Schöne Geburt, trotz Einleitung - eine Geschichte, die Mut macht?

Ihr Lieben,

ich möchte meinen Geburtsbericht hier veröffentlichen, weil ich denke, dass er vielleicht einigen Mamas Mut machen könnte. Für mich selbst war die Vorstellung, eingeleitet werden zu müssen, immer ganz schrecklich und die vielen negativen Geschichten haben mich verängstigt. Letztendlich blieb mir in dieser Schwangerschaft nichts anderes übrig (hoher Blasensprung), ich kann aber sagen, dass ich trotzdem eine Geburt hatte, die ich als wunderschön empfand und nicht schlimmer als die vollkommen natürliche Geburt mit meinem ersten Sohn. Der Bericht ist sehr lang, weil ich ganz von vorne anfangen möchte. Wem es zu viel Text ist, fängt einfach bei "Mittwoch" an zu lesen ;-)

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Samstag/Sonntag, 04./05.10.14

Es sind zwar noch 13 Tage bis zum errechneten Entbindungstermin, aber mein Befund ist bereits seit einer Weile geburtsreif. So freue ich mich, als abends Wehen einsetzen, die eigentlich von Anfang an in kurzen, regelmäßigen Abständen und einer gewissen Stärke auftreten, die ich von Übungswehen so nicht kenne. Weil die erste Geburt schon recht zügig voran ging, beschließen wir, auf Nummer sicher zu gehen und lieber etwas früher in die Klinik zu fahren. Auf der Autofahrt merke ich während einer Wehe, wie ich etwas Flüssigkeit verliere, die ich nicht zuordnen kann. In der Klinik angekommen, zeigt der pH-Streifen eine leichte Verfärbung an. „Fruchtwasser“, meint die Hebamme und wir sollen erst mal zum CTG-Schreiben. Weiterhin werden regelmäßige Wehen aufgezeichnet, die aber nicht mehr stärker werden. Wir sollen deshalb erst mal unser Zimmer auf der Station beziehen und versuchen, etwas zu dösen. Die Hebamme ist sich sicher, dass wir innerhalb der nächsten Stunden wieder erscheinen werden und bereitet schon mal den Kreißsaal vor. Aber von wegen: Ich schaffe es, ein wenig zu schlafen und habe danach kaum mehr spürbare Wehen. Wie frustrierend! Weil ein veränderter pH-Teststreifen nicht nur auf Fruchtwasser, sondern auf sämtliche Flüssigkeiten reagiert, wird zur Sicherheit noch ein hochsensibler, mikrobiologischer Test gemacht, der ausschließlich auf Fruchtwasser reagiert: Negativ. Die Ärztin möchte mich gerne trotzdem zur Beobachtung im Krankenhaus behalten. Ich sehe das nicht ein, zumal ich sowieso am nächsten Tag den Termin zur normalen Vorsorge bei meiner Gynäkologin habe, und gehe auf eigene Verantwortung nach Hause.

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Montag, 06.10.14

Ich fasse es nicht: Der pH-Test bei meiner Frauenärztin zeigt schon wieder eine leichte Verfärbung an. Sie rät mir dringend dazu, zurück in die Klinik zu gehen und empfiehlt mir eine Einleitung, um das Risiko einer Infektion durch das vermeintliche Leck in der Fruchtblase zu vermeiden. Mit meinem Befund sei wahrscheinlich eh nur ein kleines Anstupsen nötig, meint sie. Skeptisch bin ich trotzdem. Ich habe so viel Negatives über eingeleitete Geburten gehört und zweifle daran, ob sich das Kind wirklich über einen Mini-Riss an der Oberseite der Fruchtblase infizieren könne. Aber auch meine Hebamme, der ich sehr vertraue, rät mir, in die Klinik zu fahren. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr wird mir klar, dass ich als absoluter Kontrollfreak vermutlich eh keine Ruhe mehr haben werde, wenn ich keine Klarheit habe. Wir fahren also zurück. Also dasselbe Prozedere wieder. pH-Test: Im Klinikum plötzlich negativ. Wieder wird der sensiblere Test gemacht: Ein Strich – kein Fruchtwasser. (Wie bei einem Schwangerschaftstest müssten bei einem positiven Ergebnis zwei zu sehen sein) Der Arzt ist schon dabei uns zu verabschieden und wir packen unsere Sachen zusammen, als der Arzt nochmal den Test in die Hand nimmt, ihn dreht und wendet, die Stirn runzelt und sagt: „Sie bleiben hier.“ Tatsächlich hat sich in der Zwischenzeit doch noch ein ganz feiner zweiter Strich gebildet! Ich fasse es nicht. Das Hin und Her macht mich ganz wahnsinnig. Aber jetzt wissen wir es definitiv: Ich verliere hin und wieder winzige Mengen an Fruchtwasser. Es soll eingeleitet werden.

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Dienstag, 07.10.14

Um acht erwartet mich die Hebamme bereits im Kreißsaal. Sie ist Ende fünfzig, hat einen verbissenen Zug um den Mund und ist mir auf den ersten Blick unsympathisch. Allgemein scheint sie der Ansicht zu sein, dass die Person, die bei einer Geburt am wenigsten mitzubestimmen hat, die Mutter ist. Mit herrischem Ton bestimmt sie, was ab sofort gemacht wird. „Einlauf!“, „Jetzt ziehen Sie das hier an“, „jetzt legen Sie den Oberschenkel hier drauf“. So geht das in einem fort. Außerdem scheint sie eine sadistische Ader zu haben: „Ihr Muttermund ist jetzt so“, sagt sie und zeigt mit den Fingern ein ca. 2 Euro-Stück großes Loch. „Und daaaaa müssen wir hin! 10cm brauchen wir!“ Ach was! Ich ärgere mich tierisch über ihre Art, bin aber leider zu perplex und eingeschüchtert, um mich zu wehren. Sie schließt mich an den Wehentropf an und ich warte. Und warte. Und warte. Als selbst mit einer hohen Dosis nichts Nennenswertes passiert, werde ich befreit. So viel zum „nur ein kleiner Anstupser nötig“. Andererseits ist mir klar, dass mein Körper in Anwesenheit dieser Person nicht entbinden möchte. Später stellt mir der Arzt zwei Alternativen vor, mit denen am nächsten Tag erneut die Einleitung versucht werden soll: Entweder mit Tabletten (Cytotec) oder nochmal der Wehentropf in Kombination mit einer Sprengung der Fruchtblase. Mein Gott, wie dramatisch sich das anhört. Mit einer sanften Geburt, wie ich sie möchte, scheint das nicht viel gemein zu haben, allerdings habe ich über die Tabletten schon so viel Übles gelesen, dass ich mich kurzum doch für die Sprengung entscheide. Mehr und mehr kommen mir Zweifel, ob es richtig war, nochmal ins Krankenhaus zu fahren. Ich habe Angst.

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Mittwoch, 08.10.14

In der Nacht kann ich kaum schlafen, zum Glück übernachtet mein Mann heute auch in der Klinik. Ich zwinge mich, gut zu frühstücken und mache mich auf Richtung Kreißsaal. Eine andere Hebamme als am Tag zuvor erwartet mich. Ganz so anders ist die aber doch nicht. Ich fasse es nicht. Die könnte von ihrer Art her regelrecht die Zwillingsschwester von der anderen sein. Mein letzter Mut verlässt mich und ich bin kurz davor, in Tränen auszubrechen als ich am CTG liege. Da kommt eine ganz liebe Hebamme in den Raum, die ich bereits vom Wochenende kenne und fragt nach dem Stand der Dinge. Ich schütte ihr mein Herz aus, erzähle ihr wie unwohl ich mich fühle und dass ich weiß, dass das so nichts wird, ehe ich mich nicht wohlfühlen kann. Endlich jemand, der mich versteht. Sie meint, sie wird versuchen, mich zu übernehmen. Einige Zeit später die Erleichterung: Es klappt, ich darf bei ihr entbinden! Jetzt kann es losgehen, jetzt bin ich bereit. Ich werde wieder an den Tropf gehängt, der bessere Wehen aufzeichnet, als am Tag zuvor. Diesmal steigern wir die Dosis schneller. Als ich um 12:30 mit viel Appetit einen riesigen Germknödel zu Mittag esse, merke ich, dass ich die Gabel immer wieder zurücklegen muss, um zu warten, bis die Wehe verebbt ist. Gegen 13 Uhr werden die Wehen endlich so knackig, dass die Hebamme mit einem Handschuh, an dem eine Art winziger Haken ist, während einer Wehe die Fruchtblase öffnen kann. Davon merke ich nichts, bis das Fruchtwasser herausläuft. Die Wehen steigern sich mit einem Mal. Plötzlich passiert ein – im Nachhinein – glücklicher Zufall: Ich merke, dass meine Hand, an der der Zugang mit dem Wehentropf liegt, ganz dick wird. Ein neuer Zugang soll her; die Flüssigkeit läuft ins Gewebe. Auch das noch! Die Hebamme entfernt den Wehentropf und macht sich auf die Suche nach einem Arzt.

Aber die Wehen werden auch ohne Tropf nicht schwächer, ganz im Gegenteil. Als sie wiederkommt, weigere ich mich, wieder daran angeschlossen zu werden. Ich bin überzeugt, dass jetzt auch normal weitergeht. Das tat es – und wie! Die Wehen, die ich bisher durch langsame, kräftige Atmung gut im Griff hatte, drehen langsam den Spieß um. Diese Wehen sind muttermundwirksam, ich spüre das Ziehen ganz deutlich und bin euphorisch. Ich merke, dass ich besser damit umgehen kann, wenn ich laut töne. Mit vielen „Aaaaahs“ und „Oooooohs“ geht es voran. Mittlerweile ist Schichtwechsel und ich bekomme eine neue Hebamme, die mir ebenfalls sehr sympathisch ist – Gott sei Dank! Allerdings nehme ich sie nur noch am Rande war, so bin ich mit meinem Körper und der Konzentration beschäftigt. Gegen 14:30 merke ich, wie das Köpfchen sich immer mehr senkt und verspüre einen leichten Druck. Presswehen, jetzt schon? Ich werde vaginal untersucht und tatsächlich: Der Muttermund ist offen. Ich darf langsam mitschieben. Die Übergangsphase erscheint mir besonders heftig. Es wirken ungeheure Kräfte auf mich und ich lasse mich vollkommen gehen. Die Hebamme ruft einen Arzt hinzu. Derselbe, der vor zwei Jahren meinen Sohn schon entbunden hat, was für ein Zufall! Ich nehme es als gutes Omen. Irgendwie merke ich, dass ich mich in der Seitenlage, in der ich bisher ständig lag, hier nicht gut vorankomme. Ich möchte aufrecht sein! Ich rufe in einer kurzen Wehenpause nur irgendwas von „Ich muss die Schwerkraft nutzen“, da fährt die Hebamme das Kopfteil vom Bett hoch, sodass ich in eine halbsitzende Position komme. Ja, so geht das Schieben gleich viel besser. Der Druck wird immer größer, aber ich habe das Gefühl, dass der Körper und das Baby von sich aus ganz viel machen. Starkes Pressen ist nicht nötig. Ich versuche meine Kraft komplett auszunutzen, um das Baby nach hinten in die richtige Richtung zu schieben. Dann ist der Druck in meinem Becken maximal. Ich muss richtige Urschreie loslassen. Ich weiß, dass es gleich geschafft ist, gleich habe ich mein Baby und so nehme ich meinen Mut zusammen und schiebe über diesen Punkt maximaler Spannung hinweg. Kurz fühlt es sich so an, als würde das Becken zerreißen, aber dann: Mit einem Mal folgt auf maximale Spannung eine ungeheure Erleichterung. Der kleine Körper gleitet problemlos aus mir und fängt an zu schreien. Dieser Moment ist unbeschreiblich. Ich bin unfassbar erleichtert, gerührt und glücklich. Das kleine, hellwache Mädchen wird mir sofort auf die Brust gelegt. Während mein Mann die Nabelschnur durchschneidet, fängt sie bereits an, die Brustwarze zu suchen und fängt an zu saugen. Die Plazenta kommt, bekomme ich eher nebensächlich mit. Der Arzt sieht nach, ob ich genäht werden muss, aber ich habe Glück: Keinerlei Verletzung, nicht mal Schürfwunden. Was bin ich froh! Wir drei staunen uns an. Wie schnell man einen neuen, kleinen Menschen nur so unfassbar lieben kann.

Um 15:24 wurde unser kleines Mädchen mit 3770g, 53cm und 35cm Kopfumfang geboren. So hatten wir letztendlich doch noch eine schöne Geburt, wo doch alles so unschön

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begonnen hat. Jetzt ist es vergessen.

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Trotzdem ein wunderschöner Bericht #verliebt

Alles Liebe zur Geburt Eurer kleinen Maus und eine tolle Kennenlernzeit #klee

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Ein wunderschöner Bericht!! Ich hatte Gänsehaut,weil ich mich und meine Tochter absolut darin wiedergefunden habe!!!

<3