AD(H)S

In welchem Alter ist euch aufgefallen, dass das Kind auffällige Verhaltensweisen zeigt, welche für ADHS sprachen?
Und was waren das für Anzeichen/ Auffälligkeiten?

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Die meisten hier im Kleinkind-Forum haben ja Kleinkinder - das heißt die Kinder können noch gar keine ADHS Diagnose haben. Im Kleinkindalter lässt sich ADHS ja noch nicht diagnostizieren. Vielleicht fragst du lieber im Forum Kids und Schule.

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ADHS kann ab dem 3.-4. Lebensjahr diagnostiziert werden. Viele der Symptome können auch ganz normales Verhalten von kleinen Kindern sein, da kommt es auch immer mit auf die Ausprägung an.
Ich habe zwar (hoffentlich) kein Kind mit ADHS, habe es aber selbst und kann dir sagen, was meinen Eltern an mir aufgefallen ist:
Starke Störung der Impulskontrolle, ich bin wegen Kleinigkeiten direkt ausgerastet, vor allem wenn ich auf etwas warten musste. Warten fällt mir auch heute noch schwer. Es muss eigentlich alles immer sofort passieren, sonst werde ich nervös und unruhig - als ich ein Kind war hatte ich deshalb regelmäßig Wutausbrüche, habe geschrien, Dinge kaputtgemacht.
Ich war immer sehr verträumt, hatte viele Tagträume (das ist erst so richtig arg in der Schule aufgefallen), wurde von den kleinsten Dingen abgelenkt - sei es nur ein Vogel, der am Fenster vorbeigeflogen ist. Konnte mich auf nichts länger als 5 Minuten konzentrieren, es sei denn es entsprach wirklich meinen Interessen, dann konnte ich mich in bestimmten Aktivitäten total reinsteigern (z.B. Mathe und Naturwissenschaften allgemein).
In der Schule bin ich überhaupt nur deshalb mitgekommen, weil ich einen recht hohen IQ habe. Habe auch studiert, auch wenn ich es mir beinah selbst wieder kaputtgemacht hätte, da ich nur selten bei den Vorlesungen war, Stoff nicht vor- oder nachbereitet habe und viele Hausarbeiten gar nicht abgegeben habe.
Ich habe Dinge immer weiter aufgeschoben und sie dann letztlich eben nicht gemacht, seien es angenehme als auch unangenehme Dinge gewesen, z.B. Hausaufgaben, Spielverabredungen, Aufräumen, mich waschen, etc.
Ich konnte nie still sitzen bleiben, musste immer aufstehen und losrennen, was ich dann später durch "kleinere" Zappeleien kompensiert habe, z.B. mit einem Stift spielen und immer wieder klicken, alle paar Sekunden die Sitzposition verändern, mit den Füßen wippen.
Während ich geredet habe bin ich dabei immer schneller und lauter geworden. Mir wurde andauernd gesagt ich solle nicht so schreien beim Reden.
Ein paar dieser Dinge konnte ich irgendwann in andere Bahnen umlenken, vieles ist geblieben.
Im Jugendalter wurde ich dann von diversen Substanzen abhängig, eine Art der Selbsttherapie, da meine Eltern mich nie auf Medikamente einstellen lassen oder zur Therapie geschickt haben. Das habe ich dann später als Erwachsene selbst in die Hand genommen. Bis aufs Rauchen habe ich zum Glück alle Süchte in den Griff bekommen.

Insgesamt habe ich durchs ADHS auf mein Umfeld immer faul gewirkt und zickig/aggressiv, gleichzeitig war ich immer auf der Jagd nach dem Risiko und extrem nervös und unruhig innerlich.
Die Sätze "du bist doch einfach nur zu faul", "du bist nicht normal", "reiß dich einfach mal mehr zusammen" habe ich in meinem Leben so oft gehört, dass ich dadurch eine Angststörung und Zwangshandlungen entwickelt habe, wie z.B. exzessives Putzen. Hier muss immer alles astrein sein und selbst unter Schmerzen und obwohl ich oft kräftemäßig am Ende bin mache ich noch weiter. Ich möchte einfach nicht, dass andere mich für faul halten. Für vieles brauche ich Listen, da ich mich sonst schnell verzettel.
Ich traue mich oft nicht überhaupt noch zu sprechen, da ich Angst habe wieder wegen der Lautstärke gemaßregelt zu werden.
Manchmal habe ich Angst das Haus zu verlassen, da ich mich von allen beobachtet und verurteilt fühle - ich kann es ja eh nie richtig machen. Tatsächlich gab es auch eine Zeit von ca. 2 Jahren in der ich das Haus gar nicht mehr verlassen habe.

ADHS geht auch oft mit anderen psychischen Erkrankungen einher. Ich z.B. habe auch noch eine bipolare Störung, aber aus dem ADHS können sich auch noch Folgeerkrankungen entwickeln, wenn kein adäquater Umgang damit erfolgt. Wie schon erwähnt beispielsweise Angststörungen, Zwänge, Depressionen, Süchte. Deshalb ist eine Therapie sowie, je nach Ausprägung der Symptome, medikamentöse Behandlung auch so wichtig.

Bearbeitet von Miami
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Vielen lieben Dank für die ausführliche Antwort und alles Gute!

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Danke, ein wirklich wertvoller Beitrag, solltest Du mal an die Eltern richten die immer nur meinen es wäre wichtig ob sie selber und die Umwelt mit dem ADHS ihrer Kinder klarkommen sollten oder nicht.

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Es kann auffallen ob das Kind altersentsprechend entwickelt ist in Punkto Impulskontrolle, Aufmerksamkeit etc. Aber ob es daran liegt dass es wirklich neurodivers ist oder es sich nur um eine Entwicklungsverzögerung handelt kann keiner so bald sagen. Studien zufolge verwächst es sich noch bei fast der Hälfte der vierjährigen die eindeutige Symptome zeigen.

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"verwächst es sich noch bei fast der Hälfte der vierjährigen die eindeutige Symptome zeigen." Und deswegen testet meine Klinik erst ab dem Grundschulalter 🙈