Tiefe Trauer nach Abbruch

Ich bin 42 Jahre alt und habe bereits einen 20-jährigen Sohn. Mein Mann und ich haben jahrelang versucht, noch ein weiteres Kind zu bekommen, jedoch ohne Erfolg. Irgendwann haben wir uns damit abgefunden, dass dieser Wunsch wohl unerfüllt bleiben wird, und haben unser Leben zu dritt genossen.

Im März dieses Jahres ist unser Sohn ausgezogen, und im April sind mein Mann und ich in eine kleinere, 2-Zimmer-Wohnung umgezogen. Wir führen ein normales, aber für mich manchmal etwas langweiliges Leben. Ich bin keine Vollzeit-Mama mehr, gehe arbeiten, komme nach Hause, aber dieses Gefühl gebraucht zu werden ist einfach nicht mehr da. Mein Sohn ist jetzt erwachsen lebt sein eigenes leben ... so wie es ja auch sein soll aber mir fehlt etwas

Mein Mann arbeitet als Busfahrer mit langen und wechselnden Schichten. Oft sehen wir uns nur kurz, wenn einer kommt und der andere geht. Es ist ein ganz normales Leben.

Doch plötzlich änderte sich alles von einem Tag auf den anderen. Meine Periode blieb aus. Normalerweise kam sie, wenn auch mal mit zwei Tagen Verspätung, aber dieses Mal war es anders. Meine ersten Gedanken waren, dass es vielleicht an Stress bei der Arbeit liegt oder dass es die Wechseljahre sein könnten.

Zu diesem Zeitpunkt war auch eine Arbeitskollegin von mir überfällig, also beschlossen wir, in der Pause gemeinsam einen Schwangerschaftstest zu machen. Gesagt, getan. Wir haben die Tests vertauscht und hielten jeweils den der anderen in der Hand. Aufgeregt starrten wir auf die Ergebnisse.
Plötzlich schrie sie auf: Positiv! Ich dachte zuerst, sie würde mich veräppeln, aber nein, der Test war wirklich POSITIV. Nach 20 Jahren... ein echter Schock.
(Ihr Test war negativ)
Ich war sprachlos und überwältigt – ich habe vor Aufregung geweint, weil ich so schockiert war. Erst nach einiger Zeit wurde mir klar, dass es Freudentränen waren. Einige Tage später erzählte ich es meinem Mann, nachdem ich lange darüber nachgedacht hatte, wie ich ihm die Nachricht überbringen könnte. Schließlich packte ich den Test einfach ein wenig ein und gab ihn ihm. Er öffnete ihn, sah mich an und sagte: "Jetzt nicht mehr."
Das war für mich ein schwerer Schlag, und ab diesem Moment war nichts mehr wie zuvor. Ich habe mehrfach versucht, mit ihm zu sprechen und ihn umzustimmen, aber für ihn stand fest, dass er das Baby nicht wollte. Am 29. Juli hatte ich meinen ersten Termin beim Frauenarzt. Ich konnte ihn überreden, mich zu begleiten, um den ersten Ultraschall zu sehen, und hoffte immer noch, dass er dann seine Meinung ändern würde. Während des vaginalen Ultraschalls, als man schließlich die Fruchthöhle und einen kleinen Punkt erkennen konnte, sagte ich: "Schau, unser Baby." Er hob kurz den Blick von seinem Handy, sagte nur "Aja" und richtete seinen Blick sofort wieder darauf.

Meine Ärztin fragte ob wir es behalten wollen
Ich zuckte aus Reflex mit den Schultern nachdem ich ihn anschaute er sagte nur nein
Ich zog mich wieder an ging ins Besprechungszimmer zur Ärztin da lagen auf ihrem Schreibtisch schon die Broschüren für einen Schwangerschaft Abbruch
Ich schluckte ...
Habe sie trotzdem in meine Tasche gepackt und wir sind gegangen
Die nächsten Tage suchte ich wieder das Gespräch mit ihm aber er ließ sich nicht umstimmen
Er will nicht noch einmal von vorne anfangen so wie unser Leben jetzt läuft findet er es genau richtig
Sagte er
Dann sagte er noch zu mir
Du bist auch keine 23 Jahre mehr denk dran du bist eine Risiko schwangere Stell dir vor das Kind wäre behindert willst du uns und dem Kind das antun frage er mich

Natürlich möchte ich das nicht, antwortete ich. Aber man kann bestimmte Tests machen lassen, um mögliche Behinderungen festzustellen, zum Beispiel das Down-Syndrom, fügte ich hinzu. Doch er blieb bei seiner Antwort: Nein. Er forderte mich auf, einen Termin bei der Schwangerschaftsberatung zu vereinbaren, damit ich diesen "Wisch" bekomme.

Ich muss ehrlich sein, ich habe meinen Mann nicht wiedererkannt. So war er in all den Jahren nie gewesen – so desinteressiert und gleichgültig mir gegenüber. Da ich bei ihm auf taube Ohren stieß, entschied ich mich, meiner Mutter von der Schwangerschaft zu erzählen. Doch auch sie reagierte nicht begeistert. Sie fragte genauso wie mein Mann: "Du bist über 40 Jahre alt, willst du ein behindertes Kind?" Sie meinte, es wäre besser, das Kind nicht zu bekommen, aber es sei meine Entscheidung und mein Körper.
Keiner fragt mich was ich möchte

Ich fühlte mich hin- und hergerissen und vereinbarte schließlich einen Termin bei der Schwangerschaftsberatung, um mir alles anzuhören und mich beraten zu lassen. Am Ende hielt ich diesen "Wisch" in den Händen.

Ich habe einige Tage darüber nachgedacht, was ich wirklich möchte. Und ich möchte das Baby! Doch immer wieder hallten die Stimmen meines Mannes und meiner Mutter in meinem Kopf: Das Risiko einer Schwangerschaft mit über 40 die Möglichkeit, dass das Kind eine Behinderung haben könnte.

Ehrlich gesagt, ich habe Angst davor, ein behindertes Kind zur Welt zu bringen. Ich werde nicht ewig leben und könnte mich irgendwann nicht mehr kümmern. Der Gedanke, dass mein Kind nach meinem Tod in eine Einrichtung müsste, beunruhigt mich zutiefst. Dazu kommen die 20 Jahre Altersunterschied, die mich verunsichern.

Warum werde ich nach 20 Jahren plötzlich wieder schwanger? Warum jetzt und nicht früher? Bin ich mit 42 wirklich zu alt? Diese und andere Gedanken gingen mir durch den Kopf.

Schließlich entschloss ich mich, einen Termin in einer Abtreibungsklinik zu vereinbaren.

Am 8.8. ließ ich zu, dass mir die kleine, unschuldige Seele genommen wurde.
Mein Baby mein Fleisch und Blut habe ich gehen lassen

Seit diesem Tag bin ich nicht mehr derselbe Mensch.

Ich fühle mich innerlich vollig leer
Das, was ich getan habe, war das Schlimmste in meinem Leben, und ich bereue es zutiefst. Ich empfinde einen so starken Selbsthass, dass mir vor lauter Schmerz die Kehle
zuschnürt. Meine Welt ist zum Stillstand gekommen, während um mich herum das Leben normal weiterläuft - so, wie es auch sein soll. Doch ich selbst bin in meiner Trauer gefangen. Es ist noch alles so frisch und ich habe Angst, keinen Ausweg aus diesem tiefen Schmerz und meinen Schuldgefühlen zu finden.

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💕💕💕💕😨😥💕💕💕💕🙏🏻

Mein tiefstes Mitgefühl

💕💕💕💕💕💕💕💕

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Ich kann dich sehr gut nachempfinden.

Fühl dich gedrückt 🍀🍀🍀

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Ich drücke dich 😭
Ich hatte 2022 einen Abbruch. (Es war/wäre mein 4. Kind) und seitdem bin ich psychisch labil, gehe in Therapie und bin keineswegs mehr die Person die ich vorher war. Ich kann mir diesen Eingriff nicht verzeihen und leide jeden Tag darunter. Ich hasse mich dafür. Mein Mann und ich haben uns dadurch sehr auseinander gelebt. Du kannst meine Geschichte gerne nachlesen.

https://www.urbia.de/forum/30-ungeplant-schwanger/5715421-4-tage-nach-meinem-ss-abbruch

Ich kann dir leider nicht helfen. Ich bin vielleicht genau das Gegenteil was du momentan brauchst. Ich möchte dir damit eigentlich nur zeigen, dass du nicht alleine bist. Ich bin oft im Forum und lese die Geschichten und Schicksale. Es hilft mir ein wenig. Dadurch sehe ich das es vielen Frauen so geht wie mir. 😥

Liebe Grüße

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Ich habe deine Geschichte damals schon mitbekommen. Wie tapfer du bist! Deine Geschichte kann helfen. Grade weil es so vermischt ist: war es nun ich selbst oder die Stimme der anderen?
Hätte ich mich mehr durchsetzen müssen?
Wie gut, dass du immer wieder schreibst!
Worin ist die Therapie für dich hilfreich?
Kann dein Mann da auch einbezogen werden oder wurde das schon versucht?
Männer gehen eher ins Schweigen und das führt zu einem Auseinanderleben.
Liebe Grüße zu dir! 😘

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Das tut mir sehr leid. Es wird deutlich, dass du dich vom ersten Moment auf das Kind gefreut hast. Vermutlich war es die letzte Chance.
Such dir Hilfe, z B. bei pro Familia. Für euch als Paar ist der Verlust, die Trauer ja sehr einseitig.
Ich hoffe, eure Beziehung trägt das auf Dauer.

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Ich danke dir
Es ist noch nicht lange her, und dieser Schmerz und die Schuldgefühle sind einfach unbeschreiblich. Am liebsten würde ich nur noch schreien und weinen. Die Tränen kommen ohnehin bei jeder Gelegenheit, egal, was ich gerade tue. Manchmal wird mir gesagt, es könnten die Hormone sein. Vielleicht spielen sie eine Rolle, aber was ich wirklich fühle, ist diese tiefe Leere.

Ich kann nachts nicht mehr schlafen. Ich habe mich hier im Forum angemeldet, weil ich jemanden zum Reden brauche. Nichts ist mehr wie es war. Während mein Mann in meinen Augen sein Leben normal weiterlebt, leide ich. Ich arbeite zwar auch, und das oft mit Überstunden, um mich abzulenken, aber die Gedanken lassen mich nicht los, und ich funktioniere nur noch irgendwie.

Hinzu kommt, dass mein Mann und ich viel öfter streiten als früher. Er hat zugegeben, dass es ihn überfordert, mich so leiden zu sehen. Er hätte nie gedacht, dass es mich so stark treffen würde. Er fragt mich immer wieder, ob er gehen soll, ob es mir dann besser gehen würde, weil ich, wenn ich ihn anschaue, an das Geschehene erinnert werde. Aber ich muss ihn gar nicht anschauen, ich denke immer daran. Wenn er mir diese Frage stellt, würde ich ihn am liebsten anschreien und sagen: "Du bist schuld."

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Ich kann das nur irgendwie schwer nachvollziehen wie du dich dazu durchringen konntest einen Abbruch durchführen zu lassen, obwohl dein ganzes Herz an dem Baby hing und du das Kind wolltest 🥺

Hast du dein Gefühl denn nicht bei der Konfliktberatung besprochen?

Es tut mir sehr leid, dass du das nun durchmachen musst, du solltest unbedingt eine psychologische Beratung und am besten auch eine Paarberatung in Anspruch nehmen, damit eure Ehe nicht daran zerbricht..

Ich wünsche dir trotzdem alles Gute und hoffe, dass es dir dennoch bald wieder besser geht 🍀

Bearbeitet von pusteblume3383
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Hi, ich kann das verstehen.
Die ganze Sache habe ich auch mitgemacht ...es war Druck den er mir gemacht hat...und letzten Endes bin ich es schuld. Die Schuld gibt er sich, gut er will sich diese nicht nehmen lassen, er sagt er hat sein Kind get...
Genau das selbe Thema psychisch war ich bei der belabberung sehr sehr labil letzten Endes und mich hätte man einweisen können. Mein ganzes Leben hat sich durch diesen einen Tag so drastisch verändert, das glaub einem niemand.

Ich fühle mit dir. Nur das Problem ist, es war wirklich deine Entscheidung, wie es meine war, auch wenn es der aller schlimmste Tag meines Lebens bis jetzt war.
Ich habe an dem Tag ein Stück meines Herzens verloren, mein Baby, mein Leben. Der Unterschied ist mir: Darüber reden kann ich noch nicht mal mit meinem Mann, er bereut es so sehr, wie er war und ihn hat es gebrochen. Mein Mann weint und bekommt einen Nervenzusammenbruch ...

Ich habe aber auch ein Trauma was den Tag angeht...da ist so viel passiert.
Man vergisst es nie. Die in der Beratung sagten auch, ich soll es mir gut überlegen, wenn ich es mache bricht es mich und meine Seele.

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Wie geht es dir, liebe Alexa?
Hat dir das Erzählen ein wenig Erleichterung gebracht? Und dann die Antworten?
Ich habe dir privat geschrieben.

Jetzt ist alles noch so frisch, hast du geschrieben.
Es kommt die Zeit, wo du in Ruhe nochmal mit jemand darüber reden kannst. Es hilft, zu sortieren, was Schmerz ist und was Schuld ist und was Schuldgefühle sind.
Es gibt einen Weg aus der Trauer hinaus. Alles Gute für dich! 😘