Ich – die Teilzeitmama.

Hallo zusammen.

Zuerst einmal: Ich liebe mein Kind und möchte es keine Sekunde missen.

Jedoch werden wir bald täglich gefragt: WAS macht IHR? Ihr seid TEILZEITELTERN? Rabeneltern seid Ihr…! Daher hier für alle Interessierten:

Eine kleine Geschichte:

Ein Mann und eine Frau lernen sich kennen und lieben und bekommen irgendwann ein Kind. Das Kind, das wächst und gedeiht, alles ist super – nur Mama und Papa, die können nicht mehr so wirklich gut miteinander. Immer mehr und öfter streiten Sie sich und schaffen es trotz mehrerer Versuche nicht mehr die Beziehung aufrecht zu erhalten. Das Kind merkt natürlich das irgendetwas nicht in Ordnung ist und ist beinahe erleichtert als es irgendwann heißt:

Deine Mama und dein Papa sind nicht mehr zusammen.

Für die Einen ein Schlag ins Gesicht, dennoch am Ende eine Erleichterung für alle Beteiligten.

Nein, es ging mir nicht sofort blendend. So viele Fragen, so viele offene Enden – aber das erste Mal nach langer Zeit das Gefühl etwas „richtiges“ gemacht zu haben. Nicht, das ich irgendwem einen Vorwurf machen möchte – und nicht, das es mir in der Zeit schlecht ging. Dennoch lag die nicht funktionierende Beziehung wie ein Stein auf mir. Ich habe mich in meine Arbeit gestürzt und war mehr dort als daheim. Mein Kind habe ich oft morgens kurz gesehen – selbst an den Wochenenden bin ich lieber arbeiten gegangen.

Nach einigen Wochen konnte auch der Papa Gutes an der Trennung finden – und es galt auch für unser Kind eine Lösung zu finden. Das war, mit Verlaub, nicht einfach.

Lange verstaubte Fehler des Anderen mussten ausgegraben, gegeneinander verwendet und dann aufgearbeitet werden. Dinge, über die man jahrelang hinweg gesehen hat wurden plötzlich zum Streitthema. Ich gestehe: Die Zeit war alles Andere als Einfach. Auch ICH war während dieser Zeit alles andere als einfach und habe sicher selbst so einige Eier gelegt. (Sorry dafür)

Wir haben uns das Jugendamt als Supporter ins Boot geholt: Das war eine der besten Entscheidungen während dieser Zeit. Auch wenn die Dame MIR so manches Mal den Kopf gewaschen hat: „Sie müssen Ihrem Mann schon was zutrauen“ – „Jetzt ist aber wirklich Schluss: Halten Sie sich da raus!!“ und am Ende die Erkenntnis: Das Jugendamt hat dann gute Arbeit geleistet wenn nachher keiner so wirklich zufrieden ist ? (Natürlich ist nun alles gut, aber nach den Gesprächen sind wir beide mit langem Gesicht dort raus gegangen)

Mit der Unterstützung unserer Sachbearbeiterin haben wir dann aber doch eine gemeinsame Schiene gefunden:

Wir haben uns für das „Teilzeit-Modell“ entschieden.

Klingt komisch? Ist es auch – glaub mir. Vor allem am Anfang.

Als unser Sohn das erste Mal eine Woche zum Papa gegangen ist bin ich schier durchgedreht. Ich wollte am liebsten im Minutentakt dort anrufen und fragen ob alles in Ordnung ist.

Aber was soll denn sein? Sein Papa war in den letzten 6 Jahren immer ein guter Papa…!

Als er dann – endlich – nach einer langen Woche wieder bei mir war konnte ich Ihn gar nicht los lassen. Am liebsten hätte ich Ihn Tag und Nacht gekuschelt. So eine Woche ohne mein Kind kannte ich ja nun gar nicht. Für ´s Kind war das vom ersten Tag an kein Problem. Der konnte eher nicht verstehen was ich nun von Ihm wollte. Für Ihn war klar: Wenn die 2 nicht mehr zusammen sein wollen dann müssen sie mich halt teilen.

Ein bisschen „Oh, ich vermisse Mama“, oder „Mama, wann darf ich wieder zu Papa“ – gepaart mit: „Komm, lass uns was unternehmen…“ und die Sache war Gegessen. Vorerst. Denn immer wieder kam, wie bei allen Kindern, die Frage: Mama, könnt Ihr nicht einfach wieder zusammen ziehen?

Vertragt Euch doch wieder.

Jetzt erkläre mal einem Kind eine gescheiterte Beziehung ohne den jeweils anderen Partner dafür verantwortlich zu machen. Gar nicht so einfach – aber machbar.

Im Wechselbad der, sowieso schon völlig durchgebrachten, Gefühle stand dann auch bald der zweite Wechseln an. Nein, die Woche konnte noch gar nicht um sein. Und schwupps, war das Kind wieder beim Papa. Super. Und ich saß da. Versunken in Selbstmitleid. Ich arme Mama. So ganz alleine. Bis mir irgendwann meine allerliebste Freundin und Arbeitskollegin an den Kopf geknallt hat: Was soll´n das jetzt? DU wolltest das doch so. Gott, was habe ich Sie in dem Moment gehasst. Aber Sie wäre nicht meine Freundin wenn Sie nicht abends gleich mit ´ner Flasche Sekt vor der Tür gestanden hätte.

Im Laufe des Abends haben wir dann richtig Spaß gehabt und den Neuanfang begossen – ohne mein Kind. Und da war es wieder, dieses miese Gefühl. Den Rest der Woche habe ich mich zusammengerissen und geschaut das ich unsere Wohnung fertig kriege. Ich bin ausgezogen und es gab noch einiges zu tun.

Es kamen noch einige Wechsel mit mulmigem Gefühl – aber nach einigen Wochen fing ich an die Zeit zwischendrin als „Kinderlose“ zu genießen. Ich habe stundenlang vor dem PC gesessen ohne schlechtes Gewissen, die Bude geputzt und mich darüber gefreut dass Sie die ganze Woche sauber geblieben ist…! Ich habe mir ne Flasche Sekt gekauft und mich in die Badewanne gelegt und dort stundenlang gelesen. Ich bin mit Freunden essen gegangen oder habe auch einfach mal NICHTS getan. Einfach nichts.

Die Woche mit Kind haben wir dafür ganz intensiv genutzt und wir konnten die Zeit immer mehr genießen. Wir haben gemeinsam Dinge getan für welche ich sonst oft die Nerven nicht mehr hatte. Ich war viel, viel entspannter und konnte auch aus dem See, den der umgestoßene Becher gerade auf dem Tisch bildet, noch Fische fangen statt mich drüber zu ärgern. Die Zeit in der wir zusammen waren hat eine ganz andere Qualität bekommen. Das sagt übrigens auch der Papa. Und das ist auch heute noch so.

Es wurde irgendwann normal.

Inzwischen ist der Begriff „Teilzeit-Mama“ bei uns völlig normal.

Freunde fragen schon immer: Sollen wir kommen oder seid Ihr Single?

(ich habe inzwischen einen neuen Partner, daher Ihr)

Menschen, die uns noch nicht kennen fragen immer ungläubig ob wir das wohl ernst meinen. Und ob wir das wirklich so machen. Und ob das denn erlaubt ist. Und wir sollten uns doch schämen.
Und genau deshalb schreibe ich hier.

Viele haben zum „Wechselmodell“, wie es offiziell ja heißt, überhaupt keinen Bezug.

Das ist irgendwas Komisches – und das machen die eben so.

Ein Wechselmodell ist nichts Komisches.

Sicher ist es auch nicht für jeden geeignet, aber es sollte doch eine Möglichkeit sein die man in Betracht zieht bei einer Trennung.

Es gehört eine Menge „Paararbeit“ dazu – auch wenn man kein Paar mehr ist. Inzwischen haben wir das Level „Papa hat gesagt ich darf das…“ erreicht und ich kommuniziere mehr als je zuvor mit meinem Ex-Mann um solche Spielereien gleich im Keim zu ersticken. Wir leben dieses Modell nun seit 3 Jahren und weder wir noch unser Sohn können sich im Moment etwas anderes vorstellen.

Natürlich braucht es klare Regeln. Wenn es aber einmal eingespielt ist kann es durchaus für alle eine wahnsinnige Bereicherung sein.

Wir wechseln z.B. wöchentlich.

Ein befreundetes Paar wechselt monatlich.

Das Kind ist aber deutlich älter.

ICH kann mir das für den Moment überhaupt nicht vorstellen, aber erinnert Ihr Euch an den Anfang meines Textes? Da konnte ich mir nicht einmal vorstellen überhaupt eine Teilzeitmama zu sein.

Alles Gute und einen tollen Wochenstart wünscht Euch
DieJunk

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Toll, dass es bei euch so super klappt :-D

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Hallo #winke,

auch wenn es für vile unvorstellbar (mich miteingerechnet) ist, so hab ich großen Respekt, vor eurer Entscheidung #ole.

Es ist immer toll, wenn Eltern trotz einer Trennung das beste für ihr Kind wollen und es dann auch umsetzen. Die Entscheidung an sich ist schon schwer, damit lernen zu leben aber noch mehr.

Schön, dass euer Kind damit keine Probleme hat und geregelte Zeiten vorhanden sind.

Lg Annika

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Hallo Annika,

danke für Deine Antwort.

Wie schon im Text beschrieben war es sicher nie einfach - und ich glaube es wird immer Punkte geben an denen man sich z.B. uneinig ist.

Im Großen und Ganzen muss man am Ende das machen was in der Beziehung oft nicht funktioniert: Miteinander reden :-) Denn ohne Absprachen gehts wirklich nicht.

Alles Gute für Dich!

DieJunk

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Ja das denke ich auch. Auch in einer gut funktionierenden Beziehung muss man Kompromisse eingehen und miteinander reden.

Alles Gute auch für euch #winke

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Für das Kind ist das super und man selbst gewöhnt sich dran und hat seine Freiräume.

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Danke für diesen tollen Bericht.

Ich finde es großartig, dass du den egoistischen Schmerz ausgehalten und somit deinem Sohn zwei gleichberechtigte Elternteile geschenkt hast.

Respekt!

LG

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Hallo,

lieben Dank für deine Antwort.

Mit so viel positiver Rückmeldung habe ich, ehrlich gesagt, nicht gerechnet. Das freut mich doch!

Es war oft nicht einfach, dafür haben wir jetzt ein entspanntes Kind welches mit Papa und Mama glücklich ist.

Das wiegt doch so vieles auf!

Einen entspannten Tag wünsche ich Dir ;-)

DieJunk

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Wohnt ihr im selben Ort/Stadtteil oder wechsel teuer Sohn die Schule woechentlich? Wie klappt es mit Hobbies und Freunden?

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Hallo,

danke für deine Antwort.

Ja, wir leben im selben Ort, wohnen fußläufig etwa 15 Minuten auseinander, wobei die Schule sich genau in der Mitte befindet.

Daher sind Hobbies und Schule kein Problem.

Grüße,

DieJunk

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Hoert sich so an als ob ihr die perfekte Loesung gefunden habt.

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Nennt sich wechselmodell und hatte ich auch über jahre. Wobei ich auch Mama War während meine Kinder beim Papa waren...man gibt die Verantwortung ja nicht wöchentlich ab.
Für dich mag es die ideale Lösung sein.
Ich kann nur von meinen Erfahrungen sprechen...ich dachte auch Es wäre das beste für die kids. War es nicht . Kinder brauchen ein festes zuhause...keine 2 halben. Ständig hat man irgendwie ne Tasche in der hand.....meine Kinder haben unter dem pendeln gelitten je älter sie wurden.

Vielleicht bin ich ein einzelfall. Ich kann dieses Modell niemandem empfehlen

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Hallo,

Danke für deine Antwort. Bei uns hat niemand eine Tasche in der Hand. Das regeln, wenn es mal etwas zu tauschen gibt, wir als Eltern ohne Kind. Unser Sohn wechselt nach der Schule, bekommt also davon kaum was mit. Er hat an beiden Orten alles was er benötigt. Ein ganz normales Zuhause. Ja, Kinder brauchen ein festes Zuhause. In guter Abstimmung kann man Ihnen dieses auch im Wechselmodell bieten.

Ein Kind hat ebenfalls ein Recht auf Mama und Papa. Und so lange das Wechseln funktioniert werden wir das weiter machen. Ich empfehle immer dieses Modell wenigstens zu probieren. Es kann für viele Familien DIE Lösung sein.

Für uns ist es derzeit perfekt. Ich hoffe daß dies lang so bleiben wird. Sollte unser Sohn allerdings irgendwann bei nur einem von uns leben wollen werden wir auch dann eine Lösung finden.

Alles Gute.

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Hallo!
Nein, Du bist kein Einzelfall. Mein Mann arbeitet in der Kinder-Jugendhilfe. Das Modell funktioniert leider praktisch nie auf dauer. Genau, wie du es sagst brauchen Kinder 1! Zuhause. Oder möchten Erwachsene dauerhaft Woche für Woche oder Tage für Tage immer hin und herwechseln???? Der Psychologe, mit dem mein Mann zusammenarbeiten hält es sogar für unverantwortlich. Es ist ein Modell, was gut für Eltern ist und sehr schlecht auf Dauersicht für die Kinder. Es geht dabei um das wohl der Elern, nicht der Kinder!
Lg Sportskanone

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Ein Bekannter und seine Ex machen das auch. Das Kind ist 6 Jahre und wirkt auf mich glücklich und zufrieden - zumindest wenn sie bei Papa ist, das andere kann ich nicht beurteilen, da hab ich sie nicht erlebt.

Ich finde dieses "Kinder brauchen ..." genauso eine blöde Aussage wie "Männer wollen ..." oder "Frauen sind ...". Kinder sind Individuen und haben dementsprechend individuelle Bedürfnisse. Das einzige, was wirklich alle Kinder "brauchen" ist Liebe. So lange man diese in den Vordergrund stellt, sollte es klappen. Und wenns irgendwann nicht (mehr) klappt und die Liebe im Vordergrund steht, dann wird man es merken und ändern. Und wenn ich ... aber die Liebe nicht hätte, so wäre ich nichts. (Korintherbrief).

Andere Bekannte habens übrigens noch wesentlich krasser. Da wohnen die Eltern Gartenzaun an Gartenzaun und die Kinder laufen hin und her, sind heut bei Mama und morgen bei Papa, essen mal hier mal da, schlafen mal in dem Bett und mal in jenem. Mir kommt vor, DIESE Kinder sind auch ziemlich glücklich. Ob man es als Eltern schafft, steht auf nem anderen Blatt.

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Danke für Deine Antwort.

Schön, dass es such bei anderen so gut funktioniert.

Natürlich muss man immer aufs Kind achten.

Daher lassen wir uns auch professionell begleiten.

Bisher ist das Modell für uns ein voller Erfolg.

Unser Sohn selbst sagt das er es sich anders gar nicht mehr vorstellen mag.

Das ändert sich sicher mit der Pubertät, aber auch dann findet man eine Lösung.

Einen angenehmen Abend wünscht

DieJunk

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Hallo,

auch wenn Dein Beitrag schon etwas älter ist, möchte ich Dir für Deine Worte danken! Ich finde es schön zu lesen, dass es noch andere gibt die diesen Weg gegangen sind und, dass es nichts Schlechtes ist eine Teilzeitmama zu sein. Ich habe die gleichen Erfahrungen gemacht: wurde von Außenstehenden kopfschüttelnd abgestempelt, hab mich mit Selbsvorwürfen fertig gemacht und viele Stunden damit zugebracht die für alle Beteiltigten beste Lösung zu finden.

Mein Exmann und ich haben nun seit November 2015 das Wechselmodell (Montag bis Montag) und für unsere beiden Jungs (3 und 5) scheint es aus aktueller Sicht die beste Lösung zu sein. Diese Aussage haben wir auch von den Erzieherinnen der Kita bekommen. Wie es sich entwickeln wird und ob die Kinder irgendwann selbst sagen wo sie gern wohnen möchten wird sich zeigen. Zum Glück sind wir ja aber offen für bis dahin "Unvorstellbares"...

Viele Grüße

bubuiba

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Hallo,

wenn es dem Kind und euch dabei gut geht ist doch alles in Ordnung.

Vielleicht sind die anderen auch nur neidisch, weil sie eben mal nicht eine Woche "frei" von ihrem Kind haben.

vg
novemberhorror