Geburtsstillstand und ungeplanter Kaiserschnitt - positiver Bericht (sehr lang)

Da ich in letzter Zeit einige Geburtsberichte hier gelesen habe mit ähnlichem Verlauf, aber größtenteils negativ bishin zum Geburtstrauma, möchte ich nach 8 Monaten doch noch von meiner Geburt berichten.

Ich hoffe, dass es betroffenen Frauen hilft, zu lesen, dass auch eine solche Geburt schön sein kann.
Und natürlich auch, dass es Frauen vor der Geburt die Angst nimmt.

Und weil ich das leider auch so oft hier lese:
Keine Frau sollte jemals denken, sie habe bei der Geburt versagt, weil sie Schmerzmittel brauchte, Interventionen oder ein Kaiserschnitt notwendig waren. Mir selbst ist dieser Gedanke völlig fremd.

Ich bin 35 und es war die erste Schwangerschaft.

Ich war nach einem tollen Geburtsvorbereitungskurs (online), Schwangerschaftsyoga (mit einem Buch) und Louwen-Ernährung sehr entspannt, optimistisch und angstfrei bezüglich der Geburt.
Weil mein Baby sehr klein war, immer an der untersten Perzentile, aber sonst unauffällig, wollte ich lieber in der großen Level-1-Klinik entbinden. Aufgrund von Corona und den strengen Besuchsregeln haben wir dennoch auf eine ambulante Geburt gehofft.

Ich wachte nach einer ansonsten vollkommen unkomplizierten wunderschönen Schwangerschaft zwei Tage vor ET morgens mit Ziehen im Unterleib auf, wie Regelschmerzen, bis Mittag kam es und ging. Aha, so fühlen sich also Wehen an! Als noch reichlich blutiger Schleim abging, war klar, heute es wird ernst! 😳
Ich habe mir noch einen gemütlichen Tag mit meinem Mann gemacht, die letzten Dinge eingepackt, geduscht, gegessen, einen Spaziergang. Die Wehen wurden immer mehr und schon schmerzhafter. Als sie etwa alle 5 Minuten kamen gegen 19.30 Uhr, sind wir nach einem Anruf im Kreißsaal losgefahren. Ich habe mich mit den Schmerzen Zuhause nicht mehr wohl gefühlt. Gleich nach Ankunft im Krankenhaus platzte beim CTG die Fruchtblase. Der Muttermund war bei 2 cm. Es sah alles nach einer Geburt nach Lehrbuch aus.

Nachts kamen alle 2-3 Minuten Wehen, die ich zwar gut veratmen und mit Bewegung verarbeiten konnte, fand sie aber so krampfartig und stark, dass ich nach Schmerzmitteln fragte. Buscopan und Paracetamol halfen gar nicht. Mir wurde klar, dass ich eine PDA will. Es hieß, dafür muss mein Muttermund weiter geöffnet sein.
Obwohl viel los war und ich öfters etwas warten musste, waren die Hebammen super, sie haben mir sehr geholfen, mich immer wieder auf die Atmung zu konzentrieren und auch mein Mann hat mich gut unterstützt.🥰 Es war zwar unangenehm aber auszuhalten. Die riesige Vorfreude half auch. Bald würde ich meine kleine Maus im Arm halten!

Am frühen Morgen bei der Untersuchung dann die große Enttäuschung, am Muttermund hatte sich gar nichts getan, so langsam wurde klar, es wird länger dauern.
Die Hebamme war sicher, in der Wanne würde ich mich schön entspannen und der Muttermund würde sich schneller öffen. Sie verabschiedete sich mit den Worten, sie würde uns bestimmt nicht wiedersehen, in ihren Feierabend... Nach einer Stunde Baden wieder Untersuchung, es hatte sich nichts getan.

Die Wehen waren wieder viel seltener und unregelmäßiger, aber weiterhin sehr schmerzhaft, ich bin außerhalb der Wanne verkrampft, hatte Wehenstürme und fragte wieder nach der PDA und wurde wieder vertröstet. Ein krampflösendes Mittel und ein angeblich sehr starkes Schmerzmittel halfen gar nicht. Aber sonst wurde ich super betreut und mir gut geholfen, alles irgendwie noch auszuhalten, zumindest in der Wanne war es erträglich.

Ich habe den Rest des Tages in der Wanne verbracht und irgendwann der Hebamme gesagt, ich komme erst heraus, wenn ich die PDA bekomme. Am Muttermund hat sich weiterhin nicht viel getan. Langsam hatte ich das Gefühl, dass etwas nicht stimmt und es keine natürliche Geburt wird. Die Hebamme hat mich vertröstet, das könne bei Erstgebärenden schon so lange dauern und sei ganz normal. Abends kam endlich der Anästhesist mit der PDA. Die war eine große Erleichterung, endlich war mein Unterleib nicht mehr verkrampft.

Gleichzeitig wurde mir ein Wehentropf gelegt, damit die Geburt vorankommt. So lange die PDA wirkte, war das auszuhalten, aber als sie gegen Mitternacht wieder nachließ und der Wehentropf immer noch lief, wollte und konnte ich nicht mehr, ich war wieder verkrampft und völlig erschöpft, zwei Nächte ohne Schlaf.
Mein Gefühl, dass es nichts mehr wird mit einer natürlichen Geburt, wurde immer deutlicher.
Bei der Kleinen im CTG war die ganze Zeit alles in Ordnung.

Als die Hebamme, jetzt wieder die, die uns bestimmt nicht wiedersehen würde 😜, den Wehentropf verstärken wollte, protestierte ich. Noch stärker ging gar nicht, auch nicht mit einer weiteren Dosis über die PDA. Sie gab auf meine Nachfrage widerwillig zu, dass man so langsam über einen Abbruch und Kaiserschnitt nachdenken könnte, sie holte eine Ärztin dazu und beide haben mich aufgeklärt, die Hebamme vertrat, es noch "wenigstens ein paar Stunden" weiter zu versuchen.🙄 Hätte ich es nicht angesprochen, hätte sie erstmal nichts unternommen. Die Ärztin war neutral und überließ mir die Entscheidung. Ich habe mich für die Sectio entschieden, mein Mann bestärkte mich, auf mein Gefühl zu hören. Die Entscheidung und Aufregung gaben mir wieder Energie.💪 Gerade als ich den Damen meinen Entschluss mitgeteilt hatte, platzte der Oberarzt herein, rief, er hätte den Verlauf verfolgt, Geburtsstillstand, das Kind wird jetzt geholt! 🤣Wir lachten alle zusammen.

Endlich! Nach guten 40 Stunden größtenteils krampfartigen, aber völlig unproduktiven Wehen, davon 28 im Kreißsaal, wurde ich für die OP fertig gemacht, mir wurde ein Bonding-Top angezogen. Als der Wehentropf weg war, ging es mir sofort viel besser, da war keine Angst, nur noch Erleichterung und Vorfreude. Das OP-Team war freundlich und sorgte für eine lockere Atmosphäre. Dann ging es auch schon los. Ich merkte zwar, dass mir am Bauch herumgewerkelt wurde, es war aber nicht unangenehm. Mein Mann saß am Kopfende. Wir hörten plötzlich einen Schrei, um 2.14 Uhr, also inzwischen am errechneten ET, war sie endlich da! Unser wunderschönes Mädchen!🥰🥰🥰 Sie wurde kurz meinen Mann gezeigt und mir unter das Top gesteckt, während ich weiter versorgt wurde. Es war großartig! Sehr emotional!

Die Kleine war zwar tatsächlich sehr klein und leicht, aber topfit.

Bei der OP stellten die Ärzte fest, dass sie sich vermutlich recht früh unter der Geburt in einem ganz ungünstigen Winkel in mein Becken gedreht hatte und es deshalb nicht voranging, obwohl sie so einen kleinen Kopfumfang hatte. Sie steckte einfach fest und wäre so nie herausgekommen. Es war aber von außen nicht zu erkennen.
Auch dass ich so verkrampft war und schnell starke Schmerzmittel verlangte, hing wohl damit zusammen.
Dass Hebammen so lange wie möglich an einer natürlichen Geburt festhalten, ist grundsätzlich richtig.

Ich fühlte mich die ganze Zeit gut aufgehoben und trotz allem war es immer noch auszuhalten, es ergab sich ein Schritt nach dem anderen. Irgendwie waren es auch gemütliche Stunden mit meinem Mann und uns hat diese Erfahrung näher zusammen gebracht.

Wir durften noch ein paar Stunden in den Kreißsaal, die Kleine wurde angelegt und trank gut. Wir schliefen und kuschelten etwas. Dann kam ich auf Station und mein Mann musste erstmal nach Hause. Schade, dass er nur eine Stunde am Tag kommen durfte.
Am übernächsten Morgen durfte ich aufstehen, das ging mit Ibus problemlos. Bin gleich Zähneputzen und Duschen. Nach 4 Nächten wurden wir entlassen, aber nur weil über ein Feiertagswochenende alles länger dauerte. Ich bin ein paar Tage später schon lange spazieren gegangen. Ich hatte überhaupt keine Probleme mit dem Kaiserschnitt, nichts daran war irgendwie schlimm oder so schmerzhaft und unangenehm wie diese krampfartigen Wehen.

Warum ich es trotz allem positiv erlebt habe? Mein Mann und das Personal im Kreißsaal und OP waren toll und unterstützend.
Ich hatte nie das Gefühl eines Kontrollverlusts. Mein Kind war noch nicht in Gefahr.
Aber ich musste auch nachdrücklich werden, die Hebammen nerven, bis ich bekam, was ich wollte, ich glaube die haben meine Schmerzen und Gefühle zunächst nicht so ganz ernst genommen, ich bin aktiv für mich eingestanden.
Und der Kaiserschnitt war auch/fast meine Entscheidung.
Es gab einige lustige Momente.
Ich wollte zwar eine natürliche Geburt, aber bin da eher der pragmatische als romantische Typ und mit einem wissenschaftlichen Hintergrund offen gewesen für medizinische Interventionen.

Fazit: auch eine lange Geburt mit ungeplantem Kaiserschnitt kann wunderschön sein und ein Kaiserschnitt muss keine Probleme machen.

Die Kleine ist immer noch klein, aber entwickelt sich prächtig und lernt gerade Krabbeln.🥰🥰🥰

1

🥰🥰🥰

2

Huhu, nochmal alles Gute nachträglich 😊 wie schwer und groß war die kleine? Bei uns heißt es zur Zeit auch, sehr sehr zierlich und klein, aktuell 29 ssw und 1200g.

3

Hallo Steffi, danke. ;-),

sie wurde in der 32. SSW auf 1600g geschätzt in der Feindiagnostik. Das ist der vergleichbarste Wert, den ich habe.

Sie kam dann am ET mit 2810g und 49cm.

Ich musste deshalb mehrmals zur Feindiagnostik und hatte zusätzliche Dopplersonographien, aber der Verdacht, dass etwas mit der Versorgung/der Plazenta nicht stimmt, hat sich nie bestätigt. Auch sonst war alles immer unauffällig. Sie ist wohl einfach nur klein und zierlich, wie ich auch.

Ich habe mich gesund ernährt, nie geraucht und schwanger kein Koffein konsumiert, daran konnte es auch nicht liegen.

Also, hoffentlich ist es bei dir ähnlich, es kann alles in Ordnung sein. Ich wünsche euch alles Gute!

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Vielen lieben Dank für deine Antwort 😊

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So ein schöner Bericht 🌻das macht mir Mut für die 2. Geburt
Ich dachte damals ich bin offen für alles und als es dann zum ks kam war ich völlig panisch und fertig 😳 ich hoffe ich kann diesmal mit einer so tollen und entspannten Einstellung in die Geburt gehen wie du🌻

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Danke 😊, alles Liebe für deine zweite Geburt, bestimmt wird sie wunderschön!