Sind Wochenendväter von der Erziehung befreit?

Guten Abend zusammen!

Stehe gerade da, grüble und zweifle meine Einschätzung der Situation an. Vielleicht kann mir jemand auf den richtigen Dampfer helfen.

Zuletzt hatten wir in einem moderierten Elterngespräch in der EZB folgende unschöne Situation: Mein Ex beschwerte sich (mal wieder) das unser Sohn ihm auf der Nase herum tanzen würde. Dem kann ich zustimmen: Das tut er. Dazu muss man sagen: Es gibt eine schwierige Vorgeschichte, der Vater wurde dem Kind gegenüber auch schon gewalttätig - deshalb auch die mandatierte Beratung - der Vater ist einfach nicht in der Lage, liebevoll konsequent mit dem Kind zu agieren und Regeln festzulegen und beizubehalten, stattdessen wird er schnell impulsiv, schreit rum und hat eben auch schon zugeschlagen. Und was ein schlauer 7-jähriger ist, hat der das natürlich längst raus. Und weil mein Großer eh nicht zu seinem Vater will (wie gesagt: schwierige Vorgeschichte), provoziert er ihn mittlerweile bis aufs Blut.

Zuhause hingegen ist er ein ganz normaler, artiger Siebenjähriger, mit dem man vernünftig reden kann, wenn er nicht grad seine 5 Minuten hat. Es gibt klare, faire Absprachen und unser Zusammenleben funktioniert gut.

Jetzt habe ich im Elterngespräch auch auf Rückfrage der Beraterinnen versucht, ihm aufzuzeigen, wie ich reagiere, wenn wir mal eine Konfliktsituation zuhause haben, Ziel war exemplarisch zu zeigen, wie man reagieren kann und worauf unser Sohn normalerweise gut reagiert. Z.B. gutes Verhalten belohnen, bei schlechtem Verhalten aber auch nachvollziehbare Konsequenzen ziehen (nur ein Beispiel: Kind trödelt bei den Hausaufgaben rum, weil es keine Lust hat - direkte Konsequenz: Hausaufgaben haben vorrang, wenn er trödelt, dann ist danach also eben keine Zeit mehr für den geplanten Ausflug - natürlich beschäftige ich mich trotzdem mit ihm, aber niedrigschwelliger und z.B. der heißersehnte Radausflug etc. wird dann eben verschoben. ).

Mein Ex war eingeschnappt und hat behauptet, das wäre ÜBERHAUPT nicht machbar, weil ich ihn ja seit der Trennung (vor fast 6 Jahren, u.a. wegen massiver häuslicher Gewalt) zwinge, nur Wochenendvater zu sein. Und wenn er sein Kind nur am Wochenende sieht, KÖNNTE er es ja nicht auch noch erziehen, sondern müsste sich auf die schönen Sachen konzentrieren, damit sein Kind ÜBERHAUPT zu ihm kommt. Für die Erziehung wäre ich zuständig - ER könne das in seiner knappen Zeit ja schon gar nicht machen.

Ich war gelinde gesagt total vor den Kopf gestoßen - zum einen, weil ich meine Anregung durchaus hilfreich fand (die Beraterinnen auch), zum anderen, weil ich sehr wohl der Meinung bin, dass er auch als Wochenendvater einen erzieherischen Auftrag hat bzw. wenn er erwartet, dass unser Kind bei ihm genauso brav ist, wie bei uns, er eben halt auch genauso konsequent und nachvollziehbar agieren muss - ist er dazu nicht bereit, muss er die Situation eben für sich passend sortieren und kann sich nicht bei mir beklagen, weil ich unseren Sohn nicht aus der Ferne an seine Bedürfnisse anpassen kann.

Was mich total irritiert hat war dann, dass die Beraterinnen aber durchaus Verständnis gezeigt haben, dass man in seiner Situation ja nicht konsequent erziehen kann. Aber warum denn nicht? Wie seht ihr das? Sind meine Erwartungen wirklich zu hoch? Oder redet er sich (so kommt es mir vor) nur raus?

1

"Für die Erziehung wäre ich zuständig"

Das sehe ich auch so, Du bist zuständig für die Erziehung. So, wie Du es beschreibst, ist Dein Sohn ja auch ordentlich erzogen, nicht wahr? Klappt also wohl ganz gut mit den erzieherischen Konsequenzen.

Jetzt ist es dann mal an ihm zu überlegen, warum das Kind bei ihm den kleinen Provokateur gibt. Vielleicht ist er ja auch zuständig für die Erziehung? Wenn er das nicht so sieht, wird er wohl mit dem Ergebnis leben müssen.

Ich würde immer wieder betonen, wie gut erzogen das Kind bei Dir ist. Hab ich auch so gemacht. Ich konnte mir anfangs auch gar keinen Reim darauf machen, was mir da für Stories erzählt wurden. Erst als der Vater ankam und meinte, seine (unsinnigen) Strafen, die er verhängt kann er auch auf meine vier Wände ausdehnen, gab es eine deutliche Ansage: "Mein Haus, meine Regeln, Dein Haus, Deine Regeln. Wenn Du ein Problem damit hast, dass unser Kind nicht folgt, dann lies einen oder mehrere Erziehungsratgeber oder frag Dich mal wenigstens, warum bei mir alles besser läuft. Aber sicher werde ich kein tagelanges Fernsehverbot für Dich durchziehen, weil sich das Kind bei Dir nicht so benimmt, wie Du es Dir vorstellst." Dazu gab es dann noch die Auskunft, dass ich mir nicht anhören will, was der Junge schon wieder veranstaltet hat, weil ich ihm ja auch nicht fortlaufend petze, was hier manchmal so schief geht.

Seitdem ist Ruhe. :-)

4

"Mein Haus, meine Regeln, Dein Haus, Deine Regeln"
Das finde ich sehr wahr und sehe ich genauso - ein Trennungskind lebt in zwei Welten und braucht in jeder die Sicherheit zu wissen, was erwartet wird und was es zu erwarten hat. Das klappt im Vaterhaushalt leider gar nicht. Ich habe hier schon ein Gespräch mit der Kinderpsychologin angeregt, wo gemeinsame Regeln für die Zukunft im Vaterhaushalt besprochen werden sollten, um den Alltag zwischen Vater und SOhn etwas zu strukturieren und zu vereinfachen. Ich habe mich da bewusst rausgehalten, weil ich finde, dass die Regeln, die bei uns funktionieren, nicht unbedingt für den Vater passend sein müssen, er also jedes Recht hat, mit seinem SOhn eigene Regeln festzulegen. Nun: Sie haben Regeln festgelegt. Nur hält er sich nicht dran. Mein Großer, nach dem Gespräch noch recht hoffnungsfroh, kam nach dem nächsten Umgang total enttäuscht zurück, meinte "Mama, das hat gar nichts gebracht, Papa hält sich nicht an das, was ausgemacht war. Von mir will er aber immer, dass ich brav bin! Ich will nie, nie wieder da hin!". Ich habe den Vater beim EZB-Gespräch darauf angesprochen. Er meinte, das stimmt doch alles gar nicht, sein Sohn würde sich ja auch nicht an die Regeln halten, außerdem hätte er angeblich Sachen erzählt, die nicht stimmen (ich gestehe: Ich halte meinen Sohn für glaubwürdiger als meinen Ex). Ich bin mittlerweile total erschöpft von diesem ewigen Irrsinn , habe das Gefühl, mein Ex benimmt sich mehr wie ein kleines Kind, als unser Sohn....

Danke für deine Antwort!

8

" Ich bin mittlerweile total erschöpft von diesem ewigen Irrsinn , habe das Gefühl, mein Ex benimmt sich mehr wie ein kleines Kind, als unser Sohn"

Kann ich mir lebhaft vorstellen.
Du solltest Dich da wirklich zurück nehmen. Es ist schwierig, ich weiss das. Vor Allem, wenn da Erziehungsmethoden stattfinden, die haarscharf an Misshandlung vorbeischrammen. Aber Du musst nicht mit dem Vater über Erziehung diskutieren, ausser, er fragt gezielt danach und setzt das Gehörte dann auch um. Er kann sich an die Profis wenden, wenn er Probleme hat. Wenn er sowieso nichts davon umsetzt, redest Du Dir blos einen Wolf.

Was Deinen Sohn betrifft kannst Du ihm schon zuhören. Ich sage auch durchaus direkt zu meinem Sohn, wenn ich eine Strafe des Vaters nicht so sinnvoll finde. Das aber nur, wenn sich mein Sohn aktiv darüber beschwert, also darunter leidet. Ansonsten kommentiere ich das nicht. Ich habe ihm aber auch klar gemacht, dass bei seinem Vater (und dessen Freundin) eben andere Regeln gelten und er sich dran halten sollte, damit sich eben Ärger vermeiden lässt. Und nur der Vollständigkeit halber: Ich weiss von meinem Sohn, dass die Erwachsenen dort ziemlich schamlos über mich und meine Lebens- und Erziehungsform lästern und mich für eine schlechte Mutter halten, weil ich mit Konsequenzen erziehe und nicht mit drakonischen Strafen.

Es scheint nur in Deinem Fall überhaupt nichts zu bringen, mit Deinem Ex zu sprechen, da er bisher ziemlich lernresistent zu sein scheint. Also überlass das den Fachleuten, sollen die sich die Zähne ausbeissen.

weitere Kommentare laden
2

Ich denke, dein Ex hat da den Konfliktklassiker schlechthin aufs Tablett gebracht. Ich kenne viele Wochenendväter, die genau dieses Argument bringen: wenn ich im Alltag des Kindes keine Rolle spielen soll, dann nehme ich auch nur die Wochenendonkel-Rolle und mache auf Halligalli und Spaßpapa.

Verstehen kann ich das. Hat man bei netto 4 von 30 Tagen Lust und Erfolg auf Erzieher zu machen? Ist diese Umgangsform die richtige dafür? Versaut man sich da die Stimmung für Erziehung und Prinzipien? Forciert, dass das Kind keinen Bick mehr hat?

Deinen Frust verstehe ich auch! Aber ich würde mit einer Gegenfrage reagieren: welche Teilhabe willst du haben, um AUCH einen Erziehungsauftrag zu haben?

Grüße Küstenkönigin

3

Naja, bei uns sinds durchaus ein paar Tage mehr ;-) Und ja, klar verstehe ich, dass er in seiner Umgangszeit nicht "der Böse" sein will. Aber das ist man doch normal auch nicht, nur weil man konsequent agiert?

Das Problem ist doch eigentlich, dass das Kind ohnehin keinen Bock auf ihn hat und nachdem er das erste mal zugeschlagen hat ratz fatz gelernt hat: Aha, wenn Papa mich haut, stoppt der Umgang! Der wurde zwar nach reumütigen Besserungsversprechen vor Gericht und der widerwilligen Teilnahme an einer mandatierten Beratung in der EZB wieder aufgenommen (alle zwei Wochen fr-mo, dazu einmal unter der Woche), aber seitdem versucht der Große gezielt, seinen Vater so zu provozieren, dass es wieder ausreichend Stunk gibt für einen erneuten Umgangsstop. Und statt dass der Vater ihm klar aufzeigt, dass er mittlerweile gelernt hat, souverän zu agieren und ruhig, bestimmt und konsequent zu handeln, ohne dabei übergriffig zu werden, lässt er meinen Großen schalten und walten, bis der Stresspegel wieder so hoch ist, dass er das Brüllen und rumschlagen (aktuell nur gegen Gegenstände - ich glaube, der Umgangsstop hat ihm doch zumindest aufgezeigt, dass ich derartiges Verhalten nicht dulde, weshalb er sich gerade auf Dinge beschränkt, bei denen es heißt: Aussage Sohn gegen Aussage Vater) anfängt. Und dann sagt er: Liebe Ex, richte das, du bist schließlich für die Erziehung zuständig, also mach, dass mein SOHN (wäre es ein Mädchen, gäbe es gar keinen Umgang, das hat er deutlich gemacht) mir gefälligst gehörcht, wie es sich für einen guten, ehrerbietigen Stammhalter gehört! - Das macht mich rasend!

Die Frage "welche Teilhabe willst du haben, um AUCH einen Erziehungsauftrag zu haben?" habe ich etwas anders formuliert lustigerweise auch gestellt. Darauf hin hat er gesagt: Er will seine Familie zurück. Mit anderen Worten: Hätte ich mich damals nicht getrennt, wäre alles in Butter und für ihn ist eine Beteiligung nur möglich, wenn er 24 Stunden am Tag zugriff auf uns hat... Wohlgemerkt: Ich hatte gute Gründe mich zu trennen, wahrscheinlich hätte er mich mittlerweile totgeschlagen, wenn ich nicht gegangen wäre. Und auch seinem Sohn gegenüber hat er sich schon im ersten Lebensjahr nicht unbedingt als Superdad gezeigt...

Ich habe das Gefühl, dass er nach 6 Jahren immer noch MIR die Schuld an allem gibt, frei nach dem Prinzip: Wärst du geblieben, hätte mein Sohn und ich jetzt eine tolle Vater Sohn Beziehung, DU hast alles zerstört. Das fiese daran: Ich weiß, dass ich eigentlich alles getan habe, um einen reibungslosen Umgang zu gewähren, wohin gegen sein Verhalten unserem Kind gegenüber die Vater Sohn Beziehung letztlich unmöglich macht (wie gesagt: Er schreit rum, schüchtert ein, droht mit Schlägen, erzwingt "Küsschen", beschimpft und beleidigt seinen Sohn, wenn er nicht Papas hartem Männlichkeitsbild entspricht ["Du Wechei/Lusche/Heulsuse"], hält Versprechen nicht ["Na und? Dann heul doch!"], hat wie gesagt sogar schon zugeschlagen) - er treibt ihn selbst von sich weg und behauptet dann, er müsse ja auf Erziehung verzichten, weil ich ihn durch die Trennung vor vielen Jahren darum gebracht hätte.

Vielleicht bin ich aber auch einfach zu emotional bei dem Thema. *seufz*

5

Hallo.

Darf ich Dich was fragen?

Warum gibt es bei der Vorgeschichte und der derzeitigen untragbaren Situation und dem nach wie vor suboptimalen Verhalten überhaupt Umgang zwischen Vater und Sohn ... insbesondere wenn Letzterer eh nicht möchte?

Ich finde das wenig verantwortungsvoll das Kind solchen Kämpfen (die er in seiner Verzweiflung mitverursacht) auszusetzen, in denen er zur Zielscheibe des Vaters wird und gezwungen wird derartige verbale Ausraster und Angst ertragen zu müssen.

LG

weitere Kommentare laden