Erfahrungsbericht /Medikamentöser Schwangerschaftsabbruch

Eine Zusammenfassung, für alle die sich informieren möchten…

Ich bin über 30 und seit vielen Jahren in einer festen Beziehung. An einem Freitag merkte ich, dass meine Tage überfällig sind machte einen Schwangerschaftstest, der positiv war. Damit hatte ich absolut nicht gerechnet, da sich mein Körper überhaupt nicht anders/ besonders anfühlte und sich die Tage schon mehrmals verzögert hatten oder ganz ausgesetzt sind. Das einzige Symptom war ein leichtes Ziehen in der Brust, was ich nicht so ernst genommen habe und etwas mehr Müdigkeit als sonst.

Mein Freund und ich haben eigentlich schon oft über Kinder geredet und sogar gesagt, dass falls es mal aus Versehen passieren sollte, bekommen wir das Kind. Insgesamt besteht für die Zukunft ein Kinderwunsch.

Dennoch hat sich in dem Moment alles falsch angefühlt. (aus finanziellen Gründen, aber auch gefühlsmäßig konnte ich keine Beziehung zu „dem was dort in mir wächst“ aufbauen.) Der Zeitpunkt war einfach nicht richtig und ich hätte viel dafür aufgeben müssen.
Ich habe mich ein Wochenende lang intensiv mit dem Thema beschäftigt und mir wurde immer klarer, dass ich jetzt kein Kind bekommen möchte. Mit meinem Freund habe ich viel gesprochen und er war verständnisvoll und hat mich zu keinem Zeitpunkt zu einer Entscheidung gedrängt. Er hätte mit mir ein Kind großgezogen, mich aber auch bei einem Abbruch voll und ganz unterstützt.
Ich habe mir außerdem Bilder von dem Entwicklungszustand von einem Embryo angesehen, der sich zu diesem Zeitpunkt gerade erst eingenistet hat. Zu dem Zeitpunkt gibt es kein Nervensystem, keine Organe, keine Augen und keine menschliche Form, kleine Finger und Zehen (wie es auf Seiten von Abtreibungsgegnern oft fälschlicherweise dargestellt ist).

An dem Montag habe ich dann bei pro familia direkt einen Termin bekommen und hatte ein sehr gutes Beratungsgespräch mit einer Frau, die mir zu keinem Zeitpunkt in meine Entscheidung reingeredet hat, sehr verständnisvoll war und mich über die Methoden, die es gibt, beraten hat. In keiner Weise hat sie mir das Gefühl gegeben, dass das was ich tue falsch oder verwerflich ist und ich mich schuldig fühlen muss.
Ich wurde ausführlich informiert und bekam eine Liste mit Frauenärztinnen und Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen und entschied mich für einen medikamentösen Abbruch.

Am Dienstag war ich dann bei einer Frauenärztin zur Untersuchung. Sie stellte die Schwangerschaft fest (etwas über Woche 5). Ich habe mir den Ultraschall auch angesehen und konnte damit emotional umgehen. Die Frauenärztin war freundlich und neutral, hat nicht nach meinen Gründen gefragt.

Am Donnerstag (es müssen ja drei Tage Zeit zwischen der Beratung und dem Termin für den Abbruch liegen) wurde ein weiterer Ultraschall gemacht. Die Schwangerschaft bestand immer noch. Die Frauenärztin hat mich einmal gefragt, ob ich mir sicher bin und ich war mir sicher. In der Praxis habe ich dann drei Tabletten Mifegyne (Mifepriston) genommen und vier Tabletten Progesteron Tabletten zur Einnahme zwei Tage später mit nach Hause bekommen. Normalerweise nimmt man die zweiten Tabletten unter der Beobachtung in der Praxis. Man kann aber auch fragen, ob man sie zuhause nehmen kann, wenn man lieber in seiner gewohnten Umgebung ist. Meine Frauenärztin hatte damit kein Problem.

Am Freitag Morgen (also genau eine Woche nachdem die Schwangerschaft entdeckt wurde) war mir ziemlich übel und nachmittags setzten schon Blutungen ein, die relativ stark waren und große Teile Gebärmutterschleimhaut enthielten. Allerdings auch keine riesigen Blutschwälle, ich konnte abends auch noch einkaufen gehen. Keine Schmerzen.
Ich nahm an diesem Abend auch noch die vier weiteren Tabletten, weil ich das Gefühl hatte mein Körper ist so weit. Allerdings wurden die Blutungen dadurch nicht stärker.
Am Wochenende hatte ich weiterhin mittel-starke Blutungen.

Montag war ich zu einem Kontrolltermin in der Praxis und leider ist noch nicht alles komplett abgegangen. Ich bekam drei weitere Progesteron Tabletten und eine Spritze, die Kontraktionen in der Gebärmutter hervorruft.
Danach wurden die Blutungen ein bisschen stärker. Ab Mittwoch wieder schwächer. Ich hatte Sorge, dass es bei mir nicht funktioniert.

Danach den Montag bei einer weiteren Untersuchung, wurde festgestellt, dass alles abgegangen ist und nur noch ein paar wenige Reste Gebärmutterschleimhaut da sind.
Ich muss nun noch einen Monat ein Gestagen nehmen.

Das Ganze Nicht-Wissen ob es jetzt beendet ist gepaart mit starker Müdigkeit hat mich psychisch an der Sache am allermeisten angestrengt. Zu keinem Zeitpunkt hatte ich starke Bauchkrämpfe /Wehen, ich habe keinen Embryo gesehen und vor allem aber nicht das Gefühl gehabt ich töte gerade ein Kind.
Die Schwangerschaft habe ich eher als Option auf ein Leben gesehen, denn Leben beginnt für mich an dem Punkt an dem der Embryo oder Fötus etwas empfinden und auf Reize reagieren kann. Zwischenzeitlich habe ich mich sogar gefragt ob ich mich nicht grausam fühlen müsste, weil einem das als Frau suggeriert wird, dass ein Schwangerschaftsabbruch mit Schuld und Gewissensbissen verbunden ist.

Ich habe diese Erfahrung noch einmal zusammengefasst, weil ich denke, dass so ein Abbruch auch eine gut zu verarbeitende Erfahrung sein kann und ich das teilen möchte. Die Beraterin hat mir erzählt, dass Schwangerschaftsabbrüche eben dann traumatisch sind, wenn die Frau bereits vor der Schwangerschaft psychische Probleme hatte oder wenn die Entscheidung unter großem Druck ausgeübt wurde. Das Post Abortion Syndrom gibt es nicht. Dazu gibt es genug wissenschaftliche Studien: https://de.wikipedia.org/wiki/Post-Abortion-Syndrom

Aus meiner Sicht habe ich den Abbruch sehr gut verarbeitet, weil 1) mein Freund zu mir stand und mich in keine Richtung gedrängt hat. Außerdem ist er zu jedem Termin mitgekommen, weil wir beide für die ungewollte Schwangerschaft verantwortlich sind 2) weil mich weder die Beraterin, noch die Frauenärztin verurteilt haben.

Niemand sollte für diese Entscheidung verurteilt werden. Jede Frau kann in ihrem Leben mal ungewollt schwanger werden (denn auch die Pille und Kondome sind nicht 100% sicher) und die Entscheidung sollte bei ihr liegen.
Mir tun die Frauen leid, die eh schon ein schlechtes Gewissen haben und auf die dann noch von Beratungsstellen, Ärzt*innen, und in Foren eingeredet wird, was für ein grausames Verbrechen sie begehen.
Lest euch keine Berichte auf pro femina durch, denn die sind komplett erfunden. Wenn man mit Medikamenten abbricht kommt kein fertiger Mensch raus. Die Frist lässt das nicht zu. Pro femina ist keine echte Beratungsstelle, sondern es sind fundamentale Christen, die Druck auf Frauen ausüben.

Und an die Leute, die in Foren solche gemeinen Vorwürfe schreiben, wenn Betroffene eh schon emotional am Ende sind: Wenn euch, das Leben von Kindern so wichtig ist: Setzt euch dagegen ein, dass Kinder im Mittelmeer ertrinken, setzt euch ein, dass Kinder auf der ganzen Welt Zugang zu sauberen Trinkwasser haben, setzt euch für ein Tempolimit auf Autobahnen ein, gegen radikale Impfgegner oder, was auch immer es gibt viele Möglichkeiten sich FÜR das Leben zu engagieren…
Aber lasst Frauen in Ruhe, die diese Entscheidung für sich treffen eine Schwangerschaft zu beenden.

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Kannst du wirklich bereits jetzt beurteilen, dass du den Abbruch gut verkraftet hast?
Was ist, wenn ihr später Kinder wollt und es klappt nicht mehr?
Über die Frage wann genau Leben beginnt, gehen die Meinungen auseinander. Mit Verschmelzung von Ei- und Samenzelle? Ab Herzschlag? Nach Vollendung der 12. Woche? Ich weiss es nicht und will darüber nicht urteilen. Eine Option auf Leben war es in jedem Fall, da hast du recht. Es ist wohl auch nicht auszuschließen, dass du dir in Zukunft noch oft die Frage stellen wirst: was wäre wenn?
Ich finde, dass du zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls noch nicht sagen kannst, dass du alles gut weggesteckt hast.

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Hallo,

Das stimmt. Auf lange Sicht kann es natürlich sein, dass ich in Jahren einen konkreten Kinderwunsch habe und dass es mich dann vielleicht traurig stimmt, dass ich abgetrieben habe und die Chance auf ein Kind damit für immer aus der Welt ist. Darüber habe ich während des Entscheidungsprozesses auch viel nachgedacht und es wäre ein Grund FÜR ein Kind gewesen. Die anderen Gründe dagegen haben dennoch überwogen.

ABER diese Entscheidung später im Leben zu bereuen, weil man sie getroffen hat, ist etwas völlig anderes, als durch den Schwangerschaftsabbruch selbst automatisch völlig traumatisiert zu sein. Und das bin ich nicht. Und das kann ich sicher sagen.

Lies dir mal den Artikel zu dem Post Abortion Syndrom durch. Es wird von amerikanischen rechten Fundamentalisten behauptet, dass eine Abtreibung Traumata wie bei Soldaten, die aus dem Krieg kommen...

"Die betroffenen Frauen erleben Depression, Schuldgefühle, Trauer, Scham und Ärger. Außerdem komme es zu Flashbacks, Leugnen und Drogenmissbrauch, so Rue und Speckhard"
Keine einzige wissenschaftliche Studie belegt das und das Krankheitsbild ist nicht anerkannt.

"Weitere Review-Artikel bestätigen, dass es keinen ausreichenden Beleg für einen kausalen Zusammenhang zwischen psychischen Störungen und Schwangerschaftsabbruch gibt. Insgesamt wurde die Qualität einzelner Studien als unterdurchschnittlich beurteilt. Hochklassige Untersuchungen sind selten und zeigen konsistent, dass ein Schwangerschaftsabbruch keine oder nur sehr wenige Konsequenzen hat."

Mich stimmt es deshalb so traurig, dass es Menschen gibt, die Frauen solche Schuldgefühle einreden und sie beschimpfen, dass diese dann irgendwann selbst glauben, dass sie niemals ihre Entscheidung verarbeiten werden, und ihr ganzes Leben darunter leiden müssen. Das ist ähnlich wie früher homesexuellen Menschen so lange gesagt wurde, sie sind kranker perverser Abschaum, bis sie es selbst geglaubt haben.

Ich behaupte auch nicht, dass es keine Schuldgefühle geben KANN, oder dass sich jede Frau nach einem Abbruch super fühlen sollte. Aber sie sollte sich nicht schlecht fühlen MÜSSEN, weil andere es ihr befehlen.

Zum Thema Leben:
Ja da gibt es aus ethischer Sicht unterschiedliche Meinungen. Was man aber sagen kann ist, dass der Embyro zum Zeitpunkt der Abtreibung noch kein Bewusstsein und Schmerzempfinden hat.

Wenn man behauptet, man DARF nicht abtreiben, denn das Leben beginnt ab der Befruchtung der Eizelle, dann müsste man auch konsequenterweise gegen künstliche Befruchtung sein, denn dabei gibt es oft sehr viele Fehlversuche, die durch Eingriffe in die Natur, Leben beenden. Frauen, die künstliche Befruchtung in Anspruch nehmen, werden aber nicht von rechten Lebensrechtaktivisten oder Forenuserinnen beschmipft.

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Hallo,

ich kann deine Entscheidung vollkommen akzeptieren, frage mich dennoch was das alles mit:
"Wenn euch, das Leben von Kindern so wichtig ist: Setzt euch dagegen ein, dass Kinder im Mittelmeer ertrinken, setzt euch ein, dass Kinder auf der ganzen Welt Zugang zu sauberen Trinkwasser haben, setzt euch für ein Tempolimit auf Autobahnen ein, gegen radikale Impfgegner oder, was auch immer es gibt viele Möglichkeiten sich FÜR das Leben zu engagieren…"
...zu tun haben soll? Bin mir sicher dass Menschen die gegen Abtreibungen sind deswegen nicht wählen gehen um Kindern eine bessere Zukunft zu bieten. Oder dass sie keine Spenden geben für Hilfsorganisationen, Kleiderspenden und Spielzeugspenden geben usw.

Das eine hat mit dem anderen doch nichts zu tun.
Wenn man mit einem Abbruch ganz für sich im Reinen ist, dann kann einem die Meinung anderer ja egal sein. Wenn man dieses Thema öffentlich anspricht muss man bei ,eigentlich egal welchem Thema,damit rechnen dass es Menschen gibt die es nicht verstehen können.

In Foren kann ich nach 17 Jahren Urbia nur sagen, einfach überlesen was einen verletzt, es sei denn man hat Lust auf nen kleinen oder großen Zwist.

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Hallo tauchmaus,

Ich versuche es mal zu erklären...

Ich akzeptiere es voll und ganz, wenn eine Frau sagt "Ich kann eine Abtreibung nicht mit meinem Gewissen vereinbaren" und ein ungewolltes Kind austrägt.
Jede Frau sollte das selber entscheiden und man darf da durchaus auch anderer Meinung sein. Aber stell dir mal vor ich würde diese Frauen in Foren anfeinden und ihnen schreiben "Wie kannst Du dieses Kind nur bekommmen, obwohl deine Situation so beschissen ist. Das arme Kind. Hast Du kein schlechtes Gewissen?"

Aber genau SO verhalten sich (viele) Abtreibungsgegner*innen. In einem anderen Forum hat mir eine Frau geschrieben: "Doch , du hast ein Kind getötet ! Dein Kind ! Prima dass es dir gut geht ! Deinem Kind im Müll nicht ! Sorry in der Kläranlage ! .. ein Kind im Klo ! Dann plant man schön das zweite Kind"

Man macht damit Frauen, die eh schon in einer Notsituation sind/waren und ein schlechtes Gewissen haben Schuldgefühle ohne Ende und das ist einfach überflüssig und grausam .
Und das wird dann alles damit erklärt und entschuldigt, dass man Leben schützen will.

Deswegen meinte ich es gibt genug andere Möglichkeiten sich FÜR das Leben einzusetzen , statt auf andere Frauen einzuhämmern. Wie z.B. oben genannte Beispiele.

Ich komm mit dem Gegenwind gut klar und habe diesen Erfahrungsbericht vor allem geschrieben, weil ihn vielleicht Frauen lesen, die in dieser Notsituation stecken. Um damit zu sagen: Man kann diese Entscheidung auch treffen ohne sich wie eine Mörderin zu fühlen. Man kann mit einem Schwangerschaftsabbruch auch leben.

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Ich will hierauf antworten. Ich bin was das Thema Abtreibungen angeht, kein Gegner. Jeder soll für sich entscheiden. Es gibt viele Sichtweisen auf die ungewollte Schwangerschaft. Auch wie jeder das verarbeitet. Gut, dass es dir gut geht und du stark genug bist und Menschen hast die dich mit allem unterstützen, insofern stimmt es meiner Meinung nach, dass die mentale Verfassung wichtig ist. Nur klingt es gerade etwas nach Werbung, also ich meine wie mit so Sätzen, es stimmt nicht, dass ein fertiger Mensch raus kommt etc. Ich bin sehr dafür, dass man sich darüber informiert. Ab bestimmte Wochen, sieht man schon etwas. In der 5-6 Woche sicher nicht.

Ich hatte eine MA mit anschließender AS in der 10 Ssw. Ich hab eine tolle FA die mir erklärt hat, was ich für Möglichkeiten habe. Ein Medikamentöser Abbruch kam für mich nicht in Frage, ich hatte mich da auch belesen.

Also Fazit, jeder wie er mag und will.

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Du scheinst nicht oft genug betonen zu können wie gut es dir damit geht und du dir sicher bist damit ok zu sein. Dafür scheinst du allerdings sehr großen redebedarf zu haben. Deswegen denke ich leider dass du verdrängst was du fühlst. Kümmere dich um deine wahren Gefühle!

Meiner Meinung nach ist es ein Lebewesen ab dem Moment wo man von ihm erfährt. Es muss kein eigenes Herz haben um im Herzen getragen zu werden und ich bin mir sicher dass auch du das von Anfang an getan hast. Du hast eine Entscheidung für dich getroffen die verhindert hat, dein Baby Mensch werden zu lassen. Es ist eben deine Entscheidung gewesen und das Recht ist auf deiner Seite. Schön reden kann man es (sich) trotzdem nicht.

Ich habe Freundinnen die abgetrieben haben, damit möchte ich sagen dass ich es akzeptieren kann, wenn jemand solch eine Entscheidung trifft. Jeder hat seine Gründe - tiefgehende gründe, es so hinzustellen als wäre es ein Klacks und beinahe schon eine weitere verhütungsmethode (ja überspitzt aber Übertreibung macht anschaulich) geht in meinen Augen zu weit!

Du wirst erlauben dass ich äußern darf dass mich so etwas trotzdem immer sehr traurig macht.

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Es tut mir leid,was du durchmachen musstest.aber ich verstehe denn sinn des posts nicht so richtig.ich denke,dass du dir viele sachen zwanghaft schönreden willst..dass es dir gut geht,ist erfreulich.aber es kann durchaus sein,dass es,wenn du das alles erstmal verdaust,doppelt und dreifach zurückschlägt..das habe ich nämlich erlebt (keine abtreibung).wünsche dir alles gute..

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Liebe jaliju,

ich möchte dir zu deinem Posting gratulieren und hoffen, dass dir die entgegenschlagende Kritik und Zweifel, nicht den Wind aus den Segeln nehmen.

Dir aufgrund deines Berichts zu unterstellen, es würde dir nicht so gut gehen, wie du sagst, dass es dir geht, finde ich schwierig, da ja unbekannterweise niemand in dich reinschauen kann.

Ich möchte dich aber dennoch insofern verteidigen, als das ein Abbruch alles sein kann - alles auf einmal - auch sehr ambivalente Gefühle. Ich hatte auch einen medikamentösen Abbruch und es war so: Ich war sehr traurig über die Umstände, die dazu geführt haben und dass ich in einer Situation war, in der ich keinen anderen Ausweg gesehen habe. Gleichzeitig fand ich die Erfahrung alleine zuhause abzutreiben unglaublich ermächtigend und sowohl mein Partner als auch ich, sind gestärkt aus der Sache hervorgegangen.

Die eine Sache, die ich extrem störend fand, war die Anzahl an Menschen, die mir gesagt haben, wie ich mich fühlen soll. Einer Freundin war ich nicht traurig genug und noch dazu unverzeihlich unverantwortlich, während von meinem Partner eher so ein Gefühl der Ohnmacht entstand; im Sinne von "Jetzt ist sie schon wieder traurig und ich weiß nicht was ich machen soll."
Auch jetzt kommt es im Zusammenhang mit den Gründen, warum ich abgetrieben habe, immer mal wieder hoch - in immer größer werdenden Abständen und sich ständig steigender Akzeptanz meiner Entscheidung. Letztendlich ist das auch völlig irrelevant, weil es immer Menschen geben wird, die in weitaus leichteren Umständen abgetrieben haben und solche, die bei noch widrigeren Lebensumständen, sich entschieden haben ein Kind zu kriegen... Aber hauptsächlich bin ich erleichtert und echt froh, dass ich die Möglichkeit hatte, das zu machen.
Du fühlst das, was du fühlst. Lass dir das von niemandem einreden und bleibe ruhig kritisch. Ich finde teilweise sowohl die sogenannten "Lebensschützer"/Abtreibungsgegner als auch die feministische Bewegung reagieren falsch, weil sie Gefühlswelten problematisieren. Ich sehe mich ganz klar in der feministischen Bewegung, aber da gibt es schon großen Raum für Verbesserungen. Wenn eine Gesellschaft einen verteufelt, dann darf die Reaktion nicht sein, dass man propagiert nach einer Abtreibung wäre alles easy und jede Frau, die anders empfindet wird ignoriert. Dass die Lebensschützer, die sind die sich das Narrativ des Post-Abortion-Syndrom und nach Abtreibung nicht alles super zu finden, krallen konnten, sehe ich ganz klar als Fehler der Frauenbewegung. Es muss einen inklusiven und unterstützenden Feminismus geben, dessen Unterstützung nicht bei dem Protestieren für neue Gesetze und bessere Politik aufhört.
Ich glaube, es wäre vielen Frauen geholfen, wenn sie einfach offen Akzeptanz für was auch immer sie nach einer Abtreibung denken, erfahren könnten. Wenn das nicht ein dreckiges Geheimnis ist, sondern man sich frei darüber austauschen kann.
Denn: Eine Abtreibung, auch wenn man sich frei dafür entschieden hat und mit dieser Entscheidung keine moralischen Probleme hat, bleibt ein einschneidendes Erlebnis über das man reden will (wie viele andere Dinge im Leben).

Ich finde es richtig gut, dass du darüber geschrieben hast und gratuliere dir dazu. Ich bin mir sicher, viele stille Leser können von deinen Erfahrungen profitieren.
Zu diesen möchte ich nur eine Sache hinzufügen: Seid nicht überrascht, wenn es richtig wehtut und ihr dabei kotzt. Das ist sicherlich bei jedem anders.

Alles Gute für dich und alle Anderen