Frage an die Sternenmamis

Liebe Sternenmamis,
eine liebe Freundin hat vor kurzem ihr Kind in der 22. SSW still geboren. Ich bin geschockt und möchte sie so gerne unterstützen. Aus den bisherigen Beiträgen habe ich entnommen, dass Karten und kleine Geschenke zum Gedenken an den Geburts- und Todestag gerne willkommen wären.
Nun hat meine Freundin aber schon mehrfach geäußert, dass sie eigentlich am liebsten ein neues Kapitel aufschlagen möchte und lieber nicht daran erinnert werden möchte, welchen Platz ihre kleine Tochter in ihrem Leben eingenommen hätte. Sie möchte ihr Kind als ungeborenes Leben in Erinnerung behalten, aber nicht als den Menschen erinnern, der sie hätte werden können, möchte keine Bilder aufstellen, kein Album anlegen...
Sie ist überhaupt nicht hartherzig! Ich denke nur, dass es für sie momentan der beste Weg ist, mit ihrer Trauer umzugehen.

Meine Frage an euch ist: kennt ihr solche Phasen bzw. habt ihr selbst eher diesen Weg des Trauern gewählt? Und was hättet ihr euch (vielleicht auch im Nachhinein) von eurer Umwelt gewünscht?
Auf der einen Seite kommt es mir falsch vor, sich als (nahestehender) Außenstehender so zu verhalten, als hätte das Kind nie existiert. Ich würde so gerne ein kleines Kuscheltier und einen Brief zur Beerdigung schicken! Auf der anderen Seite möchte ich natürlich ihre Wünsche respektieren und ihren Schmerz nicht noch verstärken.
Habt ihr Tips?

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Hallo, bei mir war es ähnlich. Ich wollte es erstmal verdrängen um die ganze Trauer nicht zulassen zu müssen. Am besten auch nicht darüber reden, einfach weiter machen. Ich hätte mir gewünscht das mich jemand ablenkt, raus holt sozusagen. Mitleid empfand ich unerträglich, ich wollte normal behandelt werden.

Iwan kam bei mir die Wende und ich war bereit darüber zu reden. Ich bin noch traurig aber es erschlägt mich nicht mehr. Natürlich kann ich nur von mir reden, vllt ist es bei euch ganz anders.

Ich denke da musst du mit viel Gefühl ran. Vllt ist es jetzt noch zu früh für ein Kuscheltier. Man könnte vllt eine Box machen und ihr geben mit der Info das sie die erst auf machen soll wenn sie soweit ist.

Ganz liebe Grüße.

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Hi,
es tut mir sehr leid für deine Freundin.
Prinzipiell ist es richtig, ihre momentane Gefühlslage anzunehmen und sie zu unterstützen. Du kannst ihr zunächst den Gefallen tun und für Ablenkung sorgen. Lass sie aber wissen, dass du für sie da bist, wenn sie über ihr Baby reden möchte.
Ich würde dir empfehlen, kleine Erinnerungen aufzuheben, z.B. das genannte Kuscheltier, Ultraschallbilder, Bauchfotos, Mutterpass usw. Sehr gute Freunde von uns haben einen Stern nach unserer Tochter benannt (kann man online machen). Vielleicht wäre das auch eine Idee für dich.
Denn ich denke, dass deine Freundin sich irgendwann umentscheiden wird, weil sich ihre Trauer wandelt. Es kann etwas dauern, vlt bis zum eigentlichen Entbindungstermin, vlt. bis zum ersten Geburtstag oder auch bis zur nächsten Schwangerschaft. Dann bist du aber vorbereitet und kannst weiterhin für sie da sein. Schreib den Brief trotzdem und heb ihn auf. Du kannst auch mehrere schreiben bis zu dem Zeitpunkt, an dem deine Freundin bereit ist.
Alles Gute🍀

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Meine Tochter kam vor 3 Wochen in SSW41 still zur Welt - völlig unerwartet (und ohne offensichtlichen Grund, die Obduktionsergebnisse stehen noch aus). Als wir ins KH sind, sind wir fest davon ausgegangen, mit Kind im Arm heimzufahren.

Bei mir ist alles noch recht frisch, was ich aber sagen kann: die Trauerphasen sind bei mir wild durcheinandergewürfelt. Ganz realisiert habe ich wohl noch nicht alles, dann mischt sich diese schreckliche Leere (gut, ich hatte eine 16h Geburt mit fast 4kg Kind - das ist entsprechend traumatisierend) mit Wut und Rastlosigkeit und vielen was-wäre-wenn-Fragen und gleichzeitig auch mit Dankbarkeit für z.B. das Klinikpersonal (die hätten nicht besser sein können bei mir!).

Ich bin auch richtig froh, dass wir in der Klinik schon Abschied genommen haben und dass wir die Kleine nicht "hier" hatten. Wäre sie nach einigen Tagen verstorben, hätte uns das tatsächlich wohl komplett und langfristig den Boden unter den Füssen weggerissen. Natürlich war bei uns alles bereit, Kinderzimmer aufgebaut etc. - die Leere auch in der Wohnung ist schrecklich ABER ich bin auch "froh", dass die Maus nie als "Mensch" sondern "nur" als Bauchbewohnerin hier war. Wir wollen auch nach allen Untersuchungen (hoffentlich schnell) wieder schwanger werden, wir haben noch kein Kind an der Hand und der Kinderwunsch ist riesig.

Ich werde wohl trotzdem ein Album anlegen - irgendwann, es liegt zusammen mit allen Ultaschallbildern etc. bereit, ich hatte mein "fertiges, grosses" Kind aber auch nach der Geburt im Arm - davon gibts auch 1.2 Bilder. Mehr will ich tatsächlich nicht:
Wir werden irgendwann das Album in der Familienkiste haben, wir haben das Grab und ich habe von Freundinnen einen "Gedenkstein" bekommen, der liegt im Wohnzimmer. Andere bauen ganze Altartische etc. auf, für mich wäre das auch nichts. Ich verstehe deine Freundin sehr gut und bin mir recht sicher, dass sich ihre Einstellung auch nicht ändern wird.

Frag sie doch, wie du helfen kannst. Ich werde z.B. mit meiner besten Freundin das Grab gemeinsam gestalten, will sonst aber nicht, dass Leute Karten etc. schicken, kann auch mit Beileidsbekundungen kaum umgehen. Meine Freundin wird einiges an Grünzeug nach meinen Wünschen organisieren, dafür habe ich aktuell keine Kraft. (Wenn die Leute einfach was kaufen, mag ich das gar nicht - es haben schon Unbekannte Deko aufs Kindergrab gelegt. Natürlich ist das nett gemeint und irgendwie auch schön, ich will das aber wirklich nicht (ungefragt)...).

Ich empfinde vieles als übergriffig - Karten, Grabdeko, Nachrichten etc. gerade in dieser Akutphase. Für mich ist Trauern ganz wichtig. Aber so wie ich will, in meinem Tempo und vor allem wann ich will. Durch "ungefragte Aktionen" reissen die Wunden sehr unkontrolliert immer wieder auf, zumindest bei mir. Ich kann selber entscheiden, ob die Kraft für einen Friedhofsbesuch reicht - bei Geschenken oder Karten im Briefkasten kann ich das nicht.

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Es tut mir sehr Leid für deine Freundin. Das ist teilweise einfach erstmal normal. Man kann in dem Moment mit dem Schmerz teilweise nicht richtig umgehen. Unterstützte sie in dem Du da bist. Lass sie wissen das sie sich immer bei Dir melden kann wenn sie was braucht.
Hebe Erinnerungen auf. Das Kuscheltier, die Karte die Du schreiben möchtest kannst Du ihr später geben, Ultraschallbilder, Mutterpass....bitte das Krankenhaus die Bilder in der Krankenakte aufzuheben wenn welche gemacht wurden.

Auch wenn es derzeit nicht so scheint, wird eines Tages der Tag kommen wo sie zu trauern anfängt. Sie wird dich dann brauchen. Nimm Dir ihr verhalten nicht zu Herzen/nicht persönlich. Ich weiß aus eigener Erfahrung das man in so einem Moment einfach funktioniert weil man damit teilweise nicht anders umgehen kann. Hab Geduld mit ihr.

Bei mir war es damals ähnlich. Ich habe auch erst später getrauert weil ich in einer Art Schockstarre war. Ich war immer froh wenn die Leute nicht nach dem Kind gefragt haben und auch nicht auf meinen Bauch gestarrt haben.

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Vielen lieben Dank für eure Einschätzungen und Ratschläge! Ihr habt mir nochmal die Augen geöffnet, dass gut gemeint nicht gut gemacht ist und dass allein zählt, was meiner Freundin jetzt guttut.
Ich finde die Idee mit der Erinnerungskiste sehr schön, werde sie aber vorerst bei mir aufbewahren. Ich habe mir (in Absprache mit ihr) jetzt die nächste Woche freigenommen, um sie bei den Formalitäten für die Beisetzung oder was eben sonst so anfällt zu unterstützen. Das scheint ihr im Moment wichtiger zu sein, als ausufernde Beileidsbekundungen.

Ganz vielen Dank nochmal! Eure Beiträge machen mich hoffnungsvoll, dass es einen Weg gibt, mit der Trauer umzugehen.

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Ich habe vor kurzem unsere 2. Tochter in der 21. Ssw still zur Welt gebracht und wäre über ein Geschenk/Andenken/etc. nicht erfreut gewesen. Eine Bekannte (keine Freundin) hat mich gefragt, ob sie den Namen des Kindes erfahren darf, um mir ein "personalisiertes" Geschenk zukommen zu lassen. Das hat mich einfach nur sprachlos gemacht...

Ich war tatsächlich kurz nach der Geburt so in der eigenen Trauer gefangen, dass ich es mit meinem Umfeld nicht thematisieren wollte und konnte. Das änderte sich jedoch schnell und nach 1-2 Wochen hätte ich gerne mit engen Freunden oder Familie darüber geredet. Leider möchte mein Umfeld (außer mein Mann und meine Mutter) nicht darüber sprechen.

Von meinen Freunden hätte ich mir nach der Geburt gewünscht, dass mich jemand direkt gefragt hätte: "Was brauchst du jetzt?" In den ersten Tagen wäre meine Antwort anders ausgefallen als in den nächsten Wochen/Monaten.

Insgesamt kann ich sagen, dass ich Geschenke nicht schön oder angemessen gefunden hätte. Aber eine Umarmung, ein Telefonat und die Frage "Was brauchst du?" hätte mir viel bedeutet.

Lg, babyelf