Ihr Lieben,
ich glaube ich bin zu verkopft und ich würde daher gerne mal Gedanken von außen bekommen.
Zunächst vorab: Ich habe eine schwierige Trennung hinter mir. Nachdem ich meinem Noch-Mann vor zwei Jahren gesagt hatte, dass ich mich trennen möchte, reagierte er mit völligem Zusammenbruch, Suiziddrohungen, emotionaler Erpressung und vielen, vielen Vorwürfen, dass ich ihn psychisch kaputt gemacht und sein Leben zerstört hätte. Ich ließ mich zu einer Paartherapie überreden, stand aber eigentlich nie wirklich dahinter, und habe dann vor gut anderthalb Jahren den endgültigen Schlussstrich gezogen.
Die Beziehung, aus der ich mich getrennt habe, war die einzige meines Lebens. Ich wollte mich nach der Trennung bewusst nicht in gleich ins ernsthafte Dating stürzen, sondern einfach mal ein paar Erfahrungen mit verschiedenen Männern sammeln und für mich herausfinden, was ich künftig eigentich will, wenn ich mich mal ans Beziehungs-Dating mache. Dazu habe ich mich bei einer Casual Dating Seite angemeldet und darüber Männer kennengelernt. Manchmal stellte man beim ersten Date fest, dass es nicht so passte, manchmal hatte man ein paar heiße Stunden miteinander, einmal hatte ich jemanden kennengelernt, mit dem ich mich über ein halbes Jahr regelmäßig getroffen habe. Manche Erfahrungen waren toll, andere nicht so, aber aus allen habe ich etwas gelernt.
Anfang Juli diesen Jahres kam dann ein neuer Kontakt zustande. Ein Mann schrieb mich an, und erst wollte ich ihm schon freundlich absagen, da er optisch nicht der Typ Mann ist, den ich auf Anhieb anziehend finde, aber gewisse Kleinigkeiten in seinem Profil bewogen mich dazu, doch ein wenig mit ihm zu schreiben. Wir waren uns tatsächlich so sympathisch, dass wir uns getroffen haben. Gesucht haben wir beide eigentlich etwas unverbindliches, idealerweise jemanden für regelmäßige Treffen. Seit Juli treffen wir uns jede Woche und schreiben täglich und viel. Das Ganze wird immer enger und er lässt keinen Zweifel daran, dass er sich eine Beziehung mit mir vorstellen könnte, macht jedoch überhaupt keinen Druck in die Richtung, sondern sagt, wir haben alle Zeit der Welt, um zu schauen, wo es uns hin führt.
Ich bin hin und her gerissen, ob ich eine Beziehung mit ihm eingehen möchte und fürchte ich stehe mir selbst im Weg. Ich merke zwar auch, dass Zeit tatsächlich viel hilft, und dass ich mich immer mehr öffenen kann und mich ihm immer näher fühle, aber trotzdem hätte ich gerne mal externe Meinungen. Ich versuche mich mal an Pros und Contras.
Auf der Pro Seite steht, dass ich mich bei ihm angenommen und akzeptiert fühle, einfach so wie ich bin. Ich kann einfach ich sein, mit allen Fehlern und Macken, und er gibt mir das Gefühl, dass er mich genau so mag und mich außerdem attraktiv und begehrenswert findet, trotz Pölsterchen und allem. Ich glaube ich habe mich wirklich noch nie so angenommen gefühlt. Ich fühle mich wahnsinnig wohl und geborgen in seinen Armen und ich mag wie er küsst. Ich mag auch seine Stimme (bevor ich mit Dating angefangen habe, war mir nicht bewusst, wie wichtig die Stimme für mich bei der Attraktivität ist).
Wir haben fantastischen Sex! In meiner langjährigen Beziehung hatte ich, wenn es hoch kommt in 20% der Fälle mal einen Orgasmus, und der war auch oft eher etwas unangenehm, weil die Art wie mein Mann mich stimuliete, oft zu fest war. Am Ende der Beziehung war ich völlig blockiert und es ging gar nichts mehr. Auch mit anderen Männern klappte es nur, wenn ich mit Toys nachhalf. Er nun ist ein großartiger Beobachter und guter Zuhörer und hat inzwischen den Dreh raus, wie er mich zu wunderbaren Höhepunkten bringen kann, und wie er mich, wenn das Level einmal erreicht ist, von einem Orgasmus zum nächsten schicken kann. Das war auch nicht von Anfang an so, aber seit einigen Wochen ist es einfach nur noch herrlich.
Wir sind uns in vielen Dingen ähnlich, uns sind die gleichen Dinge wichtig, Freizeitgestaltung ist ähnlich, und für uns beide ist klar, dass unsere Kinder immer zuerst kommen. Wir können über alles reden, erzählen uns alles mögliche, kotzen uns beieinander aus, unterstützen einander. Wir haben einen ähnlichen Musikgeschmack, lesen ähnliche Bücher. Durch unsere viele Schreiberei nimmt er wahr, wie viel ich an Familienarbeit leiste, und bei ihm finde ich Halt, wenn ich mal am Limit bin, und darf auch hemmungslos jammern, wenn mir gerade mal alles zu viel wird.
Ich schätze sein Ehrenamt sehr und finde es generell bewundernswert, wenn Menschen sich so engagieren.
Ich vertraue ihm, ich vermisse ihn, wenn ich nicht bei ihm bin, und ich habe ihn sehr gern um mich. Ich hätte gern viel mehr Zeit mit ihm, aber da ich im Moment die Kinder noch komplett raus halten will, ist das nicht so einfach möglich.
Für die Dinge auf der Contra-Seite schäme ich mich ehrlich gesagt etwas, denn sie erscheinen mir so oberflächlich, und dennoch kann ich sie nicht verleugnen. Es bleibt der Punkt vom Anfang: Er haut mich optisch nicht um. Ich finde Dinge an ihm attraktiv ja, aber es gibt auch Dinge, die ich sogar eher unattraktiv finde. Dennoch kuschele ich wahnsinnig gern mit ihm, knutsche gern mit ihm und habe sehr gern mit ihm Sex.
Ein weiterer Faktor ist, dass ich mir eigentlich einen gebildeten und wissbegierigen Mann gewünscht hätte, jemanden mit hoher Intelligenz, denn in meiner Beziehung hatte ich mich oft intellektuell überlegen gefühlt, was dem Respekt vor dem Partner auf Dauer nicht zuträglich ist. Ich mochte es selbst nicht, wenn ich so auf meinen Mann blickte, aber mit zunehmender emotionaler Distanz zwischen uns wurde das auch nicht besser. Intellektuelle Augenhöhe war mir eigentlich wichtig für eine neue Partnerschaft. Nun ist er beileibe nicht dumm, sonst wäre ich längst weg. Beim nicht ganz so stumpfen Fernsehprogramm werden wir uns auch einig. Aber de facto habe ich ihm in Sachen Bildung etwas voraus, und ich glaube z.B. für Museumstouren, die ich gerne mache, ist er nicht so arg zu begeistern. Ich habe an der Stelle Angst, dass mir da früher oder später etwas fehlt, ich mir wieder schlauer vorkomme, und wie gesagt: ich mag das selbst nicht. Andererseits kann ich mir glaube ich in Sachen emotionale Intelligenz noch eine Scheibe von ihm abschneiden, da ist er sehr gut, habe ich den Eindruck.
Wie gesagt, dass wir einander mögen und vermissen, gern mehr Zeit miteinander hätten, uns alle möglichen Aktivitäten zusammen vorstellen können, uns vertrauen, und dass es sexuell für beide sehr gut passt, ist klar und ausgesprochen. Er zeigt ziemlich deutlich, dass er sich etwas ernstes mit mir vorstellen könnte. Er hätte mich auch neulich zu einer Veranstaltung mitgenommen, wo wir enge Freunde von ihm und sogar seine Eltern getroffen hätten. Er sagt auch ganz offen, er werde mich so schnell nicht wieder gehen lassen und dass er mich gern als seine Freundin bezeichnen würde. Ich stehe auf der Bremse, weil ich weiß, dass meine Töchter noch an der Trennung zu knabbern haben, und dass mein Ex noch immer eifersüchtig ist und auch vor emotionaler Erpressung der Kinder in der Vergangenheit nicht zurückgeschreckt ist. Ich möchte sie wirklich nicht in Loyalitätskonflikte stürzen, weil sie sich mit einem neuen Mann an meiner Seite vielleicht gut verstehen (und ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass er mit meinen Töchtern gut klar käme - siehe emotionale Intelligenz). Nicht umsonst hatte ich eigentlich noch nichts ernstes gesucht, auch wenn ich mich durchaus danach gesehnt habe.
Außerdem habe ich Angst, ihm weh zu tun. Ich weiß, er ist schon groß, und er würde es überstehen, wenn ich das zwischen uns irgendwann beenden würde. Aber ich haber des Gefühl, er ist so gut zu mir, er tut mir so gut, er verhält sich so großartig, dass er es einfach nicht verdient verletzt zu werden. Ich hätte ein schrecklich schlechtes Gewissen, mich auf etwas ernstes mit ihm einzulassen und irgendwann festzustellen, dass mich doch irgendetwas so sehr stört, dass ich die Beziehung nicht weiterführen möchte. Ich befürchte an dieser Stelle spielt meine schwierige Trennung mit rein, bei der mir sehr oft ein schlechtes Gewissen gemacht wurde. Es geht gar nicht darum, dass ich Angst hätte verletzt zu werden, sondern ich habe Angst zu verletzen. Ich habe das Gefühl, ich müsste mir erst ganz sicher sein, bevor ich mich voll und ganz auf ihn einlassen kann. Und manchmal habe ich auch Angst, dass ich nicht ihn selbst so gern mag, sondern die Tatsache, dass er mich so gern mag (und da geht das Gedankenkarussell so richtig los).
Gleichzeitig möchte ich es so gern - also mich auf ihn einlassen. Es ist so schön mit ihm, er gibt mir so ein gutes Gefühl. Ich hätte ihn gern in meinem Leben, an meiner Seite (eigentlich gestehe ich mir das gerade mal seit gestern so ein). Manchmal würde ich gern sagen, ach was soll's, lass es uns einfach probieren (wenn auch noch eine Weile heimlich ohne Wissen der Kinder)!
Aber dann ist die Angst wieder da, ihn irgendwann zu verletzen... Auch wenn ich weiß, dass es niemals Sicherheit gibt in Gefühlsdingen, keine Garantien.
Also nach diesem langen Text zurück zur Überschrift: Soll ich es wagen?
Vielen Dank für eure Meinungen!
Soll ich es wagen?
Du wagst es doch schon. Ihr verbringt Zeit miteinander, fühlt euch verbunden, haltet den Kontakt, wenn ihr euch nicht seht. Mein Eindruck ist, dass du sehr davor zurückschreckst, der Sache das Label Beziehung zu verpassen. aber de facto führt ihr ja eine. ich würde dir sehr raten, es einfach zu genießen und rauszufinden, wohin dich das Ganze führt. Beenden kannst du es jederzeit, ohne Schmerz gehst du da sowieso nicht mehr raus. Warum dann nicht genießen und weitermachen?
Die Frage ist, ob man in einer Beziehung immer auf einen Nenner kommen muss. Du sprichst das Thema Bildung an. Ist da nur Kultur und Museum und sowas gemeint, oder meinst Du, dass er Dir in Diskussionen unterlegen ist?
Mein Mann nennt sich selber Kulturbanause. Er geht mit mir auch zu keiner Veranstaltung. Ich aber liebe so etwas. Mache ich eben mit anderen Leuten. Ich muss nicht alles zusammen mit meinem Partner machen. Er hat andere Interessen und das ist okay.
Optik empfinde ich auch als wichtiges Thema. Aber da weiß ich nicht, inwieweit Du da Kompromisse eingehen kannst. Trotz allem solltest Du aber den gesamten Menschen sehen und nicht nur die Hülle, die ihn umgibt.
Alles in allem würde ich es an Deiner Stelle wagen, auch wenn es nicht in allen Dingen passt. Und vielleicht auch die Verbissenheit ein wenig herausnehmen. Genieße doch die Zeit und schau, wo es hinführt.
Menschliche Beziehungen verändern sich auch dann, wenn alles vermeintlich passend ist.
Genau das wäre auch mein Rat 😊
Ein Partner, der nicht auch „Contras“ hat, gibt es vermutlich nicht. Aber die Frage ist, ob man mit denen leben kann.
Ich gehe auch gerne mal auf intellektuelle Veranstaltungen, mein Mann nicht so. Ist ok, mache ich mit anderen Menschen :) er hört dann halt trotzdem „interessiert“ zu, wenn ich berichte und freut sich, wenn ich Spaß hatte.
Optik muss jeder selbst wissen, wieviel Priorität sie hat.
Zudem führt die TE ja eh schon ne Art Beziehung, warum nicht einfach mal das Kind beim Namen nennen? Und dann schauen, wie es läuft.
Vllt, liebe TE, kannst du ja mal überlegen, wie es sich für dich anfühlt, wenn du überlegst, dass du in 5 oder 10 Jahren immer noch dein Leben mit diesem Mann teilst. Fändest du das (aktuell) schön? Dann testet euch aus :) denkst du jetzt schon „oh Gott, wie soll ich noch JAHRE mit ihm aushalten?“ dann ist es vllt Zeit, ein Ende zu setzen.
Alles Gute 😊
Hallöchen 🤷♀️
Ich höre aus deinem Beitrag ganz viel positives raus.
Ich kann dich verstehen das da deine Angst mitspielt,immerhin hast du das alles ja schon durch (Trennung mit Kindern).
ABER, du sagst er tut dir gut, du fühlst dich bei ihm wohl und kannst sein wie du bist, das ist was sehr wertvolles in der heutigen Zeit.
Ihr habe viele gemeinsame Interessen, das einzigste was du als negativ angibst, ist das er wahrscheinlich nicht mit dir in Museen gehen wird, meiner Meinung nach ist das aber kein Hindernis, da ihr ja genug andere gemeinsamen Interessen habt, ihr müsst nicht alles gemeinsam machen. Mein Partner bastelt gerne an seinem PC rum, da habe ich absolut garkein Interesse dran 😅
Du sagst du könntest in Sachen emotionaler Intelligenz viel von ihm lernen, na da ist es doch wieder ausgeglichen. Ihr könnt euch ergänzen.
Klar ist Intelligenz und Bildung wichtig,aber es ist nicht alles.
Das Optische,ich sag mal so du kuschelst ihn gerne, küsst ihn gerne und hast super Sex mit ihm, auch wenn er nicht 100% deinen Vorstellungen entspricht, machst du das alles gerne und genießt es. Man kann auch nicht alles haben 😅 (nicht böse gemeint)
Deine Pro Liste ist deutlich länger als deine Kontra Liste. Ich würde sagen genieß es, probiere es aus. Es gibt keine Garantie, das ihr bis zum Ende eures Lebens zusammen bleibt, aber wenn du es nicht ausprobierst, wirst du nie wissen, ob es nicht vielleicht doch so gekommen wäre.
Ich wünsche dir alles Gute 🤗
Der Antwort von susa kann ich nur vollumfänglich zustimmen. Ihr führt bereits eine Beziehung, ohne dies so zu benennen.
Mir ging es einmal ähnlich. Als nach fast 2 Jahren dann endlich auch bei mir angekommen war, dass sich das längst von einer F+ Geschichte zu einer Beziehung gewandelt hat, war mein Partner leider schon weiter und im Ausstieg begriffen. Ihm war das tatsächlich irgendwann zu unverbindlich, trotz Exklusivvereinbarung.
Bei eben diesem Partner hat sich auch ein leichter Unterschied im Intellekt gezeigt. Allerdings teils eher als unterschiedliche Interessen.
Das fand ich eigentlich sogar ganz spannend und hat mir, wegen der unterschiedlichen Sichtweisen, so manche Erkenntnis eingebracht, die ich in meiner eigenen Blase so nicht erfahren hätte.
Kurzum: Nicht so viel Kopf!
Eine gute Beziehung kann auch eine sein, die nicht unbedingt dauerhaft funktioniert. Deshalb bleibt sie ja trotzdem eine schöne Erfahrung.
Danke fürs Mut machen.
Ich glaube im Grunde ist es auch das was ich gesucht habe, etwas Zuspruch.
In zwei Wochen haben wir beide einen Tag frei, verbringen den zusammen und ich übernachte dann auch endlich mal wieder bei ihm. Da findet sich sicher Zeit und Gelegenheit für ein tieferes Gespräch.
Deinem rationalen Text nach würde ich sagen, lass den Kerl bloß nicht wieder gehen.
Aber jetzt mal Butter bei die Fische. Bist Du verliebt oder nicht?
Ein etwa gleiches Intelligenzlevel ist wichtig. Wenn er viel langsamer im Kopf wäre als du, das könnte schwer werden. Bildung lässt sich (bei Interesse) erwerben. Man muss nicht zwingend dieselben Interessen haben, um sich gegenseitig anzuziehen. Eine gute Schnittmenge reicht.
Er wird sicher auch eine Leidenschaft haben, die Du nicht teilst? Es muss ja auch noch ein Freundinnen-Programm bleiben. ;) Gleichzeitig schriebst du von vielen gemeinsamen Interessen.
Ich wüsste, was ich täte. Dir würde ich raten, dich entweder ganz darauf einzulassen, oder es zu beenden. Will einer langfristig mehr als der Andere, ist die Verletzung garantiert. Um gänzlich unbeschadet da rauszukommen, ist es für euch beide doch schon zu spät.
Ich finde, der Mann klingt toll und die Dinge auf deiner Pro-Liste wären für mich absolut überzeugend. Ihr seid auf einer Wellenlänge, du fühlst dich mit ihm wirklich wohl und kannst ganz Du selber sein, ihr habt tollen Sex. Klingt nach einer super Basis und ich würds auf jeden Fall ausprobieren.
Dass er nicht der schönste Mann der Welt ist und nicht gern ins Museum geht - who cares, niemand ist perfekt.
Wichtig finde ich zudem, dass du dir klar machst, dass auch diese Beziehung kein Gefängnis ist und auch wenn du jetzt ja sagst du gleich morgen wieder nein sagen kannst wenn du das willst.
Viel Spaß!
Ich habe das Gefühl du bist noch nicht soweit für eine neue Beziehung. Genieße was du hast.
Wenn der richtige kommt fühlt es sich sicher anders an und die Pro und Contra Liste wird dann überflüssig sein.