boshaftigkeit zu verstehen.

Was mich noch interessieren würde, wäre: Was sind die Stärken Ihres Sohnes? Worauf sind Sie richtig stolz?

Ich wünschen Ihnen alles Gute, im richtigen Moment starke Nerven und im richtigen Augenblick viel Gelassenheit.

Christopher End

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Vielen Dank für ihre Antwort. Es ist für mich gut zu wissen, dass sein Verhalten soweit normal ist. Er ist insgesamt ein lebendiges Kerlchen, in dem unheimlich viel Energie steckt (physisch und auch mental) Das empfinden ich auch als seine Stärke und ich bin auch stolz darauf, dass er keine Schlaftablette ist. ;-) Allerdings denke ich auch, dass er lernen sollte sich in bestimmten Situationen zu zügeln. Er darf seinen Bewegungsdrang durchaus ausleben, aber wir finden, er sollte auch lernen auf andere Rücksicht zu nehmen, zum Beispiel in dem er auf unsere Nachbarn Rücksicht nimmt und leise durch das Treppenhaus geht. Im Moment ist das offenbar noch zu viel verlangt. Wahrscheinlich haben Sie Recht und ich muss etwas mehr an meiner Gelassenheit arbeiten. Ich bin von diesen ewigen Wiederholungen nämlich sehr angenervt.

Viele Grüße

Katharina

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Hallo Katharina,

oh ja, es kann nervend, wenn die Kids das nicht lernen :-)

Tatsächlich ist es für sie in dem Alter noch schwierig Konsequenzen ihres Handelns abzuschätzen. Der Grund: Der Bereich des Gehirns, der für vorausschauendes Denken und Planen ("Wenn ich laut durchs Treppenhaus renne, dann ärgern sich die Nachbarn und dann schimpft Mama mit mir.") zuständig ist, ist noch nicht völlig ausgeprägt. Das dauert in der Regel bis zum Ende der Pubertät – manchmal sogar bis 21 Jahre. Also: Wir brauchen noch vieeeel Geduld.

Und ja: Erinnern und wiederholen hilft :-)

Viele Grüße

Christopher