Not-Sectio verarbeiten?

Hallo liebe Forengemeinde,

Ich habe bereits im Februar meinen Sohn per absolut hektischem Notkaiserschnitt viel zu früh als Extremfrühchen entbunden.
Ich merke nun, wo der Alltag zuhause einkehrt,dass dieses Geschehen absolut noch nicht gesackt ist. Ich habe furchtbare Alpträume von den Momenten kurz vor der OP, träume von angeblichen Gesprächen während der OP und der schmerzhaften Situation beim Aufwachen.

Mich lähmt dieser Zustand, denn ich will einfach glücklich und zufrieden sein dass es noch einen einigermaßen guten Ausgang genommen hat.

Als ich meinen Hausarzt vorsichtig darauf angesprochen habe, hat mir dieser Johanniskraut verschrieben. Stärkere Medikamente sind nicht möglich da mein Sohn nachts an einen Monitor angeschlossen ist und ich sofort einsatzbereit sein muss, wenn ein Notfall vorliegt.

Hat noch jemand diese Erfahrung gemacht? Wann wird es besser? Was hat geholfen? Ich habe schlimme Selbstzweifel und fühle mich schuldig. Neben der ganzen Situation auch wegen meiner jetzigen Undankbarkeit.

Ich danke euch, Kalina

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Du Arme! Ich hab im September meinen Sohn 6 Wochen zu Früh bekommen. Er war ein spätes Frühchen. Auch ich kämpfe noch mit der Verarbeitung der Geburt und alles Drumherum. Ich habe also eine leise Ahnung, wie es dir geht. Ich halte dich nicht für Undankbar. Wie kommst du drauf? Du hast den blanken Horror erlebt und musst, wenn ich das richtig verstanden hab, ja immer noch zittern. Das kann man nicht alleine verarbeiten. Mir hat die Hebamme im Krankenhaus angeboten die Geburt mit ihr nochmal aufzuarbeiten. Das Angebot möchte ich vielleicht gerne nutzen. Vielleicht ist man in deinem Krankenhaus auch bereit, die Geschehnisse mit dir aufzuarbeiten? Ansonsten würde ich an deiner Stelle einen Psychologen aufsuchen. Du brauchst jemanden, der dir hier beistehen kann. Da reicht meines Erachtens ein Laie nicht aus. Dafür hast du zu viel mitgemacht.
Ich drücke dich ganz fest. Du warst bis hier her so stark. Hoffentlich kannst du bald zur Ruhe kommen und beginnen seelisch zu heilen.

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Hallo,
ich antworte als Papa. Unsere große war 1 Tag nach der Geburt auf der Neo. In Summe verbrachte Sie auf der ersten Neo 1 Woche. Es war eine Massenneo, alles Leid und Glück hat man mitbekommen. Es war dort sehr hektisch, die Ärzte (mwd) mE total überfordert, immer ist ein Alarm runter ... . Es war eine grausame Zeit. Nach einer Woche wurde wir entlassen und ich musste Sie selbst in die UniKlinik fahren (dort hat man mich erst "angemacht" wie ich so ein krankes Kind selbst fahren könnte, na ja, war ja nicht meine Entscheidung). Dort waren es EInzelzimmer und die Orga bedeutend besser. Aber es kam nach der ersten OP zu einem riesen Narkoseüberhang und der zweite Eingriff war bedeutend länger als geplant.
Ich bin ehrlich, ich habe bis heute einen Knacks davon getragen. Er lähmt mich zum Glück nicht mehr, bei den Zwillingen danach sind wir proaktiv geworden und haben 100km entfernt entbunden.
Das einzige was mir hilft ist "reden, reden, reden", leider block meine Familie (als Opa und Oma sowie die Brüder) das immer wieder ab. Zum Glück haben sich auf der ersten Neo Freundschaften gebildet, dort reden wir alle immmer wieder über das Gleiche, aber es hilft.

Bist du dir denn sicher, dass du im Moment nicht einfach "nur funktionierst", so nennen wir die Phase in der das Kind einen noch voll braucht. Da gibt es keine Zeit fürs "Verarbeiten", da funktioniert man einfach. Meine bessere Hälfte war darin auch unbeschreiblich und unbegreifbar gut. Diese Phase endet, wenn das kleine Wunder nicht mehr die vollste sondern nur noch die volle Aufmerksamkeit braucht. Dann wird es auch besser.
Bei uns gibt es auch von einer Hebamme - leider nur für die Frauen - eine Gesprächsrunde für solche Fälle. Na ja, wir Männer sind dann mit den Kinderwagen oder eben so spazieren gegangen.

Gegen die Alpträume schau ich viele Geburtsdokus (also meistens über Frühchen) und habe Abends ein Ritual, eine Tasse mit warmer Honigmilch, eingeführt.

Ich drücke dich fest!

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Drüber reden ist ganz wichtig, google doch mal nach Facebook Gruppen oder Selbsthilfe Gruppen in deiner Nähe, da kann man mal zusammen spazieren gehen oder sich corona technisch über video austauschen.. Alles gute!

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Ich danke euch. Für eure Tipps und Strategien.
Und auch mal für die Sicht eines Papas!

Ja, reden..das kann ich mit meinem Partner, er scheint es wesentlich besser weggesteckt zu haben. Auch mit einer anderen Früchenmama und Freunden. Aber es ist doch immer wieder anders, was ich fühle.

Es gibt scheinbar keinen Grund für die Frühgeburt. In der SS war es ja meine alleinige Aufgabe den Wurm zu schützen und ich habe das Gefühl, versagt zu haben.
Corona macht alles nicht einfacher. Durch die Lungenschädigung kapsel ich mich mit dem Wurm so ziemlich ab. Er hatte bereits einmal einen normalen Infekt, was sich bei ihm mit schlimmer Atemnot äußert. Da ist der Austausch und auch therapeutische Maßnahme eher schwer.

Ich habe mir schon überlegt meinen OP Bericht anzufordern. Aber ob das was bringt? Bekomme ich das überhaupt? Die denken doch ich spinne total..

Es kam einfach absolut nichts so wie geplant. Mir fehlt der erste Blick auf mein Baby, seinen ersten Schrei. Die Glückwünsche.
Plötzlich war er da. Um mich herum war überall Schweigen und Stille. Niemand hat mir gratuliert. Alle die mir nahe standen, haben einfach nur mit uns gebangt, ob er überlebt, was die ersten 4 Wochen ein täglicher Kampf war.

Ich habe den ganzen Tag darüber gegrübelt, aber der KS ist immer wieder der Ausgangspunkt. Dort habe ich die Kontrolle verloren und erst viel später wiedererlangt, wenn überhaupt.

Ich danke euch. Ihr habt mir nochmal einige Denkanstöße gegeben

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Hallo, das tut mir sehr leid was du durchmachten musstest.

Ich habe such lange an unserer Geburt geknabbert. Bei meinen Recherchen bin ich auf diese Seite gestoßen:

https://www.emotionelle-erste-hilfe.org/

Und habe mir diese schon abgespeichert, falls es diesmal wieder so sein sollte. Und werde mir zügig Hilfe holen. Das habe ich letztes mal verpasst. Ich finde der Ansatz hört sich gut an. Wenn nicht, würde ich dir auch empfehlen, dir professionelle Hilfe zu holen. Muss ja keine ewig lange Therapie daraus werden, falls dich das abschreckt. Viele Therapien finden momentan online statt. Das sollte dich nicht abschrecken. Manchmal braucht man einfach etwas Hilfe von außen, damit man gestärkt wieder weiter machen kann. Vorallem, da bei euch die belastende Situation ja noch noch weiterhin besteht.

OP Bericht kannst du natürlich anfordern. Und vielleicht ist es hilfreich für dich, das Geschehen mal von außen zu sehen.

Fühl dich gedrückt 🌸

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Hallo Kalina
Ich würde dir ebenfalls raten therapeutische Hilfe zur Aufarbeitung anzunehmen um dieses Trauma aufzuarbeiten. Momentan wird das ja auch viel online über Video angeboten.
Liebe Grüße!

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Liebe Kalina,

das hört sich nach einem sehr schweren Weg an, den du gehen musstest. *Ich drücke dich*

Ich selbst hatte auch eine Not-Sectio die ich auch noch nicht ganz verarbeitet habe.

Ich möchte dir ans Herz legen, dir professionelle Hilfe zu suchen, denn es hilft wirklich. Oft versteht man gar nicht, wie es einem wirklich geht bis man endlich durchatmet und sich traut hinzugucken und in sich zu horchen.
Mir hat damals bereits mein Gynäkologe einen Psychologen empfohlen.
Tatsächlich habe ich mir aber eine private Therapeutin gesucht, die übers Telefon arbeitet. Das hat mir sehr geholfen! So konnte ich, eine Therapie in meinen Alltag integrieren. Es tut so gut, mit jemand über dieses Thema zu sprechen, der es vollends versteht. Ich bin so froh, dass ich eine Therapie begonnen habe! Es geht mir jetzt schon viel besser.

Und natürlich hilft es darüber zu sprechen, mit Familie und Partner. Aber die Gespräche mit einem Therapeuten sind nochmal auf einer ganz anderen Ebene und helfen deswegen umso mehr.

Du kannst mich gerne auch privat anschreiben. Ich hoffe für dich, dass du einen Weg findest, das Erlebte zu verarbeiten

Alles Liebe und Gute ❤️

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Hallo und vielen Dank,

Brauche ich für eine telefonische Therapie eine Überweisung von meinem Hausarzt?
Ich muss mich mal informieren, ob ich da einen Platz bekomme. Das wäre mit dem Zwerg am einfachsten, da kann er auch notfalls mal auf dem Arm beim Gespräch dabei sein.

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Hallo,
wenn die Kosten der Therapie von der Krankenkasse übernommen werden sollen brauchst du ein Rezept vom Arzt und einen Therapeuten der eine kassenärztliche Zulassung hat.
Ich kann mir vorstellen, dass mittlerweile viele Therapeuten auf telefonische Therapie umgestiegen sind.

Meine Therapeutin rechnet allerdings privat mit mir ab.

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Hallo,

mein Sohn kam vor 5 Jahren unter ähnlichen Umständen zur Welt...

ohne jetzt alles breitzutreten, es war der horror. An eine beschissener Klinik hätte ich wohl kaum geraten können! Und ja, das beschäftigt mich noch immer. Mittlerweile ist es aber wirklich Wut (nicht selbstzweifel oder schuldgefühl). In einer anderen Klinik (zb die, in die mein Sohn direkt und ich zwei Tage später kam) wäre das ganze sicherlich nicht derart traumatisch abgelaufen.
aber, auch wenn ich heute noch immer verärgert bin, ich bin unendlich dankbar, dass mein Sohn so unbeschadet davongekommen ist! Die Freude über ihn überwiegt definitiv!

Mein Tipp: lass alle Gefühle, die sich auftun, zu! Du darfst heulen und schreien, schweigend im Bett liegen... was auch immer dir im jeweiligen Moment hilft. Man muss da, glaube ich, einmal so richtig durch. Dann kann man es akzeptieren und irgendwann damit leben lernen.
es irgendwie in eine positive Erfahrung/ Erinnerung umzuwandeln, ist glaube ich nicht möglich. Man muss sich erlauben, die Geburt eben nicht wie viele andere, als das schönste im Leben zu erlebt zu haben, sondern schlicht als den Geburtstag des kindes. Was natürlich ein schönes Erlebnis ist, aber die Umstände eben nicht...

fühl dich gedrückt! Es wird besser, versprochen!