Hallo
Ich hätte von euch gern gewusst, was ihr denkt, wenn ihr das lest.
Ich weiß nicht, was ich denke.
Im Juli 2019 fing bei uns ein neuer Kollege an. Er beeindruckte mich am ersten Arbeitstag mit seinem guten Gefühl für unsere Jugendlichen.
Wir arbeiten mit Jugendlichen aus problematischen Verhältnissen.
Er kam auch aus der Jugendarbeit zu uns.
Im Oktober fuhren wir zwei mit 8 Jugendlichen zu einem Kennenlerncamp. Mein Kollege beeindruckte mich sehr mit seiner unkonventionellen Art und ich hatte das beste Kennenlerncamp erlebt, was ich mir vorstellen konnte. Wir griffen ineinander wie zwei Zahnräder! Ich habe vorher schon mit anderen Kollegen 6 andere Camps durchgeführt und dieses war eben einfach anders und ... einfach... Ja. Einfach. Kein pädagogisches Gelaber, keine endlosen Auswertungsrunden, keine unendliche Reflektion. Wir hatten 3 Tage Spaß. Ganz einfach. Ich habe die Organisation übernommen und er hat sich um die Beschäftigung gekümmert und dort wo einzugreifen war, griff ich ein, ohne jemals das Gefühl zu haben, was falsch zu machen.
Danach war es leider so, dass wir chronisch unter extremen Personalmangel litten. Eine Kollegin ist in den Mutterschaftsurlaub gegangen und es findet sich niemand neues. Seit Oktober nicht mehr. Mein Kollege wusste vor lauter Arbeit nicht mehr wo ihm der Kopf stand. Mehrfach habe ich mir Sorgen gemacht. Er konnte einfach nicht sagen "fasst mich an die Füße, ich bin krank". Kam im Urlaub und am Wochenende auf Arbeit. Ich bin nur 1 Tag pro Woche da, weil ich eigentlich ne Leihkraft von ner anderen Firma bin, ich konnte ihm nichg helfen und wusste auch einfach nicht, was ich machen sollte.
Im März sag ich noch, dass wir das neue Oktobercamp planen sollten und ich mich auf ne neue Zusammenarbeit freue und 1 Woche später erfahre ich, dass er am 15. April geht. Bekannterweise konnte ich mich am 15. April nicht von ihm verabschieden. Ich durfte die Firma nicht betreten. Auf meine whattsapp reagierte er nicht. Als ich dann Ende April (?) wieder in die Firma durfte, musste ich in seinem Büro sitzen, weil die Plätze der Büros neu verteilt wurden. An seiner Tür klebte noch ein Zettel von ihm "gleich wieder da".
Eigentlich kann ich mich gut zusammenreißen, aber bei mir brachen alle Dämme und ich habe mich unendliche 10 Minuten lang nicht in den Griff bekommen. Gott war iiich froh, dass grad niemand was von mir wollte!!!!
Mich hat meine Reaktion sehr überrascht.
Ich habe eigentlich ein Problem damit, dass er so ein "Weltenretter" ist. Ja, die Jugendlichen stehen hier im Fokus, aber man selbst hat auch Bedürfnisse. Ein Helfer, der sich selbst nicht hilft, wird desillusioniert und verliert den Fokus.
Außerdem finde ich seine Art zu essen abstoßend.
Aber trotzdem mache ich mir, seit ich ihn kenne, Gedanken was wäre wenn wir uns getroffen hätten, ohne dass ich kinder und Mann habe....
Heute habe ich ihn telefonisch erreicht. Mir war das einfach wichtig. Ich habe es mehrfach probiert, weil mir klar war, dass er nicht so der handytyp ist.
Mensch, ich habe fast geweint. Er fehlt mir so!!! Das gibts doch nicht!!! Ich will doch gar nichts von ihm und ich will nie was von ihm wollen! Kann ich ihn auch einfach als guten Freund vermissen? Muss da immer was romantisches dahinter stecken, wenn man wen vermisst???
Was denkt ihr , wenn ihr das lest?
Arbeitskollege
Ich hatte auch so einen Kollegen, der jetzt vor kurzem gekündigt hat. Wir haben auch super zusammen gearbeitet und ich bin auch traurig.
Wir haben super miteinander reden können und er hatte einen sehr wertschätzenden Umgang mit den Mitarbeitern. Ich glaube, du trauerst weniger den romantischen Gefühlen nach, sondern dir hat die Zusammenarbeit einfach Spaß gemacht. Solche besonderen Kollegen findet man leider sehr selten.
Dann müsste ich ja lesbisch sein 😂 ich hab nämlich auch so eine Kollegin und als sie mir Anfang Januar sagte, dass sie wahrscheinlich zum Herbst eine neue Stelle hat, hab ich angefangen zu weinen 😅😅😅 danke corona, sie bleibt bei mir und wechselt nicht 😍 bin ich nun lesbisch? 🤔 nein, ich denke man kann einen Kollegen/Kollegin auch ohne romantische Gefühle ins Herz schließen und vermissen 😁
Das muss nichts mit romantisch zu tun haben.
Manche Menschen sind mir einfach wichtig. Weil ich sie lieb gewonnen habe, weil sie mir wichtig sind, weil sie tolle Menschen sind.
Vertrauen, eine Wellenlänge, tolle Zeit usw.
Je tiefer die Freundschaft, umso mehr vermisse ich sie/mache mir Sorgen um ihr wohlergehen.
Manchmal ist es auch "nur" der Beschützerinstinkt.
Wenn ich merke, dass sich jemand nicht um sich selbst kümmert und für andere aufopfert, dann löst das bei mir zweierlei aus
1. Beschützerinstinkt und rutschen in die Verantwortungsrolle.
Da ich diese an Erwachsenen nicht ausleben kann und NICHT WILL zeigt sich das dann im Sorgen machen.
2. LMAA das muss ich tun, um mich selbst zu schützen. Jeder ist für sich selbst verantwortlich.
Am liebsten sind mir Erwachsene, die ihre eigenen Grenzen kennen und achten und darauf hören/umsetzen.
Das nimmt mir viel Last von den Schultern. Weil in 1. rutsche ich sonst automatisch. Zu 2. muss ich mich dann selbst um mich selbst kümmern und auf mich achten.
Verstärkt dadurch, dass die ein oder andere Bezugsperson nicht auf sich selbst geachtet hatte und ich als Kind so Angst hatte, sie zu verlieren, dass ich als Kind in die Versorgerrolle geschlüpft bin.
Da muss ich auf mich selbst aufpassen.
Das andere ist recht simpel und doch sehr heftig:
je aprupter etwas ändert oder sich verändert, desto schwieriger ist es für mich emotional damit umzugehen.
Jemand kündigt, ich weiß es, ich mag die Person, kann mich verabschieden. Passt.
Jemand kündigt/wurde gekündigt, es kommt nebenbei raus, man hatte Berührungspunkte, ohne wirklich eng zu sein. Und zack, weg.
Wie geht es der Person? Ist was schlimmes passiert? "Hat alles seine Richtigkeit?" Geht es der Person gut?
In deinem Fall waren es wohl mehrere Faktoren
- Vertrautheit
- ihr habt euch gut verstanden
- durch Zufall von der Kündigung erfahren
- sehr kurzfristig
- keine Verabschiedung, kein noch Worte mit auf den Weg geben, kein eigenes inneres loslassen
- das Schild an der Tür, das die Situation bizarr macht. Jemand der gleich wieder kommt, obwohl die Person nicht wieder kommt
- nicht wissen, wie es ihm geht
- bei seiner arbeitsweise nicht wissen, wie es ihm geht
- nicht wissen, ob man ihn nachträglich erreichen kann
(bei Verstorbenen kann man zum Friedhof, bei Freunden kann man nach deren Umzug anrufen usw.)
- die Gesamtsituation Corona und wie es weitergeht
Ich würde wetten, unter anderen Umständen wäre es für dich einfach ein toller Kollege mit Vertrautheit und Wellenlänge gewesen.
Entweder hättet ihr das als kollegiale Zusammenarbeiten können oder er wäre dir irngedwann auf die Nerven gegangen, wenn die Sorge um seine Gesundheit / ob er kurzfristig wegen Überlastung ganz ausfällt mitschwebt.
So waren es wohl die Gesamtumstände, die eine hochemotionale Reaktion ausgelöst haben.
Der Kopf weiß es, die Seele braucht einfach noch Zeit, das zu verarbeiten.
Nein, da muss nichts romantisches dahinter stecken.
Bei mir ist das auch so. Ich habe einen Kollegen, den ich einfach sehr, sehr gerne mag und er mag mich auch. Wir treffen uns auch privat, schreiben oder telefonieren.
Er steht auf Männer, ich bin verheiratet.
Er ist für mich was ganz besonderes, ich habe noch nie so jemanden getroffen, der mir so wichtig ist, den ich einfach so gerne mag - als Mensch.
Früher als Kind/zu Schulzeiten hätte man einfach Freundschaft geschlossen. Ich verstehe nicht, warum das aufhören sollte, nur weil man erwachsen ist und ich halte es durchaus für möglich, dass Mann und Frau befreundet sind.
Ich war kürzlich auf einem Seminar und habe von dort gleich zwei Kontakte mitbekommen, weil zwei Menschen meinten: hey, das war so nett mit uns. Wir sollten uns wiedersehen.
Mein Mann kennt seinen besten Kumpel, weil der sich neben dem beruflichen Kontakt getraut hat zu fragen, ob man auch mal privat einen Kaffee trinkt. Da waren beide Ü30.
Ich greife zu, wenn mir Menschen sympathisch sind und biete an, in Kontakt zu bleiben. Warum denn nicht?
Vielen Dank für eure Antworten! Das hat mir sehr geholfen und nimmt mit etwas das schlechte Gewissen, wenn ich mir wünsche ihn wieder zu sehen.
Als Freund.