Zweisprachige Erziehung geht schief...

Hallo liebes Forum,

meine Frau kommt aus Indonesien und ist erst vier Monate bevor unsere Tochter (jetzt 15 Monate alt) zur Welt kam nach Deutschland gezogen. Bei der Geburt unserer Tochter hatten wir vereinbart, sie zweisprachig, nach der OPOL-Methode (one parent, one language) zu erziehen. Meine Frau und ich sprechen untereinander englisch, sie lernt gerade deutsch.

Während ich und die restliche deutsche Familie nun also konsequent deutsch mit unserer Kleinen sprechen, hat meine Frau leider nie, in ihrer Muttersprache mit unserer Tochter zu sprechen. Beginnend mit dem 12. Monat hat die Sprachentwicklung unserer Kleinen jedoch richtig Fahrt aufgenommen. Nun kann sie schon erste Wörter sprechen und zeigt sehr viele Dinge aus den ihrem Umfeld richtig (“Wo ist denn...?, Kannst Du mir schon ... zeigen?)

Leider hat meine Frau erhebliche Schwierigkeiten, die deutsche Sprache zu erlernen. Dies führt dazu, dass sie zusehend den Kontakt mit unserer Tochter verliert. Unsere Kleine versteht sie schlichtweg nicht mehr und es gibt keine gemeinsame Sprachbasis in Form einer Muttersprache.

Hat jemand mit solchen Situationen Erfahrung und kann helfen?

Vielen Dank für Ratschläge und Hinweise

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Ja, ich. Meine Mutter hat mir ihre Muttersprache nie beigebracht, sondern stattdessen gebrochenes Deutsch mit mir gesprochen. Das war so eine Schnapsidee aus den 1970ern und 1980ern. Ich habe als Kind eine gewisse Zeit lang zwischen grammatisch korrektem Deutsch und gebrochenem Deutsch wechseln können. Irgendwann war ich mit der Sprachentwicklung so weit, dass ein Gespräch auf meinem Sprachniveau mit meiner Mutter nicht mehr möglich war. Das hat sich erst geändert, als ich englisch auf Niveau C1-C2 konnte, also erst gegen Ende meiner Schulzeit. Seit ich eine eigene Tochter habe, kann ich die Sprachentwicklung etwa abschätzen. So mit zweieinhalb dürfte meine Mutter bei meiner Tochter sprachlich noch mitkommen, aber wenn es so weiter geht, ist wohl mit drei oder vier Schluss.

Geschadet hat es weniger mir, ich habe halt mit anderen Leuten aus dem Umfeld gesprochen. Geschadet hat es vor allem meiner Mutter, die mich hat aufwachsen sehen und immer weniger verstanden hat. Es ist heute noch so, dass wir im Grunde genommen wenig miteinander zu reden haben. Heute sprechen wir beide ausgezeichent englisch, so dass die Sprache keine Barriere mehr wäre, aber die Beziehung ist halt nicht so, wie sie zwischen anderen Müttern und ihren Söĥnen ist. Dazu kommt, dass ich absolut keinen Kontakt mit dem Rest ihrer Familie habe.

Aus meiner Sicht ist es eine absolute Kardinalssünde, mit den Kindern nicht in seiner Muttersprache zu sprechen. Erstens, dass man dann irgendwann mit seinen Kindern nicht mehr genügend präzise und frei kommunizieren kann, zweitens die in der Regel zerschnittenen Familienbande, weil eine gemeinsame Sprache fehlt und drittens der Kulturverlust. Dazu kommt noch, dass man in einer Fremdsprache häufig nur ein begrenztes Vokabular hat und auch nur das seinen Kindern vermitteln kann. Meine Tochter hat gestern hinten auf ein Auto gezeigt und mich gefragt, was das ist. Ich habe ihr gesagt, dass es eine Anhängerkupplung sei. Das weiss sie jetzt und sieht überall Anhängerkupplungen. Auf englisch hätte ich das Wort nicht gewusst, obschon ich gut englisch kann und es täglich beruflich verwende. Genau das meine ich: Wenn einem das muttersprachliche Vokabular fehlt, ist alles Dings und machen, und die Anhängerkupplung ist das Dings, wo man den Anhänger ranmacht.

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Ich habe Angst, dass es bei uns so laufen wird 😭😭
Mein Freund redet nur sehr schlecht Deutsch. Seine Muttersprache ist Arabisch. Er hat auf Englisch studiert und braucht auf der Arbeit auch nur Englisch. Wir sprechen untereinander Englisch oder Deutsch. Letzteres eher zur Übung; tiefgreifende Gespräche sind nur auf Englisch möglich.
Mit unserem Sohn redet mein Freund eine Mischung aus gebrochenem Deutsch, Englisch und ganz selten Arabisch. Er sagt dann immer, dass er selbst und unser Kind erst mal Deutsch lernen sollten und dass er unserem Sohn später immer noch Arabisch beibringen könne. Ich rede da leider gegen eine Wand.

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Ich danke dir sehr für diesen Beitrag. Der Thread stammt zwar nicht von mir, aber deine Antwort hat bei meinem Freund zu einem Umdenken geführt 😊🤗

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Der Satz 'hat meine Frau leider nie, in ihrer Muttersprache mit unserer Tochter zu sprechen.'
ist leider zerstückelt.
Soll das heissen, Deine Frau hat nie in ihrer Muttersprache mit eurer Tochter gesprochen? In welcher denn dann, wenn sie kein Deutsch spricht? In Englisch?

>> Dies führt dazu, dass sie zusehend den Kontakt mit unserer Tochter verliert. <<
Das glaube ich nicht. Wenn Kontakt nur über Sprache erfolgt, hätten gehörlose Menschen ja nie Kontakt zu ihren Kindern.

Grüsse
BiDi

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Gehörlose Menschen haben ja eine Sprache, über die sie kommunizieren. Natürlich ist das gerade bei einem Kleinkind nicht die einzige und nicht einmal die primäre Kontaktmöglichkeit, aber auf Dauer muss die Frau mit ihrem Kind kommunizieren können.

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Deine Frau wird doch in irgendeiner Sprache mit dem Kind gesprochen haben. In welcher?
Warum sollte sie deshalb den Bezug zum Kind verlieren? Ist deine Frau den ganzen Tag arbeiten und du kümmerst dich größtenteils ums Kind?

Wie reagiert das Kind, wenn es in englisch oder indonesisch aufgefordert wird Dinge zu zeigen und zu benennen?

Besucht deine Frau einen Sprachkurs?

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Hat die Mutter auf Deutsch mit der Tochter gesprochen, obwohl sie das nicht kann? #kratz

Ich denke, dass ich gute Tipps geben könnte, aber schildere die Situation doch noch einmal genauer. Welche Sprache spricht die Mutter mit dem Kind.

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Wie in meinem anderen Post geschildert, meine Mutter hat das so gemacht. Vermutlich, weil man geglaubt hat, mehr als eine Sprache verwirre das Kind und auch, weil sie der romantischen Vorstellung nachgehängt ist, parallel zu mir Deutsch zu lernen. Tatsache ist halt: Kinder lernen ab einem gewissen Zeitpunkt viel schneller.

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Ich kenne das aus den 80er Jahren und mittlerweile überhaupt nicht mehr. Ich habe lange Familien zu mehrsprachiger Erziehung beraten und arbeite mit Kindern und Jugendlichen aus mehrsprachigen Familien. Dementsprechend bin ich sehr erstaunt, insbesondere wenn der Vater bereits Begriffe wie OPOL benutzt.

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Wenn es daran liegt, dass deine Frau bisher wenig mit eurer Tochter gesprochen hat, solltet ihr das ändern. Ganz viel Zeit verbringen und sehr viel sprechen, singen, vorlesen. Dann sollte eure Tochter auch deine Frau gut verstehen können. Es ist übrigens normal, dass die Sprache vom Kind oft nicht aktiv genutzt wird, passiv aber schon. Dass das Kind also auf indonesisch alles versteht, aber zum Beispiel immer auf Deutsch antwortet.

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das sind 3 Sprachen. --
Mutter mit Kind: Indonesich
Eltern englisch: Kind hört auch zu, Mutter zu wenig Übung in Deutsch
Papa: Deutsch mit Kind.


Ich finde, Du solltest anfangen, mit Deiner Frau nur noch Deutsch zu reden und nur die Problemwörter auf Englisch dann ergänzen, so lernt sie schneller deutsch und kann EUCH folgen.

es fehlt an der gemeinsamen Basis, vermute ich mal und dass es 3 Sprachen in Eurem Haushalt sind.

Dass es zeitweise bevorzugte Sprachen gibt, ist aber normal.

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Wir haben dies auch mit drei Sprachen gemacht aber sehr konsequent und dies ist heute ein klarer Vorteil

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klar - aber vermutlich wart ihr beide der deutschen Sprache trotzdem sicher mächtig... es geht ja auch drum, dass die Mama erstmal richtig in Deutschland auch deutsch lernt, finde ich ... da würde ich nicht beim englischen bleiben.... (meine Meinung).

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Sie soll einfach ab sofort ihre Muttersprache mit der Kleinen sprechen. Es ist keineswegs zu spät.
Was hat sie denn bisher mit ihr gesprochen? Englisch?

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Vielleicht verstehe ich dich falsch, bzw habe ich eine andere Vorstellung davon, was man "Kontakt" zum Kind nennt. Aber geht es deiner Frau gut? Ist sie glücklich in Deutschland? Fühlt sie sich wohl hier? Wurde sie in deiner Familie akzeptiert? Warum spricht sie mit dem Kind nicht in ihrer Muttersprache?

Denn es ist mir ansonsten wirklich schleierhaft, wie man ein Kind in dem Alter nicht verstehen kann. Logisch ist, das wenn 10 Leute mit ihr deutsch sprechen, das diese Sprache schneller klappt. Aber ganz viel läuft in dem Alter auf einer anderen Schiene, viel zeigen, viele Gesten, einfach viel noch non verbal. Unter Kontakt zum Kind schließe ich auch diese Art der Kommunikation mit ein. Und die ist nicht vorhanden? Was ist da los?

Und wie um Himmels Willen konnte es passieren, das ein Mensch nach 19 Monaten in Deutschland (in einer deutschsprachigen Familie lebend!) nicht mehr sprachlich mit einem Kind mithalten kann, welches gerade mal ein paar Brocken (wenn überhaupt) spricht?
Nicht euer Sprachexperiment ist schiefgegangen, da ist irgendetwas anderes im Argen. Ich habe einige KInder in meinem Umfeld, die zweisprachig aufwachsen. Ja, manchmal flutscht es nicht wirklich in einer Sprache, meistens in der die weniger gesprochen wird...logisch. Auch hängen sie sprachlich etwas nach, holen das aber später locker auf und können dafür 2 Sprachen. Probleme gibt es meistens nur mit der Großelterngeneration, die wirklich nur die eine Sprache können. Aber auch das erst später und nicht mit 15 Monaten.

Im Übrigen lernen Kinder auch viel, wenn sie die Eltern sprechen hören. Sie ahmen halt nach. Ihr sprecht aber nur Englisch miteinander (aus meiner Sicht auch nicht förderlich für deine Frau). Ihr solltet euren ursprünglichen "Sprachplan" über Bord werfen und neu überdenken. Ihr lebt in Deutschland, deine Frau muß dringend deutsch lernen. Laßt das Englsich untereinander weg (zumindest im beisein des Kindes), sonst kommt deine Frau nie auf einen grünen Zweig in deiner Sprache.

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Ich denke übrigens, dass dieses Phänomen häufiger auftritt, wenn die nicht verwendete Muttersprache in den Augen der Sprecher bei uns nicht viel Prestige geniesst. Sprecher westlicher Sprachen wie Französisch, Englisch etc. würden in Deutschland nie auf die Idee kommen, lieber gebrochenes Deutsch zu sprechen anstatt ihre eigene Sprache. Es könnte vielleicht auch sinnvoll sein, wenn der Mann zumindest Grundkenntnisse in der Sprache der Frau erwirbt, damit ihre Sprache in der Kernfamilie nicht zweitklassig ist. Das war in der Schweiz z.B. lange ein Problem mit Rätoromanisch. Während die Sprachgrenze zwischen Deutsch und Französisch in der Schweiz seit langem praktisch unverändert ist, weil die Leute entlang der Sprachgrenze auf beiden Seiten selbstverständlich ihre Muttersprachen benützen und von Zuzügern erwarten, dass sie sich darum bemühen, in dieser Sprache konversationsfähig zu werden, wurde Rätoromanisch stark von Deutsch zurückgedrängt, weil viele Eltern ihre aus ihrer Sicht mit weniger Prestige verbundene Sprache nicht weitergegeben haben. Ähnliches dürfte mit Plattdeutsch passiert sein.

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Meine Eltern kommen aus Thailand und konnten auch kaum Deutsch. Ich bin hier aufgewachsen. Sie haben trotzdem viel Deutsch mit mir geredet. Meine Muttersprache sprach ich perfekt, Deutsch die ersten Jahre tatsächlich sehr, sehr gebrochen. Lieber mit den Kindern auf der Muttersprache reden und sie Deutsch in der Schule (oder in eurem Fall vom anderen Elternteil lernen lassen) als ihnen falsches Deutsch beizubringen. Irgendwann habe ich dann "richtiges" Deutsch gelernt und mit meinen Eltern nur noch auf meiner Muttersprache geredet. Das ist bis heute so. Mit unseren Kindern sprechen sie ausschließlich Thai. Ich spreche mit den Kindern mal Thai mal Deutsch und das klappt sehr gut so. Die Kinder Antworten zwar meistens auf Deutsch aber verstehen alles. Sie können aber auch auf Thai Antworten, denn mit der Thailändischen Familie wird nur Thai gesprochen. Manchmal trauen sie sich nur nicht, wir versuchen ihnen aber das Schamgefühl abzutrainieren.