was ist denn eigentlich liebe

Hallo liebe Urbianer*innen,

ich habe folgendes.. Ich bin Scheidungskind und Einzelkind, so lange ich mich erinnern kann habe ich immer Phasen gehabt in denen ich mich sehr einsam fühlte. Ich war auch eher eine Einzelgängerin.
Ich hatte kurze Beziehungen, meist wurde ich verlassen. Ich hatte aber auch ein entsprechendes Beuteschema. Mit Anfang 30 traf ich meinen zukünftigen Mann. Wir haben 2 Kinder bekommen, wir waren wahnsinnig verliebt und hatten 4 tolle Jahre. Dann hat sich vieles verändert. Er arbeitete nicht mehr, musste er auch nicht, er nahm mir immer mehr ab, sodass ich am Ende dachte ich wäre überflüssig. Er wurde cholerisch, schrie die Kinder an.. er gibt heute selbst zu, wie stur er in bestimmten Dingen war und mir nicht entgegen gekommen ist.
Nun sind wir bereits geschieden und mir geht es nicht gut. Ich vermisse mein zu Hause, Halt, jemanden der da ist. Ich habe niemanden. Keine Geschwister, Freunde kommen und gehen. Nein, natürlich habe ich gute Freunde aber ich habe den Eindruck in dieser schweren Zeit ist vor allem mein Ex-mann für mich da. Er hat sicher Hintergedanken, er will uns ja zurück. Ich fühle keine körperliche Anziehung, aber, es gab Zeiten da konnte ich ihn nicht mal umarmgen. Ich mag ihn wieder, aber Liebe? Ich weiß gar nicht, wenn ich mir meine Großeltern ansehe, die haben es auch geschafft. Mit Respekt und Wertschätzung. Mein Opa hat meine Oma auch noch jahrelang betreut und gepflegt als sie krank wurde. Das würde meine Exmann sicher auch für mich tun. Und ich glaube sonst niemand. Ich muss sagen, wenn mit ihm was wäre, würde ich auch mein Bestes geben. Aber ohne körperliche Anziehung?
Wir sind bereit 5 Jahre kein richtiges Paar mehr und seit 1 Jahr räumlich getrennt. Er hat damals alles ausgesessen. Das hat mich unglaublich verletzt. Ich glaube er fängt jetzt an nachzudenken. Es scheint als würde er Dinge verstehen. Aber geht das? Kann man ohne Liebesgefühle neu anfangen und kann sich das wieder entwickeln? Mit Liebesgefühle meine ich tatsächlich die körperlichen Dinge.. So verstehen wir uns gut und wenn es um die Kinder geht bekommen wir beide leuchtende Augen.

Wie seht ihr das?

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Ich finde ja, dass eine körperliche Anziehung ganz elementar ist für eine Beziehung. Nicht etwa, dass man unbedingt wie in der ersten Zeit ständig überienander herfallen muss, aber dass man den anderen einfach gern anfässt, gern zusammen einschläft, die körperliche Nähe mag und nicht ablehnt. Alles andere kann man in einer Freundschaft ausleben.
Aber dass ihr auf einer freundschaftlichen und respektvollen Beziehung zueinander steht, ist doch enorm wichtig und wird auch euren Kindern zugutekommen. Erzwingt nichts, geht unbefangen miteinander um. Und wenn sich dann doch eines Tages wieder ein Gefühl deinerseits einstellt, was über eine Freundschaft hinausgeht, dann lass es zu. Aber zwing dich nicht, das geht nicht gut. Was du beschreibst, hört sich nach einer Nähe an, die man als Eltern von Kindern nun einmal hat/im besten Fall haben sollte. Euch verbindet einfach viel. Aber ich lese bei dir eine verzweifelte Suche nach jemandem heraus, der dich liebt. Und dieses Gefühl ist toll, aber man sollte es in einer Beziehung auch erwidern können. Sonst tust du deinem Partner nichts Gutes.

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Ja ich glaube, dass ihr mit eurer sehr soliden Basis wieder zu einem tollen Paar werden könnt.
Ihr habt euch vor Jahren geschworen: in guten wie in schlechten Zeiten. Natürlich klappt das nicht immer aber ich finde eure Probleme relativ "normale" und typische Eheprobleme die lösbar sind.
Ich denke es wäre sehr wichtig, dass ihr mal den Fokus auf EUCH zwei legt. Ich würde auch behaupten, dass ein Paartherapeut für euch zwei wichtig wäre um eben die Dinge aufzuarbeiten die in den Jahren vorgefallen sind und noch zwischen euch zu stehen scheinen.
Ihr müsst es beide wollen!
Ich glaube aber, dass es alles andere als auswegslos ist mit entsprechender Hilfe.

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Kennst du das Trio Eros, Philia und Agape? Alle verkörpern einen Teil dessen, was Liebe ist oder sein kann. Eros ist die körperliche Anziehung, der Wunsch nach körperlicher Verschmelzung, Philia die freundschaftliche Liebe: sich herzlich zugetan sein, einander vertrauen, achtam miteinander umgehen, gemeinsame Ziele verfolgen. Agape ist die selbstlose Liebe, die Liebe, die nicht fragt, sondern bedingungslos ist. Alle drei bilden eine solide Basis für eine Liebesbeziehung, aber es sind sicher nicht alle drei immer gleich präsent. In Krisenzeiten kann man wohl vor allem auf Agape zählen. In guten Langzeitbeziehungen wird wohl vor allen Philia die tragende Instanz sein. Eros ist kein besonders verlässlicher Kandidat. Hört man nur auf ihn, nascht man mal an diesem, dann an jenem Blümchen und beendet Beziehungen, wenn das Kribbeln im Bauch weg ist.

Dir scheint Eros zu fehlen. Agape sprichst du an: ihr würdet einander vermutlich pflegen, auch wenn der andere nicht mejr ist, was er war, wenn er eben zum Pflegefall geworden ist.

Was mir nicht klar ist: Wie sieht es bei euch mit Philia aus? Dein Expartner scheint dich oft verletzt zu haben und nicht besonders achtsam mit dir umgegangen zu sein. Traust du ihm denn zu, künftig ein Freund zu sein? Woran machst du fest, dass er sich verändert hat und zwar auf Dauer? Habt ihr gemeinsam Ziele/Werte/Interessen außerhalb der Kinder (denn der Kinder wegen wieder zusammenzukommen, ist sicher keine gute Idee).
Und kannst du auf Eros verzichten? Und wie steht dein Partner denn dazu? Ihr müsstet dringend darüber reden, wer mit welchen Erwartungen einen Neustart will.
Warum macht ihr keine Paartherapie, um zu schauen, wo ihr gerade steht?

Ich finde es absolut legitim zu sagen, wir gehen als Team Philia gemeinsam durchs Leben. Warum man es dann Beziehung nennen muss, ist mir unklar? Warum bleibt ihr nicht Freunde? Wieso willst du wieder eine "Liebesbeziehung"? Was sind deine Motive? Verlustangst? Angst davor, im Alter alleine darzustehen? Alles legitim, aber ihr solltet drüber sprechen.

Und was passiert, wenn du jemanden triffst, der deinen Eros aufs Tapet bringt? Oder wenn das deinem Expartner passiert? Wäre vielleicht das Konzept Eltern-WG mit offener Beziehung etwas, auf das ihr euch beide einlassen könntet?

Vielleicht ist Eros ja auch noch nicht mausetot bei dir in Bezug auf deinen Partner. Mein Expartner hat mich so dermaßen verletzt, dass Eros durch sein Verhalten ins Koma gefallen ist und mein Körper ist defintiv nachtragender als mein Geist: Wie soll ich mich jemanden hingeben, der mich mal im Kern getroffen hat?
Vielleicht geht das, wenn ich über eine lange Zeit erfahren darf, dass Philia und Agape unser Verhältnis wieder prägen, vielleicht sind das auch Wunden, die nicht heilen.... Man wird sehen.

Es gibt so viele Konzepte jenseits einer konventionellen Liebesbeziehung: ein Freund von mir lebt seit 20 Jahren mit der Mutter seiner Tochter eine tiefe Freundschaft in unterschiedlichen Wohnungen ohne Eros. Sie sind aber einander so tief verbunden, dass sie erste Ansprechpartner in allen Lebenslagen sind und gemeinsam in Urlaub fahren, Weihnachten feiern, obwohl die Tochter längst flügge und außer Haus sind. Lieben sie sich? Ja. Halt anders als in Hollywood-Filmen.
Also: vielleicht mal gemeinsam out of the box denken, was geht und was nicht und wo ein gemeinsamer Nenner liegen könnte.

Wir sind gerade Eltern in unterschiedlichen Wohnungen, die viel reden und beide noch nicht wissen, wohin die Reise geht. Ich werde aber einen Teufel tun, am Gras zu ziehen, damit es in eine bestimmte Richtung wächst. Und ganz sicher werde ich Eros nicht brutal aus dem Koma reißen. Entweder der erwacht von alleine oder eben nicht.
Ich hab ihn schon zu oft missbraucht, um wieder Harmonie herzustellen. Das nimmt der mir bis heute übel.

Die schönste Antwort auf die Frage, was Liebe ist, gibt übrigens, wie ich finde, Niels Frevert. Der holt mich altes zynisches Weib, dass auch oft denkt, Liebe sei nicht mehr als eine nervöse Zuckung, total überbewertet, da ab, wo ich stehe. Hör mal rein, wenn du magst. Ist ein kleines bisschen kitschig, aber das ist Liebe ja irgendwie auch im besten Sinne:

https://youtu.be/1INBIRgTsIA

Dieses tiefe Gefühl, das hätte ich gerne... Vertrauen, Geborgenheit, ein emotionaler Hafen...

Empfindest du das für deinen Partner? Dann habt ihr eine achance.

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hallo, wow, das ist mal ein wirklich sehr wertvoller beitrag über den ich länger nachdenken werde. gerne wüßte ich mehr von dir, alter, was passiert ist.. wäre pn ok? liebe grüße und nochmals dank für den anstoss.

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Klar kannst du mich via PN abschreiben. ;-)

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Liebe kann sich sicher wieder entwickeln, aber solange das bei dir nicht der Fall ist, würde ich keine Beziehung eingehen.

Das was du beschreibst klingt nach freundschaftlichen Gefühlen,die ich meiner besten Freundin gegenüber habe.
Mein Mann ist zwar auch mein bester Freund, aber gleichzeitig auch Partner. Sprich er zieht mich auch körperlich an.
Das scheint bei dir zu fehlen,aber gerade das macht den Unterschied zu Freundschaft und Beziehung.

Warte lieber ab, so machst du niemanden was vor. Entwickelt sich mehr bei dir ist es ok. Kommt nichts mehr, dann hast du einen guten Freund und eure Kinder können sich glücklich schätzen Eltern zu haben, die trotz Trennung gut miteinander klar kommen.

Gehst du dennoch ohne Liebe wieder eine Partnerschaft mit ihm ein, wirst du trotzdem einsam im Herzen bleiben,weil einfach das Kriterium der körperlichen Anziehungskraft fehlt.

Ein gutes soziales Umfeld kann zwar keinen Partner ersetzen, aber es stärkt das allgemeine Wohlbefinden.