Meister und Selbständigkeit

Ich bin Sanitär und Klimatechnik Meisterin, und habe die Möglichkeit den Betrieb in dem ich arbeite , es ist ein Familien Betrieb, zu übernehmen.
Ich bin 32, seit 8 Jahren dort und es ist ein Betrieb mit 2 Niederlassungen und insgesamt 20 Mitarbeitern.
Die Finanzierung ist nicht das Problem, aber ob ich es mir zutrauen sollte und kann, beschäftigt mich.
Also bisher angestellt, zwar mit Leitungsaufgaben, hatte eigene Projekte, und jetzt dann Chef mit viel Büro, Administration, Papierkram, Organisation.
Arbeiten müsste ich die ersten Jahre quasi rund um die Uhr, aber würde auch entsprechend verdienen.
Da ich den Betrieb von meinem Onkel übernehmen würde, wäre dieser auch noch da und die Übergabe würde sich auf 2 Jahre Strecken damit ich mich richtig einarbeiten kann.
Es würde mich schon reizen.
Mein Vater meinte, ein Mann mit meiner Qualifikation würde nicht zögern eine solche Chance zu ergreifen.
Wer hat so wa gemacht und hat es funktioniert?
Warum würdet ihr es euch zutrauen bzw was spricht dagegen?

Bearbeitet von Inaktiv
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"Arbeiten müsste ich die ersten Jahre quasi rund um die Uhr, aber würde auch entsprechend verdienen."

Bist du bei beidem sicher? Weder hängt das eine mit dem anderen zusammen, noch ist beides ein Automatismus.

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Nicht weiter überlegen.. Machen. Wir sind im ähnlichen Bereich unterwegs. Mein Mann hat vor 10 Jahren den Schritt in d Selbstständigkeit gewagt. Was soll ich sagen.. er liebt seinen Job, hat es nie bereut und finanziell hat es sich sehr gelohnt. LG ...nur Mut.

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Dein Vater hat da nicht Unrecht. Auf der anderen Seite finde ich es gut, dass du die Sache genau überdenkst.

Vorteil ist: du kennst den betrieb schon länger, also auch Kundenstamm, wirklich Umsatze, Mitarbeiter (hier sehe ich eventuell ein Problem, dass dich vielleicht der eine oder andere immer als die kleine gesellig sehen wird. Das kannst aber nur einschätzen).
Du übernimmst keinen Betrieb blind, was eventuell später zu Probleme führen kann.
Dein Onkel wirst bestimmt auch über die 2 Jahre hinaus gelegentlich dein Ansprechpartner sein können.

Der Schwester meiner besten Freundin hat letztes Jahr den betrieb ihrer Eltern übernommen, hier ein angesehener GWI-Betrieb in der ganzen Stadt.
Der Prozess dauert knapp 2 Jahre, auch weil die KfW viel sehen wollte, die Gelder wurden immer in Tranchen ausbezahlt. Dabei hat sie den betrieb auch noch umstrukturiert und so wieder anders zukunftsfähig gemacht. Ihre Eltern sind seit August komplett raus. Die machen gerade eine Rundreise durch Europa, damit der Papa nicht ständig bei ihr auf der matte steht 🤣. Dem fällt der Abschied von seinem Betrieb, für den er 40 Jahre lang manchmal. 60-80 Stunden die Woche gearbeitet hat schwer, einfach weil es eben auch Gewohnheit ist. Aber so langsam scheint er sich daran zu gewöhnen.

Wir alle brauchen das Handwerk. Und wir brauche viel mehr Frauen in Führungspositionen. Auch im Handwerk.
Also ja, ich würde es machen. Gerade in deinem Gewerke wird ja in den nächsten Jahrzehnten viel Arbeit auf euch zukommen.
Warum sollte es nicht funktionieren? Weil die eine Frau bist?
Wenn du einschätzen kannst, ob das mit deinem Onkel klappt, er dir also wirklich irgendwann die Zügel überlässt, ohne dir in ein paar Jahren immer noch einzureden, dann mach es.

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Der Bereich, die Chance und Deine Qualifikation sollten doch eine Goldgrube sein. Erarbeite im ersten Jahr der Übergabe einen Businessplan, vielleicht auch mit externer Begleitung. Im zweiten Jahr setzt Du Änderungen um. Geht etwas schief hast Du dann noch die Erfahrung vom Onkel.

Dein zukünftiges Hauptproblem sollte sein Fachpersonal zu finden, nicht ob Du den Papierkram wuppen kannst. Wenn es läuft, und das sollte es, dann können andere sehr vieles machen was Dich belasten würde und was jetzt vielleicht zur normalen Tätigkeit des Onkels gehört. Wenn Du den Betrieb übernehmen willst bist Du Chef und kannst und musst den Betrieb strategisch für die Zukunft ausrichten. Dafür solltest Du Dich nicht zu sehr von derzeitigen Strukturen vereinnahmen lassen. Das trübt den Blick. Lernen und gleichzeitig kritisch bleiben.

Hast Du Lust darauf?

Bearbeitet von Inaktiv
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Ja, hab ich Lust drauf.
Ich denke, es ist der richtige Zeitpunkt, ich bin seit 4 Jahren Meister, hab die Ausbildung mit 19 abgeschlossen und daher entsprechend Berufserfahrung.
Den Betrieb kenne ich auch gut und natürlich auch die Umsätze, aber von der betriebswirtschaftlichen Seite her wird das sowieso nochmal durchleuchtet, da hole ich mir Beratung.
Wenn ich nächstes Jahr anfange mit den ersten Schritten, , ist das Ganze realistisch in 2026 abgeschlossen, dann bin ich 35 und kann voll durchstarten, bin also im richtigen Alter bzw in einem Alter wo sich der ganze Aufwand noch lohnt. Mein Onkel ist dann 70 und das passt auch für ihn.
Ich muss dann natürlich auch umstrukturieren, investieren, neue Ideen umsetzen, also viel zu tun.
Und klar, selbst und ständig stimmt....
Sehe ich an meinem Onkel, aber auch an meinem Vater der 3 Apotheken hat....oder meiner Mutter die Friseurin ist. mit 2 Läden....die sind ständig beschäftigt und arbeiten sehr viel, oft kommt was Unvorhergesehenes und dann wird es spät oder früh...je nachdem, ich bin so aufgewachsen.
Man muss das mögen wirklich viel zu arbeiten und muss belastbar sein, und man braucht natürlich Mitarbeiter die einem das Alltagsgeschäft abnehmenund verlässlich sind...aber da weiss ich auch dass gerade die Mitarbeiter Führung die schwierigste Herausforderung ist.
Man muss Lust drauf haben, sein Leben dem.Betrieb zu widmen, denn viel Zeit und Energie für etwas andere wird nicht bleiben.

Bearbeitet von Inaktiv
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„denn viel Zeit und Energie für etwas andere wird nicht bleiben.“

Ich kenne das selber. Aber es muss nicht so sein, speziell wenn es gut läuft, das ist ja keine One-Man-Show, und es gehört zur strategischen Ausrichtung dafür die notwendigen Maßnahmen einzuleiten. Es liegt also auch an einem selber. Wenn Du in Arbeit und Tagesgeschäft versinkst fehlen Kapazitäten für die Strategie. Und die kann viel wichtiger sein als kleine Notfälle.

Viel Erfolg!

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Hast schon gute Inputs bekommen. Überlege dir auch, wie es für dich kurz- und langfristig weitergehen würde, solltest du dieses Angebot nicht annehmen. Was ist die Alternative?

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Das hab ich auch schon gedacht, es könnte erwas auftauchen was die Übernahme unmöglich oder zu riskant macht , ich muss ja erst mal alles anschauen wrr weiss was da auf mich wartet.
Ich kann als Meister dann weiterhin angestellt weiter arbeiten, muss mir dann einen anderen AG suchen.
Das dürfte nicht so schwierig sein.
Aber das muss ich dann entscheiden wenn es soweit ist.

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Hallo, ich bin ebenfalls Meisterin und selbstständig. Zwar in einer anderen Branche und auf eigenen Wunsch selbstständig gemacht, aber denke man kann es vergleichen.

Mein Betrieb ist sehr gut angelaufen und wurde sehr erfolgreich. Ich habe viel Zeit investiert und auch rund um die Uhr gearbeitet. Von 9-18 im Betrieb, später Papierkram und Werbung/Marketing auf Social Media und generell im Netz. Ich hab wirklich ne Menge Geld verdient und hatte dann mit 29 mein eigenes freistehendes Haus, die schränke voller Prada, Gucci & Co, usw. Finanziell und beruflich lief alles rund.

Dann kam mein Mann, ein paar Jahre später wurde ich schwanger und ich dachte, mein Betrieb ist so gestanden, der wird es ne Zeit lang ohne mich schaffen (also ohne mich aktiv arbeitend im Betrieb). Ich hatte wirklich wunderbare Mitarbeiter, die allesamt zuverlässig und fleißig waren und davon ab ausnahmslos tolle Frauen waren.

Dann jagte eine Katastrophe die nächste. Mein komplettes Team wurde schwanger während ich es auch war. Somit musste ich also hochschwanger bis zum Ende arbeiten (9 std täglich körperlich harte Arbeit), mir ein neues Team suchen (hallo Fachkräfte Mangel) und alles neu organisieren. Die neuen Mitarbeiter habe ich innerhalb von 5 Wochen einarbeiten müssen, was mehr schlecht als recht klappte, da die Geburt quasi bevorstand.

Die Kunden waren unzufrieden mit den neuen und blieben weg. Das Geschäft ging also steil bergab. Da ich aber jetzt Mutter war, gab es neue Dinge die wichtiger waren. Es waren 2,5 Jahre voller Verzweiflung, Erschöpfung, finanzieller Sorgen und Nervenzusammenbrüchen. Ich musste 5 Wochen nach der Geburt wieder voll einsteigen und das hat mich kaputt gemacht. Körperlich und psychisch. Ich weiß nicht wie ich diese Zeit überlebt habe. Jetzt ist mein Kind im Kindergarten und die Zeit nutze ich zum arbeiten täglich. Es geht jetzt wieder einigermaßen, aber an die Erfolge von früher werde ich nicht mehr anknüpfen können und möchte es auch nicht mehr.

In 2 Jahren läuft der Mietvertrag aus und das werde ich feiern. Ich habe keinen Bock mehr auf bescheuerte und unzuverlässige Mitarbeiter, die ganze Verantwortung und die viele Arbeit und Organisation. Würde ich mich nochmal selbstständig machen?

Jein. Ich konnte mir dadurch ein schönes Leben finanzieren und bin jetzt mit 37 schuldenfrei mit bezahltem Haus und 2 bezahlten Autos vor der Tür. Aber die Zeit ist jetzt halt vorbei, jetzt bin ich froh, wenn ich diese Belastung los bin.

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Mir geht es nicht ums reich werden oder Luxus Güter besitzen, ich lege weder Wert auf Gucci, noch mag ich Autos und sicher kein großes Einfamilienhaus.
Materieller Besitz ringt mir keinen Respekt ab.
Ich lebe auf 80 qm , was schon für eine Person zu groß ist , und bewusst zur Miete in einer günstigen Gegend.
Ich will und brauche nicht viel, ich möchte finanziell keine Probleme bekommen, das wäre mein Ziel.
Mit Kind kommt natürlich eine starke Veränderung ins Leben und dann kann es schwierig werden wenn man selbständig ist .
Ich habe es in meiner Familie gesehen dass man selbst immer da sein muss, längere Auszeiten sind nicht drin ohne dass eiine Schieflage entsteht.
Meine Eltern haben immer gearbeitet und waren präsent, zu Hause war immer Oma die sich um mich gekümmert hat.
Ich selbst will kein Kind, bin sterilisiert seit Jahren.
Würde ich einen Kinderwunsch haben würde ich jetzt diesen Schritt nicht gehen
Die Selbständigkeit würde richtig in Gang kommen wenn ich 35 bin und dann wäre ein Kind der Supergau.
Ich entscheide mich also für die Selbständigkeit eben weil ich weiß dass mir kein Kind in die Parade fährt.

Bearbeitet von Inaktiv