Erinnerungen an längst vergangene Geschichten loslassen

Hallo zusammen,

seit einigen Jahren bin ich verheiratet und das auch sehr glücklich. Die letzten Jahre waren turbulent, geprägt von Hauskauf und Nachwuchs, beruflicher Festigung und der ein oder anderen anspruchsvollen privaten Situation (nie unsere Beziehung betreffend, die war immer sehr gut). Mein Mann und ich sind ein super Team und unheimlich eng und offen miteinander. Alles was ich denken und was mich beschäftigt kann ich mit ihm teilen und er ist immer rücksichtsvoll und extrem verständnisvoll.
Eine Sache kann ich aber nicht mit ihm teilen. Kurz bevor ich damals mit ihm zusammenkam hatte ich eine sehr, sehr intensive Beziehung zu einem anderen Mann. Dieser Mann hat jegliche Maßstäbe gesprengt was romantische Gesten angeht, er hat mich damals regelrecht erobert, niemals hätte ich gedacht so etwas erleben zu dürfen. Die Anziehung zwischen uns war einfach extrem. Gescheitert ist es letztendlich an der Distanz zwischen unseren Studienorten und unsren ganz unterschiedlichen Lebensentwürfen und Zielen, die wir damals so im Kopf hatten. Ich war und bin auch immer noch der Meinung, dass diese Entscheidung richtig war, denn das mit uns wäre nie was langfristiges geworden. Aber Leute, diese Anziehung zwischen uns.... wir mussten uns regelrecht auseinanderkämpfen.
Kurze Zeit später lernte ich meinen jetzigen Mann kennen. Der Kontakt zu meinem Ex war nur noch sporadisch und brach dann komplett ab. In den letzten Jahren habe ich eher zufällig über soziale Netzwerke seinen Lebensweg mitverfolgen können, auch er ist verheiratet und hat Nachwuchs.
Durch einen Zufall bin ich jetzt vor Kurzem aber über meine damaligen Tagebücher gestolpert und was soll ich sagen.... ich steck voll drin. Die Erinnerungen spuken durch meinen Kopf als wäre es erst gestern passiert (Ich dumme Gans hab aber auch jedes Detail notiert...).Ich bekomm es einfach nicht mehr aus meinen Kopf, muss es aber unbedingt hinbekommen, denn ich liebe meinen Mann so sehr und er hat schon das ein oder andere Mal meine geistige Abwesenheit kommentiert. Ich hänge oft regelrecht in Tagträumen an diese Zeit fest, was einfach unfair ihm gegenüber ist.

Kennt jemand von euch so eine Situation? Wie bekommt man so was aus dem Kopf, was einen nach so langer Zeit noch immer so extrem emotional berührt? Fehlt mir am Ende in meiner jetzigen Beziehung etwas und steigere ich mich deswegen so in diese vergangenen Geschichten rein? Hilfe ... :(((

3

Meine Therapeutin hat mir zu diesem Thema folgendes gesagt: Wir malen uns vergangene Zeiten grundsätzlich in den schönsten Farben aus. In der Erinnerung ist alles schöner, aufregender, leidenschaftlicher, als in der Realität.

Es gibt Menschen, mit denen es auf ebendieser körperlichen Ebene harmoniert. Mit denen das „Feuer“ entfacht. Aber dieses Feuer ist nunmal auch das Gegenteil von Vertrauen, denn Aufregung und Vertrauen schließen sich grundsätzlich aus. Du warst mit diesem Menschen niemals in der gleichen Beziehungsebene, in der du jetzt mit deinem Mann bist. Du hast keinen richtigen Alltag mit dieser Person erlebt. Nur deshalb hast du alles so wunderschön in Erinnerung.

Beim Gedanken an diesen Mann begibst du dich in eine andere Welt. Eine Blase. Dort existiert nur das Schöne, Aufregende. Das ist nicht die Realität. Auch mit dieser Person würde irgendwann der Alltag einkehren. Vertrauen würde die Aufregung ersetzen und das ist ja auch das, was man sich in einer Beziehung wünscht. Vertrauen. Die Leidenschaft darf sicherlich nicht fehlen, aber man sollte hier zwischen der unbändigen, aufregenden Lust und der viel tiefgründigeren, Vertrauen Leidenschaft unterscheiden. Du sagst du liebst deinen Mann? Dann ist doch alles perfekt. Nimm deine Gedanken an den anderen Mann und pack sie in eine „Büchse“. Immer, wenn du das Bedürfnis hast, in deine Blase einzutauchen, öffnest du sie. Daran ist nichts Verwerfliches. Doch sobald du währenddessen anfängst, deine Beziehung aufgrund dessen in Frage zu stellen, schließt du die Büchse wieder und machst dir bewusst „Das ist nicht die Realität“

1

Ich weiß ganz genau was du meinst.
Diese Anziehungskraft, diese Lust und diese Befriedigung.
Bei mir liegt es 24 Jahre zurück, auch ich bin glücklich verheiratet und habe Kinder. Aber dieses Gefühl, diese Lust und Befriedigung hatte ich nie mit meinem Mann.
Es fehlt mir total so sehr begehrt zu werden. Wenn ich mich selbst befriedige, denke ich nicht an meinen Mann sondern an ihn.
Es hört niemals auf. Das ist so schlimm.

Manchmal denke ich, ich fahre zu ihm und reiß ihm die Klamotten vom Leib.
Dann denke ich wieder an meinen Mann und die Kinder und das doch alles gut ist.

Es hört niemals auf. Ganz ganz schlimm.

2

Hm, warum muß man sie denn unbedingt loswerden, die Erinnerungen?

Ich sehe das irgendwie anders, diese Geschichten gehören mit zu meinem Leben, zu meiner Vergangenheit. Sie haben mich geprägt, mal positiv, mal negativ. Ich will überhaupt nicht bestimmte Geschichten aus meinem Kopf bekommen. Sie gehören zu mir wie meine Cellulite. Sie sind mit mir und meinem Weg eng verbunden. Und mal sind sie fast verloren. um dann mit einem Trommelwirbel (ausgelöst durch einen Geruch, ein Lied) wieder total präsent. Und ich finde es toll.
Mein Mann hat das ja auch, wir haben uns da mal drüber unterhalten. Und für uns festgestellt....wir hatten vor uns verdammt geile Zeiten und jetzt haben wir halt unsere. Nein, wir haben uns niemals darüber unterhalten, woran wir gerade denken, das gehört sich nicht und sollte auch im eigenen Kopf bleiben. Es ist einfach zu intim und privat.

Das es bei dir aktuell sehr präsent ist, das liegt doch an den Tagebüchern und hat doch gar nichts mit der Beziehung zu deinem Mann zu tun.

4

Die Vergangenheit ist immer rosa. Ich kann an diverse Männer schmunzelnd genießend denken - und abhaken. Alle Männer haben heute zu 99% nichts mehr mit den tollen, abenteuerlustigen und einfallsreichen Kerlen von damals zu tun 😎
Ich habe vor einigen Jahren einen meiner tollsten Jugendfreunde wiedergesehen...puh, was haben wir nicht alles angestellt - und dann erkannte ich ihn nicht mal, erst als ich den Namen hörte. Ein behäbiger, eher langweiliger Mann ohne ein Haar mehr auf dem Kopf (Gott hatte der mal eine geile Mähne#hicks in der man sich festkrallen konnte). Und so erging es mir mit nochmal einem.....neben ihm saß eine äußerst ruhige Frau und er führte das große Wort, so ein Schwätzer, pfff.
Ich glaube, das könnte ziemlich peinlich werden, wenn Du hinfährst und Dir die Klamotten vom Leib reißt 😂 - vielleicht möchtest Du eher noch ein paar drüberziehen 😉
Träum ruhig ab und zu, aber dann schau Deinen Mann an und genieße das, was Du sicher hast #herzlich Ob Dir in Deiner Beziehung was fehlt, kann ich nicht beurteilen - aber lieber daran arbeiten als einem Phantom nachjagen. Ich habe meine Tagebücher längst verbrannt......feierlich. Geht niemand was an, ich nehme meine verrückten Erlebnisse lieber mit ins Grab..
LG Moni

7

"Ich glaube, das könnte ziemlich peinlich werden, wenn Du hinfährst und Dir die Klamotten vom Leib reißt 😂 - vielleicht möchtest Du eher noch ein paar drüberziehen 😉"

#rofl#rofl

Völlig korrekt, kenne ich auch, wenn mich mal wieder die Neugierde packt und ich meine alten Lover durch Google jage....
Oder Sänger einer Band die ich früher mal gut fand oder Schauspieler...absolute Ernüchterung. #schwitz

8

Hööör auf #rofl #rofl Die tollen Kerle meiner Lieblingsbands haben auch optisch schwer gelitten. Ich auch, keine Frage, aber so....."verlebt" seh ich doch noch nicht aus 🤣

5

Hallo,
ich kenne dieses Gefühl, ich versuche mich kurz zu halten 😅

Ich war ein paar Monate mit meinem Mann auseinander und genau zu der Zeit hat ER, Kontakt zu mir aufgenommen.

Damals waren wir jung, ich 18 er 23 und beide in einer Beziehung, er ist mir zu der Zeit schon gefährlich nahe gekommen, ich habe es aber immer unterbunden, ich hatte Angst... Vor was auch immer, naja ich war jung und unerfahren.

Tja 16 Jahre später habe ich mich drauf eingelassenen, diese Magie war all die Jahre nicht weg.

Wir hatten eine tolle Zeit, die ich niemals vergessen werde, er ist und bleibt für mich ein ganz besonderer Mensch der mich emotional mein Leben lang begleitet wird.

In dieser Zeit habe ich aber auch festgestellt, daß niemand auf der Welt meinen Mann ersetzen kann. Ich war mehr als froh das es mit uns ein gutes Ende genommen hat, denn wir gehören einfach zusammen. Und das wissen wir jetzt beide

Die Geschichte mit dem anderen habe ich nach ca. 4 Monaten beendet. Es ist nicht alles Gold was glitzert und man hat sich ja auch weiter entwickelt...

All die Jahre habe ich mich gefragt, was wäre, wenn ich mich damals schon drauf eingelassen hätte. Ich kann sagen, ich habe meinen Seelenfrieden damit geschlossen.
Ich finde es sehr sehr schade das er jetzt, für immer aus meinem Leben verschwunden ist, aber das nehme bzw. muss ich in Kauf nehmen.

Hilft dir jetzt bestimmt nicht weiter, aber es scheint sehr vielen Leuten so zu gehen. LG

6

Ich danke euch allen so sehr für diese aufbauenden Nachrichten. Was hatte ich für ein schlechtes Gewissen wegen dieser ganzen Träumereien. Hatte erwartet, dass mich hier vorwurfsvolle Antworten erwarten á la "wie kannst du nur, dein armer Mann". Wie beruhigend zu sehen wie "verbreitet" diese Phänomen dann doch ist :).Danke, danke, danke dafür!

Ja vermutlich ist es wirklich so, dass man die Vergangenheit überbewertet und durch eine rosa Brille betrachtet. Die negativen Dinge komplett verdrängt und nur das positive und aufregende im Kopf behält. Diesen Vergleich kann die Gegenwart nie gewinnen...

Es fällt mir schwer, mir diese Gedanken zu erlauben, auch wenn ich weiß, dass es nur Träume sind. Diese Zeit damals ist ein Teil von mir und wird es auch immer bleiben. Grade jetzt wäre es für mich aber absolut unvorstellbar, diese Tagebücher zu entsorgen, denn mich daran zu erinnern so intensive Gefühle empfunden zu haben macht auch etwas mit mir.

Ich wünschte tatsächlich ich hätte auch so einen "Realitätsschock", dass ich ihn zufällig auf der Straße treffe und er ist dick und alt geworden, hat vielleicht eine Glatze oder ekligen Bierbauch. Bald steht ein Alumnitreffen in unserer Unistadt an, in der er noch immer wohnt. Ich spiele tatsächlich hin und wieder mit dem Gedanken hinzugehen, hab aber gleichzeitig Angst davor, dass mich das nicht kuriert sondern alles schlimmer macht. Wahrscheinlich ist es einfach besser, die Träume immer mal wieder einem Realitätscheck zu unterziehen und es dabei zu belassen.