4 Jahre

Heute ist der vierte Todestag meines großen Bruders. 364 Tage im Jahr versuche ich, wie es sein Wunsch war, nicht zu weinen. Aber immer, wenn dieser Tag kommt, könnte ich von morgens bis abends weinen. Ich konnte mich nicht von ihm verabschieden, obwohl wir sein ganzes Leben lang wussten, das dieser Tag kommen wird. Er war von Geburt an schwer krank. Wir haben so viel zusammen erlebt. Er war meine einzige bezugsperson, wir hingen zusammen wie Zwillinge... und so fühlt es sich auch nach vier Jahren so an, als wenn ein Teil von mir einfach mit ihm gestorben ist.
Ich weiß, das er nicht wollte, das ich weine. Ihm war immer wichtig, das man nach vorne schaut und das Leben genießt, bei jeder Kleinigkeit. Und doch fehlt er mir so sehr und ich wünschte, ich könnte nur für einen kurzen Moment nochmal mit ihm reden. Jetzt bin ich zweifache Mutter, er hingegen musste schon früh erfahren, das er niemals Kinder in die Welt setzen durfte, weil er seine Krankheit weitervererben würde. Aber ich weiß, er hätte sehr gerne Kinder gehabt. Er wäre ein toller Onkel gewesen. Ich frage mich ab und zu, wie es wohl sein würde, wenn er noch da wäre... Er hätte noch immer einen wichtigen Platz bei uns. Mein Mann und er sind gerne mal um die Häuser gezogen... ab und zu war er ein Wochenende zu Besuch bei uns. Immer eine schöne Zeit. Und das vermisse ich so sehr.
Ich kann mit meinem Mann schlecht darüber reden, da er anders trauert, als ich. Und sonst habe ich niemanden, mit dem ich mich über meinen Bruder unterhalten kann. Vllt hilft das schreiben mir hier, den Tag ohne großes Geheule zu überstehen. Ich möchte nicht den ganzen Tag vor meinen Kindern weinen, sie sind noch viel zu jung, als das sie verstehen könnten, warum ihre Mama weint.
Danke fürs lesen.

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Ich finde, Du hast alles Recht der Welt zu trauern! Du hast einen schlimmen Verlust erlitten, ein ganz besonders wichtiger Mensch fehlt in Deinem Leben.
Dein Bruder wollte Dir bestimmt sagen, dass Du seinetwegen nicht im Kummer um ihn untergehen, sondern Dein Leben weiter leben sollst.
Aber trotzdem muss man auch trauern! Das ist ganz wichtig, um irgendwie zu lernen, damit zu leben.
Lass Deine Trauer zu! Schreie und weine, wenn Dir danach ist. Rede über Deinen Verlust. Mit Familienangehörigen oder guten Freunden. Reden ist so wichtig. Viel schlimmer wäre es, seinen ganzen Kummer in sich reinzufressen. Es gibt auch Selbsthilfegruppen oder Trauerpsychologen, mit denen man sprechen kann. Schweigen und verdrängen kann auch krank machen.
Du kannst auch einen Brief an Deinen Bruder schreiben, in dem Du all Deine Gefühle ausdrückst. Oder Du richtest Dir eine kleine Ecke in Deiner Wohnung für ihn ein mit einem Foto und einer Kerze, die Du zu bestimmten Momenten anzündest. Oder eine Kiste mit Fotos von ihm, die Du bei Bedarf heraus holst, um Dich zu erinnern.
Alles Gute.

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Danke für deine Worte.
Ich war wegen anderen Gründen zu seinem todeszeitpunkt in Therapie, die Therapeutin hat mich gut aufgefangen. Ich habe es definitiv nicht verdrängt. Es belastet mich auch nicht im Alltag, soweit habe ich es verarbeitet. Aber ich kann mir momentan nicht vorstellen, den Schmerz über seinen Verlust je abschütteln zu können.
Seine Fotos stehen zwischen unseren Familienfotos, seine liebsten Sachen sind auch bei uns und stehen offen. Ich habe auch eine erinnerungskiste mit Dingen, die ihm besonders wichtig waren.
Aber all das ersetzt natürlich nicht diesen Menschen, mit dem ich mich wirklich blind verstanden habe.

Der Tag war schwer für mich. Ich hab, während meine Jungs mittags schliefen, etwas geweint. Und es tat auch gut. Aber wie gesagt, es ändert leider nichts an dem vermissen.
Er ist einfach nicht mehr da.

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Hallo!

Es tut mir wirklich sehr leid. In deinem Text ist so viel Trauer aber auch ganz viel Liebe zu lesen.

Darf ich fragen was dein Bruder hatte? Warum er zu früh gehen musste?

Ich glaube auch, dass dein Bruder nicht möchte, dass es dir schlecht geht, aber Trauer zulassen ist ein ganz wichtiger Prozess, damit es dir besser geht! Und Kinder dürfen deine wahren Gefühle kennen lernen und du kannst ihnen somit vorleben, dass es gut ist, Gefühle raus zu lassen! Oder vielleicht kannst du die Kinder für eine kurze Zeit mal anderweitig betreuen lassen und zum Grab fahren und dort mal deine Trauer herauslassen. Es wird dir sicher gut tun!

Du warst und bist eine starke Schwester für deinen Bruder!!

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