Angst vor einer Hochzeit, wegen meinen Eltern :-(

Guten Morgen,

ich bin nicht mehr ganz "jung", Ende 30 und mein Partner ist Mitte 40. Seit wir zusammen sind, ist es wie im Märchen. So voller Gefühl, Liebe pur.

Nun will er mich sogar heiraten! Das wäre für mich ein Traum, es ist alles perfekt.

Aber so blöd es klingt: Ich habe Angst vor dem Hochzeitskuss, weil meine Eltern dabei sind. Ich habe nie von meinen Eltern gelernt, Gefühle zu zeigen. Vor meinen Eltern bin ich immer stocksteif, zeige keine Gefühlsregung. Keine Freude, keine Trauer - nichts.

Auf Beerdigungen weine ich nicht, wenn sie dabei sind, auf Familienfeiern tanze ich nicht, wenn sie dabei sind. Ich küsse oder umarme meine Kinder nicht und schon gar nicht meinen Partner. Mir ist vor meinen Eltern einfach alles peinlich! Ich habe mich vor ihnen immer unter Kontrolle, bin bieder, streng und gefühlskalt.

Und wenn ich heirate, weiß ich ganz genau, dass der Hochzeitskuss nach dem Jawort von Seiten meines Partners sehr sehr sehr gefühlvoll rüberkommen wird.

Weil mein Freund einfach ein sehr gefühltsbetonter Mensch ist, der mich nie los lässt, mich immer irgendwie berührt, wenn wir beisammen sind. Auch bei meinen Kindern macht er das. Im Vorbeigehen, über den Kopf streicheln, hier ein Schmuser, da ein zärtlicher Knuff. Ich liebe das an ihm, wie er mit uns umgeht.

Wir sind alle sehr liebevoll im Umgang miteinander.
Aber vor meinen Eltern kann ich das nicht. Ich habe da eine innere Blockade.

Letzte Woche habe ich einen regelrechten Schock bekommen, als mein Freund und ich Hand in Hand durch die Stadt schlenderten, vor uns meine Kinder, ebenfalls Hand in Hand. Da sah ich meine Eltern und ließ sofort seine Hand los, putzte meine Nase, wühlte in der Handtasche, mein Freund schaute mich nur verwirrt an, weil ich nervös war und immer wieder meine Hand weggezogen habe. Mit schlechtem Gewissen begrüßten wir meine Eltern und ich mit der Hoffnung, sie haben uns nicht Hand in Hand gesehen..... Oberpeinlich ist mir auch der Gedanke, sie "könnten" denken wir haben Sex! (Obwohl es ja ganz normal ist, dass wir welchen haben).

Was soll ich nur tun?



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Was soll ich nur tun?


Einen Psychologen aufsuchen.

So etwas wird früher oder später deine Beziehung belasten. Wer weiß, was dahinter steckt und jahrelang verdrängt wurde.

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Was könnte denn verdrängt worden sein? Gibt es irgendwo psychologische Berichte oder Beispiele?

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Das hört sich nach "Sekten-Erziehung" an.

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"Oberpeinlich ist mir auch der Gedanke, sie "könnten" denken wir haben Sex"

Du bist ja süß - was denken denn wohl Deine Eltern, wo Du Deine Kinder her hast?:-p

Aber mal im Ernst, ihr könnt ja auch alleine (bzw. nur mit Euren Kindern) heiraten, wenn das so ein Problem für Dich ist.

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"Du bist ja süß - was denken denn wohl Deine Eltern, wo Du Deine Kinder her hast?"

Ja, was meinst du, wie peinlich es mir war, zu "beichten", dass ich schwanger bin! Ich habe bis zum 4. Monat damit gewartet......

Eine Fehlgeburt hatte ich vorher. Es tut mir heute noch in der Seele weh für mein "Sternchen", WIE ich es meinen Eltern erzählt habe, dass "ES" weg ist.... Kaltherzig, als wenn es mir egal ist, dass mein Kind nicht leben konnte...... Dabei trauere ich heute noch und knabbere noch an dieser schlechten Erfahrung.

Zu meinen Eltern sagte ich nur "Na und? Ist doch egal, ob der Arzt mich ausschabt, in ein paar Tagen bin ich wieder fit". Dabei habe ich mich auf das Kind gefreut....

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Vielleicht möchtest Du uns mal etwas mehr erzählen, wenn Du hier schon Hilfe suchst.
Interessant wären schonmal die folgenden beiden Punkte:

1. Wie ist das Verhältnis Deiner Eltern zueinander? Also wie gehen sie miteinander um, lieben Sie sich oder leben sie nur noch nebeneinander her?
2. Wie haben sie Dich aufgezogen? Eher sachlich kontrolliert, ohne Dir zu gestatten, Gefühlsregungen zu zeigen oder liebevoll, warm und herzlich?

Es muss ja einen Grund haben, warum Du Dich so vehement weigerst, Deinen Eltern gegenüber und in deren Beisein anderen Menschen gegenüber Gefühle zu zeigen. Dir scheint auch klar zu sein, dass das etwas ist, was Du heraus finden musst, ansonsten kannst Du dieses Problem (und es scheint ja massiv zu sein, wenn Du deswegen auf Deine Hochzeit verzichten willst) nicht beheben.
Übrigens kann man so etwas in einer Gesprächstherapie herausfinden. Manchmal dauert das nur wenige Sitzungen, es kann durchaus genügen zu erkennen, warum Du Dich so verhältst, um von Dir aus dagegen anzugehen. Sitzt die Problematik tiefer kann es natürlich auch länger dauern und mehr Arbeit an Dir erfordern.
Ich würde damit jedenfalls nicht weiter leben wollen und ich wünsche Dir im Hinblick auf eine glückliche Zukunft auch, dass Du es angehst und in den Griff bekommst.

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Hallo,

danke für deine Antwort.

Zu 1.
Meine Eltern verstehen sich wohl gut. Sie machen alles zusammen, genießen auf bescheidene Art das Leben (die Rente). Sie sind finanziell gut gestellt, wo wir Kinder auch etwas von haben. Dass sie sich lieben, davon gehe ich aus, ihr Leben ist sehr aktiv gestaltet und abwechslungsreich. Sie sind aber immer allein und haben keine Freunde/Bekannte und halten sich von Verwandten (außer 1-2 Leute) fern.

Ich bin eigentlich die Einzige, die mit dem meisten Kontakt.

Alles, was in unserer Familie / Verwandtschaft vorfällt (Krankheiten, Tod, Scheidungen etc.), darüber reden sie nicht. Alles bleibt geheim und dringt niemals nach draußen (z. B. Nachbarschaft). Ich könnte auch krass behaupten, nach außen hin spielen sie heile Welt. Vielleicht ist ihre Welt (Ehe) heil, aber wenn ich krank wäre oder meine Schwangerschaften damals würden sie nie erzählen. Wenn eine Nachbarin fragt, erzählen sie halt immer nur, alles ist toll. Wenn ich z. B. in Trennung leben würde oder eins meiner Kinder psychisch krank wäre, würden sie sowas totschweigen.

Ich habe noch nie gesehen, dass meine Mutter gefühlvoll war. Selbst mein Vater küsst oder umarmt meine Kinder nicht, wenn meine Mutter oder ich dabei sind. Wenn er sich unbeobachtet fühlt, habe ich ihn schon dabei ertappt, wie er eins meiner Kinder einen Bussi bekommen hat. Kommt mein Vater meiner Mutter mal näher und ich bin dabei, weicht sie auch aus. Ja, ein wenig spiegelt sich hier mein Verhalten. Aber warum???

Zu 2.
Mein älterer Bruder und ich wurden sehr streng erzogen. Von beiden Elternteilen. Mein jüngerer Bruder durfte hingegen alles. Die Zensur "3" in der Schule bedeutete schon Verbote und Verzicht, Anschreien, Hausarrest. Der kleine Bruder hingegen bekam für eine "5" einen Kinobesuch etc., damit er mal "abschalten" kann.

Wir hatten ein Riesenhaus mit Garten, aber keine Schaukel, Sandkiste etc. Durften fast keine Freunde mit nach Hause bringen. Und wenn wir dann woanders gespielt haben, haben sie uns abends ein schlechtes Gewissen gemacht, dass wir uns den ganzen Tag "rumtreiben" (in der Nachbarschaft).

Komisch, ich habe nicht viele Erinnerungen an meine Kindheit, diese kleinen Dinge ^^ fallen mir zuerst ein.

Es ist mal durchgeklungen, dass meine Mutter selbst auch nie Liebe erfahren hat.....durch den Krieg usw.

Spreche ich sie auf früher an, fängt sie sofort an zu weinen, verlässt den Raum und dann wird mein Vater böse und meint, ich soll meine Mutter in Ruhe lassen. Ich will meiner Mutter nichts böses, ich weiß ja manchmal nicht, dass sie gleich anfängt zu weinen, aber mein Vater poltert dann sofort los, als wenn ich sonstwas verbrochen habe.

Ansonsten sind meine Eltern hilfsbereit, gleichen aber viel mit Geld aus. Es gibt bei uns Geld statt Liebe. Das war schon immer so. Es hat mir vieles erleichtert, aber auch vieles erschwert. Meine Kinder bekommen mindestens einmal im Monat eine große Tüte Klamotten von H & M. Aber wenn ich sie mal bei meinen Eltern abliefere und das Kleine anfängt zu weinen (weil müde oder einfach nur quengelig), ist meine Mutter hilflos und sie bekommen das Kind nicht beruhigt (klar, in den Arm werden sie ja nicht genommen). Dann bekomme ich hinterher Vorwürfe, warum ich ein müdes quengeliges Kind bei ihnen abgebe (das kann ich mir ja nicht aussuchen, wenn ich an dem Tag einen wichtigen Termin habe).

Fielen wir Kinder auf die Nase oder hatten aufgehauene Knie, haben wir vor Schmerzen geweint, dann bekamen wir keinen Trost, sondern einen 20-DM-Schein! Lagen wir mit Masern oder Grippe und Fieber im Bett, bekamen wir Spielzeug, Bücher, Kassetten......aber niemand saß an unserem Bett und kühlte uns den Kopf.

Jetzt, wo ich mir den Text nochmal durchgelesen habe, finde ich das ganz schön traurig. Das sind Dinge, die ich all die Jahre verdrängt habe.












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Na, das ist aber ganz schön lang geworden :-) - und ehrlich gesagt überrascht mich nichts von dem, was Du da beschreibst.

Ich zitiere mal einen meiner Ansicht nach stark aussagekräftigen Schlüsselabsatz:

"Ich habe noch nie gesehen, dass meine Mutter gefühlvoll war. Selbst mein Vater küsst oder umarmt meine Kinder nicht, wenn meine Mutter oder ich dabei sind. Wenn er sich unbeobachtet fühlt, habe ich ihn schon dabei ertappt, wie er eins meiner Kinder einen Bussi bekommen hat. Kommt mein Vater meiner Mutter mal näher und ich bin dabei, weicht sie auch aus. Ja, ein wenig spiegelt sich hier mein Verhalten. Aber warum??? "

Deine Schlussfolgerung ist meiner Meinung nach falsch herum aufgezogen: Nicht Deine Mutter spiegelt Dein Verhalten, sondern Du ihres! Du hast gelernt, dass es "Unrecht" ist, Gefühle anderen Menschen gegenüber zu zeigen, wenn Deine Mutter dabei ist. Das "gehört sich nicht". Deswegen unterlässt Du es ganz einfach.

Solltest Du versuchen, Dein Verhalten selbst zu therapieren, müsstest Du jetzt zunächst in Gedanken dagegen vorgehen. Stell Dir vor, Du nimmst im Beisein Deiner Mutter die Hand Deines Mannes. Was passiert jetzt? Was denkst Du, was empfindest Du? Und was denkst Du, was sie denkt und empfindet? Spiel das Ganze mehrmals durch, notiere Dir eventuell genau was Du erwartest (von Dir und von ihr) und lass es wirken.
Vielleicht wird Dir klar, dass es Blödsinn ist, was Du dann empfindest (das musst Du aber ehrlich von Dir selbst denken), dann kannst Du zum nächsten Schritt übergehen: Du nimmst einfach wirklich mal die Hand Deines Mannes ganz absichtlich und bewusst, wenn sie dabei ist. Und schaust, was mit Dir und ihr passiert.
Übrigens würde ich Deinen Mann einweihen - zeig ihm ruhig, falls Dir die Worte fehlen das, was Du mir geschrieben hast, um ihm zu erklären, wieso Du Dich "merkwürdig" verhältst.

Bitte sei Dir im Klaren, dass ich nur eine Hobbypsychologin bin und keinerlei Ausbildung dahingehend gemacht habe. Ich könnte auch noch viel mehr schreiben, aber das würde garantiert den Rahmen hier völlig sprengen. Was ich vorschlage, sind nur die Dinge, die ICH in Deiner Situation tun würde. Ich würde es zunächst alleine versuchen, aber würde ich merken, ich komme nicht weiter, würde ich ganz gewiss professionelle Hilfe annehmen.

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