Drohende Frühgeburt 26+4 Zwillinge

Lieber Herr Dr. Jahn,

ich liege seit 3 Wochen im Krankenhaus (Level 1) mit Fruchtblasenprolaps, ca. 4 cm geöffnetem Muttermund und vermutlich hohem Blasenriss (verliere immer wieder Fruchtwasser).

Heute bin ich bei 26+4 und es sieht so aus, als würden meine Zwillinge bald per Kaiserschnitt geholt werden müssen. Ein Kind liegt mit Fusslage, sobald die Fruchtblase richtig platzt werden sie beide Kinder holen.

Noch haben meine zwei Jungs beide genügend Fruchtwasser, Ctg und Doppler sind gut. Die Kinder werden also noch gut versorgt und wachsen schön weiter.
Ein Junge wiegt geschätzt ca. 1050 gr, der andere ca. 900 gr.

Lungenreife haben wir bei 23+5 erhalten. Ich habe diverse Antibiotika erhalten, seit wenigen Tagen aber keins mehr. Habe noch einen Keim (Citrobacter freundii) der aber nicht behandelt wird. Entzündungswerte sind meistens stabil, heute leicht steigend aber lt. Ärzten nichts dramatisches.

Ich habe große Ängste um meine Kinder.

Wie schätzen Sie ihre Chancen ein, sollten die Kinder tatsächlich bald per Kaiserschitt geholt werden?

Was wird vermutlich alles auf uns zukommen, mit welchen Schäden ist zu rechnen?

Was kann ich noch tun, damit meine zwei Jungs möglichst lange noch im Bauch bleiben können?

Vielen herzlichen Dank für Ihre Bemühung!!

April90

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Liebe April90,

Ich kann Ihre Sorgen sehr gut verstehen.

Wie so häufig, ist in so einem Fall eine pauschale Antwort nicht möglich. Die Verläufe sind unterschiedlich und können nicht mit Gewissheit vorhergesagt werden.

Würden Ihre Jungs jetzt geboren werden, wären die geschätzten Gewichte für die Schwangerschaftswoche völlig in Ordnung. Darüber hinaus berichten Sie, dass sie sich gut entwickeln, ihre Versorgung über den Mutterkuchen gut ist. Die Lungenreifebehandlung ist abgeschlossen.

Ob Ihre Zwillinge demnächst per Kaiserschnitt geboren werden, kann ich nicht sagen. Man möchte verhindern, dass zusätzlich zur Frühgeburtlichkeit noch eine Infektion hinzukommt. Der Blasensprung begünstigt die Möglichkeit, dass Keime zur Fruchthöhle aufsteigen und dort eine Infektion verursachen. Wenn die Situation sich in die Richtung entwickelt, dass eine Infektion vorliegen könnte, wird man die Kinder rasch holen. Zum einen, um den Kindern zu helfen, nicht zuletzt aber auch, um Sie nicht zu gefährden. Sie wären von dieser Infektion ebenso betroffen, wie Ihre Kinder.

Zur Zeit gibt es dafür aber, Ihrer Schilderung nach, keinen Hinweis.

Wenn man bedenkt, dass eine Schwangerschaft normalerweise 40 Wochen dauert, so kann man sich vorstellen, dass eine Geburt, knapp 13 Wochen früher, Probleme mit sich bringen kann.

Das Hauptaugenmerk läge am Anfang besonders auf der Atmung der Kinder. Ihre Kinder würden eine Unterstützung brauchen. Ob dazu eine Atemhilfe ausreicht, die die Eigenatmung unterstützt, oder ob ein Einführen eines Beatmungschlauches in die Luftröhre zur Beatmung notwendig werden würde, wäre davon abhängig, wie sich Ihre Kinder an die Situation außerhalb des Mutterleibes anpassten. Sehr wahrscheinlich wäre auch der Einsatz eines Medikaments, dass in die Lunge gegeben wird, sog. Surfactant, um die Atmungssituation weiter zu verbessern. Außerdem würde man aufgrund des lange zurückliegenden Blasensprungs eine antibiotische Therapie beginnen.

Was nach dieser Behandlung in den ersten Lebensminuten bzw. -stunden passiert, ist von vielen Faktoren abhängig, die sich aufgrund der Frühgeburtlichkeit und möglichen Komplikationen ergeben können, aber eben nicht müssen.

Hier zitiere ich gern Arvo Yilppö, einen finnischen Kinderarzt, der einmal sinngemäß gesagt hat: „Was aus einem Frühgeborenen wird, weiß man mit einiger Wahrscheinlichkeit erst in hohem Alter kurz vor seinem Tode.“

Sie machen, unterstützt von Ihren behandelnden Ärztinnen und Ärzten, alles, was Sie zur Zeit machen können. Und so machen Sie weiter. Solange es Ihren Kindern gut geht, ist jeder Tag, den die Schwangerschaft fortschreitet, ein guter Tag.

Alles erdenklich Gute und liebe Grüße

Kinderarzt.jahn

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Vielen herzlichen Dank für Ihre ausführliche Antwort und die Bemühungen!

Noch sind die zwei im Bauch, heute ist 27+0. Nachdem jeder Tag so viel bringt sind wir hierfür erstmal dankbar.

Liebe Grüße