Ansprechen oder nicht?

Guten Morgen euch allen!

Wir brauchen mal euren Rat, wie wir mit folgender Situation umgehen sollen:

Unser Sohn ist vor 2 Jahren gestorben. Letzte Woche wäre sein Geburtstag gewesen.
Seit seinem Tod hat sich niemand an diesem Tag bei uns gemeldet - nur seine Paten. Sie schicken immer ein Foto von einer Kerze, meistens mit einem kurzen Satz, dass sie an uns denken.
An seinem Todestag und an den Tagen unserer Tochter ist es dasselbe.

Uns tut das weh😔 Wir erwarten keine Kondolenzpost, keine Geschenke oder sonst was. Aber einfach eine kurze Nachricht, dass der Tag nicht vergessen ist, wäre schön.
Wir haben so das Gefühl, dass außer uns und seinen Paten niemand mehr an ihn denkt😔
Wenn wir die Familie treffen, redet auch niemand von sich aus über ihn oder unsere Tochter. Wenn wir davon anfangen, dann reagieren sie auch darauf und reden vor allem über unseren Sohn. Aber es ist immer unsere Initiative.
Wenn sie uns besuchen, fragt niemand, ob wir zum Friedhof gehen. Wenn wir das vorschlagen, dann stimmen sie immer zu.

Rational wissen wir, dass sie unsere Kinder nicht vergessen haben und dass vor allem der Tod unseres Sohnes für sie schwer war 🤷‍♀️ (Bei unserer Tochter wussten sie von Anfang an, dass sie nicht lebensfähig ist, unser Sohn starb sehr überraschend.) Meine Mutter ist sicher auch nicht grundlos einen Tag nach Tizians Tod gestorben (Krebs) 🤷‍♀️

Aber dieses blöde Gefühl bleibt ...

Jetzt überlegen wir, ob wir das Thema ansprechen sollen.
Und wie.
Wir wollen sie nicht verletzen, indem wir ihnen Böses unterstellen.
Wir wollen ihnen auch ihre eigene Art der Trauer zugestehen.
Und vielleicht wollen sie uns ja auch einfach nur nicht zu nahetreten.

Was sind eure Gedanken?

Freyja

1

Hallo liebe Freyja,

mir tut es sehr leid, dass ihr den Geburtstag eures Sohnes ohne ihn feiern musstet. Auch dass eure Tochter nicht bleiben durfte, tut mir sehr leid.
Ich habe keinerlei persönliche Erfahrungen und kann dir deswegen auch nur aus dem Bauch heraus antworten.
Ich vermute, dass eure Familie aus Unsicherheit nichts sagt. Du schreibst ja, dass sie von Tizian sprechen, wenn ihr den Anfang macht. Auch dass sie auf den Friedhof mitgehen, wenn ihr fragt. Gehen sie vielleicht auch ohne euch zu den Gräbern? Vielleicht haben sie Angst, über Tizian oder eure Tochter zu sprechen, weil ihr einen gefestigten Eindruck macht und sie euch in dem Moment nicht unglücklich machen möchten? Vielleicht möchten sie euch nicht aufwühlen? Ich könnte mir vorstellen, dass, wenn eure Familie und Freunde gesehen haben, wie ihr gelitten habt und ja auch selbst gelitten haben, sie einfach dankbar sind, wenn ihr es schafft zu lächeln oder euch über euren kleinen Mann freut. Dann möchte man vielleicht an diesem zerbrechlichen Glück nicht rühren, weil man den Moment nicht zerstören möchte durch eine Äußerung, die für euch eventuell aus dem Nichts kommt.
Das Verhalten eurer Familie tut bestimmt weh, weil Tizian und eure Tochter da waren und ein Teil eurer Familie sind. Es ist traurig, dass diese ohnehin schon schlimmen Tage nicht durch ein gemeinsames Erinnern erträglicher werden. Ich bin mir aber sicher, dass am Freitag ganz viele Menschen an euren Tizian gedacht haben, sie das nur leider nicht kommuniziert haben. Deswegen würde ich euch raten, es, wenn ihr die Kraft dazu habt, anzusprechen. Sagt, was ihr euch wünscht und was euch traurig macht. Da werden bestimmt offene Ohren und Arme bei eurer Familie und euren Freunden sein.
Ganz liebe Grüße
Tanja

2

Vielen Dank für die ausführliche Antwort, Tanja🙂

Ich denke, du hast in vielen Punkten den Nagel ziemlich gut auf den Kopf getroffen.

Ich finde es so unfassbar schwer, die richtigen Worte für so ein Gespräch zu finden, damit wir ihnen nicht vorwerfen, sie hätten unsere Kinder völlig vergessen.

Wir wohnen übrigens in einer ganz anderen Stadt als der Rest unserer Familie, deshalb können sie nur im Zusammenhang mit Besuchen bei uns zum Grab gehen. Ich glaube nicht, dass sie die Strecke nur fürs Grab fahren würden, ohne noch bei uns vorbeizuschauen, dafür ist es zu weit.
Es kann aber natürlich sein, dass sie vor oder nach dem Besuch alleine hingehen. Darüber habe ich noch nie nachgedacht.

3

Ich glaube, wenn du es ihnen so sagst, wie du es hier geschrieben hast, dann werden sie sich nicht angegriffen fühlen. Vielleicht sind sie sogar erleichtert, weil sie ja auch merken werden, dass da etwas Unausgesprochenes zwischen euch steht. Und das Wichtigste ist ja auch, dass ihr das einmal aussprechen könnt, es belastet euch zusätzlich und das sollte nicht sein. Ihr habt schon genug zu tragen und das sieht eure Familie bestimmt genau so.
Womöglich hat eure Familie ihre eigenen Rituale um an Tizian und eure Tochter zu erinnern, vielleicht möchten sie euch damit nicht belasten. Ich wünsche euch sehr, dass ihr das klären könnt 🙂

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4

Liebe freyja, habe dir schon im wochenklatsch geschrieben. Ich würde es ansprechen und sagen das es euch verletzt wenn von ihrer Seite nichts kommt. Vielleicht denken Sie ja das es euch verletzt und trauen sich nicht, darüber zu sprechen. Versucht es mal 🙏🍀

5

Guten Morgen!

Aus Sicht eines betroffenen Familienmitglieds kann ich dir sagen, dass es vor allem Unsicherheit und der Wunsch ist, die Eltern nicht (noch mehr) zu verletzen. Wenn man selbst schon so traurig über den Verlust ist und dies aber kaum in passende Worte fassen kann, wie sehr muss es die Eltern schmerzen!
Ich denke, eure Familie möchte rücksichtsvoll sein und sensibel auf euch reagieren. Sie gehen auf euch ein, wenn ihr die Kinder ansprecht, wenn ihr zum Friedhof möchtet. Sie wollen aber vielleicht bei schönen und fröhlichen Treffen die Gefühlslage für euch nicht ohne Vorwarnung ins Wanken bringen, indem sie von sich aus die Kinder ansprechen. Es ist auch Sorge um euch, um eure psychische Gesundheit.
Wir gehen öfters zum Friedhof, ohne den verwaisten Eltern Bescheid zu geben. Nicht immer hinterlassen wir ein Blümchen, sie können also nicht immer wissen, dass jemand da war.

Viele Grüße
mavikelebek

7

Danke für diese Perspektive🙂

Wir überlegen jetzt, wie und wann wir das ansprechen.
Wir sehen uns frühestens an Weihnachten wieder (je nach Inzidenz). Entweder sprechen wir es dann an (wir würden wohl länger als nur den Feiertag da sein), oder wir machen das telefonisch. Ich weiß nicht, was besser ist.

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jeder traurt anders, was erwartest du von Familienangehörigen?
Ich persönlich hasse es auf Friedhöfe zu gehen. Ich glaube nicht, dass ich mit meiner Trauer jemendem Näher bin, wenn ich am Friedhof stehe.
und ich würde auch nie von jemandem erwarten. dass er über Jahre mit mir trauert.
Tod ist eine Phase des Lebens. Ich habe als junge Frau meinen ersten Partner an einen Tumor verloren, er hatte genau 3 Wochen bis es vorbei war. ich war nie wieder an seinem Grab nach der Urnenbesetzung. ich kam anders viel besser damit klar.
ich würde aber nie jemandem vorwrfen, nicht mit mir zu trauern

9

Wie ich geschrieben habe:
"Wir wollen sie nicht verletzen, indem wir ihnen Böses unterstellen.
Wir wollen ihnen auch ihre eigene Art der Trauer zugestehen."

Ich finde deine Wortwahl sehr hart und angreifend!