Depressive Episode belastet jahrelange Freundschaft

Hallo zusammen,

ich habe gerade eine depressive Episode, das erste mal in meinem Leben. Bin Ü50, w, alleinerziehende Berufstätige mit zwei Kindern und pflegebedürftigen Eltern. Habe schlimme traumatische Beziehungen hinter mir, die letzte hat mir eine PTBS zur Erinnerung zurück gelassen, bin auch in Psychotherapie und habe nun eine Therapiekrise, dazu Hormonschwankungen durch Wechseljahre und zu viel Stress in den letzten Monaten. Bin krankgeschrieben und bekomme Antidepressiva seit ein paar Wochen. Bin und war immer ein Mensch, der sich selbst immer an letzte Stelle stellt, immer allen anderen es Recht machen will, immer funktioniert hat. Unter der aktuellen Situation leide ich sehr und wünsche mir nichts mehr als in meine alte Form zurück zu finden, wobei ich andererseits weiß, dass ich viel ändern muss (Stichwort Selbstfürsorge und gesunder Egoismus) um dabei nicht in alte Muster wieder zu verfallen, die mich erst an diesen Punkt gebracht haben.

Soweit so gut, ich funktioniere aktuell in normalen Alltag für die Kinder und gönne mir dazwischen Ruhepausen wo es geht um was für mich zu tun. Bin da auch im sozialen Miteinander jetzt etwas passiver geworden. Meine beste Freundin kann damit jedoch gar nicht gut umgehen. Sie weiß, dass ich gerade Depressionen habe, nimmt es aber sehr persönlich und ist beleidigt, als ob es gegen sie gerichtet ist, dass ich momentan ruhiger bin und weniger Lust habe zu reden. Normalerweise haben wir von früh bis spät in regem Kontakt gestanden per Sprachnachrichten, aber dazu fehlt mir aktuell einfach der Sinn. Als ich es ihr zuliebe trotzdem weiter versucht habe, da ich merkte, dass sie mich als Zuhörerin braucht, gerieten wir aneinander, weil sie mich aktuell als schlechte Zuhörerin empfindet. Außerdem ist sie sauer, dass ich medizinische Ratschläge von ihr aktuell nicht annehme und umsetze und lieber auf die Ärzte höre statt alternative Methoden zu suchen. Ich bin offen für alternative Medizin, aber in der aktuellen Situation bin ich der Meinung, dass ich erst mal akut Hilfe brauche, um die negative Spirale der Depression zu unterbrechen, und das geht nun mal schneller mit Medikamenten als mit Globuli und Kräutertee. Ich muss ja funktionieren für meine Eltern und Kinder, sonst hätte mich der Arzt in eine Klinik gesteckt.

Jetzt redet meine Freundin seit einer Woche nicht mehr mit mir und meldet sich auch nicht mehr. Ich habe sie noch 2x angeschrieben und mich entschuldigt dass ich aktuell durch die Depression eben nicht die Alte bin und sie schien auch nicht sauer zu sein, aber da sie sich seitdem nicht mehr von sich aus gemeldet hat und auch nicht fragt, wie es mir geht, weiß ich, dass sie sauer auf mich ist. Das Problem ist eben, dass sie grundsätzlich alles persönlich nimmt, ich muss sonst auch schon immer auf Eierschalen laufen bei ihr, sie sagte mir auch vorher schon mehrfach, diese Freundschaft würde nur funktionieren, weil sie sich bei mir total zusammenreißt und so oft die Faust in der Tasche macht und nichts sagt, obwohl ich sie oft so wütend mache und verletze mit Dingen die ich sage, aber sie wisse ja, dass ich das nicht so meine wie sie es auffasst. Sie hat ein sehr geringes Selbstbewusstsein und fühlt sich sich oft angesprochen, wenn ich etwas negatives sage über mich oder andere, z.B. wenn ich sage, dass ich zugenommen habe und gern 2-3 Kilo abnehmen würde, ist sie sauer und fühlt sich von mir beleidigt, da sie dicker ist als ich und was ich denn dann wohl über sie denke.

Ich versuche sonst immer, auf sowas zu achten und Rücksicht zu nehmen, aber durch die Depression ist mir die Kommunikation mit ihr echt anstrengend geworden und ich muss zugeben, dass mir dieses Schweigen gerade gut tut und mir das tägliche Für-die-Da-sein nicht fehlt. Andererseits bin ich durch die Depression jetzt generell auf Sozialflucht und habe Angst, dass ich es vielleicht später bedauer, wenn ich mich jetzt nicht um den Erhalt der Freundschaft bemühe.

Was denkt Ihr? Würdet Ihr Euch um den Erhalt der Freundschaft bemühen oder nichts tun, wenn von ihr jetzt nichts mehr kommt? Ich bin halt ziemlich sicher, dass sie sauer ist auf mich und erwartet, dass ich ihr deutlich zeige und sage, wie wichtig mir ihre Freundschaft ist, aber im Moment habe ich keine Kraft, das ihr zu geben was sie sich von mir erwartet.

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"ich muss zugeben, dass mir dieses Schweigen gerade gut tut und mir das tägliche Für-die-Da-sein nicht fehlt."

In manchen Fällen kennt man die Antwort auf seine Frage schon :-). Eine Depression ist eine sehr ernst zu nehmende Krankheit. Aus meiner Perspektive machst Du es genau richtig, dass Du Dich jetzt darauf fokussierst, es hinzubekommen, dass es Dir wieder besser geht. Ein kleiner Bestandteil davon ist auch sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf Dinge / Beziehungen zu fokussieren, die Du als für Dich wohltuend empfindest (und ja, das kann auch ein gewisser Rückzug sein) und Beziehungen / Umstände, bei denen dies nicht gegeben ist, so weit es geht in den Hintergrund zu rücken. Die Beziehung zu dieser Freundin gehört laut Deiner eigenen Aussage im Moment dazu.

Depressionen eines guten Freundes sind auch für die betroffenen Freunde manchmal sehr schwer mitzutragen. Das Einsehen, dass freundschaftlicher Rat und hilfreiche Tipps hier nicht mehr helfen können, sondern einzig die professionelle Therapie, kratzt durchaus am eigenen Ego. Die Tatsache, dass der gute Freund, der für einen da war und einen selbst getragen hat, jetzt nicht da sein kann und dadurch eine Lücke hinterlässt, schmerzt. Das ist nicht einfach. Und es ist NICHT Dein Problem. Ein guter Freund lernt dies zu verstehen oder weiß es bereits, lebt sein Leben weiter und wartet auf Dich.


Ich wünsche Dir viel Erfolg bei Deiner Therapie und wünsche Dir, dass es Dir bald wieder etwas besser geht.

PS: Ich habe mit Absicht nichts über Deine Freundin konkret geschrieben. Vielleicht ist es noch zu früh die Beziehung als solche insgesamt zu bewerten. Ich halte es für eine ganz gute Idee für den Moment Deinem Gefühl zu folgen, dass es Dir im Moment ohne ihr besser als mit ihr geht.

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Ich schließe mich da der vorherigen Antwort an und kann aus eigener Erfahrung sagen, dass es in akuten Krisen bei einer Depression manchmal leider so ist, dass sich der Freundeskreis etwas ausdünnt.
Du brauchst gerade die Energie für dich und so sehr ich auch verstehen kann, dass es sehr schmerzt eine alte Freundschaft ruhen zu lassen, würde ich dir raten diese Baustelle im Moment nicht auch noch aufzumachen.

Du musst dich ja in der aktuellen Situation gar nicht entscheiden, wie du weiter mit deiner Freundin umgehen möchtest, also ob du noch mit ihr befreundet sein kannst oder nicht.
Aber wenn das gerade noch mehr Gedankenstrudel verursacht und deine Energie zieht, ist es aus meiner Erfahrung besser, sich aus dieser Beziehung (emotional) rauszuziehen und dich wieder zu melden, wenn es dir besser geht und dir danach ist.
Dann könnt ihr vielleicht immer noch in Ruhe darüber reden, wie ihr zueinander steht und was ihr voneinander erwartet.

Ich persönlich habe meine beste Freundin mal in einer Krise eine Weile nicht viel gesehen, weil wir beide überfordert waren mit einem Konflikt, der in meine Krise reingespielt hat. Erst nachdem ich aus der Situation raus war und ich ihr verzeihen konnte, konnten wir wieder die engen Freundinnen werden, die wir bis heute sind.
Wir konnte uns zum Glück aussprechen.

Ich wünsche dir jetzt erstmal ganz viel Kraft und dass du Leute in deinem Umfeld hast, die dir etwas Rückenwind geben können.

Außerdem noch meinen größten Respekt vor deiner Leistung und das trotz Depression. Bitte lob dich dafür mal jeden Tag selbst.

Bearbeitet von LizMin