Tod der Mutter - darf ich schwanger werden?

Liebe Leute,

meine (32 J.) Mama (64 J.) ist im Juni ziemlich grausig an einem Krebsrezidiv verstorben - ihr Brustkrebs ist zurückgekommen und hat sich über ihr Lymphsystem in ihrem ganzen Körper verteilt. Sie war nach zwei Wochen tot.
Ich war und bin ein totales "Mama-Kind", sie war wirklich meine beste Freundin und Vertraute und das hat mir entsprechend den Boden unter den Füßen weggezogen.

Ich bin glücklich verheiratet, habe einen lieben Freundeskreis, ein sehr gutes Verhältnis zu meiner Schwester, habe einen tollen Job und bevor meine Mutter verstorben ist, wollten mein Mann und ich anfangen es zu versuchen. Wäre es eurer Meinung nach verantwortungslos jetzt direkt weiterzumachen? Was, wenn ich dazu psychisch nicht gerüstet bin, wenn ich meine Probleme dem Kind aufhalse oder keine gesunde Schwangerschaft hinkrieg?

Ich muss dazu sagen, dass ich bislang keinen totalen Zusammenbruch hatte, ich bekomme meinen Alltag gut hin und bin direkt in therapeutische Behandlung gekommen, werde das natürlich auch alles mit meiner Therapeutin besprechen, aber mich würde trotzdem eure Bandbreite an Erfahrungen und Meinungen interessieren.

Liebe Grüße #blume

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Hallo!

Ich schrieb es hier schon mal und schreibe es jetzt nochmal:
Ich verstehe nicht, warum bei urbia so viele ihre Schwangerschaften mit Todesfällen verknüpfen. Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Die Menschheit wäre längst ausgestorben, wenn es eine direkte Verbindung gäbe.

Menschen bekommen in den schlimmsten Krisenzeiten Kinder. Nur so können schlimmste Krisen überwunden werden, drängt sich als Gedanke auf. Eine gesunde Schwangerschaft hat nur wenig mit den Emotionen drumherum zu tun. Es macht mehr Spaß und Freude, wenn man glücklich und sicher ist, man wundert sich aber doch immer wieder, unter welchen Umständen Kinder geboren werden oder nicht?

Man trauert auch nicht nur richtig, wenn man "zusammenbricht". Mein Mann starb im letzten Jahr ziemlich plötzlich. Wir taten, was getan werden musste, begleiteten ihn (auch und gerade unsere beiden minderjährigen Söhne), wir besprachen viel, er starb Zuhause und alle erwarteten einen Zusammenbruch bei mir. Wieso? Ich bin traurig, ich bin Witwe, mein Mann hätte aber sehr, sehr gewollt, dass wir weitermachen. Das gab er uns sogar schriftlich.

Wir machen alle weiter und sollte einer der Jungs Vater werden wollen, so wird nichts mit dem Tod meines Mannes zu tun haben. Oder wenn, dann nur, weil etwas weiter geht, weil es was Schönes ist.

Nur Mut!

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Hey - danke für deine Antwort.

Erstmal tut mir es mir leid, dass du durch diese Zeit durchmusstest, das klingt wirklich zehrend. Schön, dass deine Jungs so eine stabile Mama haben :)
Hat dein Mann Briefe für euch geschrieben (wenn ich fragen darf)? Das klingt sehr berührend.

Ja, das stimmt natürlich, ich arbeite als Sozpäd in einem Altenheim und die Geschichten um Schwangerschaft und Geburt unter den fiesesten Umständen, die mir meine Damen so erzählen sind wirklich beeindruckend. Und ich hab noch keine sagen gehört, dass sie wünschte, sie hätte das Kind nicht bekommen.
Trotzdem denk ich mir, dass es ja einen Unterschied macht, schon schwanger zu sein bzw. bereits ein Kind zu haben und einfach vor keiner Wahl zu stehen als das nach bestem Wissen und Gewissen durchzuziehen oder sich bewusst dafür zu entscheiden in einer noch möglicherweise instabilen Lebenslage schwanger zu werden. Oder?

Gut, dass du sagst, dass eine gesunde Schwangerschaft "wenig mit den Emotionen drumherum" zu tun hat, das nimmt mir Druck ;-)

Ein schönes Wochenende dir! #blume

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Hallo!

Na, ich denke, du willst ein Kind, dann krieg ein Kind! Vielleicht klappt das nicht sofort, vielleicht funktioniert das nicht so, wie du dir das wünschst oder wie man dir das wünscht, das "Problem" haben alle Frauen. Das eigentliche Wunder ist jedoch, dass es so oft gut geht! Keine Lebenslage ist je stabil, das bilden wir uns nur ein.

Mein Mann ist sehr bewusst gestorben, beinahe ohne Angst. Weil er war wie er war. ich wiederum arbeite schon so lange mit Schwerstkranken und Sterbenden, dass Verdrängung keine Option war. Auch das wusste er sehr genau. Er wusste, dass wir das alle nur schaffen, wenn wir total offen und ehrlich sind. Deshalb konnten die Kinder das mitleben und begleiten. Er starb hier bei uns Zuhause.

Er schrieb einen Brief an uns alle, er ordnete alle Papiere und rechnete schon mal aus, wie viel Rente und Geld zur Verfügung stehen würden, wie ich arbeiten sollte. Er überlegte, wen ich zur Not um Rat fragen könnte (und wen besser nicht), wie er sich seine Trauerfeier vorstellte. Er fehlt und wir sind sehr traurig, aber es ist keine vernichtende Trauer, ich bin weit entfernt von einem Zusammenbruch und weil er wusste, ich schaffe das, schaffe ich das.

Das Letzte, was er wollte -und damit sind wir wieder bei dir und deiner Entscheidung- war, dass wir still stehen oder hadern. Er wusste, dass unser Leben weitergehen würde, und er hat sich das so gewünscht. Was wäre denn auch die Alternative?

Du findest mich stabil? Manchmal hört sich das für mich wie ein "Vorwurf" an. Es ist keiner von deiner Seite, ich weiß. Ich habe nur gemerkt, dass viele so eine Trauererwartung an mich hatten, die ich nicht erfüllen konnte. Ich bin nun mal keine Drama-Queen. Nach all den Jahren regt mich manchmal diese Theatralik, die viele im Bezug auf den Tod an den Tag legen, ziemlich auf. Nach außen bleibe ich professionell und ruhig und verständnisvoll (und verstehe ja wirklich, dass man in dieser Situation einem Ausnahmezustand ist), nach innen brülle ich: "Herrgott nochmal, wenn hier eines sicher ist, dann doch wohl der Tod! Lebt doch vorher!"

Du bereitest dich gedanklich und praktisch auf eine Schwangerschaft und wahrscheinlich auch ein bisschen auf Geburt und auf das Kind vor. Aufs Sterben bereitet sich kaum einer vor. Früh genug, meine ich.
Mein Mann hat seinen Tod ziemlich cool zelebriert. Das trägt uns sehr.

Also, leb vorher und krieg gefälligst ein Kind.

LG

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Dein Verlust tut mir leid.

Ich habe kürzlich auch meine Mama (62)verloren.sie starb sehr plötzlich. Aber die Vermutung das auch bei ihr der Brustkrebs wieder da war steht im Raum (sie sprach von harten Stellen).....


Ich bin Mitte 30 habe ein Kind und auch ich mache mir die gleichen Gedanken.

Ich trauere nach wie vor, aber meinen Alltag schaffe ich auch, lache, geh mal in den Urlaub mit dem kleinen usw. In machen Momenten weine ich weil ich die so vermisse, nicht mit ihr reden kann, ihr nicht erzählen kann was mich fertig macht oder freut und vor allem sie nicht um Rat fragen kann.

Und so mach ich mir auch gedanken:möchte Ich ohne sie schwanger sein, ohne ihren Rat, ohne ihre Freude. Tut es mir zu sehr weh wenn ich ihr mein Baby dann nicht wie bei meinem kleinen in den Arm legen kann usw.

Aber, du lebst jetzt, bist alt genug, gefestigt, es scheint ein guter Zeitpunkt für euch zu sein. Und sie hätte ja auch sterben können während du schwanger bist... Von einem Todesfall sollte man sicher keine Familienplanung abhängig machen. Aber ich weiß das emotionen da nicht steuerbar sind.

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Guten Morgen :-)

vielen Dank für deine Antwort und es tut mir so leid, dass du dich auch zu früh von deiner Mutter verabschieden musstest. Nicht, dass es dafür ein gutes Alter gibt, aber gerade die Zeit, in der man selber schwanger wird/werden möchte oder kleine Kinder hat, intensiviert die Beziehung zwischen Mutter und Tochter in meisten Fällen schon sehr.

Konntest du dich denn wenigstens von ihr verabschieden? :-(

Ich finds schön, dass dein erstes Kind die Oma kennengelernt hat, das ist dann schon was Besonderes :-D Meine ältere Schwester hat ein Kind und wird damit immer das einzige Kind in der Familie sein, dass auf dem Schoß von der Oma gesessen ist!! #verliebt

ich glaube, ich warte auf einen größeren Zusammenbruch, seit sie gestorben ist und stelle jetzt aber langsam fest, dass ich nicht zusammenbreche und es irgendwie weitergeht - im Guten wie im Schlechten.
Und als ich gemerkt hab, dass ich doch nicht verhüten möchte (was wir während der Sterbephase getan haben), hab ich mich fast wie eine Verräterin gefühlt. Was natürlich Schmarrn ist, nichts hätte meine Mama mehr gefreut als mich schwanger zu erleben, aber der Tod verändert einfach vieles.
Und dann hält man erstmal inne und atmet durch und sieht sich um und fragt sich: was behalte ich? Was kommt weg? Wofür bin ich bereit? Was will ich? Eine Art Inventur des Lebens ;-)

Aber das Ende meiner Inventur ist, dass mir das Wichtigste im Leben Menschen sind, die ich liebe, meine Familie und meine Freunde und wenn noch ein kleiner Mensch mehr dazukommt, umso besser #kerze

Ich wünsch dir noch ganz viel Kraft und viel Zeit zum Weinen und zum Lachen und wenn deine Kinder groß genug sind, kannst du ihnen so viel von deiner Mutter erzählen, bis sie todesgenervt sind und mit den Augen rollend sagen: "Oh Mann, das hast du uns schon tausend mal erzählt, wir wissen ja, wie toll die Oma war" :-p

Ein schönes Wochenende!

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Mein herzliches Beileid!

Ja, du darfst. Da brauchst du niemanden fragen außer dich selbst und deinen Partner. Wenn du stark genug bist, spricht doch eigentlich nichts dagegen.
Das du psychologische Hilfe hast, ist sehr gut und wichtig. Deine Therapeutin kann sich bestimmt ein besseres Bild machen, ob du psychisch schon bereit dafür bist. Trauer ist ein sehr subjektiver und komplexer Zustand. Jeder fühlt es anders, lebt es anders und geht anders damit um.
Wenn du dann eine Hebamme hast, solltest du diese auch darüber informieren, dass deine Mutter erst vor kurzer Zeit verstorben ist, damit sie ein Auge auf dich hat.

Ich bin 4 Monate nach dem plötzlich Tod meiner Mutter geplant mit dem zweiten Kind schwanger geworden, da war ich 25 Jahre alt. Ich habe mich auch oft gefragt, ob das richtig ist, was wir tun. Aber am Ende habe ich mir gedacht, warum soll ich meinem Wunsch nach einem weiteren Kind deswegen nicht umsetzen dürfen? Mein Leben geht ja schließlich weiter und wir haben es bereits vor ihrem Tod versucht, aber es hat halt nicht geklappt.
Vllt solltest du dich darauf einstellen, dass es nach der Geburt ein heftigeres Gefühlschaos geben KANN. Mir ging es zeitweise psychisch gar nicht gut. Meine Hebamme, der ich leider erst an meinem Tiefpunkt erzählt habe, dass meine Mutter nicht mehr lebt, sagte nur, dass es in ihren Augen sehr eindeutig ist, warum es mir so schlecht geht: Ich soll meinem Kind das geben, was ich nie wieder spüren werde.....
Zusätzlich zur Schwangerschaft erlebt man im ersten Jahr nach dem Tod Feiertage, Geburtstage, besondere Anlässe, ganz anders.
Aber wie gesagt, es KANN so kommen. Muss aber nicht. Ich hatte aber leider keine therapeutische Hilfe oder jemand anderen, mit dem ich reden konnte (außer meinen Mann). Mir wurde das reden verboten und "Freunde" haben sich abgewendet. Nach meinem dritten Kind hatte ich diese Art von Tiefpunkt nicht. War zwischenzeitlich in Behandlung und es ist mittlerweile einige Jahre her, dass ohne Mutter bin.

Alles Gute

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Hey - vielen Dank für deine ehrlichen Worte.

Das klingt teilweise auch ziemlich heftig, insbesondere der Zusammenbruch von deinem sozialen Netzwerk, das tut mir leid. Ich hoffe, dass deine Freunde sich wieder eingekriegt haben und/oder du andere gefunden hast. Ich fürchte, dass Menschen, die in der Zeitspanne so ca. zwischen 25 bis 45 jemanden verlieren, eher untergehen. Man ist "zu alt", um den Welpenschutz zu genießen, den Kinder und Jugendliche völlig zurecht haben und zu jung, als dass der Großteil des sozialen Umfelds schon mit dem Thema zutun hatte.

Das ist einfach mies.

Danke für den Tipp mit der Hebamme, das hätte ich jetzt gar nicht auf dem Schirm gehabt, aber ergibt natürlich total Sinn #herzlich
Und dass die Schwangerschaft und das Wochenbett allein wegen der hormonellen Umstellung anstrengend sein kann, bestärkt mich auf jeden Fall darin, nicht total laissez-faire mit der Entscheidung schwanger zu werden umzugehen. Ich möchte es jetzt auf jeden Fall angehen, aber ich werde mich genau beobachten ;-) und einkalkulieren, dass es mich nicht unberührt lässt.

Der Satz ist total schön und traurig: "Ich soll meinem Kind das geben, was ich nie wieder spüren werde....." Danke dafür.

Ich wünsch dir weiter alles Gute und viel Kraft #sonne

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Viele glauben daran, dass im Baby dann etwas des Verstorbenen weiterlebt, gerade wenn die SS oder Geburt kurz nach dem Tod des anderen geliebten Menschen ist. Das ist für viele ein Trost. Vielleicht auch für dich.

Deine Mutter hatte bestimmt gewollt, dass du glücklich bist und deine Träume (auch der eines Babys) verwirklichst.