Perfekte Erziehung - perfektes Kind?

Liebe Urbianer,
mir fällt hier im Forum, aber auch um RL immer öfter etwas auf. Und zwar hört und liest man überall von dem Zusammenhang von ausgeglichenen, pflegeleichten, braven Kindern und guter Erziehung. Manchmal macht mich das sehr traurig, vor allem wenn solche Hinweise mit Seitenblick auf eines meiner vielleicht gerade trotzdenden, oder sich gerade schrecklich streitenden Kinder passiert. Ich denke, Kinder sind mehr als das Produkt unserer Erziehung. Klar, als Eltern hat man die Verantwortung, ihnen Orientierung zu geben, sie zu leiten und zu begleiten, aber wir können unsere Kinder doch nicht „zu etwas machen“ – weder im positiven, noch im negativen Sinn.

Okay, meine Kinder sind vielleicht nicht (immer) „pflegeleicht“ im Sinne von mit 60 Grad waschbar und bügelfrei, sondern „pflegeintensiv“, wie eine Seidenbluse, die man nur mit Hand waschen und unter einem Handtuch bügeln kann, die dafür aber was ganz besonderes ist.

Glaubt ihr wirklich alle (oder zumindest die meisten), dass Kinder, wie ein Kochrezept funktionieren (man nehme eine Ei- und eine Samenzelle, addiere 9 Monate Geduld und würze mit Konsequenz und schon hat man das perfekte Kind)? Ist es nicht vielmehr die Aufgabe von Eltern, ihr Kind in seiner Eigenheit anzunehmen, ihm Wege zu zeigen, in dieser Eigenheit zu bestehen, ohne die Grenzen anderer zu verletzen? Es gibt Kinder, die können besser mit Wut umgehen, andere können es schlechter und müssen es mühsam lernen. Es gibt Kinder, die gehen einfach auf andere Menschen zu, andere haben Angst vor allem neuen. Ist es nicht eine Frage der momentanen gesellschaftlichen Stimmung, welche Eigenschaften gerade besonders geschätzt werden? Hier sind „rosa“ Mädchen, die nichts vom Klettern halten „Zicken“, im Heimatland unseres Au Pairs z.B. wird schon von Mädchen im Kindergartenalter erwartet, dass sie schön ruhig sitzen können und sich für Klamotten und Schmuck interessieren. Wäre deshalb die Mutter einer „Zicken“-Tochter hier eine bessere Mutter in der Heimat meines Au Pairs, oder macht sie ihren Job als Mutter überall gleich gut, ganz unabhängig davon, ob ihre Tochter auf Bäume klettert, oder eine Glitzer-Prinzessin ist?

So, ein langes Posting ohne konkrete Frage – da bin ich mal gespannt, was ich für Antworten bekomme. Ich freu mich auf den Austausch.

LG
Coli
Mit Jule und Lena (3J 2M)


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Hallo,

sicherlich ist ein Kind nicht nur ein Produkt seiner Erziehung. Aber auch schwierigeren Kindern merkt man an, ob eine gewisse Grunderziehung vorhanden ist, oder nicht. ;-)

Was von Mädchen oder Jungen erwartet wird, mag kulturell unterschiedlich sein.
Ich finde es am besten, wenn die Kinder selbst entscheiden dürfen, was ihnen Spaß macht und nicht von den Eltern in eine Richtung gedrängt werden.

LG
Heike und Merle (15 Monate)

2

hallo!

ich finde du hast ganz recht.

ist immer dasselbe wenn man nicht ins klischee`passt.
entweder ist man dann ein problem oder tickt nicht ganz richtig.

mach du dein ding..egal was andere sagen...
übrigends nicht immer nur schauen und fördern was das kind nicht kann, sondern das fördern was es kann..!!!

liebe grüsse.
karin

3

HI, ich finde Deine Gedanken sehr schön und interessant. Ich denke, dass es wie immer kein schwarz und weiß gibt. Sicherlich spielt die Erziehung eine sehr große Rolle dabei, wie sich ein Kind entwickelt, aber genauso sehr haben Kinder besondere Eigenheiten, die man nicht weg- oder gar anerziehen kann.
Meine Töchter sind grundverschieden, wobei die ältere eher das Etikett "pflegeleicht" bekäme und die jüngere bräuchte die Handwäsche :-)
Unsere Erziehungsgrundsätze sind aber gleich, daher glaube ich schon, dass der Charakter eines Kindes angeboren ist. Man kann sicherlich mit Liebe und Anerkennung und eine geborgene Grundstimmung dafür sorgen, dass das Kind nicht grob verhaltensauffällig wird, aber wenn meine Kleine so ihre Trotzanfälle hat, dann denke ich immer mal wieder, das sie eben einfach so ist und ich da auch nicht viel dran ändern kann/will. Dafür ist sie selbstbewußt, lustig, schlau.
Wäre Erziehung so einfach, wie langweilig wäre die Welt mit lauter gleichen Menschen. alle Mädchen würden rosa Puppenkleider häkelnd ruhig auf ihrem Stühlchen sitzen...
Gruß Ute

4

Hallo,

ich glaube nicht, dass Erziehung besonders viel Einfluss auf den Werdegang unserer Kinder hat. Ich schreibe dem Vorbild (positiv wie negativ) eine grössere Wirkung zu.

Besonders interessant finde ich, dass die Kinder, deren Eltern oft am gestresstesten sind perfekt zu erziehen oft die verzogensten sind.

Ich lasse meiner Tochter viele Freiräume. Aber in Dingen die mir wichtig sind bin ich dann auch konsequent. Unsere Hauptregel hier ist eigentlich nur, dass sie nicht (selbst)zerstörerisch agieren darf. Alles andere ist quasi erlaubt. Bei uns gibts auch keine zwingenden Bettregeln oder Vorschriften was sie essen muss etc. wie in anderen Haushalten, allerdings hab ich gelernt, dass sie sich in einem gegliedertem Tagesablauf besser aufgehoben fühlt. D.h. wir essen zu bestimmten Uhrzeiten, aber wenn sie das was ich anbiete nicht essen möchte darf sie gerne etwas anderes haben. Ich bring sie normalerweise um acht ins Bett mit unserem üblichen Ritual, aber wenn sie mal aufbleiben will oder das Ritual anders gestalten möchte bin ich dafür offen.

Ich räume ihr einfach ein Mitentscheidungsrecht ein.

Ich finde es immer traurig wenn ich sehe wie manche Eltern ihre Kinder dominieren. Wir sind eine Familie, da hat jeder das Recht seine Meinung zu äussern und alle Bedürfnisse sollen wahrgenommen werden. Und damit das funktioniert bin ich die Mama, die das letzte Wort hat. Aber normalerweise muss ich auf dieses Recht nicht pochen.

Bisher funktioniert unser Weg gut. Meine Tochter ist ein liebes Kind, das auch in der Öffentlichkeit meistens positiv auffällt (natürlich hat sie auch mal Trotzanfälle, wenn ich mal keine Energie habe um diplomatisch genug vorzugehen).

Ich hoffe, sie fühlt sich nicht von mir unterdrückt, sondern wenigstens annährend gleichberechtigt.

Und den Rest macht unser Vorbild aus. Wenn ich möchte dass sie ein denkender, fürsorglicher, verantwortungsbewusster Mensch wird leb ich ihr das am Besten vor.

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Hi du
ich muss ja schon lächeln, wenn ich deinen beitrag so lese....
ja ich habe auch die ersten 31/2jahre eine prinzessin gehabt, ein ausgeglichenes, fröhliches angepasstes kind....kein trotzen, kein heimweh, nie krank.....
ja dann kam der kindergarten und damit auch die eigene meinung, der eigene charakter.....
da sie schon mit 21/2 in die kita kam, war sie die kleinste und musste sich immer gut durchsetzen, das hat sie dann (leider) auch mit nach hause gebracht....
jetzt ist sie 6, in der zweiten klasse und immernoch die jüngste......tja, da sie auch zeirlich und klein ist muss sie sich auf andere art und weise durchsetzen und bemerkbar machen.
ich liebe mein kind für ihre eigene, starke persönlichkeit, die schon jetzt sehr feste meinung. die intelligenz und die fähigkeit zu diskutieren.....
ABER......ich hasse es, wenn sie mich wie eine freundin behandelt, respktlos und frech ist, nicht auf mich hört und rumzickt...
klar gehört es dazu, aber nicht SO extrem....
o es ein fehler meinerseits ist oder ob sie jetzt die trotzphasen alle auf einmal nachholt und ihre grenzen mal ganz stark austesten will????? keine ahnung....
mir ist es aber mittlerweile auch relativ egal, wenn andere sich den mund zerreißen, zur not,w enn sie ganz laut rumzickt beim einkaufen, geh ich einfach weiter.....
aber die ansicht, bzw die frage ist echt gut.....
wenn ich daran denke wie unterschiedlich meine schwester und ich sind, sie ist sooooo verwöhnt, sucht sich immer die rosinen raus, lässt andere gerne für sich was machen, fordert sehr viel .....
und mich dagegen....ich bin immer für meine "kleine schwester" da, helfe generell immer gerne, bitte nicht gern um hilfe, bin sehr eigenständig....war immer recht schüchtern als kind...meine schwester überhaupt nicht....
tja, also haben meine eltern jetzt was bei mir oder bei meiner schwester falsch gemacht??? wie geht es bei euren kindern zu, wenn ihr mehr als eins habt????

6

Wie es bei uns zugeht? Ich denke, eigentlich wie bei (fast) allen Familien mit Zwillingen im Trotzalter.

Die beiden lieben sich (Du bist mein Lebenselexier - keine Ahnung, wo sie das her hatte:-p), vermissen sich, wenn sie getrennt sind (Wo ist nur meine Juuule???) und streiten sich bis aufs Blut. Es gibt Tage, da hören wir von morgens bis abends Geheule und Gezanke und es ist ein ewiger Balance-Akt beiden Kindern gerecht zu werden, ihnen Alternativen zum Beißen, hauen und Haare-ziehen aufzuzeigen (Verhalten, das natürlich überhaupt nicht geht).

Es gibt Tage, da werden wir im Supermarkt angesprochen, weil sie sich ja so "vorbildlich" verhalten und Tage, da ernte ich nur Kopfschütteln über mein am Boden liegendes, gellend schreibendes Trotzkind #gruebel.

Alles in allem sind sie genau so richtig, wie sie sind. Ich bewundere ganz oft, wie gut sie (wenn sie gut gelaunt sind) Rücksicht nehmen können, Konflikte verbal lösen können und sich gegenseitig stützen. Manchmal nerven sie mich unendlich, aber ich liebe sie mit all ihren Eigenarten und finde, sie sind zwei ganz tolle Kinder. Auch und der Kopfschüttel-Fraktion wünsche ich im stillen Kämmerlein dann ganz gerne mal ein GEschwisterchen und das Trotzalter - dann sprechen wir uns wieder;-)

LG
Coli
mit Jule und Lena (3J 2M)

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ein glücklicher Mensch eckt seltener an. Davon bin ich überzeugt. Und was Kinderglück ist, wissen die meisten Eltern instinktiv, sofern sie nicht komplett aus Beton sind.

Leider ziehen wir Erwachsenen es immer wieder vor, Dinge zu tun die wir nicht wollen, um Leute zu beeindrucken, die wir nicht mögen. Dabei bleibt das eigene Glück leicht auf der Strecke und mit ihm das der Kinder.

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Hallo
ich gebe dir recht und meiner Meinung nach ,je mehr man sich unter Druck setzt bei den Kindern alles richtig zu machen ,desto verzogener ,schwieriger und unausgegliechener sind die Kinder.
Anderseits ,wird ein Kind schon mit einem bestimmten Temperament und Charakter geboren,wir können mit unserer Erziehung lenken aber nichts grundsätzlich verändern.

Ich sehe es an meinen Kindern,wie unterschiedlich sie von Geburt an sind ,ich merke gleiche Eigenschaften bei beiden die einfach genetisch vererbt sind und nicht zu ändern sind und vieles was ich denen selbst " beigebracht" habe.
Das angeborene überwiegt!!! Dazu kommen noch viele andere Umstände ,die auch mit größter Mühe der Eltern,Kinder trotzdem schwierig werden lassen,ich habe so einen Fall ich weiß wovon ich spreche .Oft denke ich darüber nach ,könnte ich es anders machen ,damit mein Kind anders reagiert,vielleicht ,aber bin ich GOTT? Ich bin nicht perfekt und will auch keine perfekten Kinder.Lieber hätte ich eine verständnisvolle Gesellschaft ,die Bereit ist zu helfen ,ansatt sich nur umzudrehen blicke zu werfen und zu tuscheln.
Nicht wir Eltern sind schlecht,sondern die Gesellschaft macht uns so und so geraten viele Eltern unter Druck das Optimum in der Erziehung zu erreichen,was gar nicht geht.Und damit verdienen sich so jegliche Psychologen und zahlreiche Therapeuten das Geld aus dem Versagen der Gesellschaft nicht mehr Mneschlich sein zu können!!!!.

War wohl jetzt doch etwas zu viel ,aber genau das schwierte mir im Kopf als ich deinen Beitrag gelesen habe!!!

In diesem Sinne.Liebt eure Kinder ,egal ob sie nun ein Pefektes gesellschaftsbild abgeben oder nicht,sie haben es trotzdem verdient!!!!

LG Ewa mit Levin 4 jahre und Derek 9 Monate.
#herzlich