Kind mit Handicap wird von den Lehrern benachteiligt

Guten Abend,
Ich hätte da mal eine Frage: unser Sohn ist im Autismus-Spektrum an einer Gesamtschule, hatte bis einschließlich letztes Jahr gute bis sehr gute Noten. Vor einem Jahr kam die Diagnose Epilepsie hinzu, und seitdem ist alles viel viel schwieriger, allein schon wegen der Medikamente und deren Nebenwirkungen…
Nun entscheidet sich in diesem (10.) Schuljahr, wie es weitergeht. Das wird anhand der Noten in diesem Halbjahr festgemacht. Unser Sohn hatte in den letzten Monaten viel mit seiner neuen Epilepsieerkrankung zu kämpfen, hatte mehrere Termine am Klinikum. Die Noten sind (wahrscheinlich deswegen) nicht ganz so gut wie sonst, aber immer noch gut. Er stand in den wichtigsten Föchern zwischen den Noten. In jedem Fach bekommt er die schlechtere Zensur, und nun bekommt er keine Empfehlung für die gymnasiale Oberstufe - zum ersten Mal seit 5 Jahren. Die Lehrer hätten durchaus die Möglichkeit, die bessere Note zu geben, schon allein aus pädagogischen Gründen. Unsere wiederholte Bitte um ein Gespräch wurde ignoriert, es hieß die Noten stünden nicht zur Disposition… erst nach der Zeugnisvergabe haben wir einen Termin. Vermutlich wird man uns erklären, warum es - ganz knapp - nicht gereicht hat.
Das ist eine extrem gekürzte Version, darum kommt es in seiner Ungeheuerlichkeit vielleicht nicht so rüber, aber es ist echt so: unser Sohn war immer ein guter und netter Schüler, es ging ihm gesundheitlich letztens nicht gut, und statt Unterstützung zu bekommen wird er total im Stich gelassen. Es ist wirklich schlimm.
Meine Frage an Euch: was können wir tun, wenn die Sache eskaliert? Am liebsten würden wir ihn von der Schule nehmen - aber was dann?
Vielleicht hat ja jemand eine Idee, ich bin für jede Anregung dankbar!!
Liebe Grüße
Boxerin

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Hey!
Das klingt wirklich ziemlich mies.
Welche praktischen Folgen hat es denn, wenn er keine Empfehlung für die gymnasiale Oberstufe bekommt? Muss man sich bei euch daran halten? Gibt es noch andere Wege, das Abitur zu machen?
Ich kann verstehen, dass ihr euch gerade aufregt und im Stich gelassen fühlt. Aber ich denke, ich würde mich jetzt erstmal ganz konkret informieren, wie es weitergehen kann, wenn die Schule keine Empfehlung gibt. Denn offensichtlich siehst du deinen Sohn ja in der Oberstufe.

Wenn ihr euch unsicher seid, was die Alternativen zu dieser Schule sind (die sind in jedem Bundesland unterschiedlich!), könnt ihr euch auch an die Berufsberatung der Arbeitsagentur wenden. Für deinen Sohn müsste aufgrund der ASS und der Epilepsie das Reha-Team zuständig sein.

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Bekommt euer Sohn aufgrund der Epilepsie und der ASS einen Nachteilsausgleich? Der steht ihm ja zu und würde ich auch einfordern.

Mit wem habt ihr das Gespräch? Nur Klassenlehrer:in oder auch Fachlehrer:in? Wie sieht es mit Schulleitung aus? Ich würde da alle ins Boot holen.

Grundsätzlich hat dein Sohn ja die Möglichkeit, das Abitur auf der Berufsschule zu erlangen. Es gibt einige (leider sehr sehr wenige) Berufsschulen für Menschen mit ASS. Wenn du sagst, auf der Schule ist sowieso verbrannte Erde, würde ich es auf diesem Weg versuchen.
Trotzdem wäre mein erster Schritt, dass Gespräch zu suchen, wo ich auch nochmal deutlich mache würde, was das für einen Sohn bedeutet.

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Hi!
Vielen Dank für die Antworten! Werde ich beides auf jeden Fall verfolgen!
Was uns vor allem so stört ist die unglaubliche Ungerechtigkeit. Das Schlimme ist, dass unser Sohn total entmutigt und demotiviert ist - verständlicherweise!!
Das Gespräch wird mit der Schulleitung sein, die Klassenleitung war schlicht nicht interessiert…wir finden das menschlich auch so schlimm, ein doppelt chronisch krankes Kind wird auch noch benachteiligt, und das an einer IGS!!! Was sind das nur für Menschen…🥺
Wir haben uns auch über die rechtliche Seite informiert, aber da sitzen die Lehrer eigentlich immer am längeren Hebel. Wenn man sich keine groben Schnitzer leistet, darf man auf der Seele von Schwächeren nach Belieben rumtrampeln und man kann nichts tun👿…
Kann man eigentlich von einer IGS auf die andere wechseln? Das dauert wahrscheinlich alles… Ach, es ist so traurig🥺!!
Wir überlegen auch, das Schulamt einzuschalten, aber ob das was bringt? Eigentlich vertrauen wir - und noch schlimmer, unser Sohn - in der Hinsicht gar keinem mehr…
Ich wünsche Euch, dass Ihr so was nie erleben müsst, mir bricht es das Herz (sorry für den Pathos, ist schon spät…)
Boxerin

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Erkundige dich bitte beim Schulamt, ob es bei euch einen Autismusbeauftragten gibt. Vielleicht könnt ihr euch auch bei der Lebenshilfe beraten lassen. In Köln gibt es einen Verein für Inklusion an Schulen. Vielleicht können die euch weiterhelfen.
Ein Nachteilsausgleich steht deinem Sohn auf jeden Fall zu, ist aber Ermessenssache der Schule.
Es ist sehr Schade dass die Lehrer nicht gesprächsbereit sind.
Vg Basket

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Das mit den pädagogischen Gründen die eine oder andere Note zu geben, hat i.d.R. andere Hintergründe, nämlich das die Tendenz gespiegelt werden soll. Ein Kind, dass sich z.B. in seinen Leistungen gesteigert hat und trotzdem zwischen zwei Noten steht, wird oft die bessere Note bekommen um der Tendenz Rechnung zu tragen. Aus dem gleichen Grund wird ein Kind, dass sich verschlechtert hat, eher die schlechtere Note bekommen. Natürlich bleibt trotzdem noch Spielraum für den Lehrer, aber der muss verdammt gut begründet werden.

Du schreibst nicht, aus welchem Bundesland ihr kommt. In Niedersachsen ist es z.B. so, dass über die Zulassung zur gymnasialen Oberstufe der Realschulabschluss entscheidet. Und der steht erst mit dem Abschlusszeugnis (und der vorangegangenen Prüfung) fest.

Grüsse
BiDi

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Ja, und genau deswegen ist aktuell nichts verloren.

Wobei mir die Geschichte unglaubwürdig vorkommt: ich kenne keine Schulleitung, die ihre Angestellten nicht zusammenpfeift und zum Elterngespräch verdonnert, sondern es anstandslos selbst übernimmt. Mir schwant, dass irgendwelche entscheidenden Sachen nicht erwähnt wurden.

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Liebe Mama,
Leider ist genau das bei uns der Fall… wir verstehen auch nicht, was da vor sich geht…
Ich wüsste nicht, welche entscheidenden Sachen das wären, klar, so in der Kurzversion fehlt vielleicht was, aber sicher nicht mit Absicht…
Ich bin ganz einfach froh, dass wir unseren Sohn (hoffe ich) ganz gut auffangen können bei der ganzen Sache. Beim Gedanken dass es Kinder gibt, die in so einer Situation alleine dastehen wird mir schlecht…😔

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Die Lehrer kennen deinen Sohn, er hat Fehlzeiten, die Noten sind ein Beleg seiner Arbeiten, die er geleistet hat.
Meinst du wirklich, dass Ihr eurem Kind einen Gefallen tut, mit der gymnasialen Oberstufe. wieso geht er nicht auf die FOS, da reicht der mittlere Reife Abschluss.
Ist er jetzt gut eingestellt. Mit Epilepsie hat man doch sehr viele Schwierigkeiten im Beruf

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Kannst du mir bitte sagen, warum man mit einer Epilepsie sehr viele Schwierigkeiten im Beruf hat?
Immer diese Vorurteile! 70% aller Epileptiker sind dank Medikamente vollkommen anfallsfrei und leben ein normales Leben. Dazu gehört Arbeit auf dem 1. Arbeitsmarkt OHNE weitere Hilfen, eine Familie, Kinder, auch ein Führerschein.
Ja, Pilot darf man nicht werden, aber es gibt ja nun wirklich noch andere Berufe.

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Es gibt noch Einschränkungen im Bereich Maschinen bedienen etc.

Aber prinzipiell stimme ich dir zu, es gibt Einschränkungen, aber es gibt einige Möglichkeiten der Berufswahl.

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Wir sind in Hessen .
Mit der Tendenz: genau das ist es ja, er hat sich in jedem einzelnen Fach verbessert, sowohl mündlich als auch schriftlich! Deswegen ist es ja so fatal, weil ihm quasi gespiegelt wird dass es überhaupt nix bringt sich anzustrengen…
Ich erkundige mich auf jeden Fall mal beim Schulamt. Die Vorstellung, ihn das 2. Halbjahr dort hinzuschicken ist nur fürchterlich. Die scheinen ja tun zu können was sie wollen und ihm theoretisch auch die Abschlussnote schlecht machen wenn sie dazu Lust haben👿. Am liebsten würden wir ihn zumindest auf eine andere Schule bzw IGS schicken, aber ich glaub das ist nicht so einfach, oder?
Vielen lieben Dank fürs Antworten!

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Aber Du schreibst doch oben, er habe sich im letzten Halbjahr verschlechtert...
Ich habe mal gegoogelt: Auch in Hessen scheint es so zu sein, das erst der schlussendliche Realschulabschluss darüber entscheidet, ob Schüler sich für die gymnasiale Oberstufe qualifizieren. Und das zu diesem Realschulabschluss auch Prüfungen in 3 Fächern, sowie eine Hausarbeit gehören. Damit hat Dein Sohn doch noch alle Chancen.
Zu unterstellen, die Lehrer würden die Noten nach 'Lust' verteilen, finde ich starken Tobak vor dem Hintergrund, dass Dein Sohn für dieses Halbjahreszeugnis tatsächlich überall zwischen zwei Noten stand.
Sie haben ihm halt die schlechtere gegeben. Das ist ärgerlich, vielleicht auch ungerecht, aber kein Grund irgendwo eine Verschwörung zu wittern.

Und nein, ich denke nicht, dass Du Deinen Sohn so kurzfristig noch auf einer anderen Schule unterbringen kannst. Ich denke auch nicht, dass Du Deinem Sohn damit einen Gefallen tätest. Andere Lehrer, andere Schüler, anderer Unterricht - das führt kurzfristig eher zu einer Verschlechterung der Leistungen. Und das so kurz vor dem Abschlusszeugnis wäre doch wirklich fatal.

Grüsse
BiDi

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Hallo,
doch, du darfst dein Kind in eine andere IGS schicken, FALLS es denn eine gibt. Das ist sehr kurzfristig möglich.
Aber gerade bei Autismus ist das wohl eher eine Entscheidung, die extrem gut überlegt sein will. Dein Kind wird Zeit brauchen, um sich an der neuen Schule zurechtzufinden. Sämtliche Hilfen, Nachteilsausgleiche oder Teilhabeassistenz sind auf die andere Schule bezogen. Das muss alles neu beantragt und genehmigt werden. Dazu kommt: Hast du schon einmal EINE Schule erlebt, die perfekt war?

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Ist kompliziert alles -mit verschlechtert meinte ich, dass er die schlechtere Note gekriegt hat. Zb. Physik erste Arbeit :2, zweite Arbeit:1, mündlich: 1-. Im Zeugnis steht dann 2. Oder Mathe: erste Arbeit:4, zweite Arbeit war er krank und es wurde ihm kein Termin zum Nachschreiben gegeben, er hatte also keine Chance das auszugleichen. Mündlich: 3, letzte eingereichte Leistung war ein Lernplan mit Note 1. Im Zeugnis steht die 4. Und so geht es überall weiter…
Er wird nach diesem Jahr ohnehin erstmal ein Sprachenjahr oder so was machen. Wir finden ja auch, dass das alles sonst zu viel wird. Aber ohne die Empfehlung nimmt man ihm von Vornherein die Option.
Stummt zwar dass man sich am Ende der 10 bewerben kann, aber die meisten Bewerbungen laufen schulintern ab, d.h. die Schule schickt das Halbjahreszeugnis plus Empfehlung an die Schule der Wahl. Am Schuljahresende sind die meisten Plätze dann weg. Dann kann man nur noch Klinkenputzen gehen…

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Hallo

Physik passt doch mit der 2. Du kannst es recht gut mit Punken ausrechnen. 1 sind 14 Punkte, 1- sind 13 Punkte und 2 sind 11 Punkte. Zusammen sind es 38 Punkte durch 3 sind 12.6 also klar eine 2+, ebenso in Mathe das sind dann auch bei beiden Noten 6 Punkte und eine klare 4+

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Tragemama hat Recht:
Die Noten aus Deinen Beispielen gehen schon klar. Ich weiss nun nicht was ein 'Lernplan' im Zusammenhang mit eingereichten Leistungen ist, aber da der nicht zu den schriftlichen Leistungen gerechnet wird, zählt er vermutlich zu den mündlichen, ist also in der '3' enthalten. Und da in Mathe die schriftlichen Leistungen mit 60% in die Gesamtnote eingehen, ist die 4 durchaus ok.

Sowas wie einen 'Mitleidsbonus' gibt es in den Abschlussjahrgängen genauso wenig wie in der gymnasialen Oberstufe. Das muss Euch klar sein, wenn Du den Weg Deines Sohnes dort siehst. Und wenn Dein Sohn sowieso erstmal ein Jahr Auszeit nehmen will, ist die Empfehlung der Schule zum Halbjahreszeugnis doch eh egal. 'Klinkenputzen' müsst Ihr im übernächsten Schuljahr dann sowieso. Konzentriert Euch doch lieber darauf, das er im nächsten Halbjahr noch 'ne Runde 'reinhaut und den qualifizierten Realschulabschluss erreicht.

Grüsse
BiDi

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Das tut mir wirklich leid für deinen Sohn. Ich kann auch verstehen, dass du die Entscheidungen als ungerecht empfindest.

Hat er einen Nachteilsausgleich?

Auf der Website des hessischen Kultusministeriums befinden sich auch Kontaktdaten der zuständigen Autismusbeauftragten (in der Suchmaschine "Autismusbeauftragte" und "Kultusministerium Hessen" eingeben). Die wären für euer Anliegen Ansprechpartner.

Hut ab vor deinem Sohn, dass er sich bisher so gut durchgeboxt hat!

Ich wünsche euch alles Gute!

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Hi!
Dass das rein rechnerisch vertretbar ist, ist schon klar. Insbesondere diese Schule betont aber immer, dass sie die Schüler nicht nur nach punktuellen Leistungen, sondern als Person insgesamt sehen. Jedes der vergangenen Zeugnisse war so, dass er die Empfehlung bekommen hätte. In diesem gehen die Noten knapp vorbei, und eine Freundin, die selbst Lehrerin am Gymnasium ist, meinte auch, dass genau in solchen Fällen der pädagogische Spielraum greift. Er soll ja gar nichts geschenkt bekommen, in jedem Fach liesse sich die bessere Note problemlos begründen. Und es würde ja schon ausreichen, ihm nur in einem einzigen (!) Fach die bessere Note zu geben.
Es ist ausserdem offensichtlich, dass die Note in Mathe - die anderen sind ja sogar stabil geblieben - kurz nach dem Auftreten der Epilepsie vor etwas über einem Jahr nach unten ging. Auch das ist eigentlich eine ganz tolle Leistung seinerseits, weil er seitdem Medis nehmen muss, die ihn ziemlich müde und teilweise jnkonzentriert machen und sein Leben ziemlich auf den Kopf gestellt wurde dadurch. Das alles findet null Berücksichtigung.
Wie kann es denn sein, dass ein Kind 4 Jahre lang ein guter und problemloser Schüler ist, dann krank wird und keinerlei Unterstützung bekommt, noch dazu an einer Schule, die nach eigenen Angaben großen Wert auf Inklusion legt…😳