Zu viel durchgemacht?

Hallo!

Zur Zeit sieht es in der Beziehung zwischen meinem Mann und mir nicht so rosig aus. Wir kennen uns jetzt seit fast neun Jahren, unsere Große ist drei Jahre alt, verheiratet sind wir seit eineinhalb Jahren und jetzt bin ich wieder schwanger.

In den ersten Jahren hat alles wunderbar funktioniert. Ich war ja erst 15 und von daher und weil wir beide gearbeitet haben haben wir uns überwiegend am Wochenende gesehen. Mit 18 bin ich dann in seine Nähe gezogen, hatte aber eine eigene Wohnung. Später zogen wir dann zusammen und ich wurde schwanger. Eigentlich war alles perfekt. Aber seit meiner ersten SS gehts irgendwie bergab, obwohl wir uns beide Mühe geben. Ich habe sogar gehadert zu heiraten, weil er null Interesse an meiner SS gezeigt hat und meine Vorstellungen von der Geburt und unserer Familie in der Zukunft ihm egal waren.

Obwohl ich ihm viel erzählt habe, was ich mir bei der Geburt unserer Tochter gut vorstellen könnte, ihm Bücher über die Entwicklung gezeigt und ihn mit ins KH zur Kreißsaal-Besichtigung nehmen wollte, gingen die Monate spurlos an ihm vorrüber und die Geburt war ein einziger Horror für mich, woran ich ihm einen Großteil de Schuld gebe. Ich habe getan was ich konnte, er hat mir aber nur die Ohren vollgejammert wie müde er sei, statt mal der Hebamme in den Arsch zu treten, die gelesen hat, statt sich um mich zu kümmern - ich war die einzige Gebärende. Dann hat nichts mehr gepasst, mein Kind lag falsch und das Fruchtwasser war grün. Die Hebamme hat nichts gemacht, die ganze Nacht lang noch nicht mal ein CTG - Ich danke Gott dafür, dass trotz Null Kontrolle meine Tochter lebt. Direkt nach der Geburt wurde mir mein Kind weggenommen, ich habe sie weder gesehen, gespürt, gehört. Sie war einfach weg. ich glaube, darunter hat meine Beziehung zu ihr sehr gelitten, auch heute noch. Und er ist schuld. Er hätte was machen können. Aber er hatte alles, was ein Papa sich wünschen kann: Er durfte die Nabelschnur durchschneiden, er durfte sie sehen und war sogar der erste, der sie halten durfte. Ich hatte die Mühe und die Schmerzen und keine Belohnung dafür.

Später sind wir dann umgezogen, für seine Arbeit. Ich lebe jetzt weit weg von meiner Familie und sämtlichen Freunden, habe fast nur noch telefonischen Kontakt. Ich habe so viel für ihn gemacht, alles kann ich jetzt gar nicht aufzählen, von finanzieller Unterstützung zwecks Umzug usw gar nicht zu Reden.

Manchmal denke ich, ich bin glücklich.

Manchmal denke ich, besser hätte ich ihn nie kennengelernt.

Jetzt bin ich wieder schwanger, und ich habe Angst, dass er wieder nicht da sein wird. dass mir wieder einfach mein Kind weggenommen wird und mir nicht geholfen wird. Bis jetzt gibt er sich Mühe, weil ich lange Zeit Depressionen hatte, und er scheibar gecheckt hat, wie ich unter ihm gelitten habe. Aber der Elan wird nachlassen, und außer ihm habe ich niemanden seit dem Umzug. Die Schwangerschaft (die momentan leider nicht unproblematisch ist) und die Geburt sind im Moment meine größten Sorgen.

Ich gebe mir Mühe, mit ihm und dem Nachwuchs ein glückliches Familienleben zu führen. Aber noch heute habe ich depressive Phasen, wo ich ihm viel vorwerfe, wo er für mich hätte da sein müssen und es nicht war. Im Gegenzug war ich für ihn immer da. Ich bin sehr nachtragend und einige Dinge bin ich einfach nicht in der Lage zu verzeihen. Ich frage mich aber, wie es weitergehen soll. Wie soll ich mit einem Mann leben, der nicht da ist, oder nur bei heiter Sonnenschein? Zu einer Beziehung gehört doch mehr, oder sehe ich das falsch? Was soll ich machen? Mit einigen Erlebnissen, die ich ihm zu verdanke habe, kann ich einfach nicht abschließen.

Danke!

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Hallo Sabine!

Also ich denke, du hast schon sehr nachvollziehbare Ansprüche an deinen Mann, denen er scheinbar nicht im geringsten gerecht wird!
Während der Geburt festzustellen, dass du dich nicht auf ihn verlassen kannst, ist sicherlich sehr schlimm gewesen - Respekt, dass du das alleine geschafft hast!!!
Was mich wundert ist, dass du manchmal glaubst, glücklich zu sein... wie denn bitte das? Ihr habt euren Konflikt ja nie bewältigt, er hat sich scheinbar auch nicht geändert. Ist doch klar, dass du angst hast, alles wiederholt sich! Und auch deine Vorwürfe, die du ihm machst kommen nicht von ungefähr! Machst du sie ihm denn auch oder schimpfst du so nur in Gedanken? Ich denke, du ziehst dich eher zurück und es kommt zu einer Vermeidung des Konflikts. Ohne Reden und klare Worte wird es aber niemals besser. Das ist ein großes Stück Arbeit, für das ihr beide bereit sein müsst. An deiner Stelle würde ich mir Hilfe in Form eines Therapeuten holen (nur als gut gemeinter Rat).
Ich habe den Eindruck, du machst dich sehr abhängig von ihm (tust alles für ihn, bekommst aber nichts zurück). Das tust du freiwillig, schon seit Jahren. Ist er deine erste große Liebe?
Was ich aber auch wirklich denke ist, dass du defintiv die stärkere von euch beiden bist. Wieviel Kraft du in eure Beziehung steckst, damit es funktioniert... im Prinzip hast du Kraft für zwei! Aber damit übernimmst du viel mehr Verantwortung, alle Last liegt auf deinen Schultern - das ist nicht richtig. Mit dieser Kraft kannst du sinnvoller umgehen, für dich und deine ja bald 2 Kinder. Gerade als depressiver Mensch ist es wichtig, sich abzugrenzen, so schwer es auch fällt. Diese Dauerbelastung macht einen nur kaputt!
Ich hoffe, ich bin dir mit meinen Worten nicht zu nahe getreten, falls doch, tut es mir leid!

Liebe Grüße, Saskia

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Oh, mir ist grade noch was eingefallen: du schreibst "Später zogen wir dann zusammen und ich wurde schwanger. Eigentlich war alles perfekt.".... Und uneigentlich? War vielleicht doch nicht alles perfekt? Wo waren denn die Schwierigkeiten?

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Hallo Saskia und danke für deine Antwort!

Du fragst, warum ich manchmal glücklich bin. Das liegt daran, dass ich eigentlich alles habe, was ich mir wünschen kann: Ich habe eine Arbeit, die mir Spaß macht, eine angemessene Wohnung, mein Mann arbeitet viel, um den Lebensunterhalt zu finanzieren, meine Tochter ist ein Engel, wie man ihn sich nur wünschen kann... Wir könnten ein glückliches Leben haben.

Dagegen stehen aber die Erfahrungen, die ich mit meinem Mann gemacht habe, sobald ich ihn gebraucht habe: Er hat mich bei der geburt meiner Tochter im Stich gelassen, mich nach der AS behandelt, als wenn nichts gewesen wäre , ich bin für ihn umgezogen und habe nie ein Dankeschön dafür bekommen, obwohl mir meine Familie wichtig ist.

Andererseits ist er ein Mann, der mir selbst im Hochsommer eine Wärmflasche macht, wenn mir kalt ist, dann, wenn ich arbeite und er frei hat den Haushalt macht und an Dinge denkt, die ich vergessen würde.

Das "eigentlich" vor der Geburt meiner tochter beruht darauf, dass wir uns überwiegend am Wochenende gesehen haben und auch wie wir zusammengezogen waren viel unternommen haben. Das ist besonders seit dem Umzug eingeschlafen, denn jetzt haben wir keine Oma mehr, zu der wir einfach gehen können um zu sagen: Nimm mal, wir gehen ins Kino und dann was essen...

Vielleicht ist eine Paarberatung wirklich das beste, ich mach mich auf der Stelle mal schlau.

Danke für die Mühe, die du dir mit mir und meiner Familie gegeben hast!

#herzlich Sabine

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Liebe Sabine,

wenn ich Ihre Angaben richtig berechnet habe, dann waren Sie bereits sechs Jahre mit Ihrem heutigen Mann zusammen, als Sie das erste Mal schwanger geworden sind. Den Beginn Ihrer Schwierigkeiten geben Sie zu diesem Zeitpunkt an. Das heißt dann auch, dass die ersten sechs Jahre harmonisch verlaufen sind?
In diesem Falle muss damals irgendetwas passiert sein, was bisher noch immer nicht verarbeitet ist.
Sie bezeichnen sich selbst als "nachtragend". Nachtragend ist jeder, wenn es etwas gibt, was ihm gewissermaßen wie ein Stachel in der Seele sitzt.
Sie können sich deshalb auch unermüdlich darum bemühen, ein harmonisches Familienleben herzustellen - das Unverarbeitete wird sich immer wieder dazwischen stellen.
Wenn Sie meine bisherigen Antworten gelesen haben, dann wissen Sie bereits schon, was mit den Dingen passiert, die unter den Teppich geschoben werden. Man stolpert immer wieder darüber.
Mit den Schuldzuweisungen Ihrem Mann gegenüber wird alles nur noch schlimmer. Er wird sich, wenn es ihm zuviel wird, von Ihnen zurückziehen. Sie befinden sich offensichtlich bereits in einer Abwärtsspirale. Auch Ihre Depressionen sind ein Zeichen dafür, dass bei Ihnen etwas geheilt werden will.
Deshalb wäre es wichtig, dass Sie die damaligen Ereignisse, die Ihre Beziehung scheinbar aus dem Lot gebracht haben, im Nachhinein verarbeiten. Das kann mit Hilfe einer Paarberatung geschehen.

Ich wünsche Ihnen alles Gute,

Barbara Kiesling