Lebenskrise, Lebenskampf und Neid

Hallo,

Ich weiss nicht ob das Folgende in diese Kategorie passt. Es geht nicht primär um Partnerschaft. Aber in andere Foren passt es auch nicht.

Ich habe einige harte Jahre hinter mir. Ich war früh alleinerziehend, hatte Depressionen, missbräuchliche Beziehungen die in Dramen endeten. Dann wurde ich schwer krank, anschliessend Medikamentenabhängig finanziell ging's mir beschissen. Die letzten drei Punkte habe ich überwunden. Es kam auch eine Zeit, in der es mir besser ging.

Um Moment läuft's wieder schlechter. Ich weiss gar nicht wie ich's beschreiben soll. Es sind mehrere kleinere Probleme die hier einzeln aufgelistet nicht ganz so dramatisch klingen. Die Beziehung zu meinem Kind hat in den harten Jahren gelitten, es ist in der Pubertät und wir streiten uns heftig. Durch Krankheit und Gewichtszunahme bin ich sehr unzufrieden mit meinem Äusseren. Und ich habe mich immer sehr darüber definiert. Deswegen gehe ich auch ungern raus.Meine beiden besten Freunde sind kurz hintereinander verstorben. Ich habe ständig Zoff mit meinen Eltern ( bin beruflich auf sie angewiesen). Partnerschaft klappt auch nicht, da ich optisch nicht mit mir im reinen bin.

In psychotherapeuthischer Behandlung bin ich bereits. Kleine Schritte wird mir da immer gesagt. Aber in letzter Zeit fehlt mir manchmal auch dafür die Kraft. Oder besser gesagt der Wille.

Ich weiss es klingt affig und kindisch. Aber ich empfinde es manchmal als ungerecht. Ich habe Krankheit und Sucht besiegt. Ich bin beruflich wieder auf die Beine gekommen, habe mein Kind alleine großgezogen. Wieso ist immer noch alles so schwierig? Wieso muss ich für Dinge kämpfen, die für andere selbstverständlich sind?

Nur ein kleines Beispiel: durch meine Erkrankung haben meine Zähne stark gelitten. Es waren mehrere Implantate und Kronen notwendig. Zahnverlusst, monatelange Diskussionen mit der Krankenkasse, Operationen, nur damit ich wieder ordentliche Zähne habe. Und das obwohl sie top gepflegt und bis vor der Erkrankung tadellos waren.


Mir ist bewusst, dass ich nicht alleine vom Schicksal gestraft bin. Ich hätte mir einen ordentlichen Vater für mein Kind suchen können und erst nach dem Studium schwanger werden sollen. Niemand hat mich gezwungen meine Medikamente überzudosieren. Ich hätte früher wieder mit Sport anfangen und weniger fressen sollen, und es ist sträflich, dass durch die Folgen Unternehmungen mit meinem Kind gelitten haben

Aber wenn ich in den Freundes und Bekanntenkreis schaue, befällt mich manchmal der Neid. Alle haben sich im Teeniealter oder Anfang zwanzig kennengelernt, Ausbildung und Studium abgeschlossen, Kinder bekommen, Haus gebaut. Geschenkt bekommen hat das keiner, Probleme gibt's da auch. Aber ich habe das Gefühl, dass ich trotz größerem Kampf weniger "rausbekomme".


Ja, es gibt Menschen die es viel härter getroffen hat als mich. In den Monaten im Krankenhaus habe ich sie gesehen. Meine beiden besten Freunde haben mit Anfang dreissig ihr Leben lassen müssen. Im verbleibenden Freundeskreis gibt es niemanden, der eine richtige Lebenskrise hatte. Ich ernte auch viel Mitleid , was nicht hilfreich ist.

Im Moment ist mir irgendwie danach das Leben einfach loszulassen. Und damit meine ich nicht Suizid. Sondern einfach manche Kämpfe nicht mehr zu führen und Hoffnungen einfach zu begraben.Ich bin Mitte dreissig und habe das Gefühl, mein Leben ist jetzt schon gelaufen weil mir entscheidende Jahre fehlen. Beruflich bin ich zufrieden, werde die Position, in die ich wollte aber nie erreichen. Ich wäre gerne nochmal Mutter geworden. Das wird wohl nicht passieren.die Folgen meiner Erkrankung werden für immer spürbar sein, ebenso die Angst vor deren Rückkehr. Die Sucht wird immer über meinem Kopf schweben. Für Partnerschaften bin ich wahrscheinlich zu vorbelastet. Was bleibt ist mein Kind, und das ist viel ich weiss. Aber es braucht mich auch immer weniger und in ein paar Jahren wird es seine eigenen Wege gehen.

Und obwohl mir mein Herz jetzt schon beim Gedanken an seinen Auszug blutet, verspüre ich auch etwas Erleichterung. Dann habe ich nicht mehr die Pflicht, etwas aus meinem Leben zu machen und für ein gutes Leben weiter zu kämpfen. Das erscheint mir im Moment zu schwierig und aussichtslos.

Gibt es hier Jemand, der meine Gedanken nachvollziehen kann, der vielleicht schon in einer ähnlichen Krise war, und wieder rausgefunden hat?

Ich entschuldige mich schon mal für den langen, etwas wirren und fehlerhaften Text. Aber mir laufen beim schreiben etwas die Tränen.

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Hallo,

ich DANKE euch allen vielmals und aus ganzenmHerzen! Die Antworten haben mir wirklich sehr geholfen, hätte nicht gedacht, dass ich durch einen Thread soviel Input bekomme.

Hab viel darüber nachgedacht und bin auch zu einer für mich sehr wichtigen Erkenntnis gekommen. Was mir an der ganzen Sache offenbar am meisten zu schaffen macht ( und das war mir tatsächlich bis Gestern gar nicht klar) ist fehlende gesellschaftliche Akzeptanz. Was ich geschrieben habe ist eigentlich falsch. Mich stört nicht, dass andere mehr herausbekommen haben, obwohl sie weniger zu kämpfen hatten als ich. Sondern dass deren Erfolge und Bemühungen einfach mehr gewürdigt werden, als meine.

Ich lebe in einer kleinen Stadt, viele hier kenne ich, viele kennen meine Geschichte. Die einen begegnen mir mit Mitleid, weil ich schon viel überstehen musste, die anderen sehen mich als Versager, weil ich meine Möglichkeiten nicht voll ausgeschöpft habe. Am schlimmsten ist das bei meinen Eltern. Meine Geschwister sind beide sehr erfolgreich, ich habe in ihren Augen bisher nicht viel erreicht. Als Kämpferin würde mich in meinem Bekanntenkreis glaube ich keiner bezeichnen. Aber eigentlich bin ich dass, nur dass meine Erfolge für andere eben weniger sichtbar sind.

Ein Haus zu bauen bringt dir mehr Prestige als eine schwere Krankheit zu besiegen, zu 20, 30, 50 Jahren Ehe wirst du mehr beglückwünscht als dazu ein Kind alleine gross gezogen zu haben ( dem haftet ja immer der Makel einer gescheiterten Beziehung an), für das besiegen einer Sucht bekommst du natürlich auch keinen Orden.

Ich glaube ich habe mich dadurch sehr runterziehen lassen und aufgehört an mich zu glauben und mich selbst zu lieben. Ich weiss nicht ob das für jeden nachvollziehbar ist. Aber bei mir hat sich durch das aufschreiben und eure Kommentare irgendwie ein Knoten gelöst.

Ich werde mir auf jeden Fall eure Tipps zu Herzen nehmen und habe mir schon einiges aufgeschrieben.

Yoga zb. hat mich schon immer interessiert, mit Spiritualität habe ich mich auch schon beschäftigt. Warum ich beides nicht weiter verfolgt habe, weiss ich selbst nicht. Vielleicht auch weil das in meinem Bekanntenkreis eher weniger eine Rolle spielt. Gerade die mit den "glatten" Lebensverläufen scheinen kein grosses Interesse daran zu haben

Aber vielleicht ist ja das die grosse Chance, die ein Leben wie das Meine mit sich bringt: mehr Offenheit für solche DInge.

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Liebe sisasu866

🤗

Ich bin auch nicht erfolgreich, wenn man die 'übliche' Messlatte nimmt. Habe kein Haus, bin im Erwachsenenalter nochmals anorektisch geworden und trage die 'Krankheit' seit 6 Jahren mit, habe nicht die mögliche Karriere gemacht, sondern mrin Kind zuhause genossen....

So what. Du musst niemandem etwas bewiesen. Es ist ganz allein Dein Leben und was Du daraus machst und wie Du lebst (ausser Du plagst Dein Kind) ist Deine Sache.
Eine alte Bekannte (wurde 101 jährig) hat immer gesagt (schweizerdeutsch) : nimm mini äugli (meine Augen) und lueg (schau).

Ich finde Dich toll. Du nimmst Kritik an, reflektierst Dich selber und scheinst unglaublich offen und warmherzig zu sein! DAS sind wahre Werte! Und darum geht es doch im Leben! Um Liebe, Ankommen. Bei mir steht lieber mal auf dem Grabstein: sie war ein toller Mensch anstatt: sie hatte einen tollen Job!

Alles Gute! Du machst das wirklich super. Sei stolz!

Xund

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Hallo, wie du schon selbst schreibst, du hast viel hinter Dir. Du hast es gemeistert, darauf kannst du stolz sein!

Mein Rat für Dich: Arbeite an den störenden Dingen, die du ändern kannst (etwas für deinen Körper tun, Erziehungsberatungsstelle aufsuchen, kleinere Probleme lösen, für Klarheit sorgen...) und akzeptiere, dass manche Dinge so sind wie sind- und das Leben trotzdem schön sein kann! Konzentriere dich auch auf das, was du hast und was gut läuft und nicht nur auf das was nicht gut läuft.

Und: Hast du schon mal eine Kur gedacht?

Ich wünsche Dir alles Liebe

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Zu akzeptieren und loszulassen ist die beste aller Ideen. Alles Gute für dich 🙂

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Ich habe eine andere Vergangenheit, als du und bin trotzdem vom Schicksal ziemlich gebeutelt worden. Es gab Zeiten, in denen ich ernsthaft über Suizid nachgedacht habe, das ist inzwischen zum Glück Jahre her. Ich empfand es auch oft als ungerecht. Hab mich gefragt, warum ich? Warum wandern manche so leicht durchs Leben und ich muss immer kämpfen?!
Bis der Wendepunkt in meinem Leben kam. Ich habe mir psychologische Hilfe gesucht (Verhaltenstherapie) und mein Leben umgekrempelt.
Heute schau ich zurück und bin stolz, auf alles, was ICH schon gemeistert habe, wo andere schon lange aufgegeben hätten!
Schau, was du schon alles geschafft hast und erkenne es als deinen Erfolg an. Du bist stark! Wenn es dir psychisch wieder besser geht, schaffst du es bestimmt auch ein paar Kilos abzunehmen. Ich denke, du musst versuchen, psychisch wieder auf die Spur zu kommen.
Alles Gute!

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Heyhey.

Vlt stosse ich Dich jetzt vor den Kopf:

Auch ich war (bin) krank (Anorexie/Panikattacken - hat Du Bulimie?), bin vergewaltigt worden in der Pubertät, hätte beruflich erfolgreicher sein können und bin single (habe meinen Mann 'vergrault' nach 21 Jahren mit div. Aktionen).

Aaaaaber (und da trete ich Dich in Deinen Allerwertesten) : Du bist undankbar gegenüber Dir und anderen, Du haderst und Du siehst Dich als Opfer. Du bist verkrampft.

Nun denn:
-Du streitest mit Deinem Pubertier - perfekt, eure Beziehung scheint oke zu sein, denn Pubertiere lösen sich ab. Und dazu braucht es Differenzen, Anderssein, Austesten.... Und ja, das braucht Kraft, wenn Du vlt probierst, dieses 'wehren' Deines Kindes nicht mehr persönlich zu nehmen, geht ein gewisser Frust weg. Bei denen wird tatsächlich das Hirn umgebaut (MRI sieht vorher anders aus als nacher, von den Hormonen reden wir gar nicht erst).
- beruflich: nie? Du bist noch jung, vlt geht da noch was? Wieso auch nicht.. . Und abgesehen davon: manchmal ist etwas nicht zu bekommen (die Position die Du möchtest) auch ein Segen.
- deine Figur: dann auf zum Sport! Komm aus der Opferrolle raus. Sport wäre auch gut für Deine Gedanken.
- die anderen : was weisst Du denn, was bei anderen hinter der Türe läuft? Nur weil du offen über Deine Krise sprichst, tun das andere noch lange nicht. Ich mache Yoga, da gibts den Spruch: bleib auf Deiner Matte, sprich, schau nicht, wie beweglich, stark oder mutig die neben Dir ist, sondern bleib bei Dir. Was Du gerade leistest, wo Du schon weiter bist als Du gestern warst und erlaube Dir, Dich zu schonen, wenn s heute mal nicht so toll läuft. Sch**ssegal, was die anderen tun.

Ich persönlich habe auch Kämpfe ausgetragen, nur ist meine Sicht der Dinge immer schon eine andere. Ich bin nie ein Opfer. Ich lasse mich nicht dazu machen und mache mich nicht selber zu einem - weil ich entscheide, wie ich mit einer Situation umgehe.
Was mir in den letzten Jahren sehr geholfen hat ist die Überzeugung, dass irgendjemand (Gott? (hat nichts mit der Bibel zu tun) Schöpfer? whoever) die Fäden zieht, die Rollen verteilt und uns führt. Ich habe abgegeben. Ich nehme mich selber auch nicht zu ernst oder zu wichtig. Wir sind hier nur ein kleines Teil im 'Puzzle' und: die Welt braucht uns genauso wie wir sind.
Und genau das fragst Du in Deinem letzten Satz: soll ich loslassen. Ja! Du brauchst nicht mehr zu hadern, weil alles richtig ist, so wie es ist. Das bedeutet nicht, sich gehen zu lassen, sondern sich anzunehmen mit allem, was man gedacht hat, dass es unter Scheitern läuft, mit allen Macken und Unschönheiten. Und dieser Blick hat mir geholfen, Kraft zu haben, Dinge, die ich WIRKLICH ändern will, ändern zu können.

Alles Liebe
Xund

Ps: ich hab auch ein Pubertier. Stell Dir mal vor, wenn Du später Mutter geworden wärst - hätte ein anderes Spermium gewonnen und Du hättest jetzt nicht deinen perfekt inperfekten Terrorkrümel!

Es ist alles richtig, so wie es ist!

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Was für ein toller Text von einer offenbar tollen Frau!

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🙏

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Hat nicht jeder Mensch irgendwo sein Päckchen zu tragen?
Glaub mir, bei anderen ist auch nicht alles Gold was glänzt. Wenn ich ehrlich bin, kenne ich kaum Menschen, die wirklich zufrieden mit ihrem Leben sind. Entweder sind sie gesundheitlich angeschlagen, es läuft auf der Arbeit schlecht oder die Ehe ist schon lange am Ende. Sie verstecken es nur besser.😊
Du für Dich kannst entscheiden, es zukünftig anders zu machen. Vor allen Dingen bist Du dabei, Dinge zu verändern. Sei doch einfach mal stolz auf Dich.
Eine Figur ist nur eine äußere Hülle und sagt rein gar nichts über Dich als Person aus. Daran kannst Du arbeiten oder es akzeptieren wie es ist und ein Stück Torte genießen. Mensch Du bist erst 35 und keine 100! Am besten Du machst Dir eine Liste, was Du in Zukunft verändern willst oder noch erleben willst. Kopf hoch! 😊 Hier das Stück 🍰😂!

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Ich finde du hörst dich total reflektiert an. Respekt!
Vielleicht musst du nur endlich annehmen, dass du ein besonderes Päckchen zutragen abbekommen hast. Und nur weil es anderen schlechter oder besser geht, ändert das irgendwas für Dich. Es ist wie es ist und wenn es gerade wieder schwierig ist, dann ist das so.
Wäre vielleicht eine Rehamaßnahme was für Dich? Dein Kind kann ja als Begleitperson auch mit kommen.
Sonst hab ich keine schlauen Tipps für Dich, aber einfach mal alles schreiben was belastend ist, tut gut...
Also alles Liebe für Dich.

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Wenn Du im Moment traurig und unzufrieden bist, mit Deiner Situation, dann gibt es nur einen Menschen, der Dir helfen kann:
Das bist DU Selbst!

Manche Dinge kann man nicht ändern, die muss man akzeptieren, oder die Sichtweise darauf überdenken.
Das Wichtigste ist aber, glaube an DICH Selbst und an Deine Kraft!

Du hast so viel durchgestanden und überstanden! Darauf kannst Du stolz sein, hadere nicht mit Deiner Vergangenheit, sondern lass sie Dich stark machen.
Vergleiche Dich nicht mit Anderen. Neid ist ein negatives Gefühl, es schwächt Dich.

Auch, wenn es jetzt komisch klingen mag : ich glaube daran, dass nur die starken Menschen große und schwere Aufgaben vom Leben bekommen.
Ich glaube daran, dass man immer diese Aufgaben bekommt, die man im Stande ist zu bewältigen.

Gib niemals auf und sei auf DICH stolz - Du bist so eine starke Frau!
Und nun kämpfe Dich durch den Rest#klee

Wische Dir die Tränen weg und packe es an - Deine besten Jahre fangen jetzt mit 35 an!

Alles Liebe und Gute Dir #klee

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Hallo

Vergleichen macht unzufrieden.
Außerdem stimmt die Binsenweisheit " Unter jedem Dach ein Ach", genau wie man keinem hinter die Stirn schauen kann.

Mit Mitte Dreißig ist nun gar nichts gelaufen.
Bei mir z.B. ging es da eigentlich erst so richtig los mit dem prallen Leben.

Ich würde dir auch zu einer Kur raten.
Auch Yoga könnte dich weiter bringen und Sport überhaupt.
Je fitter du dich fühlst um so mehr wird deine Psyche mit ziehen.

Alles Gute

#klee#klee#klee#klee