inwiefern können erzieher*innen haftbar gemacht werden?

in wolfsburg ist ein kita-junge ertrunken, weil 4 erzieher nicht aufgepasst haben. diese waren mit 12 kindern unterwegs und haben erst nach einer halben stunde festgestellt, dass der junge fehlte. nun habe ich gelesen, dass alle 4 wegen fahrlässiger tötung angeklagt worden. ich dachte immer, dass fahrlässige tötung auf ganz andere sachverhalte angewendet wird. na ja, auf jeden fall waren 2 davon erzieherinnen, eine sozialassistentin und eine praktikantin.

mich würde interessieren, inwieweit und ab wann erzieher*innen für ihr verhalten zur verantwortung gezogen werden können? und kann eine praktikantin überhaupt in dem sachverhalt einer fahrlässigen tötung beschuldigt werden?

wird da der kindergarten/die leitung beschuldigt (wie, wenn eine behörde fehler begeht und dann die behörde und nicht der mitarbeiter dafür gerade stehen muss) oder geht das verfahren direkt an die betroffenen erzieherinnen?

ab wann ist der tatbestand einer fahrlässigen tötung erfüllt?

inwieweit darf man mit einer vorstrafe dann noch in dem erzieherischen bereich arbeiten?

ich freue mich, falls sich einige nutzer*innen hier in dem bereich auskennen.

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Auskennen tue ich mich nicht.
Ich finde es ganz furchtbar, was da passiert ist und ich finde es richtig, dass es nun zu einer Anklage kommt. Die Erzieherinnen haben eine Aufsichtspflicht und wenn sie mit so kleinen Kindern unterwegs sind, müssen sie sich doppelt und dreifach davon überzeugen, dass alle da sind (regelmäßig durchzählen?).

Oder es wäre gesplittet worden - 4 Erwachsene, 12 Kinder...also hat jeder 3 Kinder, die er/sie im Auge hat.

Weder möchte ich in der Haut der Eltern stecken, noch in der der Erzieherinnen. Auch diese werden für den Rest des Lebens von dieser Tragödie, die hätte sicher vermieden werden können, gezeichnet sein werden.

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Ich bin kein Experte, aber hier mal meine Gedanken;-)

Das Strafgesetzbuch schreibt: "Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."
Ich hab mal ein bisschen rumgegooglet und was fast alle Seiten schreiben, ist, dass "Fahrlässigkeit" beinhaltet, dass die "notwendige Sorgfaltspflicht vernachlässigt" wird (passt auch zu § 276 Absatz 2 BGB: „Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.“, da auf den Straßenverkehr bezogen).
Ich kann die Situation nicht wirklich beurteilen. Haben sie den Jungen erst nach 30 Minuten gesucht, oder haben sie ihn nach 30-minütiger Suche erst gefunden? Das macht ja auch einen Unterschied. Aus den Artikeln, die ich gelesen habe, geht das nicht hervor. 4 Erwachsene auf 12 Kinder ist eigentlich ein ganz guter Schlüssel. Aber wenn gerade ein Kind sich das Knie aufgeschlagen hat, kann man schnell mal übersehen, dass ein anderes verschwindet. Wahrscheinlich stellt sich auch die Frage, ob der Spielplatz angemessen für die Kinder war (anscheinend ist er für ältere Kinder gebaut).

Die Kita-Leitung kann man m. E. nur dann verantwortlich machen, wenn sie den Aufenthalt an diesem Spielplatz erlaubt oder empfohlen hat. Allerdings würde ich auch dann nur eine Teilschuld bei ihnen sehen, denn in ihrem Büro konnten ja nicht sehen, wo sich der Junge befindet. Die Hauptverantwortung liegt also bei den anwesenden Erziehern.
Ich denke nicht, dass da ein Unterschied zwischen Erzieher und Sozialassistent gemacht wird. Bei der Praktikantin könnte das auch anders aussehen, das kommt vielleicht auf ihren Vertrag an.
Ich als Laie würde sagen, dass sie da genauso angeklagt werden kann, immerhin übernimmt sie da auch Verantwortung, aber wie das rechtlich wirklich ist, weiß ich nicht.

Soweit ich weiß, dürfen Erzieher (zumindest in den allermeisten Betrieben) keine Vorstrafen haben. Eine Freundin von mir leitet eine Kita, da melden sich regelmäßig Leute, um Sozialstunden abzuleisten, aber die werden alle abgelehnt. Man muss ja selbst für die JuLeiCa ein erweitertes Führungszeugnis vorweisen. Sobald es um Kinder geht, ist man da (zu Recht) pingelig.

Egal wie die Ermittlungen ausgehen: Die Eltern haben ihr Kind verloren, und alle 4 Erzieher werden sich den Rest ihres Lebens Vorwürfe machen.

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Danke für deine Antwort 🙂

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Bei der strafrechtlichen Aufarbeitung solcher Tragödien geht es um den Nachweis einer persönlichen Schuld. Daher richtet sich das Verfahren direkt gegen die Erzieherinnen und nicht gegen die Einrichtung. Anders kann es dann sein, wenn auch dort – aber auch wieder ein konkreter Mitarbeiter und nicht die Einrichtung an sich, in irgendeiner Form dazu beigetragen hat (wie z.B. bei der Aufarbeitung der fürchterlichen Todesfälle bei der Love Parade).

Den Tatbestand der fahrlässige Tötung hat man häufig bei Verkehrsunfallsdelikten, selten im Bereich der Aufsichtspflichtverletzung im Rahmen einer Kinderbetreuung.

Fahrlässigkeit liegt vor, wenn eine objektive Sorgfaltspflicht verletzt wurde (hier: nicht aufgepasst, erst spät Fehlen eines Kindes bemerkt) und mit der Gefahr eines Todesfalls gerechnet werden musste (Gefahr, dass kleines Kind ohne Aufsicht ertrinkt). Maßgeblich ist, wie ein gewissenhafter Mensch in der konkreten Situation und seiner Rolle gehandelt hätte.

Fahrlässige Tötung gibt es also auch durch Unterlassen.

Es wird für jede einzelne Angeklagte gesondert geprüft, was sie zu verantworten hat. Dass die Verantwortung der Praktikantin dann anders gesehen werden kann, liegt nahe.

Bei der Strafzumessung wird berücksichtigt, dass auch die Erzieherinnen nie mehr ihres Leben froh sein werden. Die Urteile in anderen vergleichbaren Fällen sind entsprechend mild ausgefallen.

Das war jetzt eine sehr vereinfachte Darstellung von hochkomplexen Sachverhalten, aber vielleicht reicht dir das ja schon so.

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Danke dir für deine Recherche 😊

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Es ist eine aufsichtspflichtverletzung für die die Erzieher persönlich haftbar gemacht werden. Die Praktikantin sicherlich nicht. Die einrichtung hat sich, sofern der Ausflug ordnungsgemäß ablief (Erlaubnis der Eltern, ausreichend Personal) nichts zuschulden kommen lassen. Haben die Erzieher einen Eintrag im erweiterten polizeilichen Führungszeugnis, werden sie keine Stelle mehr antreten können. In sozialberufen muss ein solches immer vorgelegt werden.

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Danke dir :)

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Hallo

wir haben in der Familie ein Mitglied durch einen Verkehrsunfall verloren, der Unfallverursacher hat ihn nur übersehen. Er wurde trotzdem wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Fahrlässige Tötung ist de Tatbestand wenn jemand getötet wird weil du durch fahrlässigkeit für den Unfall verantwortlich bist. Das kann wirklich schon sein wenn ein Fussgänger dir vors Auto läuft und stirbt

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mein beileid :(

danke für deine antwort